In den letzten Jahren hat die Diskussion um eine ausreichende Berücksichtigung
von Gesundheitsschutzbelangen im Welthandel erheblich an Bedeutung
gewonnen. Neben dem Streit um hormonell behandeltes US-Rindfleisch1 und
dem europäischen Einfuhrverbot für asbesthaltige Baustoffe2, ist insbesondere
die Kontroverse um die Herstellung patentgeschützter Arzneimittel in den
Entwicklungsländern Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen geworden.
3 Den pharmazeutischen Unternehmen in den Industrienationen wird vorgeworfen,
mit den von ihnen gehaltenen Patenten, einen großen finanziellen
Profit zu erzielen, der in den Entwicklungsländern aber auf Kosten vieler Menschenleben
gehe.
Im Rahmen der Uruguay-Runde 1986-1994 wurden neben der Gründung der
WTO verschiedene Handelsabkommen geschlossen, zu denen das Übereinkommen
über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums
(TRIPS-Abkommen)4 gehört, welches Einfluss auf die Arzneimittelversorgung
in den Entwicklungsländern hat. Neben den Liberalisierungsgrundsätzen enthält
es auch Ausnahmeregelungen für den Gesundheitsschutz, deren Anwendung
und Umfang allerdings zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern
heftig umstritten sind.
1 EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), complaint by the
United States, Report of the Panel, in: DSR 1998:III, S. 699 ff.; EC – Hormones (CAN),
in: DSR 1998:II, S. 238 ff.; EC – Hormones, Report of the Appellate Body, in: DSR
1998:I, S. 135 ff.; hierzu Sander, Gesundheitsschutz in der WTO – eine neue Bedeutung
des Codex Alimentarius im Lebensmittelrecht?, in: ZEuS 2000, S. 335 ff.
2 EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, Report of
the Panel, WT/DS135/R vom 18. September 2000; EC – Measures Affecting Asbestos
and Asbestos-Containing Products, Report of the Appellate Body, WT/DS135/AB/R
vom 12. März 2001; hierzu Gramlich, Das französische Asbestverbot vor der WTO
(Arbeitspapiere aus dem Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Halle-Wittenberg,
Heft 5), Halle/Saale 2002.
3 Siehe die öffentlichkeitswirksame Kampagne von Médecins Sans Frontieres, Campaign
for Access to Essential Medicines (http://www.accessmed-msf.org).
4 BGBl. 1994 II S. 1730.
Inhaltsverzeichnis
- A. Problemlage in den Entwicklungsländern
- I. Aufbau einer Pharmaindustrie in den Entwicklungsländern am Beispiel Indiens
- II. Unterversorgung mit Arzneimitteln am Beispiel von HIV/AIDS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beleuchtet die Problematik der Arzneimittelversorgung in Entwicklungsländern im Kontext des TRIPS-Abkommens, welches im Rahmen der Uruguay-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) geschlossen wurde. Die Arbeit untersucht, inwieweit das Abkommen die Entwicklung einer eigenen Pharmaindustrie in Entwicklungsländern behindert und gleichzeitig zu einer Unterversorgung mit lebenswichtigen Medikamenten führt.
- Die Bedeutung des TRIPS-Abkommens für die Arzneimittelversorgung in Entwicklungsländern
- Die Herausforderungen für den Aufbau einer eigenen Pharmaindustrie in Entwicklungsländern
- Die Folgen der Unterversorgung mit Medikamenten, insbesondere im Zusammenhang mit HIV/AIDS
- Die Rolle von Zwangslizenzen und "orphan drugs" in der Debatte um die Arzneimittelversorgung
- Die Konflikte zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen im Bereich des Patentschutzes
Zusammenfassung der Kapitel
A. Problemlage in den Entwicklungsländern
I. Aufbau einer Pharmaindustrie in den Entwicklungsländern am Beispiel Indiens
Dieser Abschnitt behandelt die Rolle des nationalen Patentrechts bei der Entwicklung einer eigenen Pharmaindustrie in Entwicklungsländern am Beispiel Indiens. Es wird erläutert, wie die Nichtbeachtung von internationalen Patenten und die Produktion von Generika zu einer funktionsfähigen Pharmaproduktion geführt haben, die jedoch durch die Umsetzung des TRIPS-Abkommens gefährdet ist.
II. Unterversorgung mit Arzneimitteln am Beispiel von HIV/AIDS
Dieser Abschnitt fokussiert auf die Unterversorgung mit Arzneimitteln in Entwicklungsländern, besonders im Kontext von HIV/AIDS. Es wird dargelegt, dass die hohen Kosten für patentierte Medikamente in Entwicklungsländern nicht bezahlbar sind und wie die Regierungen nach Möglichkeiten suchen, Zugang zu billigen Imitaten zu erhalten. Der Fall Südafrikas und die Klage von Pharmaunternehmen gegen die Regierung wegen der Erteilung von Zwangslizenzen wird als Beispiel für die Konflikte im Bereich des Patentschutzes dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen Arzneimittelversorgung, Entwicklungsländer, TRIPS-Abkommen, Patentschutz, Generika, HIV/AIDS, Zwangslizenzen, "orphan drugs", Pharmaindustrie, Weltgesundheitsorganisation (WHO), internationale Handelsabkommen und die Bedeutung des Gesundheitsschutzes in der globalisierten Welt.
- Quote paper
- Dr. Gerald G. Sander (Author), 2004, Arzneimittelversorgung in den Entwicklungsländern und das TRIPS-Abkommen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/22806