Der Fall des Eisernen Vorhangs in den Jahren 1989 - 1991 bedeutete für die Staaten Mittel-und Osteuropas sowohl die Notwendigkeit zur innerstaatlichen Transformation als auch zu einer außenpolitischen Neuorientierung. Der Beitritt zur Europäischen Union ist für den Großteil der Polen die logische Konsequenz der Rückkehr nach Europa und der Reintegration in die politische, kulturelle und wirtschaftliche europäische Entwicklung nach den Jahrzehnten der künstlichen und gewaltsamen Teilung, die Wiederherstellung der Einheit Europas [vgl. Kreile, 1999, S. 802 und Schweda, 2003]. Man nahm in Osteuropa den Gründervater der Europäischen Gemeinschaft Robert Schuman beim Wort, der bereits 1963 die Aufnahme der Völker Osteuropas postulierte, sobald sie von der Sowjetherrschaft befreit seien. [vgl. Spiegel Nr. 50/02] Aus politischer Sicht dient die Eingliederung in den europäischen Staatenbund der Konsolidierung und Förderung des Transformationsprozesses zu einer westliche Demokratie. Die Beitrittsperspektive bietet dabei einen Orientierungsrahmen und ein Ziel, um nötige Reformen auf den Weg zu bringen und durchzusetzen [vgl. Glaab, 1999, S. 612]. Zudem leistet die EU ihrerseits Hilfestellungen organisatorischer und finanzieller Art, die den Beitrittskandidaten die Anpassung an die Standards der EU-Länder erleichtern, auf die im Laufe der Arbeit noch genauer eingegangen wird. Die Mitgliedschaft in der EU garantiert zudem politische Stabilität und ist gemeinsam mit der NATO - Mitgliedschaft besonders auch unter dem sicherheitspolitischen Aspekt erstrebenswert. Sie festigt die Westbindung und die Unabhängigkeit von russischer Einflussnahme [vgl. Hughes/Grabbe/Smith, 1999, S. 63 f]. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Wirkung, die ein Beitritt zur EU auf die Einschätzung Polens in der Weltöffentlichkeit hat: Die EU- Mitgliedschaft gilt als Garant nicht nur für politische und wirtschaftliche Stabilität, sondern auch für Rechtssicherheit, was die Attraktivität des Landes als Vertragspartner erhöht.
Das Fundament einer Demokratie sind mündige Bürger, die sich am dem okratischen Prozess aktiv beteiligen. Mit wachsendem Wohlstand steigen die Partizipations- und Repräsentationswünsche der Bürger. Treten also durch den Beitritt zur EU wirtschaftliche und soziale Fortschritte ein, so tragen diese zur Verbesserung der demokratischen Entwicklung Polens und zur Festigung des bisher Erreichten bei. [vgl. Macków, 1999, S. 17]
Inhalt
1 Gründe für den Beitrittswunsch Polens zur EU
1.1 Politische und ideelle Erwägungen
1.2 Wirtschaftliche Erwägungen
2 Der Beitrittsprozess
2.1 Europa-Abkommen
2.2 Das PHARE-Programm
2.3 Der Gipfel von Kopenhagen 1993 – Kopenhagener Kriterien
2.4 Der Essener Gipfel - Die „Heranführungsstrategie“
2.5 Die Gipfel von Madrid, Amsterdam und Luxemburg – Agenda 2000
2.6 Der Kopenhagener Gipfel von 2002
3 Anpassungsprobleme Polens
3.1 Landwirtschaftlicher Sektor
3.2 Verwaltung und Justiz
3.3 Transport und Verkehr
3.4 Privatisierung und Umweltschutz
3.5 Gesellschaft und Soziales
4 Akzeptanz des EU-Beitritts in der polnischen Gesellschaft
5 Ausblick
Literatur
1 Gründe für den Beitrittswunsch Polens zur EU
1.1 Politische und ideelle Erwägungen
Der Fall des Eisernen Vorhangs in den Jahren 1989 – 1991 bedeutete für die Staaten Mittel- und Osteuropas sowohl die Notwendigkeit zur innerstaatlichen Transformation als auch zu einer außenpolitischen Neuorientierung. Der Beitritt zur Europäischen Union ist für den Großteil der Polen die logische Konsequenz der Rückkehr nach Europa und der Reintegration in die politische, kulturelle und wirtschaftliche europäische Entwicklung nach den Jahrzehnten der künstlichen und gewaltsamen Teilung, die Wiederherstellung der Einheit Europas [vgl. Kreile, 1999, S. 802 und Schweda, 2003].
