„Arbeitslosigkeit ist mittlerweile ein gesellschaftliches Dauerproblem bzw. ein fataler Zustand (C. Offe), für den es kein (kurzfristiges) Heilmittel gibt.“ (Friedrich/Wiedemeyer 1998: 15) Mit dieser Kurzbeschreibung der Grundproblematik steigen Horst Friedrich und Michael Wiedemeyer in die wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Arbeitslosigkeit ein. Die Situation wird als kritisch und ernst bezeichnet, wobei immer mehr Menschen von eben jenem Problem betroffen sind. Doch zunächst sollte geklärt werden, wie sich Arbeitslosigkeit definiert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beschreibt die Arbeitslosigkeit als Differenz von „Arbeitsangebot (Erwerbsbeteiligung) und realisierter Arbeitsnachfrage (Beschäftigung) (…)“ (Möller/Walwei 2009: 28) Festzustellen ist außerdem, dass die deutsche Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich in den Jahren von 1991 bis 2007 zugenommen hat, sodass sie nun eine Spitzenposition, natürlich im negativen Sinne, im Staatenranking einnimmt. Dabei ist allerdings auf den Unterschied aufmerksam zu machen, dass in anderen Staaten, beispielsweise in Großbritannien oder Schweden, der Zugang zur Gruppe der Erwerbsunfähigen leichter fällt, als es in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Das IAB bescheinigt der deutschen Arbeitsmarktpolitik gute Integrationschancen für junge Männer, weist jedoch auf einen Rückstand der Frauenintegration hin, welche beispielsweise vorbildlich in skandinavischen Ländern funktioniert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Ursachen
2.1 Konjunkturell-bedingte Arbeitslosigkeit durch Nachfrageschwankungen
2.2 Wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit durch gestörte Angebotsbedingungen
2.3 Strukturelle Bestimmungsfaktoren von Arbeitslosigkeit
2.4 Wolfgang Franz´ Ursachenmodell
3. Strategien zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit 6
3.1 Strategien von Wolfgang Franz
3.2 Strategien von Horst Friedrich und Michael Wiedemeyer
3.3 Strategien des Europäischen Beschäftigungsgipfels
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einführung
„Arbeitslosigkeit ist mittlerweile ein gesellschaftliches Dauerproblem bzw. ein fataler Zustand (C. Offe), für den es kein (kurzfristiges) Heilmittel gibt.“ (Friedrich/Wiedemeyer 1998: 15) Mit dieser Kurzbeschreibung der Grundproblematik steigen Horst Friedrich und Michael Wiedemeyer in die wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Arbeitslosigkeit ein. Die Situation wird als kritisch und ernst bezeichnet, wobei immer mehr Menschen von eben jenem Problem betroffen sind. Doch zunächst sollte geklärt werden, wie sich Arbeitslosigkeit definiert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beschreibt die Arbeitslosigkeit als Differenz von „Arbeitsangebot (Erwerbsbeteiligung) und realisierter Arbeitsnachfrage (Beschäftigung) (…)“ (Möller/Walwei 2009: 28) Festzustellen ist außerdem, dass die deutsche Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich in den Jahren von 1991 bis 2007 zugenommen hat, sodass sie nun eine Spitzenposition, natürlich im negativen Sinne, im Staatenranking einnimmt. Dabei ist allerdings auf den Unterschied aufmerksam zu machen, dass in anderen Staaten, beispielsweise in Großbritannien oder Schweden, der Zugang zur Gruppe der Erwerbsunfähigen leichter fällt, als es in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Das IAB bescheinigt der deutschen Arbeitsmarktpolitik gute Integrationschancen für junge Männer, weist jedoch auf einen Rückstand der Frauenintegration hin, welche beispielsweise vorbildlich in skandinavischen Ländern funktioniert. Es konstatierte sich bis in die Mitte der 1970er Jahre ein Zustand Nahe der Vollbeschäftigung, bis schließlich im April 1975 die Millionengrenze der Erwerbslosen überschritten wurde. So entwickelt sich die Arbeitslosigkeit binnen kürzester Zeit zum größten Problem der Wirtschaftspolitik, denn schließlich stellt der Verlust des Arbeitsplatzes eine gesellschaftliche, ökonomische und psychische Belastung dar, welche das Selbstwertgefühl und den Lebensstandart, trotz staatlicher Beihilfen, sinken lassen. So sprechen Kirchenvertreter auch vom „Nährboden für Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit“ (Evangelische Kirche/Deutsche Bischofskonferenz 1997: 25f.) im Zuge von „Perspektivlosigkeit und Angst vor dem sozialen Abstieg“. (ebd.) Demzufolge ist es leicht zu verstehen, dass die Arbeitslosigkeit ein Problem des Staates und der Gesellschaft ist, wobei nicht nur die Existenzsicherung der Individuen im Vordergrund steht, sondern auch die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung eines jeden Einzelnen. Darüber hinaus kann Arbeitslosigkeit ebenso eine Bedrohung für das politische System darstellen, was sich in Radikalisierung und Terror niederschlägt. Erinnern sollte man hierbei an die Krisenjahre von 1929 bis 1932 in Deutschland, in welchen die Weltwirtschaftskrise den Weg zu einer totalitären Diktatur ebnete, wobei natürlich nicht nur die Wirtschaftskrise allein dafür verantwortlich zu machen ist. Um es versöhnlicher zu beschreiben, bot sie den Nationalsozialisten einen guten Nährboten, aus welchen sich die Massenarbeitslosigkeit ergab.
