Kameras sind im Stadtbild jeder modernen Großstadt ein gängiges Bild, kaum eine Stadt weist jedoch eine so enorme Kameradichte auf wie die Stadt London. Ein typisches Stadtzentrum Londons verfügt über mehr als 200 Kameras, während insgesamt in ganz Großbritannien 4,2 Millionen Kameras - eine auf 13 Bürger - dauerhaft aufnehmen. Gegen Pass- und Ausweiskontrollen wehren sich die britischen Bürger vehement, jedoch gehen sie das Risiko der ganztägigen Überwachung zur Terrorismusbekämpfung und Gewalteindämmung ein.
Die hieraus resultierende Frage nach dem Erfolg dieses Systems im panoptischen Sinn Foucaults soll dieser Essay beantworten. Im Folgenden sollen somit anhand dieses Beispiels die Vorteile und Grenzen Foucaults Analyseperspektive des Panoptismus dargestellt werden. Hierzu werden anfangs die Grundprinzipien des Panoptismus unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Grundvoraussetzungen aufgezeigt, Ähnlichkeiten und Unterschiede der gegenwärtigen Überwachungssituation Londons zu den Disziplinierungsapparaten im 18. Jahrhundert herausgestellt, um dann letztendlich zu zeigen, ob das „Panopticon London“ als System fehlgeschlagen ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Panoptismus in London
2.1 Grundprinzipien
2.2 Gesellschaftliche Bedingungen
2.3 Das Panopticon London
2.4 Kritik
3. Fazit
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
London, ein gescheitertes Panopticon?
1. Einleitung
Kameras sind im Stadtbild jeder modernen Großstadt ein gängiges Bild, kaum eine Stadt weist jedoch eine so enorme Kameradichte auf wie die Stadt London. Ein typisches Stadtzentrum Londons verfügt über mehr als 200 Kameras, während insgesamt in ganz Großbritannien 4,2 Millionen Kameras - eine auf 13 Bürger - dauerhaft aufnehmen. Gegen Pass- und Ausweiskontrollen wehren sich die britischen Bürger vehement, jedoch gehen sie das Risiko der ganztägigen Überwachung zur Terrorismusbekämpfung und Gewalteindämmung ein.
Die hieraus resultierende Frage nach dem Erfolg dieses Systems im panoptischen Sinn Foucaults soll dieser Essay beantworten. Im Folgenden sollen somit anhand dieses Beispiels die Vorteile und Grenzen Foucaults Analyseperspektive des Panoptismus dargestellt werden. Hierzu werden anfangs die Grundprinzipien des Panoptismus unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Grundvoraussetzungen aufgezeigt, Ähnlichkeiten und Unterschiede der gegenwärtigen Überwachungssituation Londons zu den Disziplinierungsapparaten im 18. Jahrhundert herausgestellt, um dann letztendlich zu zeigen, ob das „Panopticon London“ als System fehlgeschlagen ist.
2. Panoptismus in London
2.1. Grundprinzipien
Den Begriff des Panopticons leitet Michel Foucault aus einer von Jeremy Bentham entworfenen Modellarchitektur des scheinbar perfekten Gefängnisses ab, das eine Disziplinierungsanstalt mit ringförmiger Architektur zeigt. Der Ring ist in seiner gesamten Tiefe in Zellen unterteilt, während in der Mitte des Gebäudes sich ein Wachturm befindet, der in jede Richtung mit Fenstern ausgestattet ist.[1] Die Inhaftierten sind somit mit wenigen Blicken sofort sichtbar, wodurch das Gefühl einer totalen Beobachtung entsteht. Diese architekturelle Besonderheit lässt sich auf jede Institution übertragen, in der die Insassen ein bestimmtes Verhalten zeigen müssen.
