Diese Arbeit stellt die Organisationsaufstellung allgemein vor, woraus es sich entwickelt hat, wie eine Aufstellung abläuft, welche Grundprinzipien dabei beachtet werden sollten, wie es wirkt, welche Rahmenbedingungen vorherrschen sollten und was daran kritisiert wird. Es ist eine detaillierte Einführung in die Thematik und schildert, auf welchem Stand die Wissenschaft ist sowie unterschiedliche Erklärungsversuche.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Organisationsaufstellung
2.1 Geschichtliche Entwicklung
2.2 Konzeptionelle Grundlage
2.3 Methodik
2.4 Grundprinzipien
2.5 Wirkungsweise: Repräsentierende Wahrnehmung
2.6 Wirkung der Organisationsaufstellung
2.7 Wissenschaftliche Grundlage
2.8 Rahmenbedingungen für den optimalen Einsatz
2.9 Allgemeine Kritik
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
2.1 Ablaufmodell der Organisationsaufstellung
Tabellenverzeichnis
2.1 Settings und ihre Merkmale
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit ist die Vorstudie zur Bachelor-Thesis, die prüft, ob die Orga- nisationsaufstellung (OA) als Ergänzung zum Assessment-Center in der Personalaus- wahl verwendet werden kann. Ziel der Vorstudie ist es, die Grundlagen der OA zu vermitteln, indem ausgewählte Aspekte vorgestellt werden. Die Vorstudie widmet sich also der Frage, wie die OA entstand, abläuft, wirkt und was daran öffentlich kritisiert wird.
Die OA ist eine aus dem therapeutischen Bereich stammende, immer bekanntere Methode zur bildlichen Darstellung von Beziehungen in einem sozialen System.1 Durch Anwendung dieser Methode können immaterielle Strukturen und unbe- wusste zwischenmenschliche Interaktionen untersucht und somit Erkenntnisse auf der Beziehungsebene erlangt werden, die andere Methoden oft außer Acht lassen.2
Die vorliegende Arbeit geht insbesondere auf die Aufstellungsmethode nach Bert Hellinger ein, der die Methode ursprünglich entwickelt hat.3
Um einen Überblick über die Methode zu erhalten, wird zu Beginn die Entwick- lung vom Familien-Stellen zur OA und daran anschließend der Ablauf einer Auf- stellung vorgestellt. Um die Vorgehensweise zu verstehen, werden Wirkungsweise und Wirkung einer Aufstellung sowie veröffentlichte Studien dazu beschrieben. Die Erläuterung der Rahmenbedingungen verdeutlicht, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um den Einsatz der OA im Unternehmenskontext zu ermöglichen. Abschließend werden allgemeine Kritikpunkte aus Presse und Lite- ratur vorgestellt.
2 Organisationsaufstellung
2.1 Geschichtliche Entwicklung
In den 60er- und 70er-Jahren traten in der Psychologie und den Sozialwissenschaf- ten Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Verbindungen zwischen den Men- schen und ihrer Umwelt in den Fokus therapeutischer Arbeit.1 Man richtete den
„psychologischen Blick vom Einzelnen auf sein unmittelbares Bezugssystem, die Familie“2.