Man nahm in Osteuropa den Gründervater der Europäischen Gemeinschaft Robert Schuman beim Wort, der bereits 1963 die Aufnahme der Völker Osteuropas postulierte, sobald sie von der Sowjetherrschaft befreit seien. [vgl. Spiegel Nr. 50/02]
Aus politischer Sicht dient die Eingliederung in den europäischen Staatenbund der Konsolidierung und Förderung des Transformationsprozesses zu einer westliche Demokratie. Die Beitrittsperspektive bietet dabei einen Orientierungsrahmen und ein Ziel, um nötige Reformen auf den Weg zu bringen und durchzusetzen [vgl. Glaab, 1999, S. 612]. Zudem leistet die EU ihrerseits Hilfestellungen organisatorischer und finanzieller Art, die den Beitrittskandidaten die Anpassung an die Standards der EU-Länder erleichtern, auf die im Laufe der Arbeit noch genauer eingegangen wird. Die Mitgliedschaft in der EU garantiert zudem politische Stabilität und ist gemeinsam mit der NATO- Mitgliedschaft besonders auch unter dem sicherheitspolitischen Aspekt erstrebenswert. Sie festigt die Westbindung und die Unabhängigkeit von russischer Einflussnahme [vgl. Hughes/Grabbe/Smith, 1999, S. 63 f]. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Wirkung, die ein Beitritt zur EU auf die Einschätzung Polens in der Weltöffentlichkeit hat: Die EU- Mitgliedschaft gilt als Garant nicht nur für politische und wirtschaftliche Stabilität, sondern auch für Rechtssicherheit, was die Attraktivität des Landes als Vertragspartner erhöht.
Das Fundament einer Demokratie sind mündige Bürger, die sich am demokratischen Prozess aktiv beteiligen. Mit wachsendem Wohlstand steigen die Partizipations- und Repräsentationswünsche der Bürger. Treten also durch den Beitritt zur EU wirtschaftliche und soziale Fortschritte ein, so tragen diese zur Verbesserung der demokratischen Entwicklung Polens und zur Festigung des bisher Erreichten bei. [vgl. Maćków, 1999, S. 17]
1.2 Wirtschaftliche Erwägungen
Die wirtschaftlichen Vorteile, die eine EU-Mitgliedschaft für Polen mit sich bringt, werden von den Regierenden als zweitrangig gegenüber den politischen Motiven bezeichnet [vgl. Hughes/Grabbe/Smith, 1999, S. 63 f], dennoch erhofft sich der Großteil der polnischen Bevölkerung von der EU-Mitgliedschaft besonders eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, die Erhöhung des Lebensstandards und finanzielle Hilfen aus den Fonds der EU. [vgl. Ochmann, 1999, S. 230] Für einen wirtschaftlichen Aufschwung in den postkommunistischen Ländern genügt nicht allein die Abkehr von der Planwirtschaft und die Einführung der Marktwirtschaft. Die wirtschaftliche Prosperität eines Landes hängt in der heutigen Zeit zu großen Teilen von seiner Fähigkeit ab, am Globalisierungsprozess teilzunehmen. Um diese zu erlangen, bzw. zu verbessern sind die verschiedensten Maßnahmen zu ergreifen, im Falle Polens bedeutet das: Öffnung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes, Privatisierung der restlichen staatlich unterstützten Branchen und Unternehmen, Rechtssicherheit, Bekämpfung von Korruption, effiziente Verwaltungsstrukturen und Institutionen, Verbesserung der Infrastruktur, Wettbewerbsfähigkeit, geringe Inflationsrate, wirtschaftliche und politische Stabilität. Eine EU-Mitgliedschaft bedeutet einen großen Schritt hin zur Eingliederung in den globalen Markt. Sie erleichtert den Handel mit den anderen Mitgliedsländern durch das Wegfallen von Zöllen, Einfuhrbestimmungen, bürokratischen Hürden und rechtlichen Problemen, der