Das Ende des Kalten Krieges sollte der Beginn einer neuen Ära sein. Einer Ära des
Frieden und der Zusammenarbeit, anstelle von Krieg und Konflikt. Von einer „zweiten
Chance“ war die Rede (Toth 2010: 15). Doch der Kalte Krieg machte Platz für eine
andere Art der Auseinandersetzung auf dem Globus.
In der Zeit rund um den Fall des Eisernen Vorhangs konnte ein starker Anstieg an
innerstaatlichen Konflikten verzeichnet werden (Toth 2010: 16). Bei einem Großteil
dieser Konflikte liefen die Konfliktlinien entlang der Ethnien und Streitpunkt waren
politische Uneinigkeiten. Daher wurden sie als ethnische bzw. ethnopolitische
Konflikte bezeichnet. Ruanda, Burundi, Sudan, Irak, Burma und Bosnien und
Herzegowina sind Staaten, die im allgemeinen Vernehmen mit blutigen
Auseinandersetzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit brutalster Art
während innerstaatlichen Konflikten in Verbindung gebracht werden.
Viele Politiker und Journalisten glaubten die Ursache der Konflikte in den ethnischen
Unterschieden gefunden zu haben. Es sei nicht möglich, dass Menschen mit
unterschiedlichen Kulturen friedlich zusammenleben (Huntington 1996). Daher sei
auch die Ursache ethnischer / ethnopolitischer Konflikte unkompliziert und
offensichtlich. Verantwortlich für diese gewaltsamen Konflikte sei der sich entladende
„uralte Hass“, welcher zwischen den beteiligten ethnischen Gruppen seit geraumer
Zeit existiere, bisher jedoch aus verschiedensten Gründen zurückgedrängt worden
wäre (Kaplan 1994b).
Doch die Wissenschaft war nicht zufrieden mit diesem Erklärungsversuch, denn sie
konnte nicht erklären, warum ethnisch motivierte Gewalt in einigen multikulturellen
Staaten ausbrachen und in anderen wiederum nicht. Trotz vieler Unzulänglichkeiten
war diese These in den 90ern bis in die höchsten Politischen Kreise weit verbreitet
(Toth 2010: 71), die Wissenschaft war jedoch auf der Suche nach signifikanteren
Erklärungsmodellen. Mit der Zeit häuften sich Thesen, die ethnische / ethnopolitische
Konflikte als Folge komplexer Entwicklungen zu erklären versuchten.
In der folgenden Hausarbeit möchte ich am Fallbeispiel des Bosnienkrieges von
1992 bis 1995 die Ursachen eines ethnopolitischen Konfliktes ausarbeiten und mein
besonderes Augenmerk darauf legen, welche Rolle individuelle Akteure bei der
Entstehung und Eskalation des Konfliktes in Bosnien und Herzegowina gespielt
haben.[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Definition zentraler Begriffe
2.1.1. Ethnien
2.1.2. Ethnischer Konflikt
2.1.3. Ethnopolitischer Konflikt
2.1.4. Individuelle Aktuere
2.2. Die Konfliktparteien und ihre Kriegsziele
2.3. Erklärungsversuche
2.3.1. Erklärungsversuch 1: Die These des „uralten Hasses“
2.3.2. Erklärungsversuch 2: Ethnopolitische Konflikte als Folge komplexer Entwicklungen
2.3.2.1. Underlying Couses
2.3.2.2. Proximate Couses
3. Schluss
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Das Ende des Kalten Krieges sollte der Beginn einer neuen Ära sein. Einer Ära des Frieden und der Zusammenarbeit, anstelle von Krieg und Konflikt. Von einer „zweiten Chance“ war die Rede (Toth 2010: 15). Doch der Kalte Krieg machte Platz für eine andere Art der Auseinandersetzung auf dem Globus.
In der Zeit rund um den Fall des Eisernen Vorhangs konnte ein starker Anstieg an innerstaatlichen Konflikten verzeichnet werden (Toth 2010: 16). Bei einem Großteil dieser Konflikte liefen die Konfliktlinien entlang der Ethnien und Streitpunkt waren politische Uneinigkeiten. Daher wurden sie als ethnische bzw. ethnopolitische Konflikte bezeichnet. Ruanda, Burundi, Sudan, Irak, Burma und Bosnien und Herzegowina sind Staaten, die im allgemeinen Vernehmen mit blutigen Auseinandersetzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit brutalster Art während innerstaatlichen Konflikten in Verbindung gebracht werden.
Viele Politiker und Journalisten glaubten die Ursache der Konflikte in den ethnischen Unterschieden gefunden zu haben. Es sei nicht möglich, dass Menschen mit unterschiedlichen Kulturen friedlich zusammenleben (Huntington 1996). Daher sei auch die Ursache ethnischer / ethnopolitischer Konflikte unkompliziert und offensichtlich. Verantwortlich für diese gewaltsamen Konflikte sei der sich entladende „uralte Hass“, welcher zwischen den beteiligten ethnischen Gruppen seit geraumer Zeit existiere, bisher jedoch aus verschiedensten Gründen zurückgedrängt worden wäre (Kaplan 1994b).