2. Ursachen
Im nun folgenden Teil meiner Arbeit möchte ich zunächst die Ursachen von Arbeitslosigkeit beschreiben, ehe im Anschluss Bekämpfungsstrategien dargelegt werden. In beiden Teilbereichen sollen Aufrisse zum einen von Horst Friedrich und Michael Wiedemeyer und zum anderen von Wolfgang Franz erfolgen. Zunächst setze ich mich mit den Ausführungen von Friedrich und Wiedemeyer auseinander, welche im Nachgang durch Ansätze von Franz ergänzt werden.
2.1 Konjunkturell-bedingte Arbeitslosigkeit durch Nachfrageschwankungen
Der im Zuge von periodischen Schwankungen auftretende Nachfragerückgang bringt eine erhöhte Arbeitslosigkeit mit sich. Das Saysche Theorem, in welchem sich die Denkweise ergibt, dass sich die Produktion durch den Einsatz von Produktionsfaktoren ihre Nachfrage selbst schafft, wird negiert, wobei der Ansatz von John Maynard Keynes angeführt wird. Demnach kommt es ausschließlich bei einer hohen Nachfrage zur Produktion, sodass es zu weniger Erwerbslosigkeit kommt, eben aufgrund der erhöhten Produktion. Die verringerte Nachfrage in der Industrie erfordert weniger Arbeitskräfte, sodass in Folge dessen es auch zu einer verringerten Nachfrage an Privatgütern kommt. Diese Schwankungen stellen ein natürliches Merkmal im marktwirtschaftlichen Ablauf dar. In dieser wissenschaftlichen Betrachtung werden vier verschiedene Nachfragearten genannt, welche kurz Erwähnung finden sollten. Die Konsumgüternachfrage ist das größte Element der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und bezeichnet die Massenkaufkraft. Wenn dabei also die Nettolöhne unproportional zu den Güterpreisen steigen, lässt sich eine geringere Kaufkraft konstatieren. Die Investitionsgüternachfrage stellt die Investition als langfristige Arbeitsplatzsicherung dar, wobei nur investiert wird, wenn die Einnahmen die Investitionsausgaben decken und ein zugleich ein Gewinn erzielt werden kann. Dabei stellen Produktionspreis, Lohnkosten und Unterhalt der Investitionen Faktoren mit erhöhter Unsicherheit dar, da man sich nicht sicher sein kann, wie sich die Wirtschaftslage entwickelt. Die Staatsnachfrage stellt den staatlichen Verbrauch dar, welcher sich bei hohem Verbrauch positiv auf die Beschäftigungslage niederschlägt. Abschließend sei die Auslandsnachfrage genannt, wobei Schwankungen der Nachfrage auf dem internationalen Markt zum Beschäftigungseinbruch führen. Beispielsweise hat die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2010 nach sechs Jahren ihren Titel als „Exportweltmeister“ an China abgeben müssen. „Deutsche Unternehmen verkauften im Rezessionsjahr 2009 gut 18 Prozent weniger Waren ins Ausland als ein Jahr zuvor - der stärkste Rückgang seit Beginn der Erhebung 1950. Gleichzeitig kam China gut durch die Krise.“ (Balser/Busse 2010)
2.2 Wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit durch gestörte Angebotsbedingungen
Diesem neoklassischen Ansatz zu Grunde liegt die These, dass sich die Arbeitslosigkeit als Folge zu teurer Arbeitskräfte ergibt. Dabei gibt es ein Überangebot von Arbeitskräften, was zur Senkung der Lohnkosten führt, wodurch die Nachfrage an Konsumgütern durch weniger Privatkapital zurückgeht, sodass dadurch Erwerbslosigkeit induziert wird, welche auch als „wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit“ (Leipert 1989: S 19) bezeichnet wird. In diesem Problemfeld wirken Lohnkosten, Kapitalkosten und Energiekosten zusammen, welche den Produkivitätszuwachs nicht überschreiten sollten, da sonst aufgrund von Verteuerungen die Nachfrage sinkt, sodass eine steigende Arbeitslosigkeit die Folge wäre.
