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Examensarbeit, 2011
44 Seiten, Note: 1
Einleitung
1. Grundsätze heilpädagogischer Entwicklungsbegleitung
1.1. Heilpädagogisches Menschenbild
1.2. Grundlagen kindlicher Entwicklung
2. Die kindlicher Entwicklung
2.1. Basis kindlicher Entwicklung
2.2. Die Bedeutung von Räumen in der kindlichen Entwicklung
3. Kindliche Lebenswelt
3.1. Merkmale heutiger Kindheit
3.2. Mögliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Wahrnehmung und Bewegung
3.3. Konsequenzen für das heilpädagogische Denken und Handeln
4. Der Wald als heilpädagogischer Handlungsraum
4.1. Der Wald und dessen Bedeutung in der heutigen Gesellschaft
4.2. Die besondere Qualität des „Raums“ Wald
4.3. Die besondere Qualität des Waldes für die Kinder
4.3.1. Das Bedürfnis nach Verbundenheit mit der Natur
4.3.2. Das Bedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit
4.3.3. Das Bedürfnis nach Bewegung und ganzheitlicher Wahrnehmung
4.3.4. Das Bedürfnis zu spielen, herzustellen und zu gestalten
4.3.5. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft aber auch friedlich für sich allein zu sein
4.3.6. Das Bedürfnis nach Freiheit, Verantwortung und Grenzen
4.3.7. Das Bedürfnis nach Spannung, Abenteuer und Risiko
4.4. Die heilpädagogische Qualität des Waldes
5. Die Waldtage in Heimbach
5.1. Räumliche und soziale Rahmenbedingungen
5.2. „Moment- Aufnahmen“ der Kinder
5.3. Reflektion der Waldtage
6. Ausblick38
7. Literaturverzeichnis
8. Erklärung
Aufgewachsen auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf in Nordhessen, war das Leben inmitten Tieren, Feld, Wald und Wiesen für mich eine Selbstverständlichkeit. So ist es im Nachhinein auch nicht verwunderlich, dass ich in meiner Wahlheimat Lübeck das erste Praktikum im Rahmen meiner Erzieherausbildung auf einem Jugendnaturschutzhof machte. Hier erlebte ich, dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist zu wissen, wo Eier herkommen, zu Schweinen in den Stall zu gehen und sie zu streicheln, zu erkennen, was eine Möhrenpflanze, was Beikraut ist, barfuss in einer Pfütze zu stehen, überhaupt sich über längeren Zeitraum draußen aufzuhalten, zu spielen, zu essen u.s.w.. Diese Erkenntnis erstaunte mich sehr und es bereitete mir große Freude, die Kinder an meinem Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen. Unter kompetenter und liebevoller Anleitung machte ich die ersten Schritte in die Umweltpädagogik.
Im Laufe der Ausbildung wurde die Umweltpädagogik mein Schwerpunkt, dabei wurde es mir immer wichtiger, Kindern aus sozial benachteiligten Familien Naturerlebnisse zu ermöglichen. Auch in meiner Zeit in einer Tagesgruppe nahm das Erleben der Natur einen großen Stellenwert ein, leider nicht in dem Rahmen, den ich mir gewünscht hätte. Mein Wunsch mit Kindern draußen zu arbeiten und die immer fester werdende Überzeugung, dass für ein gutes Gruppengefüge Homogenität vorhanden sein muss, führte mich schließlich in den Naturkindergarten Landwege e.V..
Hier wurde mein Blick darauf hin geschärft zu unterscheiden, welches meine Bedürfnisse und welches die Bedürfnisse der Kindern sind. Was es bedeutet, mit den Kindern auf Augenhöhe zu sein, gemeinsam mit den Kindern und der Kollegin als eine Gruppe zu handeln und sich zusammen den täglichen Herausforderungen zu stellen. Dabei bot uns der Wald immer eine ganzheitliche Fülle von Sinnesanregungen.
In meiner Zeit im Naturkindergarten begleitete ich zwei Kinder im Rahmen einer Einzelintegrationsmaßnahme. Die unmittelbare Arbeit mit den Kindern, die auftauchenden Fragen im Kolleginnenkreis, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern und die interdisziplinäre Arbeit weckte zum ersten Mal den Wunsch in mir, mehr über die Heilpädagogik zu erfahren.
Das regelmäßiges Arbeiten im Wald war zwar aufgrund der Witterung oft anstrengend, aber verbunden mit einem Gefühl einer wahren Bodenständigkeit und dem Sein im hier und jetzt. Welch eine Freude, große leuchtende Kinderaugen voller Neugier- Wissbegierde und Spaß am Leben. Solche Erlebnisse hatte und habe ich zum größten Teil im Wald.
