In dieser Arbeit werde ich mich primär mit den Positionen des Bündnis 90/Die Grünen zu den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 beschäftigen. Besonders während der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Koalition wurde den Grünen in großem Umfang Konzeptlosigkeit und das Fehlen eines eigenen Profils vorgeworfen. Diese Arbeit hat das Ziel, die Frage zu beantworten, ob sich das Bündnis 90/Die Grünen während der Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 selbst erfolgreich profilieren konnte und mit einem geeigneten Konzept eine eigene Position beanspruchte, oder ob sich der Vorwurf der Konzeptlosigkeit als „kleiner Koalitionspartner“ bestätigen lässt. Einen Einstieg in die Thematik dieser Untersuchung bietet das zweite Kapitel mit einem Überblick über die Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen im Vorfeld der Agenda 2010. Als theoretische Grundlage für die Analyse der Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen dienen die „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ eins bis vier, deren Umfang in Kapitel drei dargestellt wird. Um eine Aussage über die angebliche Konzeptlosigkeit des Bündnis 90/Die Grünen machen zu können, beschäftige ich mich in Kapitel vier mit der außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) des Bündnis 90/Die Grünen im Juni 2003 in Cottbus, auf der über die Zustimmung zur Agenda 2010 diskutiert wurde. Dabei konzentriert sich der Text auf den „Beschluss zur Aktiven Arbeitsmarktpolitik“ und den „Beschluss zur Agenda 2010“. Kapitel fünf untersucht zum Abschluss der Analyse konkret den Vorwurf, ob das Bündnis 90/Die Grünen von Konzeptlosigkeit geprägt war und bezieht sich dabei auf die vorherigen Kapitel zwei bis vier. In diesem Textabschnitt hebe ich die besondere Rolle der öffentlichen Wahrnehmung des Bündnis 90/Die Grünen hervor und finde am Ende eine Antwort auf die am Anfang gestellte Frage zur Konzeptlosigkeit. Im Fazit fasse ich die Argumente und das Ergebnis dieser Untersuchung noch einmal zusammen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Diskussionen im Vorfeld der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010
3. Die Gesetze I-IV für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
4. Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz
des Bündnis 90/Die Grünen im Juni 2003 in Cottbus
4.1 Beschluss zur aktiven Arbeitsmarktpolitik
4.2 Beschluss zur Agenda 2010
5. Vorwurf der Konzeptlosigkeit des Bündnis 90/Die Grünen
5.1 Probleme der öffentlichen Wahrnehmung
des Bündnis 90/Die Grünen
5.2 Vorwurf der Konzeptlosigkeit – berechtigt oder nicht?
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit werde ich mich primär mit den Positionen des Bündnis 90/Die Grünen zu den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 beschäftigen. Besonders während der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Koalition wurde den Grünen in großem Umfang Konzeptlosigkeit und das Fehlen eines eigenen Profils vorgeworfen (vgl. Egle u. Zohlnhöfer 2007a: 11f ; Egle 2007: 98). Diese Arbeit hat das Ziel, die Frage zu beantworten, ob sich das Bündnis 90/Die Grünen während der Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 selbst erfolgreich profilieren konnte und mit einem geeigneten Konzept eine eigene Position beanspruchte, oder ob sich der Vorwurf der Konzeptlosigkeit als „kleiner Koalitionspartner“ bestätigen lässt. Einen Einstieg in die Thematik dieser Untersuchung bietet das zweite Kapitel mit einem Überblick über die Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen im Vorfeld der Agenda 2010. Als theoretische Grundlage für die Analyse der Diskussionen zu den Arbeitsmarktreformen dienen die „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ eins bis vier, deren Umfang in Kapitel drei dargestellt wird. Um eine Aussage über die angebliche Konzeptlosigkeit des Bündnis 90/Die Grünen machen zu können, beschäftige ich mich in Kapitel vier mit der außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) des Bündnis 90/Die Grünen im Juni 2003 in Cottbus, auf der über die Zustimmung zur Agenda 2010 diskutiert wurde. Dabei konzentriert sich der Text auf den „Beschluss zur Aktiven Arbeitsmarktpolitik“ und den „Beschluss zur Agenda 2010“. Kapitel fünf untersucht zum Abschluss der Analyse konkret den Vorwurf, ob das Bündnis 90/Die Grünen von Konzeptlosigkeit geprägt war und bezieht sich dabei auf die vorherigen Kapitel zwei bis vier. In diesem Textabschnitt hebe ich die besondere Rolle der öffentlichen Wahrnehmung des Bündnis 90/Die Grünen hervor und finde am Ende eine Antwort auf die am Anfang gestellte Frage zur Konzeptlosigkeit. Im Fazit fasse ich die Argumente und das Ergebnis dieser Untersuchung noch einmal zusammen.