2.3 Strukturelle Bestimmungsfaktoren von Arbeitslosigkeit
Dieser Kernbereich der Ursachen von Erwerbslosigkeit setzt sich aus verschiedenen Teilbereichen zusammen, wie beispielsweise aus der Bevölkerungs-, Nachfrage- oder sektoralen Wirtschaftsstruktur, der Außenwirtschaft oder technologischen Weiterentwicklungen und hat einen erheblichen Einfluss. Merkmal hierfür ist vor allem die Unterteilung in Teilarbeitsmärkte, wobei es zum „Arbeitskräfteüberangebot“ (Friedrich/Wiedemeyer 1998: S 102) oder zum „Arbeitskräftedefizit“ (ebd.) kommen kann. Beeinflusst wird die strukturell-bedingte Arbeitslosigkeit von sechs Komponenten, welche kurz erklärt werden müssen. Zum einen lässt sich ein demografischer Wandel konstatieren, worunter man einen sprunghaften Anstieg oder einen großen Abstieg der Erwerbspersonenzahl versteht, worauf die Wirtschaft reagieren muss. Die technologisch-arbeitsorganisatorische Komponente stellt den Wandel aufgrund der Technologiesierung dar, welche zweiseitig anzusehen ist. Einerseits kann man sie als Wettbewerbsmotor ansehen, andererseits aber auch als Gefahr für die Arbeitsplätze durch zunehmende Automatisierung. Konsensfähig ist die Darstellung, dass Technologiesierung für das internationale Bestehen notwendig ist, allerdings auch Arbeitsplätze für die Herstellung von Maschinen und deren Wartung geschaffen werden. Als sektorale Komponente versteht man den, für Industriestaaten typischen, Strukturwandel, wobei sich eben jene Staaten von der Landwirtschaft (primärer Sektor) zur Produktionsgesellschaft (sekundärer Sektor) weiterentwickeln, sodass schließlich der Bereich der Dienstleistungen (tertiärer Sektor) beschritten wird. Dabei soll die steigende Arbeitslosigkeit in den Vorgängersektoren durch mehr Nachfrage an Arbeitskräften im aktuellen Sektor kompensiert werden, in diesem Zuge soll auch das Arbeitsangebot ständig erweitert werden. Darüber hinaus wird Arbeitslosigkeit auch als Problem der Qualifikation angesehen, sodass der Teilbereich der qualifikatorischen Komponente eine entscheidende Position einnimmt. Der Anteil der geringqualifizierten Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt übersteigt das Angebot an Arbeitsplätzen, weil immer mehr Tätigkeiten eine hohe Qualifizierung benötigen. Außerdem sind anspruchsvolle Arbeitgeber zu verzeichnen, für welche eine längerfristige Arbeitslosigkeit ein Signal für verminderte Leistungsbereitschaft darstellt. Desweiteren sind neue Fertigungskonzepte gegeben, wobei einerseits manuelle Fähigkeiten und andererseits das Verständnis für organisatorische Zusammenhänge erwartet werden. Die regionale Komponente stellt unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen zwischen den einzelnen Regionen dar, welche geografischen (Rohstoffe), historischen und politischen (andere Wirtschaftsysteme) Ursprungs sind. Dabei wird auf eine erhöhte Anpassungsfähigkeit auf einen kommenden Wandel verwiesen, wenn die Region eine gemischte Wirtschaftstruktur vorweisen kann. Eine letztes Element stellt die internationale Komponente dar, wobei sich, durch die außenwirtschaftliche Vernetzung, Weltwirtschaftsveränderungen auf den Wettbewerb auswirken, sodass auch Veränderungen im inneren eines Wirtschaftssystems spürbar werden. Die Gefahr einer Abwanderung der Arbeitskräfte ist dabei gegeben, kann aber durch die soziale und politische Stabilität Deutschlands, die hohe Produktivität und die deutsche Innovationsfähigkeit ausgeglichen werden.