Im Foucaultschen Sinn handelt es sich um einen geschlossenen Raum, in der jedes Individuum einen festen Platz besitzt und lückenlos überwacht wird. Die Insassen unterliegen einer Registrierung und Kontrolle, wobei diese nicht permanent vorhanden sein muss, sondern allein die Möglichkeit ständig überwacht zu werden genügt, damit die Disziplinierung in einer Hierarchie funktioniert. Dem Wachpersonal wird hier eine eher untergeordnete Rolle zugeschrieben, da es beliebig austauschbar sein soll und nur den Machterhalt aufrecht erhält. Die damit verbundene „Endindividualisierung“ und der „Automatismus“[2] übertragen die Macht weg vom Personal auf das Gebäude.
Der Macht schreibt Foucault eine besondere Rolle zu. Sie bietet ihm nach „(...) An reize, verleitet, verführt, erleichtert oder erschwert, sie erweitert Handlungsmöglichkeiten oder schränkt sie ein, sie erhöht oder senkt Wahrscheinlichkeit von Handlungen, und im Grenzfall erzwingt oder verhindert sie Handlungen (...)[3]. Es gelingt somit auf streng hierarchischer Ebene einen Disziplinierungsapparat zu schaffen, der nicht die Anwesenheit hierarchisch hoch positionierter Personen erfordert und von ihnen unabhängig ist, jedoch trotzdem das Verhalten der Insassen einschränkt. Im Gegensatz dazu hat der Häftling jedoch dauerhaft den Machtapparaten vor Augen und versinkt in seiner „erzwungene(n) und beobachtbare(n) Einsamkeit“[4] Dadurch wird die Macht nicht auf einem physischen Wege, sondern durch psychische Beeinflussung ausgeübt.
2.2 Gesellschaftliche Bedingungen
Gesellschaftliche Ängste bewegen Menschen dazu, ihre individuellen Freiheiten zugunsten des befriedigten Sicherheitsbedürfnisses aufzugeben. Die damit verbundene, anschließende Stigmatisierung als „gesellschaftlich gefährlich“ und „ungefährlich“ bietet den Machtausübenden die Legitimierungsgrundlage von permanenter Kontrolle. Wenn die einst bestehende Gefahr nicht mehr existiert oder zeitlich nicht mehr relevant ist, werden die Kontrollmaßnahmen aus Präventionsgründen weiterhin beibehalten und das Panopticon dadurch vergesellschaftet. Dieser gesellschaftliche Umstand trifft für die im 18. Jahrhundert aufgebauten Disziplinierungsinstitutionen, wie auch für das umfassende Überwachungsnetz in London zu.
Die ausbreitende Pest erwies sich als Ausgangsumstand für die Disziplinierungsmodelle des 18. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurden Menschen als „krank“ und „gesund“ stigmatisiert, gesellschaftlich separiert und die Überwachung und Kontrolle neu organisiert, der auch die damaligen Bürger aus Furcht vor der Krankheit zustimmten. Die verzweigte und hierarchische Gewaltausübung wurde zunehmend verschärft und nach der Eindämmung der Pest trotz allem beibehalten.
Gegenwärtig gilt der internationale Terrorismus als globale Bedrohung des 21. Jahrhunderts, insbesondere für nordamerikanische und westeuropäische Großstädte. Nach den terroristischen Anschlägen durch islamistische Täter erfuhr auch London am 7. Juli 2005 diese Art der neuen Gefahr, bei der innerhalb des Berufsverkehrs vier „Rucksackbomben" in der U-Bahn und in einem Bus gezündet wurden. Dabei wurden 52 Menschen getötet und über 700 Menschen schwer verletzt.[5]
[...]
[1] Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main, 1975, S. 256
[2] Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main, 1975, S. 259
[3] Michel Foucault: Subjekt und Macht, in: Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt am Main, 2005, S.256
[4] Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main, 1975, S. 258
[5] http://www.zeit.de/online/2006/27/london-terror-7-juli-kommentar
- Arbeit zitieren
- Eugen Kuhn (Autor:in), 2012, London, ein gescheitertes Panopticon?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/208410