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Bachelorarbeit, 2012
52 Seiten, Note: 1,1
1. Hinführung zur Thematik mit Problemskizze
2. Delegation ärztlicher Tätigkeiten
2.1 Abgrenzung der Kompetenzbereiche des ärztlichen Dienstes und der Krankenpflege
2.2 Voraussetzungen für die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten
2.3 Delegationsfähige Tätigkeiten und ihre Einteilung
3. Auszubildende im Vergleich mit Assistenzkräften
3.1 Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Auszubildende
3.2 Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Assistenzkräfte
3.3 Rechtliche Würdigung der unterschiedlichen Regelungen
4. Weitere Problemfelder der Delegation ärztlicher Tätigkeiten
4.1 Durchführung einer Injektion
4.2 Umgang mit Infusionen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
Entwurf einer Dienstanweisung
Tabelle 1 Grundpflegerische Verrichtungen nach §14 Abs. 4 Nr. 1-3 SGB XI
Tabelle 2 Darstellung der Arbeitnehmerhaftungsbegrenzung
Die Inhalte der vorliegenden Arbeit beziehen sich in gleichem Maße sowohl auf Frauen als auch auf Männer. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird jedoch die männliche Form für alle Personenbezeichnungen gewählt. Die weibliche Form wird dabei stets mitgedacht. Eine Ausnahme bilden die Inhalte, die ausdrücklich auf Frauen bezogen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Besonders in den letzten Jahren bis Jahrzehnten hat sich die moderne Medizin immer schneller weiterentwickelt. Dies geschieht durch die Entwicklung neuer Methoden und der dazugehörigen Medizinprodukte (Hahn, 1981a, 12-13). Markant ist die Entwicklung verschiedenster Geräte zur bildgebenden Diagnostik, wie zum Beispiel die Computeroder auch die Magnetresonanztomographie. Hahn (1981a) nennt dies „Technoide Medizin“ und eben diese erfordert ein immer höheres Maß an technischem Wissen seitens des ärztlichen Dienstes. Dieser vereinnahmt „die berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen“ (§ 1 Abs. 2 HPG). Hieraus resultierend werden sämtliche Maßnahmen am Patienten als ‘ärztliche Aufgabe‘ definiert. „Die Grenzen des eigenen Sachverstandes werden dem Mediziner hier besonders deutlich“, stellt Hahn (1981a, 12) dar. Dies erklärt die weiter fortschreitende Spezialisierung und Entwicklung verschiedener Fachgebiete der Ärzte. Daraus resultiert die Notwendigkeit, Hilfskräfte hinzuzuziehen, die dem Arzt bei der adäquaten Ausführung seines Berufes behilflich sind, so Hahn (1981a) weiter. Diese zugegeben ärztliche Sichtweise erklärt dennoch, dass Ärzte Tätigkeiten auf nicht-ärztliches Personal übertragen müssen, um die ärztliche Heilkunst adäquat ausführen zu können. Hahn (1981a, 38) konstatiert weiterhin, dass es in der heutigen Medizin in Deutschland keinen arztfreien Raum gibt: „So kommt es zu Aussagen, wonach es im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten für das Krankenpflegepersonal keinen arztfreien Bereich gebe“. Auch Sträßner (2006) geht darauf ein. Hieraus ergibt sich schließlich, dass Ärzte Aufgaben delegieren müssen.
Die größte Berufsgruppe in deutschen Krankenhäusern sind die Pflegekräfte. Diese sind besonders oft Empfänger ärztlich delegierter Tätigkeiten. Um nun aufzuzeigen, welche Tätigkeiten übertragen werden dürfen und welche nicht, ist es wichtig abzugrenzen, an welcher Stelle ärztliches Handeln aufhört und das der Pflege anfängt (siehe Gliederungspunkt 2). Die Abgrenzung der Krankenpflege fällt auch trotz der Novellierung des KrPflG nicht leicht. Um dies zu erreichen, muss, nach Meinung des Autors, der Ausbildungsgegenstand erfasst werden. Exemplarisch für das Tätigkeitsfeld und die Delegation der ärztlichen Aufgaben behandelt diese Arbeit die Situation der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte im stationären Bereich, basierend auf der Grundlage des KrPflG und der KrPflAPrV.
