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Hausarbeit, 2012
23 Seiten, Note: 1,3
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Voraussetzungen für den Spracherwerb
2.1 Neuronale Voraussetzungen
2.2 Voraussetzungen in der sozialen Umwelt
3. Die Entwicklung der einzelnen Sprachkomponenten
3.1 Die prosodisch-phonologische Komponente
3.2 Die lexikalische Komponente
3.3 Die syntaktische Komponente
3.4 Die pragmatische Kompetenz
4. Erklärungsansätze der Sprachaquisitionsprozesse
4.1 Inside-Out-Theorien
4.2 Outside-In-Theorien
5. Fazit
Literatur
Die Sprache ist ein humanspezifisches Kommunikationssystem, das mit akustischen Symbolen arbeitet. Der Erwerb dieses Kommunikationssystems wird sowohl durch bestimmte neuronale Strukturen, als auch durch hinreichende Reize aus der Umwelt ermöglicht und umfasst die Aneigung sechs, teilweise unabhängiger Domänen. Diese lassen sich wiederum in vier wichtige Entwicklungsabschnitte einteilen, die allerdings nicht scharf getrennt sind, sondern ineinander übergehen: die phonologisch-phonologische, die lexikalische, die syntaktische und die pragmatische Entwicklung. Es gibt zwei große Theoriegruppen, die versuchen die Mechanismen die hinter dieser Entwicklung stehen zu erklären: die Inside-Out-Theorien, die postulieren, dass Kinder mit fertigen grammatischen Strukturen geboren werden und die Outside-In-Theorien, die Sprache als Produkt einer Gen-Umwelt-Interaktion sehen. Neuere empirische Befunde sprechen eher für die Gültigkeit der Outside-In- Theorien.
Menschen kommunizieren auf vielfältige Weise mit ihrer Umwelt: durch Gestik, Mimik, Körperhaltung und auch Laute. Doch ab wann kann man von einer Sprache sprechen? Oft wird z.B. die Mitteilung von Emotionen durch Gestik als „Körpersprache“ bezeichnet, genauso wie das Bellen oder Schwanzwedeln eines Hundes oft als „Tiersprache“ bezeichnet wird. Sprache im engeren Sinn besitzt allerdings einige Eigenschaften, die sie von anderen Kommunikationswegen abhebt: Sie ist ein einzigartiges Kommunikationssystem, das bei keinem anderen Lebewesen als dem Menschen zu finden ist. Sie ermöglicht den Menschen trotz begrenztem Vokabular unendlich viele Ideen auszudrücken. Es kann sowohl über Anwesendes, als auch über weit Entferntes gesprochen werden. Die Gegenwart kann genauso Thema sein, wie die Vergangenheit oder sogar die Zukunft (Szagun, 2010).
Möglich wird das durch die Verwendung von akustischen Symbolen, die in jeder Sprache unterschiedlich sind und nach einem, von der jeweiligen Sprache abhängigen, hochkomplexen Regelsystem angewendet werden. Dieses Regelsystem beinhaltet unter anderem, wie Laute miteinander kombiniert werden um Worte zu bilden, wie Worte miteinander kombiniert werden um Sätze zu bilden, wie die Sprachmelodie und -rhythmik eingesetzt und letztendlich auch wie die Sprache in welchem Kontext verwendet werden kann (Szagun, 2010).
Trotz dieser Komplexität gilt es als selbstverständlich Sprache zu erlernen und obwohl sie in diesem Alter im Hinblick auf abstrakte Problemlösefähigkeiten noch sehr eingeschränkt entwickelt sind, lernen fast alle Kinder bis zu ihrem fünften Lebensjahr die grundlegenden Regeln ihrer Muttersprache (Weinert & Grimm, 2008). Zwei große Theoriegruppen versuchen zu erklären, welche Mechanismen hinter diesem faszinierenden Prozess des Spracherwerbs stehen. Die eine geht davon aus, dass Sprache eine angeborene Fähigkeit des Menschen ist, grammatische Strukturen also von Geburt an vorhanden sind, während die andere den Spracherwerb als einen Lernprozess darstellt (Weinert & Grimm, 2008).
Diese Arbeit versucht sich der Frage anzunähern, welche dieser Mechanismen dem Spracherwerb tatsächlich zugrunde liegen: Ist uns Sprache angeboren oder basiert unsere Sprachentwicklung auf generellen Lernmechanismen?
Um sich der Frage anzunähern werden zunächst die Voraussetzungen sowohl der Umwelt, als auch des Gehirns dargestellt, die der Sprache zugrunde liegen und es wird auf die Entwicklung der einzelnen Teilbereiche der Sprache eingegangen. Anschließend werden auf Grundlage dieser Informationen die beiden gegensätzlichen Theoriefamilien vorgestellt, die dann im Fazit anhand empirischer Befunde kritisch überprüft und gegeneinander abgewägt werden.