Doch die Wissenschaft war nicht zufrieden mit diesem Erklärungsversuch, denn sie konnte nicht erklären, warum ethnisch motivierte Gewalt in einigen multikulturellen Staaten ausbrachen und in anderen wiederum nicht. Trotz vieler Unzulänglichkeiten war diese These in den 90ern bis in die höchsten Politischen Kreise weit verbreitet (Toth 2010: 71), die Wissenschaft war jedoch auf der Suche nach signifikanteren Erklärungsmodellen. Mit der Zeit häuften sich Thesen, die ethnische / ethnopolitische Konflikte als Folge komplexer Entwicklungen zu erklären versuchten.
In der folgenden Hausarbeit möchte ich am Fallbeispiel des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 die Ursachen eines ethnopolitischen Konfliktes ausarbeiten und mein besonderes Augenmerk darauf legen, welche Rolle individuelle Akteure bei der Entstehung und Eskalation des Konfliktes in Bosnien und Herzegowina gespielt haben.
Die präzise Analyse der Ursachen von ethnischen / ethnopolitischen Konflikten ist aus vielerlei Hinsicht unabdingbar und äußerst relevant. Einerseits läuft kaum ein Weg daran vorbei, die Ursachen dieser Konflikte detailliert auszuarbeiten, um in der Lage zu sein, wirkungsvolle und nachhaltige Friedensarbeit in den Konfliktregionen zu betreiben. Andererseits besteht durch die Kenntnis der Ursachen und Vorboten von blutigen Auseinandersetzungen zwischen Ethnien die Möglichkeit, frühzeitige Präventionsmaßnahmen zu treffen.
Begonnen wird diese Fallstudie mit der Definition zentraler Begriffe mit denen in dieser Hausarbeit gearbeitet werden soll. Anschließend werden die Konfliktparteien und ihre Kriegsziele kurz vorgestellt, bevor zwei in der Literatur sehr relevante Erklärungsversuche der Ursachen des Bosnienkrieges beschrieben und bewertet werden.
Die Fachliteratur, die im Vorfeld dieser Hausarbeit recherchiert wurde, setzt sich hauptsächlich aus Büchern und Aufsätzen zusammen, wobei auch Internetquellen berücksichtigt wurden.
2. Hauptteil
Der zwischen 1992 und 1995 andauernde Krieg in Bosnien und Herzegowina forderte 100.000 bis 150.000 Menschen das Leben, fast zwei Drittel der Opfer waren Zivilisten (Toth 2010: 69). Es wurden rund 50.000 Frauen systematisch vergewaltigt und über zwei Millionen Menschen gewaltsam dazu gezwungen, auf der Flucht oder in Konzentrationslagern zu leben. (Ahlbrecht et al. 2009: 84) Der Krieg wurde nicht gegen einen anderen Staat geführt, sondern war innerstaatlich. Die kämpfenden Parteien waren die drei großen ethnischen Gruppen des Landes: die bosnischen Serben, bosnischen Kroaten und die Bosniaken. Dieser innerstaatliche Konflikt zwischen den ethischen Gruppen des Staates wurde als ethnischer oder ethnopolitischer Konflikte bezeichnet und hat eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ursachen und Besonderheiten dieses Konfliktes nach sich gezogen. Es wurde schnell deutlich, dass verschiedene miteinander konkurrierende Erklärungsansätze sich herauskristallisierten (Toth 2010: 69). Zwei dieser Erklärungsansätze werden im Folgenden analysiert.
2.1 Definitionen zentraler Begriffe
Doch zunächst einmal wäre es wichtig, zentrale Begriffe dieser Hausarbeit zu definieren:
2.1.1 Ethnien
„[Der Begriff ,ethnisch’] ist ein für jede wirklich exakte Untersuchung ganz unbrauchbarer Name.“ (zit. nach: Wieland 2000: 26)
Wie Max Weber schon vor fast 100 Jahren erkannte, ist der Begriff Ethnie ein schwer definierbarer. Es gibt mehrere verschiedene Ansätze, diesen Begriff zu definieren. In dieser Hausarbeit wird eine Definition von Sabrina Ramet verwendet, die Ethnie in Bezug auf den Bosnienkonflikt als „a group of people who believe that they constitute a primary cultural unit and who believe that they have commen cultural interests“ (Ramet zit. nach Wieland 2000: 30). Wie schwammig dieser Begriff ist und durchgemischt die Bevölkerungsstruktur des ehemaligen Jugoslawiens gewesen ist erkennt man ganz deutlich am folgenden Zitat:
„Slowenen und Kroaten gehören derselben (römisch-katholischen) Konfession an, unterscheiden sich jedoch durch ihre Schriftsprachen. Kroaten und Serben bedienen sich derselben (serbokroatischen oder kroatoserbischen) Schriftsprache, gehören jedoch unterschiedlichen Konfessionen an. Die bosnischen Muslime unterscheiden sich von ihren Mitbewohner (Serben und Kroaten) allein durch die Konfession, während sie sich von anderen Muslimen in Jugoslawien (z.B. von den Albanern) durch Sprache und Herkunft unterscheiden. Die Mazedonier teilen mit den Serben dieselbe ostkirchliche Konfession, besitzen jedoch seit Ende des Zweiten Weltkrieges eine eigene Schriftsprache. Und sofern sich die Montenegriner als Nation definieren wollen, brauchen sie zusätzlich zu Sprache und Glaubensbekenntnis (die sie mit den Serben teilen) mindestens ein weiteres Unterscheidungsmerkmal (z.B. unterschiedliche historische Traditionen und soziale Organisationsformen), um ihre Eigenständigkeit bestimmen zu können.“ (Sundhaussen zit. nach Wieland 2000: 41)
Wichtig ist zu wissen, dass die ethnische Identität für die meisten Individuen kaum eine Rolle spielt und im lediglich Unterbewusstsein schlummert. Doch unter bestimmten Umständen kann sie zur Triebfeder des eigenen und kollektiven Handelns vor allem in den Beziehungen zu anderen Gruppen sein. Dabei erhöht sich der Stellenwert der ethnischen Identität, wenn eine bestimmte ethnische Gruppe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Diskriminierung hinnehmen muss (z.B. Einschränkung politischer Rechte). Ausschlaggebend ist hierbei nicht die reale, sondern die gefühlte Diskriminierung (Toth 2010: 17).