Personenverkehr und die Arbeitsplatzwahl werden unkomplizierter. Zudem kommt Polen durch den Beitritt in den Genuss von EU-Strukturhilfen, welche die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Interessant ist für Polen auch die Tatsache, dass ein EU-Beitritt das Land attraktiver für ausländische Investoren macht, für welche die EU-Mitgliedschaft ein Garant für Stabilität und Rechtssicherheit darstellt [vgl. Kreile, 1999, S. 809]. Vor allem aber erhofft man sich durch die engeren und einfacheren wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern einen Motor für einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung des eigenen Landes, der Polen letztlich nicht nur in politischer, gesellschaftlicher und rechtlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht den anderen EU-Ländern gleichstellt. Schließlich ist man nicht gewillt, als Mitglied zweiter Klasse, quasi als Bittsteller, nach Brüssel zu gehen, sondern will als vollwertiges Mitglied gelten.[vgl. Juchler, 1999, S. 486] Selbstverständlich, ist man sich bewusst, dass dieser Weg ein langer und dorniger sein wird, der besonders in der Angleichungsphase unpopuläre und unbequeme Reformen bedeutet. Gerade deshalb ist es so wichtig, ein positives Ziel vor Augen zu haben, wofür es sich lohnt, diese Mühen auf sich zu nehmen, und es müssen Erfolge erkennbar sein, und wenn es nur kleine sind.
2 Der Beitrittsprozess
„Die Entscheidung für die Priorität der West-Bindung hat in den politischen Landschaften aller Ost- und Mitteleuropäischen Staaten eine solide Grundlage. Seitdem überhaupt eine realistische Aussicht bestand, haben ausnahmslos alle Regierungen den EU- und den NATO-Beitritt befürwortet.“ [Hatschikjan, 1999, S. 19]
Bereits im September 1989 unterzeichneten die EG und Polen ein Wirtschaftsabkommen, seit 1991 ist Polen Vollmitglied des Europarates.
2.1 Europa-Abkommen
Im Dezember 1991 schlossen Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei Assoziierungsabkommen mit der EG ab, mit dem Ziel , Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen über eine künftige Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zu schaffen. Diese Verträge „sichern den mitteleuropäischen Reformstaaten weitgehend freien Zugang zum Binnenmarkt; außerdem wurde eine umfassende politische und kulturelle Zusammenarbeit vereinbart. Durch die Formulierung des Ziels der EG-Mitgliedschaft in der Präambel gehen die Verträge über die übliche Form der Assoziierung hinaus. Die Europa-Abkommen dienen der politischen Stabilisierung der Reformstaaten und sehen die Errichtung einer Freihandelszone für Industrieprodukte innerhalb von zehn Jahren vor.“ [Weidenfeld/Wessels, 1992, S. 363]
Des Weiteren werden die Assoziierungsverträge in deren Präambel als Vorstufe zu einem späteren Beitritt bezeichnet, die Weichen waren also gestellt. Die handelspolitischen Teile dieser Abkommen traten wegen der zweijährigen Ratifizierungszeit in Polen bereits 1992 und 1993 durch Interimsabkommen vorzeitig in Kraft, mit dem Ziel, stufenweise eine Freihandelszone aufzubauen. Der Abbau von Zöllen und Quoten für industriell-gewerbliche Erzeugnisse erfolgte auf asymmetrische Art und Weise, d.h. die EG baute ihre Beschränkungen früher ab, als die MOE-Länder. Nur für Agrarwaren und Dienstleistungen galten Sonderregelungen. [vgl. Barisitz, 1998, S. 957] Der politische und wirtschaftliche Teil trat nach der Ratifizierung des Vertrages am 1. Februar 1994 in Kraft.