Um die Frage zu beantworten, wie sich die Sprache bei jedem einzelnen von uns entwickelt, muss erst einmal geklärt werden welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit dieser Prozess erfolgreich durchlaufen werden kann. Zum einen gilt es zu beleuchten welche neurobiologischen Systeme dem Spracherwerb zugrunde liegen und zum anderen welche Rolle Mechanismen in der sozialen Umwelt bei selbigem spielen.
Wie schon in der Einleitung erwähnt, sind Menschen die einzigen bekannten Lebewesen die Sprache benutzen. Zwar kommunizieren auch andere Lebewesen mit Lauten oder Gesten, allerdings ist die menschliche Sprache durch ein Regelsystem gekennzeichnet, das sie von diesen Kommunikationssystemen abhebt. Besonders hervorzuheben ist hier die Generativität, also die Möglichkeit mit einer begrenzten Anzahl von Lauten, durch deren Kombination, unendlich viele Ideen auszudrücken und die Möglichkeit sich unabhängig vom Kontext auszudrücken, also auch über Dinge reden zu können, die im jeweiligen Moment nicht anwesend sind, also zum Beispiel in der Vergangenheit oder Zukunft liegen (Szagun, 2010).
Außerdem scheint der Mensch auch das einzige Lebewesen zu sein, dem es überhaupt möglich ist, Sprache zu erlernen. So ist es Forschern zwar gelungen bestimmten Primaten ein System von Gebärden zur Kommunikation beizubringen, der Versuch grammatische Strukturen zu vermitteln scheiterte jedoch (z.B. Gardner & Gardner, 1969, zit. nach Siegler, DeLoache & Eisenberg, 2008).
Diese Befunde legen die Vermutung nahe, dass ein menschliches Gehirn eine notwendige Voraussetzung für den Spracherwerb darstellt.
Gestützt wird diese Annahme auch dadurch, dass die Fähigkeit zum Spracherwerb beim Menschen sehr robust ist, denn selbst unter widrigen Umständen gelingt es Kindern die typischen Regelsysteme von Sprache aufzubauen. So entwickeln z.B. gehörlose Kinder im selben Alter, in dem hörende Kinder anfangen zu sprechen, von alleine ein eigenes System von Gebärden, das sogar syntaktische Regeln beinhaltet. Die grundlegenden Spracherwerbsprozesse scheinen also von angeborenen neuronalen Strukturen gesteuert zu werden, die unabhängig sowohl von der jeweiligen Sprache und Kultur, als auch, zumindest anfänglich, von Quantität und Qualität des sprachlichen Inputs sind. (Weinert & Grimm, 2008).
Bei Erwachsenen wurden bereits verschiedene Areale im Gehirn als neurobiologische Korrelate der Sprachverarbeitung identifiziert, die bei einem Großteil der Menschen in der linken Hemisphäre liegen. Wichtig ist, dass es nicht einen Ort im Gehirn gibt der auf Sprache spezialisiert ist, sondern grammatische und semantische Informationen getrennt voneinander verarbeitet werden. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang das auf Grammatik spezialisierte Broca-Areal und das für Semantik zuständige Wernicke-Areal, wobei jedoch auch eine Vielzahl anderer Regionen eine wichtige Rolle für das Verständnis und die Produktion von Sprache spielen, die über das gesamte Gehirn verteilt sind (Szagun, 2010).
Die oben genannten Areale spezialisieren sich allerdings erst im Laufe der Entwicklung. Bates, Thal, Finley und B. Clancy (2003, zit. nach Szagun, 2010) fanden zum Beispiel, dass sich Kinder mit unilateralen Schädigungen im Gehirn, unabhängig vom Ort und der Größe der Schädigung, im Sprachgebrauch nicht klinisch bedeutsam von Kindern mit normaler Sprachentwicklung unterschieden. Das deutet an, dass Sprache nicht von Anfang an in der linken Hemisphäre verarbeitet wird und dass diese Aufgabe auch von der rechten Hemisphäre übernommen werden kann. Neville und Mills (1997) zeigten außerdem, dass Grammatik und Semantik nicht von Geburt an in unterschiedlichen Areale verarbeitet werden und das für Erwachsene typische Aktivitätsmuster im Gehirn erst in einem Alter zwischen 36 und 42 Monaten gezeigt wird.
Die Spezialisierung der relevanten Gehirnareale findet also erst nach und nach statt. Da sich die Areale bei normaler Entwicklung gleichen, kann zwar davon ausgegangen werden, dass es eine gewisse Präferenz für bestimmte Gehirngebiete gibt, aber die Aufgaben der Sprachverarbeitung auch von anderen Gebieten übernommen werden können (Szagun, 2010). Dies wird auch bei der Bewertung der Spracherwerbstheorien in Punkt 5 noch eine Rolle spielen.