Zum besseren Verständnis und Überblick über Familiensysteme begannen Fami- lientherapeuten zunächst, das System mit Grafiken und Figuren abzubilden, um
„die Beziehung der Systemmitglieder zueinander anschaulich zu machen“3. Indem man anschließend die Familienmitglieder räumlich aufstellte, brachte man die Fi- guren zum Sprechen, um einen Konflikt physisch erlebbar zu machen. Es erwies sich jedoch als problematisch, die Familienmitglieder selbst ihr Befinden über ein- ander äußern zu lassen. Schließlich ersetzte man die realen Personen durch Stell- vertreter, um Ursachen psychologischer Probleme aufzudecken.4
Die Vorläufer der Aufstellungsarbeit gehen insbesondere zurück auf das Psychodra- ma nach Jakob Moreno, die Familienskulpturen nach Virginia Satir, die Gestalttherapie nach Fritz Perls, die Hypnotherapie nach Milton Erickson und die Transaktionsanalyse
(TA) nach Eric Berne.5
Aus diesen Ansätzen, insbesondere der sogenannten Skriptanalyse aus der TA so- wie den Einflüssen von Ruth McClendon, Les Kadis und Thea Schönfelder, mach- te Bert Hellinger, Studium der Philosophie, Theologie und Pädagogik sowie Ar- beit als Psychoanalytiker, die Entdeckung eines neuen Phänomens, das später als
„ repräsentierende Wahrnehmung “ oder auch „ Feldwahrnehmung “ bezeichnet wurde.6 Diese wurde in vielen Studien belegt und wird immer noch erforscht.7 Dabei haben die Stellvertreter während einer Aufstellung ohne Vorwissen über das Anliegen des Klienten verblüffend ähnliche Empfindungen wie die Systemmitglieder, für die sie stehen.8
1993 erschien das Buch Zweierlei Glück von Gunthard Weber, Arzt für Psychiatrie- Psychotherapie und Leiter des Wieslocher Instituts für systemische Lösungen, das mit einer darauf folgenden Arbeitstagung dem von Hellinger entwickelten Ver- fahren des Familien-Stellens erstmalig Aufmerksamkeit verlieh und eine rasante Verbreitung im deutschsprachigen Raum sowie vor allem in Lateinamerika, Osteu- ropa, Russland und Asien anstieß.9
1995 fand in Kufstein in Österreich auf Initiative zweier Unternehmensberater, Tho- mas Siefer und Michael Wingenfeld, ein Aufstellungsseminar geleitet von Hellin- ger für Mitarbeiter aus Organisationen und Unternehmen statt. Dies war das erste Seminar, das sich mit der Aufstellung zu beruflichen Themen befasste.10
Mehr Informationen zur Entwicklung des Familien-Stellens sind im Internet unter Hellinger, Bert (2013a): Das Familien-Stellen: Ein Überblick, ( URL: http://www2.hellinger.com/home/ bert-hellinger/bert-hellinger/das-familien-stellen-ein-ueberblick/ ) – Zu- griff am 10.02.2013, 11:10 zu finden.
Hellinger stellte bereits zuvor in Seminaren des Familien-Stellens auf Anfrage ei- niger Teilnehmer oder während Klinikberatungen Probleme aus Organisationen in eingeschränktem Rahmen auf.11
1998 legte Weber den Grundstein der OA als Beratungsansatz durch die erste Ta- gung Werkstatt Organisationsaufstellungen mit etwa 300 Teilnehmern in Wiesloch.12 Weber und Siefer entwickelten die OA auf Grundlage des Familien-Stellens nach Hellinger weiter und übertrugen dessen postulierte Grundprinzipien auf Organi- sationssysteme.13 2001 gründete sich die Ostergruppe auf Initiative von Weber, ein erster eigener Arbeitskreis zu Organisationsaufstellungen. 2002 wurde zudem der Verein INFOSYON (Internationales Forum für System-Aufstellungen in Organi- sationen und Arbeitskontexten) gegründet, der versucht, Aufstellungen als aner- kanntes Beratungsinstrument zu etablieren und deren Qualität zu sichern.14
Maßgeblich wurde die Methode seit 1995 vom Kreis um Weber sowie Matthias Varga von Kibéd und seiner Frau, Insa Sparrer weiterentwickelt.15