Aufgrund dieser und noch vieler weiterer wundervoller Erfahrungen ist es für mich eine Tatsache, dass der Wald ein hervorragend geeigneter heilpädagogischer Handlungsraum ist, dessen Qualität noch immer unterschätzt und aus diesem Grund viel zu wenig genutzt wird. In dieser Facharbeit werde ich meine Überzeugung mit Fachliteratur unterstreichen und belegen.
Einleitend werde ich auf allgemeingültige heilpädagogische Grundsätze eingehen. Danach fasse ich zusammen, was meines Erachtens Kinder im Elementarbereich für eine erfüllte Entwicklung brauchen, durch welche Merkmale die heutige Kindheit geprägt ist, welche Konsequenzen sich daraus für die kindliche Entwicklung ergeben können und was diese für das heilpädagogische Denken und Handeln bedeutet. Im folgenden Teil, der Wald als heilpädagogischer Handlungsraum, erläutere ich die Qualität, die das Handlungsfeld Wald in sich trägt.
Nun ist mein theoretischer Rucksack gepackt und es geht mit den Kindern in den Wald. Hier werde ich mich auf die Dokumentation der aktuellen Bedürfnisse der Kinder und wie sie diese umsetzen, konzentrieren. Nach der Reflektion der Waldtage blicke ich abschließend in die Zukunft.
„Das erste Wirkende ist das Sein des Menschen,
das zweite was er tut, und das dritte erst was er redet“
(nach Romano Guardini).
In Sinne des Zitates sollte jeder Heilpädagoge (mit Rücksicht auf die Lesbarkeit sind hier und an anderen Stellen auch immer gegengeschlechtliche Personen gemeint) sein eigenes Bild vom Mensch sein finden, formulieren und immer wieder reflektieren. Dies ermöglicht ihm authentische Begegnungen und Beziehungen einzugehen. Somit ist das Menschenbild Grundlage heilpädagogischen Handelns.
Der heilpädagogischen Entwicklungsbegleitung liegt ein humanistisches Menschenbild zu Grunde. Dieses gilt für alle Menschen und geht davon aus, dass:
- jedes Lebewesen mehr ist als die Summe seiner Teile. Diese Formulierung meint hier, dass trotz der Kenntnisse seiner Einzelfunktion des Organismus, die Einzigartigkeit des Individuums als Ganzheit Vorrang hat. Der Mensch wird somit immer als Ganzheit in all seinen Lebensbezügen verstanden
- alles Leben Begegnung ist. Die menschliche Existenz vollzieht sich immer in zwischenmenschlichen Beziehungen, ist immer in soziale Bezüge eingebunden und bewegt sich immer in einem Spannungsfeld zwischen Beziehungsabhängigkeit und Individualität
- der Mensch bewusst lebt und erlebt (Selbstbesinnung). Dieses bewusste Erleben ist Ausgangspunkt um eigene und fremde Erfahrungen zu verstehen. Somit wird immer von dem Hier und Jetzt ausgegangen, dem subjektiven Erleben, der subjektiven Wahrnehmung und dem aktuellen Bedürfnis eines Menschen
- der Mensch aktiv gestaltend auf sein Leben einwirkt (Selbstverantwortung)
Er ist nicht Opfer, sondern wählt frei und selbstverantwortlich, wohin er sich entwickeln will. Der Menschen ist Gestalter seiner eigenen Existenz
- jeder Mensch eine gerichtete Orientierung hat, die einen Teil seiner Identität bildet (zielgerichtet).
Dieser Teil will, wie in allen lebendigen Systemen, wachsen und sich entfalten, wobei die Orientierung klar aber auch paradox sein, die Umwelt kann förderlich, aber auch hinderlich auf diesen Wachstumsprozess einwirken. (vgl. Greving/ Ondracek, 2009, 145)
Diese ganzheitliche Sichtweise sieht also jeden Menschen als eine untrennbare Einheit von Körper, Geist und Seele und als Teil umfassenderer Systeme (natürlicher, kultureller, sozialer), auf die er einwirkt und von denen er beeinflusst wird. (vgl. Speck 2003, 270)
Durch die ganzheitliche „Brille“ gesehen vollzieht sich Entwicklung in einer permanenten Wechselbeziehung zwischen der Person und ihrer Umwelt.