Das auch die soziale Umwelt unabdingbare Voraussetzungen für den Spracherwerb beinhaltet und dieser nicht alleine auf vorgefertigten neuronalen Prozessen beruht wird an den sogenannten „Wolfskindern“ deutlich. Traditionell sind das Kinder, die ohne menschlichen Kontakt in der Wildnis aufwuchsen, doch auch in der jüngeren Geschichte gibt es Fälle von sozialer Isolation in der Kindheit. Exemplarisch bieten sich die Begebenheiten um das Mädchen Genie an, die bis zu ihrem 15. Lebensjahr von ihren Eltern, ohne jedweden sprachlichen Input, in eine Kammer gesperrt wurde. Trotz intensiven Sprachtrainings war es ihr nicht mehr möglich eine Grammatik zu erlernen, die über Zweiwortäußerungen hinausreichte. Ohne den Input aus der sozialen Umwelt hatte sich also kein grammatisches Regelsystem ausgebildet und es konnte auch keines mehr aufgebaut werden (Curtiss, 1977, zit. nach Szagun, 2010). Neben der Bedeutung von sozialem Input weist dies außerdem darauf hin, dass es ein bestimmtes Zeitfenster gibt, in dem der sprachliche Input gegeben sein muss, um Sprache zu entwickeln. Dafür spricht auch die Studie von Johnson und Newport (1989, zit. nach Siegler, DeLoache & Eisenberg, 2008) in der der Einfluss des Alters von koreanischen und japanischen Emigranten bei Ankunft in den USA auf deren grammatikalische Kenntnisse des Englischen überprüft wurde. Wenn die Emigranten vor ihrem siebten Lebensjahr ankamen und somit auch anfingen der englischen Sprache ausgesetzt zu sein, zeigten sie die besten Leistungen und waren von Muttersprachlern hinsichtlich ihrer grammatischen Kenntnisse nicht zu unterscheiden. Ab diesem Alter fielen die Ergebnisse allerdings rapide ab, wobei die Länge des Aufenthaltes jedoch keinen Einfluss hatte. Der Aufbau dieser sensiblen Phase ist in der Fachwelt noch umstritten, empirische Befunde legen aber nahe, dass diese kein abruptes Ende nimmt, ab dem kein Spracherlernen mehr möglich ist, sondern die Fähigkeit Sprache zu lernen über die Zeit allmählich abnimmt (Szagun, 2010).
Die Relevanz der Umwelt beim Spracherwerb wird auch deutlich wenn die Interaktion von Erwachsenen mit Kindern betrachtet wird, denn Erwachsene nutzen intuitiv bestimmte Arten der Interaktion, durch die Kinder Sprache besonders gut lernen. Eine dieser speziell auf die Bedürfnisse des sprachlernenden Kindes zugeschnittene Kommunikationsart ist die sogenannte Ammensprache, bei der Erwachsene in einer höheren Tonlage sprechen, als sie das normalerweise tun würden, die Satzmelodie stark übertreiben und besonders wichtige Wörter durch längere Pausen betonen. Der Sprachstil ist somit perfekt auf den Säugling zugeschnitten, da er in hohen Tonlagen besser hört und eine angeborene Präferenz für sehr deutliche Satzmelodien besitzt. Neben den Besonderheiten die Tonhöhe und -rhytmik betreffen, kommt auch eine von der Satzstruktur angepasste Sprache zum Einsatz, die sogenannte Stützende Sprache. Hierbei wird die Aufmerksamkeit des Kindes auf kleine Ausschnitte der Realität gelenkt, um es nicht zu überfordern und außerdem eine feste Dialogstruktur vorgegeben, an der das Kind sich quasi entlanghangeln kann, während es neue Wörter lernt. Die Mutter fordert dabei das Kind in der Art und Weise, dass sie ihm abverlangt die neuesten gelernten Wörter in dieses Dialoggerüst miteinzubringen und es so dazu antreibt nicht in alte Sprachmuster, wie z.B. das Lallen zurückzufallen. Es gibt außerdem noch zahlreiche weitere Strategien, die dem Kind bei der Spracherwerbsaufgabe helfen, auf die hier einzugehen allerdings den Rahmen sprengen würde (Weinert & Grimm, 2008).
Die Sprache ist ein komplexes, aber strukturiertes Kommunikationssystem, das auf einer Vielzahl von Regeln basiert. Um Sprechen zu lernen müssen Kinder in der Sprache, die sie in ihrer Umwelt umgibt diese Regelhaftigkeiten erkennen.
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