Die Europa-Abkommen ersetzten die bis dahin bestehenden Handels- und Kooperationsabkommen und boten Grundlage und Rahmen für qualitativ neuartige Kooperationsbeziehungen zwischen der EG und den assoziierten Ländern. „Weitere Elemente der Europa-Abkommen sind Regelungen zu Niederlassungsfreiheit, Direktinvestitionen, Wettbewerbspolitik, Rechtsangleichung und finanzieller Zusammenarbeit, ferner Vereinbarungen über kulturelle Zusammenarbeit und die Institutionalisierung eines politischen Dialoges. Der finanziellen und technischen Unterstützung des Reformprozesses in Mittel- und Osteuropa dient das PHARE-Programm, das durch die Kreditvergabe der Europäischen Investitionsbank flankiert wird.“ [Kreile, 1999, S. 805]
2.2 Das PHARE-Programm
PHARE steht für „Poland and Hungary. Action for Restructuring of the Economy“. Zunächst nur für die beiden Vorreiter des Transformationsprozesses konzipiert, wurde es im Laufe der Zeit auf alle zehn Beitrittsaspiranten in Mittel- und Osteuropa ausgedehnt. “Das Hilfsprogramm PHARE zur wirtschaftlichen Umgestaltung der osteuropäischen Länder wurde 1989 von 24 Ländern (EG, EFTA, USA, Kanada, Australien, Türkei, Neuseeland, Japan) beschlossen. Die Koordinierung wurde der EG-Kommission übertragen. Das PHARE-Programm umfasst eine Vielzahl einzelner Projekte und Aktionen. Für rund 50% der Mittel zeigen sich die EG und ihre Mitgliedsstaaten verantwortlich. [...] Die Hilfe wird für Leistungen gewährt, die den wirtschaftlichen Reformprozess in Osteuropa unterstützen. [...] Die Durchführung der Programme obliegt in der Regel den PHARE-Staaten. Es herrscht das Grundprinzip, dass die Hilfsmaßnahmen vor allem der Privatwirtschaft zugute kommen.“ [Weidenfeld/Wessels, 1992, S. 381]
Das PHARE-Programm soll die wirtschaftliche Umgestaltung in den Schlüsselbereichen Landwirtschaft, Umwelt, Finanzsektor, Industrie, Infrastruktur, Kleine und Mittlere Unternehmen, sozialer Sektor und Erziehung unterstützen. [vgl. Weidenfeld/Wessels, 1992, S. 286]
Bis 1999 hielt PHARE allein für Polen eine jährliche Summe von etwa 203 Millionen Ecu bereit. Die Koordination der PHARE-Gelder in Polen erfolgte in den Anfangsjahren über das Wirtschaftsministerium, danach zeigte sich der Regierungsbevollmächtigte für Europäische Integration für die Strategie verantwortlich, 1996 wurde ein eigenes Komitee für Europäische Integration gegründet.
2.3 Der Gipfel von Kopenhagen 1993 – Kopenhagener Kriterien
In die Freude über das abgeschlossene Assoziierungsabkommen mischte sich in Polen Enttäuschung darüber, dass sie nicht, wie von Polen gewünscht, die Möglichkeit eines späteren Beitritts zur EU garantierten. Insofern war die EU-Ratstagung in Kopenhagen im Juni 1993 eine wichtige Vorentscheidung im Erweiterungsprozess, als dort die Zusicherung an alle assoziierten Länder erfolgte, dass die grundsätzliche Möglichkeit eines Beitritts bestehe, auch wenn dafür kein Termin genannt wurde. [vgl. Juchler, 1999, S. 487] Zudem beschlossen die Ratsmitglieder den beschleunigten Abbau der Restriktionen der Gemeinschaft und legten verbindliche, wenn auch wenig spezifische Beitrittskriterien für die MOE-Staaten fest [vgl. Barisitz, 1998, S. 957]. Als Grundvoraussetzung für die Aufnahme der MOE-Länder gelten seither gleichermaßen deren Beitrittsfähigkeit und die Aufnahmefähigkeit der EU. Ein EU-Beitritt der assoziierten Staaten knüpft sich damit an die Erfüllung folgender Kriterien:
[...]