2. Die Diskussionen im Vorfeld der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010
Das Reform-Paket „Agenda 2010“ dominierte die 15. Legislaturperiode der rot-grünen Koalition von 2002 bis 2005 (vgl. Egle u. Zohlnhöfer 2007a: 13; Egle 2007: 106). Vor allem in der Bevölkerung wurde zu dieser Zeit die Massenarbeitslosigkeit als größtes Problem in der Gesellschaft wahrgenommen (vgl. Blank 2011: 141), da die Zahl der Arbeitslosen sich seit Ende der 1970er Jahre verdreifacht hatte (vgl. Schmid 2007: 272). Auf Grund dieses Problemdrucks waren sich alle Parteien im Bundestag einig, dass die vorhandene Arbeitsmarktstruktur reformiert werden musste. Dass diese Reformierung notwendig war, hatte weitere Gründe: Die Demographie in Deutschland sorgte auf lange Sicht dafür, dass immer weniger Bürger in die Sozialversicherungen einzahlen (vgl. Schmidt 2007: 297). Die verschuldeten Haushalte des Bundes und die „chronischen Finanzierungsschwierigkeiten der Sozialversicherungen“ (Schmidt 2007: 297) verstärkten den Effekt der finanziellen Krise in der Sozialpolitik (vgl. Schmidt 2007: 297). Aufgrund dieser Problem-Faktoren hat auch die Partei der Grünen in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2002 den Abbau der Arbeitslosigkeit als wichtigstes Reformziel formuliert (vgl. Bündnis 90/Die Grünen 2002: 31). Mit der Diskussion zur Reformierung der Arbeitsmarktbedingungen und der Sozialversicherungen war Deutschland zu dieser Zeit nicht allein. Die Regierungen der westlichen Wohlfahrtsstaaten strebten danach, „den bis dahin stattfindenden Ausbau der Wohlfahrtsstaaten zu bremsen, zu stoppen oder rückgängig zu machen (...)“ (Blank 2011: 17). Auch in Deutschland fehlte es 2002 an Geld und politischem Handlungsspielraum für eine expansive Sozialpolitik, was zu einem Kurswechsel in der zweiten rot-grünen Koalition geführt hat (vgl. Schmidt 2007: 304). Der Rückbau der Sozialstaatlichkeit führte in der Gesellschaft zu großen Diskussionen über die Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgern. Schmidt drückt diese Kontroversen zwischen Politik und Bürgern zugespitzt aus: „Die Botschaft an die Bürger lautet: Ende der Ausbaustrecke der Sozialpolitik – Beginn einer Umbau- und Rückbauzone – Weiterfahrt bereichsweise auf eigene Gefahr. Mit freundlichen Grüßen, Ihre SPD-geführte Bundesregierung!“ (Schmidt 2007: 298). Zur Lösung der Massenarbeitslosigkeit und der finanziellen Missstände in der Arbeitsmarktpolitik gab es mehrere Strategie-Vorschläge. Zum einen machten die linken Flügel der Parteien Vorschläge zu einer nachfrageorientierten Globalsteuerung (vgl. Schmid 2007: 275). Des Weiteren gab es in den Diskussionen zu einer geeigneten Reform des Arbeitsmarktes die Vorschläge einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, weitere Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder der Aktivierung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der einzelnen Arbeitslosen (vgl. Schmid 2007: 275). Auch das Bündnis 90/Die Grünen haben das Problem der Massenarbeitslosigkeit erkannt und teils konkrete Vorschläge in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2002 gemacht. So forderten die Grünen eine Förderung der Teilzeit und eine effektivere Arbeitsvermittlung und entwickelten den Vorschlag der sogenannten „Bürgerversicherung“ (vgl. Bündnis 90/Die Grünen: 39). Der Prozess der Strategie-Entwicklung wurde zusätzlich erschwert durch die unterschiedliche Wahrnehmung des Problems, der an einer Lösung beteiligten Akteure (vgl. Schmid 2007: 275). Um die Probleme der Arbeitsmarktpolitik zu lösen, wandelte sich die Arbeitsmarktpolitik der zweiten rot-grünen Bundesregierung von aktiver zu aktivierender Arbeitsmarktpolitik (vgl. Blank 2011: 142 zit. nach Heinelt 2003:127). Gleichzeitig verfolgte die rot-grüne Koalition eine Einnahmepolitik, da die schwierige finanzielle Situation der Haushalte keine expansive Sozialpolitik zuließ (vgl. Schmidt 2007: 304). Eine Antwort auf die Krise der Arbeitsmarktpolitik waren die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, entwickelt von der „Hartz-Kommission“, deren Ergebnisse am 16. August 2002 vorgestellt wurden.
