Psychiater sind aus der Justiz heutzutage kaum mehr wegzudenken. Sie werden als Gutachter von den Gerichten hinzugezogen, um die Schuldfähigkeit von Tätern oder die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu beurteilen. Ihre Ergebnisse beeinflussen häufig den Ausgang eines Prozesses und entscheiden über die Art der Strafe. Erst vor kurzem wartete die europäische Öffentlichkeit angespannt auf die Ergebnisse psychiatrischer Sachverständiger, als es darum ging, ob der Massenmörder Anders Behring Breivik für zurechnungsfähig erklärt werden würde. In Deutschland ist das Thema im Augenblick aktuell, da noch immer über eine Reform der Sicherheitsverwahrung diskutiert wird, die bis Mai 2013 durchgesetzt werden soll. Auch hier geht es um die Definitionsmacht der Psychiatrie, die entscheiden kann, ob ein Verbrecher, auch nach Absitzen seiner Strafe, im Freiheitsentzug bleiben muss.Die Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Justiz dauert nun schon über hundert Jahre an. Die Ursprünge dieses Wechselverhältnisses, im späten 19. Und frühen 20. Jahrhundert, und die Verbrecherfrage, wurden in der historischen Forschung ausführlich untersucht, allerdings hauptsächlich in eine Richtung: man analysierte den Einfluss der Psychiatrie auf die Entstehung der Kriminologie und auf die Entwicklung der Strafjustiz. In dieser Arbeit soll das Thema sozusagen von der anderen Seite her aufgerollt werden – sie ist eine Untersuchung aus der Perspektive der Psychiatrie.
Die Entwicklung der Modernen Psychiatrie im Deutschen Kaiserreich wurde von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Einige möchte ich hier exemplarisch skizzieren, das Hauptaugenmerk soll aber auf dem Faktor „Verbrecher und die Psychiatrie“ liegen. Inwiefern kam die Psychiatrie der Kaiserzeit mit Verbrechern in Berührung? Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit der Justiz? Schlussendlich soll geklärt werden, ob und wie die Verbrecherfrage Impulse für die Modernisierung der Psychiatrie gab.
Inhaltsverzeichnis
- Zu Aktualität der „Verbrecherfrage“
- Impulse für die Entwicklung der modernen Psychiatrie
- Die Entwicklung der Psychiatrie
- Fortschritte des 19. Jahrhunderts
- Rückschritte der Jahrhundertwende
- Modernisierung
- Was heißt „modern“?
- Faktoren für die Modernisierung der Psychiatrie
- Die Verbrecherfrage
- Straftäter in der Psychiatrie
- Probleme
- Impulse für die Entwicklung der Psychiatrie?
- Die Entwicklung der Psychiatrie
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der modernen Psychiatrie im Deutschen Kaiserreich, insbesondere mit der Rolle der „Verbrecherfrage“ und den Auswirkungen der Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Justiz auf die Entwicklung dieses Fachgebiets.
- Die Entwicklung der Psychiatrie im 19. Jahrhundert, von den frühen Anstalten bis hin zu den Reformen von Pinel und Reil.
- Die Herausforderungen der Psychiatrie an der Jahrhundertwende, darunter die steigende Zahl der Patienten und die Krise der klassischen Behandlungsmethoden.
- Der Einfluss der „Verbrecherfrage“ auf die Psychiatrie: Wie interagierten Straftäter und psychiatrische Einrichtungen im Kaiserreich?
- Die Auswirkungen der Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Justiz auf die Entwicklung des Fachgebiets.
- Die Frage, ob die Verbrecherfrage Impulse für die Modernisierung der Psychiatrie gab.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Aktualität der „Verbrecherfrage“ in der heutigen Zeit, indem es den Einfluss von Psychiatern in der Justiz und die Diskussion um die Sicherheitsverwahrung hervorhebt. Es stellt die historische Forschung zum Thema „Verbrecherfrage“ vor und skizziert den Fokus dieser Arbeit, der auf der Untersuchung der Auswirkungen der Verbrecherfrage auf die Psychiatrie selbst liegt.
Das zweite Kapitel analysiert die Entwicklung der Psychiatrie im 19. Jahrhundert. Es beleuchtet die Fortschritte, die mit der Entstehung des Fachgebiets und den Reformen von Pinel und Reil einhergingen, sowie die Herausforderungen, die an der Jahrhundertwende mit der wachsenden Zahl der Patienten und der Krise der klassischen Behandlungsmethoden auftraten.
Der dritte Abschnitt befasst sich mit der „Verbrecherfrage“ im Kontext der Psychiatrie. Er beleuchtet die Rolle von Straftätern in psychiatrischen Einrichtungen, die Probleme, die mit der Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Justiz verbunden waren, und die Frage, ob die Verbrecherfrage Impulse für die Modernisierung der Psychiatrie gab.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Psychiatrie, „Verbrecherfrage“, Modernisierung, Strafjustiz, Deutsches Kaiserreich, Straftäter, forensische Psychiatrie, Heil- und Pflegeanstalten, Anstaltsreform, Jahrhundertwende, Krise, Stigmatisierung, Soziales Konstrukt.
- Arbeit zitieren
- Julia Arnold (Autor:in), 2012, Die "Verbrecherfrage": Impulse für die Entwicklung der modernen Psychiatrie, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/209749