Unbestritten ist, dass für eine solche Delegation Regeln notwendig sind, sodass sich nicht nur der Arzt rechtlich absichern kann, sondern auch das nicht-ärztliche Hilfspersonal darüber informiert ist, welche Tätigkeiten es auszuführen hat. In der folgenden Arbeit zeigt der Verfasser Voraussetzungen für die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten auf und beleuchtet diese sowohl aus haftungsrechtlicher, als auch aus straf- und arbeitsrechtlicher Sicht, um abschließend zu einer Einteilung der verschiedenen delegationsfähigen Leistungen zu kommen. Bezogen darauf gibt es generell keine Gesetze, die explizit die Delegation ärztlicher Leistungen regeln. Vielmehr müssen Gerichtsurteile mit wertsetzendem Charakter hinzugezogen werden, die nur bedingt verallgemeinerbar sind, da sie sich immer auf spezifische Eigenheiten des jeweiligen Falles beziehen (Großkopf & Klein, 2012, 222). Ferner herrschen in der Praxis der Pflege Unklarheiten, welche Aufgaben übernommen werden dürfen. Hierzu auch Großkopf & Klein (2012, 224): „Die Vorgaben der Gerichte und das tägliche Handeln der Pflegekräfte in den Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Pflegediensten (der Praxisalltag) klaffen … augenfällig auseinander.“ Von Pflegekräften aus der Praxis hört man häufig den Satz: „Wir stehen häufig mit einem Bein im Gefängnis“, wenn die Ausführung ärztlich delegierter Tätigkeiten diskutiert wird. Wie Böhme & Hasseler (2006, 665) bemerken, ist diese „Angstmacherei [sic.] mit der Eigenhaftung“ unbegründet, da bei falscher Delegation keine Haftungskonsequenzen ausgelöst werden. Höchstens im Rahmen der Organisationshaftung muss der Arbeitgeber haften, denn „die Rechtsprechung ist mit dem so genannten Übernahmeverschulden sehr zurückhaltend, das sich auf erkennbare Fehler beschränkt“ (Böhme & Hasseler, 2006, 665). Der Verfasser beleuchtet diesen Standpunkt kritisch und zeigt noch andere Meinungsalternativen auf.
Schwieriger ist die Betrachtung der Auszubildenden und Assistenzkräfte in der Pflege. Stellvertretend für die Berufsgruppe der Pflege wird exemplarisch die Situation von Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege und die der Gesundheits- und Krankenpflegeassistenten beleuchtet. Da die Ausbildung der Assistenzkräfte in der Pflege nicht mehr bundesrechtlich geregelt ist, bezieht sich der Verfasser auf aktuell geltendes Recht in Nordrhein-Westfalen, also die Ausbildungs- und Prüfungsverord- nung für den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegeassistentin und des Gesundheits- und Krankenpflegeassistenten. Auch hier gilt es herauszufinden, welche Aufgaben übernommen werden dürfen. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Situation der Auszubildenden gelegt werden, die vielfach Aufgaben selbstständig übernehmen, die ihnen von Pflegekräften weiterdelegiert werden, welche genau genommen ärztlichen Ursprungs sind. Es besteht eine Diskrepanz in der Hinsicht, dass einjährig ausgebildete Assistenzkräfte objektiv mehr Aufgaben übernehmen (dürfen) als Auszubildende in der Krankenpflege, die sich bereits im dritten, also letzten Lehrjahr befinden. Begründet ist dies in der formellen Qualifikation der Auszubildenden, die (noch) nicht vorhanden ist. Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege dürfen „zum Zweck der Ausbildung“ (Klie, 2009, 112) ärztliche Aufgaben übernehmen, dies aber nur „unter Aufsicht (=Anwesenheit) des Arztes oder (bei einfachen Verrichtungen) einer besonders instruierten Pflegekraft“ (Klie, 2009, 112). Diesen Konflikt versucht der Autor aufzulösen, insbesondere aufgrund der größeren Bedeutung der materiellen Qualifikation. Der Verfasser versucht des Weiteren neue Möglichkeiten aufzuzeigen dieses Problem lösbar zu machen. Schlussendlich werden weitere Problemfelder der Delegation ärztlicher Tätigkeiten beschrieben, wobei diese keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern exemplarisch zu sehen sind. Es handelt sich in erster Linie um die Durchführung verschiedener Injektionen und den Umgang mit Infusionen. Den Abschluss der Arbeit bildet das Fazit, welches eine Zusammenfassung der Ergebnisse beinhaltet.