2.1.2 Ethnischer Konflikt
Der bisher schon einige Male verwendete Begriff des ethnischen Konfliktes ist im Grunde ein Konflikt, bei dem sich Gewalt gegen Mitglieder einer ethnischen Gruppe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser richtet. (Ahlbrecht et al. 2009: 40).
2.1.3 Ethnopolitischer Konflikt
Eng verbunden mit dem ethnischen Konflikt ist der ethnopolitische Konflikt. Dieser ist ein ethnischer Konflikt, bei der der Gegenstand des Konfliktes politischer Natur ist. Ted Gurr definiert den ethnopolitischen Konflikt als einen Konflikt, „in which claims are made by a national or minority group against the state or against other political actors.“ (zit. nach Toth 2010: 18)
Zwischen 1986 und 1998 gab es insgesamt 52 neue ethnopolitische Konflikte, welche die Schwelle zur Gewalt überschritten. Davon entfielen 14 auf Staaten aus dem post-kommunistischen Bereich (Toth 2010: 16).
Zweifelsohne war einer der grausamsten und menschenverachtendsten dieser Konflikte der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Im Folgenden wird der Begriff ethnopolitischer Konflikt verwendet.
2.1.4 Individuelle Akteure
Mit dem Begriff individuelle Akteure sind in dieser Hausarbeit weniger bestimmte Personen gemeint, sondern eher allgemein Akteure innerhalb der politischen Führungs- und Elitenschicht der drei beteiligten Ethnien. Natürlich sticht in diesem Zusammenhang eine Reihe von Namen hervor. Radovan Karadzic (politischer Führer der bosnischen Serben), Ratko Mladic (militärischer Führer der bosnischen Serben), Slobodan Milosevic (Präsident Jugoslawiens, politischer Führer der Serben), Franjo Tudjman (Präsident Kroatiens, politischer Führer der Kroaten), Mate Boban (politischer Führer der bosnischen Serben), Alija Izetbegovic (politischer Führer der Bosniaken) sind zweifelsohne einige der Namen, mit deren Rolle im Konflikt man sich im Einzelnen beschäftigen könnte, doch dies würde den Rahmen der Hausarbeit überschreiten.
2.2 Die Konfliktparteien und ihre Kriegsziele
Wie oben bereits erwähnt verlief der Bosnienkrieg zwischen den drei größten ethnischen Gruppen Bosnien und Herzegowinas:
Die bosnischen Serben verfolgten das Ziel, die überwiegend serbisch bewohnten Gebiete Bosnien und Herzegowinas an die serbische Republik anzugliedern, um so den Traum von Großserbien zu verwirklichen. Unterstützt wurden sie bei dem Krieg sowohl militärisch als auch logistisch aus Belgrad.
Bosnische Kroaten strebten ähnlich wie die bosnischen Serben eine Angliederung der Gebiete, in denen sie die Mehrheit stellten, an Kroatien an. Sie hatten beim Krieg die Unterstützung der kroatischen Regierung in Zagreb an ihrer Seite.
Das Ziel der Bosniaken war es Bosnien und Herzegowina als einen unabhängigen, souveränen und ungeteilten Staat zu erhalten. Ihre große Schwäche war die militärische Unterlegenheit den anderen beiden Kriegs- bzw. Konfliktparteien gegenüber. Sie hatten keinen Nachbarstaaten, der zur Hilfe bereit war. Erst im Laufe des Bosnienkrieges erhielten sie Unterstützung aus anderen islamischen Ländern, v.a. aus dem Nahen Osten. Neben den regulären Armeen der drei Kriegsparteien operierten aber auch noch eine Reihe paramilitärischer Verbände im völlig rechtsfreien Raum (Toth 2010: 84f.).
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