Auch Hellinger nimmt sich der Thematik an und entwickelt sie weiter. Dabei kon- zentriert er sich jedoch auf die Beziehungen innerhalb von Organisationen und nicht auf konventionelle Leistungen von Unternehmensberatungen. Es finden jähr- lich Seminare zum Thema „Erfolg im Unternehmen und Beruf“ statt, zu denen meist aus persönlichem Interesse Unternehmensvertreter privat kommen, ohne ih- re Herkunft namentlich preiszugeben. Zudem veröffentlicht Hellinger seine Er- kenntnisse anhand von Beispielgeschichten in zahlreichen Büchern.16
Durch Weiterentwicklungen entstanden unterschiedliche Ansätze und Schulen. Dazu gehören die von Varga von Kibéd und Sparrer entwickelte Systemische Struk- turaufstellung (SySt), die von Weber praktizierte Klassische OA nach dem „frühen“ Hellinger, die Systemdynamische Organisationsberatung von Klaus Grochowiak und Peter Klein, die die Klassische OA mit Elementen der Unternehmensberatung ver- bindet, die sich explizit den Fragen des Managements widmende Management Con-
stellations von Claude Rosselet und Georg Senoner, die versucht, Beziehungsdyna- miken zwischen den betroffenen Personen stark zu reduzieren, und Franz Rup- perts Arbeitsbeziehungsaufstellungen.17
Neben den zahlreichen Aufstellungsformen sind jedoch die SySt und die Klassi- sche OA sowie Hellingers eigene Weiterentwicklungen, die er „geistiges“ Austellen nennt, hervorzuheben, da sie auf unterschiedlichen Grundauffassungen basieren und somit verschiedene Pole darstellen.18
2.2 Konzeptionelle Grundlage
Organisationen sind lebende, soziale Systeme.19 Sie ähneln in ihrer Struktur Fami- lien, weshalb die Übertragung der Aufstellung auf Organisationen möglich ist.20 Es sind jedoch keine identischen Systeme. Im Gegensatz zu Familien sind sie von der Altersreihenfolge, bezogen auf die Organisationszugehörigkeit, und der Rang- ordnung gemäß der Funktion her doppelt strukturiert. So ist eine neu eingestellte Führungskraft in der Altersreihenfolge auf dem letzten, von der Funktion her aber auf dem ersten Platz.21 Zudem haben sie eine andere Zielsetzung, die Zugehörig- keit zur Organisation ist beidseitig jederzeit kündbar und es sind keine Schicksals- gemeinschaften wie Familien.22
Es gibt unterschiedliche Sichtweisen der Grundhaltung als Aufstellungsleiter. Hel- linger bezeichnet seine Arbeit als systemisch-phänomenologisch. Systemisch heißt in diesem Kontext, dass es niemals voneinander unabhängige Phänomene gibt, son- dern alles unter Berücksichtigung des umgebenden Systems, insbesondere des Fa- miliensystems betrachtet werden muss.23
[...]
1 Vgl. Kibéd, Matthias Varga von/Sparrer, Insa (2001): Systemische Strukturaufstellungen: Simulation von Systemen, in: Lernende Organisation, Nr. 11, S. 6.
2 Vgl. Gminder, Carl Ulrich (2006): Nachhaltigkeitsstrategien systemisch umsetzen: Exploration der Organisationsaufstellung als Managementmethode, Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, S. 45, Kramer, Sarah (2010): Teurer Fehlgriff, in: Berlin Maximal 3.
3 Vgl. Frot, Pierre (2012): Lexikon des Familienstellens und der Systemischen Austellungsarbeit,
1. Auflage. Darmstadt: Schirner Verlag, S. 140.
1 Vgl. Horn, Klaus-Peter/Brick, Regine (2010a): Das verborgene Netzwerk der Macht: systemische Aufstellung in Unternehmen und Organisationen, 4. Auflage. Offenbach: GABAL, S. 36.
2 Ebd., S. 37.
3 Ebd.
4 Vgl. ebd., S. 38.
5 Vgl. Bily, Jan (2001): Systemaufstellungen beim Coaching. Möglichkeiten, Vorteile und Gefahren, unv. Diss. Institut für berufliche Weiterbildung IBW, Lörrach, S. 5, Spanswagner, Judith (2002): Sy- stemische Aufstellungen in Familienunternehmen, unv. Diss. Wirtschaftsuniversität Wien, S. 69 ff.. Mehr Informationen über die auf die Aufstellungsarbeit wirkenden Einflüsse sind in Gehrmann, Jayin Thomas (2009): Über Psychotherapie hinaus: die Entwicklung des Familienstellens nach Bert Hellinger, Bischofswiesen: Hellinger Publications zu finden.
