Die Institution Schule stehen immer wieder im Focus der öffentlichen Kritik und Diskussion. Vor kurzem eröffnete der Philosoph Richard David Precht erneut in einer Fernsehsendung die Diskussion mit der provokanten Fragestellung „Macht Lernen dumm?“; sein Fazit ist, dass wir im Bereich Schule/ Bildung „eine Revolution benötigen“.
Der Reformbedarf der Schule ist keine neue Erkenntnis; trotz etlicher Reformen in den vergangenen Jahren haben diese nicht dazu geführt, Bildungsmissstände zu beseitigen bzw. eine Chancengleichheit herzustellen. Engagierte LehrerInnen sind erschöpft, Horterzieherinnen müssen viel zu viele Kinder betreuen und fördern, Schülerinnen und Schülern fehlt der Raum, sich in ihrem eigenen Tempo Wissen zu erwerben. Leistungsschwächeren Kinder aus nicht privilegierten Elternhäusern fallen schnell durchs Raster eines selektiven Schulsystems.
Das Resultat sind die Bildungsverlierer: Kinder in Armut erreichen mit großer Wahrscheinlichkeit nur die Hauptschule und 15-20 % der jungen Leute können nicht richtig lesen und rechnen, was u. a. dazu führt, dass sie mit 30 Jahren ohne Berufsausausbildung sind. Als besondere Belastung kommt hinzu, dass SchülerInnen heute nicht mehr die Verlässlichkeit haben, dass sie mit dem, was sie gelernt haben, eine berufliche Perspektive haben und den damit verbundenen Platz in der Gesellschaft finden.
Schulsozialarbeit als Strategie sozialer Integration
Vera Papadopoulos
Die Institution Schule stehen immer wieder im Focus der öffentlichen Kritik und Diskussion. Vor kurzem eröffnete der Philosoph Richard David Precht erneut in einer Fernsehsendung die Diskussion mit der provokanten Fragestellung „Macht Lernen dumm?“ ; sein Fazit ist , dass wir im Bereich Schule/ Bildung „eine Revolution benötigen“.
Der Reformbedarf der Schule ist keine neue Erkenntnis; trotz etlicher Reformen in den vergangenen Jahren haben diese nicht dazu geführt, Bildungsmissstände zu beseitigen bzw. eine Chancengleichheit herzustellen. Engagierte LehrerInnen sind erschöpft, Horterzieherinnen müssen viel zu viele Kinder betreuen und fördern, Schülerinnen und Schülern fehlt der Raum, sich in ihrem eigenen Tempo Wissen zu erwerben. Leistungsschwächeren Kinder aus nicht privilegierten Elternhäusern fallen schnell durchs Raster eines selektiven Schulsystems.
Das Resultat sind die Bildungsverlierer: Kinder in Armut erreichen mit großer Wahrscheinlichkeit nur die Hauptschule (vgl. Grohall 2010:254) und 15-20 % der jungen Leute können nicht richtig lesen und rechnen, was u. a. dazu führt, dass sie mit 30 Jahren ohne Berufsausausbildung sind (vgl. Kerstan: 2012:66). Als besondere Belastung kommt hinzu, dass SchülerInnen heute nicht mehr die Verlässlichkeit haben, dass sie mit dem, was sie gelernt haben, eine berufliche Perspektive haben und den damit verbundenen Platz in der Gesellschaft finden.
Weder plakative Parolen noch die (utopische) Hoffnung auf eine baldige ausreichende finanzielle Unterstützung von Schule und Schulsozialarbeit führen zeitnah zu mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit führen.
Es gibt sicher unendlich viele Ideen, wie man Bildungserfolg sichern und Schule reformieren könnte, auch wenn Schule aufgrund ihrer Leistungs- und Lehrplanorientierung nur bedingt reformfähig ist. In meinen Erörterungen beschränke ich mich auf die Aspekte Lebensweltbezug, Elternarbeit und Reflexion. Alle drei Aspekte sind sowohl praktikabel als auch kostengünstig und im Rahmen einer aktiven Kooperation von Schule und Sozialarbeit umsetzbar.
Die Institution Schule hat einen bestimmenden und prägenden Einfluss auf den Lebenslauf eines Menschen. Bereits hier wird über gesellschaftliche Inklusion und Exklusion entschieden.