Es bestehen in der Literatur verschiedene Ansätze den Tätigkeitsbereich des approbierten Arztes zu definieren. Die umstrittenste, aber dennoch am häufigsten verwendete, ist die Legaldefinition des HPG. Dort heißt es im § 1 Abs. 2: „Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen…“. Diese allumfassende Definition würde auch ein allumfassendes Arbeitsfeld des Arztes bedeuten, da sie, wörtlich genommen, im Feld der Gesundheitsberufe keinen anderen Beruf als den des Arztes oder Heilpraktiker zulässt. Eine ähnliche Meinung vertritt Böhme (1998, 115): „Nach dem Wortlaut der Legaldefinition dürfte an sich keine Krankenschwester tätig werden. Das gilt im Prinzip für alle Heilberufe, die nicht entweder eine ärztliche Approbation oder eine Heilpraktikererlaubnis vorweisen.“. Auch Hahn (1981b, 1980) vertritt diese Meinung: „Der Argumentation mit dem Heilpraktikergesetz darf aber kein allzu hoher Stellenwert beigemessen werden. Zum einen ist diese indirekte Legaldefinition zu weit. Danach müsste der eine Diät anordnende Arzt sich selbst in die Krankenhausküche begeben und die Suppe zubereiten. Zum anderen ist das Heilpraktikergesetz für die anstehende Frage indifferent, da es gerade bezüglich der Delegierung ärztlicher Verrichtungen auf Hilfspersonal schweigt“. Einer solchen globalen Definition wird sowohl in der Fachliteratur, als auch in Rechtsurteilen keine große Bedeutung beigemessen. Vielmehr wird diese Legaldefinition eingeschränkt. Dies bezieht sich vor allem darauf, dass die ausgeführte Heilkunde nur Tätigkeiten beinhaltet, welche spezielles Wissen voraussetzen, über welches nur ein Arzt verfügt. Diese Einschränkung ist nach den Erfordernissen des HPG nicht nötig, da das Gesetz von den Heilpraktikern kein spezielles Wissen verlangt. Somit ist nach Böhme (1998) keine rechtliche Abgrenzung aus dem HPG möglich. Unterstützt wird diese These von Schneider (2003, 123): „Auch dem Heilpraktikergesetz ist keine abschließende Kompetenzverteilung zu entnehmen, wenngleich diese Auffassung teilweise im Schrifttum anzutreffen ist.“ Hahn (1981a, 24) geht in seiner Kritik an dieser Auffassung noch weiter: „Die gesetzgeberische Mißgeburt des HPG wird nun allenthalben dazu benutzt, um den ärztlichen Heilkundebegriff zu präzisieren. Dabei muß es als kurios bezeichnet werden, daß entsprechende Eingrenzungskriterien ausgerechnet über ein Heilgewerbe gewonnen werden, dessen Seriosität verschiedentlich Anlaß zu Zweifeln gab und nach wie vor gibt.“ Augenscheinlich ist es nur begrenzt möglich Erkenntnisse zur Abgrenzung des Berufsstandes der Ärzte aus dem HPG zu gewinnen. Die Definition ist zu global gefasst und schließt alle Maßnahmen am Patienten ein, sodass der Arzt, definiert er sein Handeln nach diesem Gesetz, handlungsunfähig ist. Es kann festgehalten werden, dass das HPG als Richtlinie gesehen werden kann und keine Grundlage für die Abgrenzung des Berufsstandes des Arztes bietet.