6 Vgl. Höppner, Gert (2001): Heilt Demut - wo Schicksal wirkt?: Evaluationsstudie zu Effekten des Familien-Stellens nach Bert Hellinger, München: Profil Verlag, Groth, Torsten/Stey, Gerhard (2007): Potenziale der Organisationsaufstellung: Innovative Ideen und Anwendungsbereiche, 1. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer Verlag, Grochowiak, Klaus (2006): Das Aufstellungsphänomen. Ideen und Überlegungen anlässlich des Buches ’Aufstellungsarbeit revisited...nach Hellinger’, in: Praxis der Systemaufstellung.
7 Vgl. Frot (2012), S. 37. Die „ repräsentierende Wahrnehmung “ wird in Kapitel 2.5 erläutert.
8 Vgl. ebd., S. 72 f..
9 Vgl. ebd., S. 245, Rosselet, Claude/Senoner, Georg (2010): Management macht Sinn: Organisations- aufstellungen in Managementkontexten, 1. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, S. 11.
10 Vgl. Weber, Gunthard (2000b): Praxis der Organisationsaufstellungen: Grundlagen, Prinzipien, An- wendungsbereiche, 1. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, S. 7.
11 Vgl. Hellinger, Bert/Neuhauser, Johannes (2000): Organisationsberatung und Organisationsaufstel- lungen: 26 Fragen an Bert Hellinger von Johannes Neuhauser, in: Praxis der Organisationsaufstel- lungen: Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche, Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, S. 309.
12 Vgl. Weber (2000b), S. 7, Krizanits, Joana (2005): Organisationsaufstellungen als Beratungsansatz? Der Beitrag von Organisationsaufstellungen zur Unterstützung von Veränderungs- und Entwick- lungsprozessen in Organisationen, in: Gute Beratung von Organisationen: auf dem Weg zu einer Beratungswissenschaft ; Supervision und Beratung 2, Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie, S. 207.
13 Vgl. Frot (2012), S. 140. Die Grundprinzipien werden in Kapitel 2.4 erläutert.
14 Vgl. Hellinger, Bert (2007): Schulungskurs, Quickborn, S. 70.
15 Vgl. Krizanits (2005), S. 207.
16 Vgl. Hellinger, Bert (2013b): Ordnungen des Erfolgs, ( URL: http://www2.hellinger. com/home/bert-hellinger/bert-hellinger/ordnungen-des-erfolgs/ ) – Zugriff am 10.02.2013, 11:10.
17 Vgl. Faulstich, Jörg (2007): Aufstellungen im Kontext systemischer Organisationsberatung,
1. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, Vgl. Frot (2012), S. 149.
18 Vgl. Sparrer, Insa (2000b): Vom Familien-Stellen zur Organisationsaufstellung: zur Anwendung sy- stemischer Strukturaufstellungen im Organisationsbereich, in: Praxis der Organisationsaufstellun- gen: Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche, Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag. Nähe- re Informationen zu den unterschiedlichen Auffassungen sind in Kapitel 2.2 zu finden.
19 Vgl. Frot (2012), S. 146.
20 Vgl. Hildenbrand, Bruno (2007): Genogrammrekonstruktion und Systemaufstellungen - Unter- schiede und Gemeinsamkeiten, in: Potenziale der Organisationsaufstellung: Innovative Ideen und Anwendungsbereiche, Heidelberg: Carl-Auer Verlag.
21 Vgl. Hellinger/Neuhauser (2000), S. 311 f..
22 Vgl. Weber, Gunthard/Groß, Brigitte (2000): Organisationsaufstellungen, in: Praxis des Familien- Stellens: Beiträge zu systemischen Lösungen nach Bert Hellinger, 2. Auflage. Heidelberg: Carl- Auer-Systeme Verlag, S. 2, Rosselet, Claude/Senoner, Georg/Lingg, Henriette K (2007): Manage- ment Constellations: mit Systemaufstellungen Komplexität managen, Stuttgart: Klett-Cotta.
23 Vgl. Bily (2001), S. 4, Grochowiak, Klaus/Stresius, Katharina/Pitthan, Ulf (1995): NLP und syste- mische Therapie. Verbinden! - Integrieren? - Optimieren! in: Multimind-NLP aktuell, Nr. 03, S. 2.