„In diesen Prozess gehen sowohl Erbanlagen als auch Umweltbedingungen ein, immer in Wechselbeziehung zueinander stehend und die Entwicklung beeinflussend. Jedes Kind entdeckt nach und nach durch eigenes Erkunden und Probieren die Beschaffenheit der Welt, die uns Erwachsenen so selbstverständlich ist, als hätten wir sie schon immer begriffen und gekannt. In den Erscheinungsformen der Dinge stecken regelhafte Strukturen (z.B. Naturgesetze, physikalische Gesetzmäßigkeiten…). Um sie zu verstehen, hat der Erwachsene eine Auffassungsstruktur, eine „geistige Struktur“. Das Kind besitzt diese noch nicht. Sie entfaltet sich auch nicht wie ein vorprogrammierter Reifungsprozess und ebenso wenig kann man sie durch Unterricht in es hineinzwingen. Durch den ständigen Umgang mit den Dingen entwickelt das Kind vielmehr seine geistige Struktur, mit Hilfe derer es Eindrücke aus der Umwelt aufnehmen und einordnen kann, um sich so zunehmend besser in der Welt zurechtzufinden“ (Zimmer 2004, 67).
Kinder werden also als aktives Wesen gesehen, die sich in der Auseinandersetzung mit der Umwelt weiterentwickeln und dabei diese auch mitgestaltet und nicht als Objekte von Reifung oder Umwelteinflüssen (vgl. Zimmer 2004, 67). Dabei brauchen Kinder verlässliche Bezugspersonen, zum einen als sichere Basis, an die sie zurückkehren können und zum anderen als Vorbild für den Umgang mit Herausforderungen des Lebens und für die eigene psychische Strukturierung (vgl. Senckel 2004, 97). Kinder haben das Bedürfnis die Welt zu verstehen, dabei gilt es nach Senckel zu beachten, dass sich das Kind durch die egozentrische Denkweise im Kindergartenalter primär für Zusammenhänge seiner unmittelbaren Lebenswelt, seines eigenen Erfahrungsraumes und Gesichtfeld interessiert. Kinder erschließen sich die Welt schrittweise in immer größer werdenden Kreisen. Dabei beschäftigten sie sich mit einem Erfahrungszusammenhang bis dieser ausgeschöpft ist. Kinder begreifen ganzheitlich. Sie wollen sich ihrem Thema mit ihrem Körper, all ihren Kräften, Fähigkeiten und Gefühlen widmen. Sie möchten zu einem ganzheitlichen Verständnis von Sachverhalten, Vorgängen und Zusammenhängen kommen, sie möchten ihr Thema in vielen Facetten und unterschiedlichen Erlebnisqualitäten erleben (vgl. Senckel 2004, 244ff).
Angelehnt an Neubert versteht Ziegenspeck Erleben als subjektives Innenwerden von Vorgängen, die als bedeutsam empfunden werden.
„Viele Erlebnisse summieren sich zu Erfahrungen. Unter Erfahrungen versteht man das durch eigenes Erleben und eigene Anschauung erworbenes Wissen. Aus Erfahrungen können schließlich Erkenntnisse wachsen, aus denen möglicherweise Einsichten resultieren. Dabei stellen Einsichten die höchste Stufe menschlicher Weisheit dar“ ( Berthold Ziegenspeck, 2002, 9).
Aus dem heilpädagogischen Menschenbild und dem Verständnis von Entwicklung ergibt sich für die Entwicklungsbegleitung die Tatsache, dass Kinder verlässliche Bezugspersonen brauchen, dass sie sich die Welt nur in der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt aneignen können und dass dieser Lernprozess nicht in Form von Behandlungen von außen zu steuern und lenken ist. Die Aufgabe heilpädagogischer Entwicklungsbegleitung ist zum einen eine authentische, vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zum Kind aufzubauen und zum anderen das Finden von geeigneten Rahmenbedingungen, in denen Kinder in einen förderlichen Dialog mit ihrer sozialen und materiellen Umwelt treten können.
„Die Aktivität geht vom Kinde aus.
Jedes Kind trägt seine eigenen Entwicklungsgesetze in sich,
denen der Lehrer mit Achtung und Respekt zu begegnen hat.
Hilf mir, es selbst zu tun!“ (Maria Montessori)
Um die in Kapitel eins erwähnten Rahmenbedingungen zu finden bedarf es um das Wissen der kindlichen Entwicklung und der Bedeutung von Räumen, die für eine optimale Entwicklung nötig sind. An dieser Stelle wird betont, dass der gesamte Entwicklungsprozess durch die ständige Wechselwirkung zwischen Motorik und Wahrnehmung, den kognitiven, emotionalen und sozialen Bereichen des Kindes gekennzeichnet ist(vgl. Beigel, 2009, 11).