2.4 Wolfgang Franz´ Ursachenmodell
Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftlehre in Mannheim, erkennt die Ausführungen von Friedrich und Wiedemeyer im Bereich der konjunkturell-strukturell-bedingten Arbeitslosigkeit an, bestätigt aber eine Abhängigkeit vom Wirken gewisser wirtschaftlicher Akteure. Ihm offenbart sich ein theoretischer Analyserahmen zur Erklärung der Arbeitslosigkeit als notwendig. Zunächst entwickelt Franz das Modell der quasi-gleichgewichteten Arbeitslosigkeit, welches als QERU („quasi-equilibrium rate of unemployment“) (Franz 2002: 365) bezeichnet wird und die Ursachenentstehung der Arbeitslosigkeit erklären soll. Die Erwerbslosigkeit ergibt sich demnach nicht allein aus Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage, sondern auch durch einen institutionellen Ablauf bei der Lohnbildung beziehungsweise durch Anreize für Arbeit. Demnach wirken sich Schocks auf den Wirtschaftsmärkten, Hysteresis-Phänomene und eine strenge Fiskalpolitik auf die Arbeitslosigkeit aus, darüber hinaus liegt ein langer Abbau der qualifikatorischen und regionalen Mismatchs vor, sodass man sich nur schwer an den Arbeitsmarkt anpassen kann. Die Vorstellung der quasi-gleichgewichteten Arbeitslosigkeit wird bei Wolfgang Franz durch die instabile Arbeitslosenquote erweitert, wobei auf eine Lohn- und Preissteigerung Rücksicht genommen wird. Dabei stehen Beschäftigung und Lohn in Verbindung und äußern sich durch einen Verteilungskampf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welcher als Lohnverhandlung bezeichnet wird. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit kann jene durch die Geldpolitik dezimiert werden, was eine steigende Inflation nach sich ziehen kann. An dieser Stelle setzt die instabile Arbeitslosenquote an, indem sie angibt, wie Arbeitslosigkeit ohne Inflationssteigerung überwunden werden kann. Eine weitere Ursache für Erwerbslosigkeit sind die Angebotsschocks, welche sich durch eine Erhöhung der Rohstoffpreise zurückführen lassen. Als Beispiel möchte ich hierbei den rapide gestiegenen Ölpreis in den 1970er Jahren anführen, welcher die Produktion verlangsamte. Werden dabei die Löhne, beispielsweise auch auf freiwilliger Basis, nicht zurückgehalten oder die Zuschläge durch die Unternehmen reduziert, so stellt sich bald eine höhere Arbeitslosigkeit aufgrund der restriktiven Nachfrage ein. Darüber hinaus wirken sich Lohnstarrheiten äußerst nachteilig aus. Franz führt dabei eine positive Wirkung einer flexiblen Lohnentwicklung an, welche besser und angemessen auf die Arbeitsmarktsituation reagieren kann. Ein weiteres Phänomen stellt die Hysteresis dar, welche auch als „Zurückbleiben“ bezeichnet wird, wobei dies eine Eigenschaft eines dynamisch-ökonomischen Systems ist. Hierbei soll darauf verwiesen werden, dass das Ziel eines Systems abhängig vom Weg ist, auf welchen der Zielpunkt erreicht worden ist. Als letzte Ursache der Arbeitslosigkeit stellt Franz den Mismatch dar, wobei sich die Situation ergibt, in der „Profile von Arbeitslosen und Arbeitsplätzen in regionaler und qualitätsmäßiger Hinsicht nicht übereinstimmen (…)“. (Franz 2002: 378) Aufgrund dessen müssen die Qualifikationen der Erwerbslosen erhöht werden, beispielsweise durch Fördermaßnahmen, wobei Franz allerdings auf Unzulänglichkeiten bei der Koordination von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage hinweist. Darüber hinaus ist die Dauer der Arbeitslosigkeit abhängig von der Intensität der Suche der Arbeitslosen.
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