Gleichwohl gibt es klar erkennbare ärztliche Monopole, die unumstritten sind. Hierunter fallen die ärztliche Diagnose und die Auswahl der Therapie und deren Durchführung. Ebenso verhält es sich auch mit Operationen oder anderen Eingriffen, die ärztliches Wissen erfordern. Diese Abgrenzung ist dennoch variabel, denn Tätigkeiten die vor dreißig Jahren noch nicht vorstellbar waren, sind heute Alltagsroutine. Daraus lässt sich ableiten, dass Tätigkeiten, die zuvor ärztlich geprägt gewesen sind, wie zum Beispiel die intramuskuläre Injektion, heute zum Aufgabenbereich der Pflege gezählt werden können. „Beide Kriterien beinhalten allerdings eine Abgrenzung, die sich variabel den technischen Entwicklungen in der Medizin anpasst. Denn was heute noch als ungemein schwierig und gefährlich eingestuft wird, kann morgen bereits durch technische Neuerungen vereinfacht und entschärft werden.“ (Hahn, 1981a, 25).
Roßbruch (2003a+b) geht in der Abgrenzung des Berufsstandes des Arztes einen anderen Weg und versucht über die MBO-Ä, ZO-Ärzte und den Bundesmanteltarifvertrag der Ärzte einen Tätigkeitsbereich abzustecken. Er leitet aus dem §19 Satz 2 der MBO-Ä und dem §32 ZO-Ärzte sowie aus dem §4 des Bundesmanteltarifvertrags Folgendes ab: „Danach hat der Arzt seinen Beruf grundsätzlich persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben“ (Roßbruch, 2003a, 96). Im Einzelnen bedeutet dies: Der §19 der MBO-Ä regelt die Beschäftigung angestellter Praxisärztinnen und -ärzte. Er beinhaltet an sich schon die Einschränkung, dass es sich hier ‚nur‘ um Ärzte handelt, die in niedergelassenen Praxen tätig sind. Nach Meinung des Verfassers kann hieraus keine allgemeingültige These für den Berufsstand des Arztes abgelei- tet werden. „Ärztinnen und Ärzte müssen die Praxis persönlich ausüben“ (§19 Abs. 1 MBO-Ä). Auch der §32 ZO-Ärzte behandelt die Tätigkeit des Arztes in einer Gemeinschaftspraxis und regelt darüber hinaus die ärztliche Vertretung und Assistenz. Im §4 des Bundesmanteltarifvertrags wird die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung geregelt, wobei alle Versicherten der Ersatzkassen durch Ärzte behandelt werden sollen, die der Kassenärztlichen Vereinigung angehören. Die Argumentation Roßbruchs über diese Paragraphen erscheint widersinnig. Es handelt sich dabei nur um eine Einsatzmöglichkeit der Ärzte und zum Beispiel in einer Klinik angestellte Ärzte werden außen vor gelassen. Gleichwohl bietet die Argumentation mit Hilfe von diesen Gesetzen interessante Aspekte und lässt auch eine bedingte Abgrenzung zu, wenn andere Paragraphen zu Rate gezogen werden. So heißt es im §1 Abs. 2 MBO-Ä: „Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.“ Dies ist ähnlich der Legaldefinition des HPG eine umfassende und globale Beschreibung der ärztlichen Aufgaben, die von der Prävention, über die Diagnostik und Therapie, bis hin zur Rehabilitation reichen. Es ergeben sich dennoch Anhaltspunkte, welche Aufgaben Ärzte wahrzunehmen haben. Im Gegensatz zum HPG geht die MBO-Ä weiter und setzt medizinisches Wissen konkret voraus (§2 Abs. 3 MBO-Ä). Zudem dürfen Ärzte keine Weisung von Nichtärzten entgegennehmen (§2Abs. 4 MBO-Ä), was impliziert, dass Ärzte medizinische Entscheidungen alleine, allenfalls unter dem Rat anderer Ärzte, treffen dürfen. Die Wichtigkeit ärztlichen Fachwissens wird weiter durch den §4 MBO-Ä verstärkt, der eine regelmäßige Fortbildung des Arztes als Voraussetzung für die weitere Berufsausübung vorschreibt. Für den bundesdeutschen Raum bietet dieses Gesetz zudem eine ausreichende Reichweite, da alle in Deutschland tätigen Ärzte der MBO-Ä unterliegen. Auch auf der Basis des Bundesmanteltarifvertrags der Ärzte lässt sich eine solche Argumentation aufbauen, auch wenn dessen Reichweite beschränkt ist, da er nicht für alle Ersatzkassen in Deutschland gilt. Hier kann mit dem §2 Bundesmanteltarifvertrags der Ärzte argumentiert werden, der den Umfang und den Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung regelt. Es zählen nicht nur die Diagnostik und Therapie zu den ärztlichen Leistungen, sondern auch die Früherkennung von Krankheiten, die Begleitung in der Schwangerschaft, etc.. Dennoch wird auch hier die „ärztliche Behandlung“ nicht weiter konkretisiert. Festzustellen bleibt, dass beide Gesetze eine Grundlage für die Definition ärztlichen Handelns enthalten, diese aber nicht näher ausführen.