Wie im nachfolgenden dargestellt wird, nimmt jedoch die Entwicklung der Wahrnehmung und Bewegung im Kindergartenalter eine zentrale Rolle ein.
Einen besonderen Stellenwert nimmt in der frühkindlichen Entwicklung die Wahrnehmung (Sensorik) und Bewegung (Motorik) ein, da nach Zimmer ein „gut funktionierendes Wahrnehmungssystem als eine Voraussetzung für die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt betrachtet werden kann“(Zimmer, 2004, 69). Unter Wahrnehmung versteht sie das Aufnehmen und Verarbeiten von Information aus der Umwelt. Diese werden über verschiedene Sinnessyteme aufgenommen und verarbeitet. Hier fließen Erfahrungen, Erlebnisse und subjektive Bewertung mit ein. Nach Zimmer folgen dann in der Regel Reaktionen in der Motorik oder im Verhalten des Kindes, was wiederum zu einer neuen Wahrnehmung führt(vgl. Zimmer, 2004, 69). Die Sinne können also als Antennen gesehen werden über die alle Menschen mit ihrer Umwelt kommunizieren. Ayres geht davon aus, dass sich die kognitiven Funktionen eines Kindes auf den sensomotorischen Prozess aufbauen. Sie versteht den „ Prozess des Ordnens und Verarbeitens sensorischer Eindrücke im Gehirn“ (Ayres 1998, 47) als Voraussetzung für eine adäquate Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt, als Sensorische Integration(vgl. Ayres 1998, 47). Dabei stellt die Reifung des vestibulären, propriozeptives und taktilen System die Grundlage der kindlichen Entwicklung dar(vgl. Ayres 1998, 116ff.).
„Zuerst entwickeln sich die Sinne, die uns Informationen über unseren Körper und seine Beziehung zur Anziehungskraft der Erde geben. Erst danach folgt die Differenzierung der Sinne, die uns Informationen über körperferne Dinge liefern“ (Zimmer 2004, 70).
Die Sinnessysteme lassen sich also in Körpersinne und Umweltsinne unterteilen. Dabei gilt es zu bedenken, dass es sinnvoll und hilfreich ist diese Differenzierung vorzunehmen, jedoch in der Realität alle Sinne eng miteinander verbunden sind und in sich in ständiger Wechselwirkung miteinander befinden.
Körpersinne (Innenfühler)
Das taktile System (Berührungsempfinden) ist das erste funktionierende System im Mutterleib. Taktile Reize werden über das größte Organ, die Haut, wahrgenommen. Eine differenzierte taktile Wahrnehmung sorgt für ein klares Körperschema(Orientierung am eigenen Körper, Wissen und Kenntnis vom eigenen Körper und dessen Funktionen und die Einschätzung in Bezug auf Größe und Ausdehnung) und ein klares Körperbild (Erleben der Körpergrenzen und Einstellung zum eigenen Körper). Beides führt zur Entwicklung eines positiven Ich- Gefühl und damit zu Selbstvertrauen(vgl. Zimmer 2004,70; Beigel 2003,42).
Das Propriozeptive System (Körpereigenwahrnehmung) wird durch Zug- und Druckreize auf Muskeln, Gelenke und Sehnen angesprochen. Gut ausgebildet, reguliert es die Muskelkraft und ermöglicht einen harmonischen und effizienten Bewegungsablauf(vgl. Beigel 2003, 58ff.).
Das vestibuläre System ( Gleichgewichtsempfinden) ist eng mit dem propriozeptivem System verbunden und stellt für das Kindergartenkind das Haupterfahrungsfeld dar. Körperhaltung, Motorik, Koordination, Tonus und Gleichgewichtsreaktion sind von ihm abhängig. Weiterhin steht es in enger Verbindung zum visuellen und auditiven System (vgl. Zimmer 2004, 71; Beigel 2003, 51ff). Beigel zitiert Ayres, die den Gleichgewichtssinn für „das alles vereinende Bezugssystem hält“. Sie weißt darauf hin , dass vestibulare
Informationen das gesamte Nervensystem zu einer wirkungsvollen Funktion anhalten und dass die Bearbeitung anderer Empfindungen unregelmäßig und ungenau wird, wenn das vestibuläre Sinnessystem nicht korrekt funktioniert“ (Beigel 2003, 51).
Diese drei Körpersinne arbeiten eng zusammen und tragen zur Entwicklung des Körperschemas bei (vgl. Beigel 2003, 58ff.).