3. Die Gesetze I-IV für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Die grundlegende Vorarbeit für die Reform-Gesetzte Hartz I-IV leistete die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ unter der Leitung von Peter Hartz (vgl. Blank 2011: 151). Die dort entwickelten Reformvorschläge wurden größtenteils in die Agenda 2010 der Regierung Schröder übernommen und deckten verschiedene Problembereiche der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ab. Der Entwurf für das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I) enthielt einen Vorschlag zur Einrichtung von flächendeckenden Personal-Service-Agenturen, zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes, sowie zur Einführung von Bildungsgutscheinen (vgl. Schmid 2007: 279). Des Weiteren war eine Änderung im Leistungsrecht vorgesehen, die unter anderem eine Flexibilisierung der Sperrzeiten und eine Verschärfung der zumutbaren Arbeit für Arbeitslose vorsah (vgl. Schmid 2007: 279). Der zweite Gesetzesentwurf, auch bekannt als „Hartz II“, enthielt den Vorschlag des Existenzgründerzuschusses, um den Weg von Arbeitslosen in die Selbständigkeit zu erleichtern und zu fördern (vgl. Schmid 2007: 279f). Der Entwurf enthielt außerdem eine Reform für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und die Förderung von haushaltsnaher Dienstleistung (vgl. Schmid 2007: 280). Auch der Umbau der Struktur der Arbeitsmarktvermittlung zu mehr Effizienz, wurde von der Hartz-Kommission in dem zweiten Gesetzesentwurf berücksichtigt: Die Einrichtung von Job-Centern als gemeinsame Träger von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sollte vorbereitet werden und der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit für einen effizienteren Dienstleistungscharakter der Behörde sorgen (vgl. Schmid 2007: 280). Durch Vereinfachung der Berechnung des Arbeitslosengeldes und der Neustrukturierung der Arbeitsvermittlung sollte der größte Teil der Behördenstruktur reformiert werden (vgl. Schmid 2007: 280). Ergänzt wurden diese Vorschläge durch den dritten Gesetzesentwurf für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, der die Bundesanstalt für Arbeit effizient umstrukturieren sollte (vgl. Schmid 2007: 280). Das in der Öffentlichkeit wohl bekannteste und meist diskutierte Gesetz der Hartz-Kommission war das vierte, auch bekannt als „Hartz IV“. Es beinhaltete den Vorschlag der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (vgl. Schmid 2007: 280f). Damit sollte die Zuständigkeit für nichterwerbsfähige Arbeitslose mit der von erwerbsfähigen Arbeitslosen zusammenfallen und nach der Reform unter die Zuständigkeit der Jobcenter fallen (vgl. Schmid 2007: 280f ; Hassel u. Schiller 2010: 30).
- Arbeit zitieren
- Louis Schiemann (Autor:in), 2013, Die politischen Diskussionen zur Arbeitsmarktreform der rot-grünen Koalition 2002-2003 , München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/211371