Zum Schluss soll Brenners (1992) Versuch erwähnt sein, das ärztliche Handeln über die Bundesärzteordnung zu beschreiben. Brenner stützt seine Thesen auf den §2 Abs. 5 BÄO in dem es heißt: „Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin"“. Weiter ist die „Ausübung der Heilkunde im Sinne der Bundesärzteordnung … die auf ärztlich-wissenschaftliche Erkenntnis gerichtete und auf der Approbation als Arzt beruhende praktische, wissenschaftliche oder verwaltende Tätigkeit, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Verhütung, Früherkennung, Feststellung, Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten, Körperschäden oder Leiden bezieht, auch wenn sie im Dienste anderer ausgeübt wird“ (Brenner, 1992, 306). Hieraus resultiert, dass Diagnostik und Therapie ausschließlich dem Arzt obliegen. Außerdem wird angeführt, dass der Arzt die Gesamtverantwortung für die Behandlung des Patienten innehat und ihm so eine Aufsichts- und Überwachungspflicht für die anderen Gesundheitsberufe zukommt (Brenner, 1992, 306).
Beide Argumentationsgrundlagen beziehen sich, nach Meinung des Verfassers, im Wesentlichen auf das SGB V, welches die gesetzliche Krankenversicherung behandelt und im Einzelnen, vor allem auf den §27 SGB V, der die Krankenbehandlung regelt. „Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern“ (§27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nachfolgend wird die ärztliche Behandlung genannt die im §28 SGB V näher definiert wird: „Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist“ (§28 Abs. 1 SGB V). Hieraus resultiert auch die Gesamtverantwortung des Arztes für die Behandlung des Patienten. Außerdem wird erwähnt, dass der Arzt ‚andere Personen‘ heranziehen kann und diesen Tätigkeiten anordnen darf. Es wird also die Grundlage für die ärztliche Delegation geliefert, auf die im Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen wird. Das SGB als Bundesgesetz hat die höchste Reichweite von allen dargestellten Gesetzen, beinhaltet dennoch keine Konkretisierung, welche Tätigkeiten ärztlich sind. Es werden lediglich die schon zuvor genannten Bereiche der Prävention, Diagnostik und Therapie herausgestellt.
„Abschließend ist festzuhalten, daß das ärztliche Berufsrecht keine unmittelbare Beschreibung des ausschließlich dem approbierten Mediziner vorbehaltenen Tätigkeitsfeldes bereithält“ (Hahn, 1981a, 23). Es können lediglich Anhaltspunkte gefunden werden, die darauf schließen lassen, was den Beruf des Arztes ausmacht. „Der zersplitterten Rechtslage entsprechend sind die Aufgabenbereiche der Ärzte nicht einer Regelung zu entnehmen und auch nicht abschließend geregelt“, fasst Weiß (2010, 45) treffend zusammen. Wenn also keine sichere Abgrenzung gefunden werden kann, so grenzt man den Beruf der Krankenpflege gegenüber dem des Arztes ab.