Schüler und Schülerinnen werden im herkömmlichen Schulbetrieb nur bedingt als ganzheitliche Personen, sondern nur überwiegend in der Schülerrolle betrachtet werden. Lehrpläne und vorgegebene Bewertungsmaßstäbe sind deutlich leistungsorientiert, die individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Talente einer Schülerin/ eines Schülers können nur eingeschränkt wahrgenommen und berücksichtigt werden. Schule ist eher als ein funktionales und nicht soziales System angelegt. Durch Leistungs- und Selektionsfunktion, institutionelle Schulordnung und Curriculum erfolgt die funktionale Ausrichtung, während das soziale System durch die Lebensinhalte der Kinder und Jugendlichen geprägt wird (vgl. Noack:2011) Das Privileg, Noten, Tadel und Verweise zu erteilen, d. h. Schüler und ihr Verhalten zu bewerten, erschwert grundliegend eine gleichberechtigte Kooperation von Schule und Elternhaus.
Schule sollte für SchülerInnen nicht nur ein Lernort, sondern auch ein Lebensort sein (vgl. Bildungskommission NRW 1995). Dieser Anspruch bedeutet einen große Herausforderung und Verantwortung für Schule und LehrerInnen. Er bietet neue Chancen einer Annäherung von Jugendhilfe und Schule eröffnet, eine Zusammenarbeit von Schule und Sozialarbeit ist dabei sinnvoll. Soziale Arbeit kann hier unterstützen und entlasten, sie hat eine Art „Scharnierfunktion“. Unentbehrlich ist es, die Schulsozialarbeit mit ihren jugendhilfespezifischen Zielsetzungen und Handlungsformen systematisch in ein neues Rahmenkonzept und Leitbild von Schule einzubeziehen (vgl. Nieslony 1998). Die Schulsozialarbeit stellt durch ihre präventive Arbeit ein wichtiges Ergänzungsangebot zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule dar. Es ist jedoch, wie bereits weiter oben dargestellt, ein Trugschluss, zu glauben, dass Schulsozialarbeit in der Lage sei, alle Probleme von Schülern an einer Schule zu mindern bzw. zu beseitigen.
Denn Schulsozialarbeit befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen den eigenen professionellen Zielen und denen des Schulsystems. Allein in den Grundsätzen der Freiwilligkeit, Partizipation und des Lebensweltbezuges unterscheidet sich die Soziale Arbeit bedeutend von dem System Schule.
Vor dem Hintergrund, dass sich Soziale Arbeit sich immer auch als Anwalt ihrer Klientel versteht, werden die Unterschiede zwischen beiden Systemen besonders im Umgang mit Konflikten deutlich. In der sozialen Arbeit wird störendes Verhalten von Schülern während der Schulzeit als Impuls verstanden, eigenes Handeln oder die Rahmenbedingungen kritisch zu reflektieren und den Interaktionsprozess zu verändern. Im Unterschied zur Institution Schule, wo vorrangig sanktionierend auf störendes Verhalten reagiert wird, ist das Verständnis von sozialer Arbeit ein anderes: Die Tendenz zu unangepasstem Verhalten im Kontext Schule in Form von verbal und körperlich provozierendem, aggressivem Verhalten, Vandalismus oder Verweigerungsverhalten bis zur Schuldistanz werden als Signale interpretiert und sind Indizien für ein ungünstiges Klima der Schule oder ein belastetes Familiensystem, bzw. Lebensumfeld des Schülers. Entsprechend des sozialpädagogischen Verständnisses setzen die Interventionen und Methoden nicht am problematischen Verhalten des Schülers, sondern an seinen individuellen Ressourcen an und bieten der Schülerin/ dem Schüler Hilfe zur Lebensbewältigung.
Schulsozialarbeit und gesellschaftliche Ansprüche
Die Installierung von Schulsozialarbeit an Schulen wird auch gerne von Politik und Gesellschaft dazu genutzt, aufzuatmen und sich aus der Verantwortung zu ziehen, denn nicht selten ist eine Schulsozialarbeiterin/ ein Schulsozialarbeiter allein an einer Schule mit 500 SchülerInnen oder mehr tätig. Befindet sich die Schule zudem in einem sogenannten sozialen Brennpunkt, wissen SchulsozialarbeiterInnen häufig aufgrund der vielen „Baustellen“ nicht, wo sie die Prioritäten ihrer Arbeit legen sollen. LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern, Jugendamt und Kommune: viele Erwartungen und alle wünschen sich Entlastung durch die Schulsozialarbeit. Konfrontiert mit multipler familiärer Not und Elend, mit Kinderarmut und Kindeswohlgefährdung gilt es häufig erst mal, Lebenswelt und Lebenslagen von Familien zu verstehen und entsprechend zu intervenieren. Erst dann ist es möglich, einen umfassenden Blick auf die Bildungsbedingungen und Chancen des einzelnen Kindes zu richten.
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- Arbeit zitieren
- Vera Papadopoulos (Autor:in), 2012, Schulsozialarbeit als Strategie sozialer Integration, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/209295