Umweltsinne (Außenfühler)
- das auditive System (hören): Dieses System stellt eine wichtig Vorraussetzung für die Entwicklung der Sprache und Kommunikation dar. Es ermöglicht dem Kind akustische Reize über das Ohr wahrzunehmen, sie sich vorzustellen, zu erfassen, zu produzieren und zu verbalisieren (vgl. Beigel 2003, 63)
- das visuelle System (sehen): Nach Zimmer wird der größte Teil von außen aufgenommener Informationen über die Augen wahrgenommen. Durch diese Informationen lernt das Kind sich im Raum zu orientieren, seine Haltung zu kontrollieren, die Fortbewegung zu steuern und Reizquellen zu lokalisieren (vgl. Zimmer2004, 71)
- das olfaktorische System (riechen): Gerüche werden über die Riechschleimhaut in der Nase aufgenommen. Der Geruchssinn dient zur Warnung vor schlechter Nahrung und schädlichen Stoffen. Weiterhin ist die emotionale und soziale Komponente der Geruchswahrnehmung sehr hoch
(vgl. Beigel 2003, 80)
- das gustatorische System (schmecken): Durch Geschmacksknospen, die sich auf der Zunge befinden, wird süß und sauer, salzig und bitter unterschieden. Der Geschmacksinn ermöglicht uns zu entscheiden, welche Nahrung gut oder schlecht ist. Dieser Sinn dient also als zweites Warnsystem und sorgt damit im Rahmen des Körperschemas als Schutz (vgl. Beigel 2003, 76).
Schaefgen hat die ganzheitliche Funktionsweise der Sinnessysteme verdeutlicht, indem sie die Wahrnehmungsentwicklung des Kindes mit der eines heranwachsenden Baums verglichen hat:
„ Die Wahrnehmung sowie ihre Einzel- und integrativen Funktionen sind ein von unten gespeister und von oben beflügelter Wachstumsprozess, der zu allen Phasen immer in allen seinen Ebenen wächst. Die höheren Funktionen können sich nur gut entwickeln, wenn ausreichende Voraussetzungen dafür gegeben sind und der Baum über seine Sinne Nahrung sowie Licht, Wärme, Liebe und Wertschätzung von außen bekommt. Ein Neugeborenes ist wie ein kleiner Baum mit allen Sinneswahrnehmungen ausgestattet, und im Laufe des Lebens wachsen Wurzel, Stamm und Äste und Verästelungen tragen Früchte. Wie bei einem Baum entsprechen Stärke und Länge der Wurzeln denen der Äste. Starke Wurzeln sind nicht nur sensorisch wichtig, sie geben dem Baum auch lebenslang Halt gegenüber starken Stürmen, die emotionalen Beeinträchtigungen beim Menschen entsprechen. Wie dies geschieht, hängt sehr wesentlich von Nahrung aus dem Boden und Licht von oben ab. Sie sind die prägenden Faktoren für die Gesamtentwicklung. Sinnbildlich ist hier die Nahrung aus dem Boden die Sinnesinformationen, die dem Kind aus seinem Körper und dem Umfeld angeboten werden. Licht und Wärme von oben verkörpern die Wärme der Beziehung, die emotionale Akzeptanz und Begleitung der Bezugsperson und des Umfeldes beim Wachstumsprozess ( Schaefgen,2007, 35.)
Somit werden geistige und soziale Fähigkeiten als Früchte einer gelungenen sensorischen Integration betrachten. In diesem Prozess sind die Sinne die Nahrung für das Gehirn. Das Kind kann sich nur in der handelnden Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickeln(vgl. Ayres 1998, 56). In diesem Zusammenhang betont Speck
„ Bildung ist bei aller Bedeutung der Ausbildung von Teilfertigkeiten auf Lebensganzheit bezogen, vor allem auf Sinn- stiften und Sinn- erleben angewiesen, wenn sie für das Handeln im Lebenszusammenhang von Bedeutung sein soll“ (Speck 2008, 271).
Handlung ist aber nur durch Bewegung möglich. Bewegung bedeutet für das Kind einen wesentlichen Zugang zur Welt. Durch möglichst vielseitige Erfahrungen, durch und mit Bewegung wird die kindliche Handlungsfähigkeit erweitert. Das Kind kommt in Bewegung, mit dem Ziel Wissen über seine Umwelt zu erlangen. Wissen, welches auf eigenen selbstständig gewonnenen Erlebnissen basieren muss und nicht aus zweiter Hand erworben werden kann(vgl. Ayres 1998, 54).
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