Der Versuch der Abgrenzung des Berufs der Pflege gegenüber dem des Arztes findet nicht nur auf rechtlicher Grundlage statt. Vor allem in Zeiten der Akademisierung der Pflege wird diese Diskussion emotional geführt. Das Bestreben der Pflege, einen Tätigkeitsbereich für sich abzugrenzen, hat vor allem in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen. Pflege will sich als eigenständige Profession definieren und nicht mehr als ‚Arztgehilfe‘ abgestempelt werden. So beschreiben Böhme & Hasseler (2006), dass Pflege momentan versucht möglichst keine medizinischen Aufgaben mehr wahrzunehmen und sich als „Kommunikations- und Handlungsberuf, der seine Heimat in den Sozialwissenschaften gefunden habe“ (Böhme & Hasseler, 2006, 664) zu definieren. Diese Bemühungen scheinen weltweit einzigartig, denn es ist befremdlich, Pflege auf eine reine sozialwissenschaftliche Betätigung zu reduzieren. Es bleibt die Aufgabe der Pflegewissenschaft die vielen pflegerischen Berufe in den verschiedenen Fachgebieten zu analysieren und Kernbereiche abzustecken. Dabei ist darauf zu achten, berufsständige Politik außen vor zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was für die Gesundheitsversorgung des Patienten richtig ist (Böhme & Hasseler, 2006, 664-666). Da dies noch nicht geschehen ist, versucht der Verfasser, mit Hilfe von ähnlichen Kriterien wie beim ärztlichen Dienst, den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege zu charakterisieren und beschränkt sich dabei auf die notwendigen Informationen, die für einen Empfänger ärztlicher Delegation wichtig sind.
In der Bundesrepublik Deutschland gab es bis 2003 keine Rechtsvorschriften, die pflegerische Tätigkeiten benennen. Eine klare Abgrenzung war nicht möglich. Anders ist dies im europäischen Ausland. Hier ist vor allem das Bundesgesetz über die Gesundheits- und Krankenpflege (GuKG) Österreichs zu nennen, welches klare pflegerische Aufgaben formuliert. Im §14 GuKG werden Tätigkeiten definiert, die von der Pflege eigenverantwortlich übernommen und ausgeführt werden. Der §4 KrPflG1985 lautete noch: „Die Ausbildung für Krankenschwestern soll Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur verantwortlichen Mitwirkung bei der Verhütung, Erkennung und Heilung von Krankheiten vermitteln (Ausbildungsziel)“. Hierrüber konnte keine Legaldefinition der Pflege abgeleitet werden. „Als reines Berufszulassungsgesetz enthält das KrPflG keine direkten Hinweise über den Arbeitsgegenstand der Krankenschwester“ (Hahn, 1981a, 31). Anders stellt sich dies im neuen Krankenpflegegesetz dar. Dort sind die Ausbildungsziele im §3 formuliert und enthalten Bereiche der Eigenverantwortlichkeit: „a) Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, Planung, Organisation, Durchführung und Dokumentation der Pflege, b) Evaluation der Pflege, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege, c) Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit, d) Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes…“.. Dies ist ein großer Fortschritt im Vergleich zum Krankenpflegegesetz von 1985. Aber nicht nur die eigenständigen Aufgaben werden in den Ausbildungszielen genannt, sondern auch die der Mitwirkung. Die Pflegekraft hat „die folgenden Aufgaben im Rahmen der Mitwirkung auszuführen:
a) eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen, b) Maßnahmen der medizinischen Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation, c) Maßnahmen in Krisen- und Katastrophensituationen, …“ (§3 KrPflG). Vor allem der Punk a) soll herausgestellt werden, nämlich die eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen. Die Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst wird zwar genannt, aber nicht näher definiert. Anschaulich wird dies erst in der Anlage 1 der KrPflAPrV, in der die Inhalte des theoretischen und praktischen Unterrichts festgehalten sind. Für die Delegation maßgeblich ist der Punkt 8: „Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen, - in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten sowie den Angehörigen anderer Gesundheitsberufe die für die jeweiligen medizinischen Maßnahmen erforderlichen Vor- und Nachberei- tungen zu treffen und bei der Durchführung der Maßnahmen mitzuwirken, Patientinnen und Patienten bei Maßnahmen der medizinischen Diagnostik und Therapie zu unterstützen, - ärztlich veranlasste Maßnahmen im Pflegekontext eigenständig durchzuführen und die dabei relevanten rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen.“ Es zeigt sich, dass das KrPflG in Verbindung mit der KrPflAPrV konkrete Anhaltspunkte bietet, die Rückschlüsse darauf ziehen lassen, welche Aufgaben Pflege eigenständig und welche sie unterstützend ausführen kann und darf. Des Weiteren finden diese Ausbildungsziele auch in der Richtlinie für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege NRW ihre Umsetzung, welche in Lernbereiche mit verschiedenen Lerneinheiten aufgeteilt ist. Dort findet man den Lernbereich 1, der ‚Pflegerische Kernaufgaben‘ heißt. Die Teilbereiche „Aktivierend und/oder kompensierend pflegen“, „Gespräche führen, beraten und anleiten“ sowie „Menschen in besonderen Lebenssituationen oder mit spezifischen Belastungen betreuen“ (Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen [im Folgendem MfGSFF NRW], 2003, 16), bilden den eigenständigen Bereich der Pflege ab. Der Lernteilbereich „Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie assistieren und in Notfällen handeln“ (MfGSFF NRW, 2003, 16) spiegelt den Bereich der Assistenz wieder. So ist das neue Krankenpflegegesetz passend in eine Richtlinie für die Ausbildung umgesetzt worden. „Der originäre Aufgabenbereich des Pflegepersonals ist Alten- und Krankenpflege (Grund-, Behandlungs-, Funktions- und Sonderpflege). Er wird erweitert durch die Mitwirkung von Pflegepersonen bei ärztlichen Leistungen (assistierende Tätigkeiten) und durch interdisziplinäre Aufgabenstellung… Zur selbständigen und eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde sind Pflegepersonen nicht berechtigt“ (Sträßner, 2006, 247). Mit der Novellierung des Krankenpflegegesetzes werden somit auch in Deutschland Kernbereiche pflegerischer Tätigkeit definiert, „was erstmalig einer Manifestation eines arztfreien Raumes per Legaldefinition nahekommt“ (Großkopf & Klein, 2012, 220). Dennoch enthält auch dieses KrPflG keine Vorbehaltsaufgaben für die Pflege und zudem, abgesehen vom §3 KrPflG, auch keine konkrete Aufgabenverteilung zwischen dem ärztlichen Dienst und den Pflegekräften. Weiterhin schützt das Krankenpflegegesetz lediglich die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger“ und ihr weibliches Pendant. Es werden den Trägern der Be- rufsbezeichnung aber keine originären Aufgaben zugewiesen. Somit besteht auch keine abschließende rechtliche Regelung (Großkopf & Klein, 2012, 219-220).
Aus der Rechtsprechung und der juristischen Fachliteratur heraus haben sich zur Aufgabendelegation grundsätzlich zwei Bereiche gebildet, die der Grundpflege und der Behandlungspflege (BGH, AZ: VI ZR 158/82, vom 10.01.1984). Schon Hahn (1981a, 31-32) definiert den Begriff der Grundpflege als „das Betten und Lagern des Patienten, die Körperpflege und die Prophylaxen, die einfache Mobilisation, die Verabreichung von Nahrung, die Beobachtung des Kranken sowie die Hilfeleistungen im Sinne der seelischen (physischen) Unterstützung und Ermutigung, wie das Schaffen einer Atmosphäre der Geborgenheit und das Vermitteln von Sicherheit …“. Auch neuere Quellen, wie zum Beispiel Di Bella (2008), charakterisieren die Grundpflege als die Tätigkeiten, die die Pflegekraft, auf Basis ihrer Ausbildung, selbstständig ausführen kann und darf. Auf diesem Gebiet sind sie also keine Erfüllungsgehilfen des Arztes, sondern stehen „unter der Weisungs- und Überwachungsverantwortung der Pflegedienstleitung…“ (Großkopf & Klein, 2012, 221). Genaugenommen hat sich ein arztfreier Raum gebildet, da Pflegekräfte für alle grundpflegerischen Maßnahmen (Tabelle 1) selber verantwortlich sind und die gewissenhafte und ordnungsgemäße Durchführung nicht der Sorgfaltspflicht des Arztes obliegt.
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