Ziel dieser Arbeit soll es sein, das drucktechnische Werk „Diogenes“ von dem italienischen Künstler Ugo da Carpi mit der Grafik „Pyrgoteles“ von dem deutschen Künstler Johannes (Hans) Wechtlin zu vergleichen und es vor allem hinsichtlich der technischen Umsetzung zu untersuchen. Einleitend möchte ich kurz auf die Geschichte des Clair-obscur Holzschnittes eingehen und das Leben der beiden Künstler umreißen. Der Schwerpunkt der ikonographischen Untersuchung richtet sich auf die technische Umsetzung der beiden Grafiken. Ich möchte außerdem der Frage nachgehen, inwieweit die Technik die Wirkung des im Bild Dargestellten beeinflusst und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich bei dem italienischen gegenüber dem deutschen Clair-obscur Holzschnitt (daraus) ergeben.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Begründung der Themenwahl
2. Vorgehensweise und Zielsetzung
II. Hauptteil
1. Farbholzschnitte
1. 1 Clair-obscur Holzschnitt
2. Ugo da Carpi
2.1 „Diogenes“
2.1.1 Bildbeschreibung
3. Johannes Wechtlin
3.1 „Pyrgoteles“
3.1.1 Bildbeschreibung
III. Schlussbemerkung
Appendix
Literaturangaben
Abbildungen
Abbildungsverzeichnis
I. Einleitung
1. Begründung der Themenwahl
Es ist erstaunlich, dass über den Clair-obscur Holzschnitt weithin nicht so viel bekannt ist. Das mag vor allem daran liegen, dass die Zeit, in der dieses Verfahren genutzt wurde, nur von kurzer Dauer war. Zudem scheuten sich viele Künstler, dieses drucktechnisch aufwendige und schwierige Verfahren zu benutzen.[1] Dies war Anlass genug, mich mit diesem außergewöhnlichen Druckverfahren zu befassen.
2. Vorgehensweise und Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit soll es sein, das drucktechnische Werk „Diogenes“ von dem italienischen Künstler Ugo da Carpi mit der Grafik „Pyrgoteles“ von dem deutschen Künstler Johannes (Hans) Wechtlin zu vergleichen und es vor allem hinsichtlich der technischen Umsetzung zu untersuchen.
Einleitend möchte ich kurz auf die Geschichte des Clair-obscur Holzschnittes eingehen und das Leben der beiden Künstler umreißen.
Der Schwerpunkt der ikonographischen Untersuchung richtet sich auf die technische Umsetzung der beiden Grafiken. Ich möchte außerdem der Frage nachgehen, inwieweit die Technik die Wirkung des im Bild Dargestellten beeinflusst und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich bei dem italienischen gegenüber dem deutschen Clair-obscur Holzschnitt (daraus) ergeben.
II. Hauptteil
1. Farbholzschnitte
1.1 Clair-obscur Holzschnitt
Der Clair-obscur Holzschnitt wird im Italienischen auch als „Chiaroscuro“ bezeichnet, das sich aus „chiaro“ (=hell) und „oscuro“ (=dunkel) zusammensetzt.[2] Der Begriff „Chiaroscuro“ war ursprünglich ein Merkmal für das Verfahren der Maler, die durch starke Licht- und Schattengegensätze (Hell-Dunkel Kontraste) ihre Gestalten darzustellen versuchten.
Der Clair-obscur Holzschnitt, der ein Farbholzschnitt ist, gehört neben dem Schwarz -und dem Weißlinienschnitt zu den wichtigsten Holzschnitttechniken.
Nachdem erste europäische Holzschnitte etwa in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden und zu Beginn des 15. Jahrhunderts in ganz Europa verbreitet waren, hat sich der Clair- obscur Holzschnitt etwa im 16. Jahrhundert herausgebildet.[3]
Der italienische Künstler Ugo da Carpi führte die Technik in Italien ein. Ob die Benennung des Clair-obscur Holzschnittes auf ihn zurückgeht, ist ungewiss.[4] Da Carpi rühmte sich bei einem langjährigen Aufenthalt in Italien (um etwa 1516) dem Senat von Venedig gegenüber, dass es sich um seine Erfindung handelt. Obwohl die deutschen Künstler Hans Burgkmair und Lucas Cranach bereits zehn Jahre zuvor Farbholzschnitte angefertigt hatten, erhielt da Carpi dennoch das Patent (um etwa 1518) für diese neue Technik. Das erste in einer Platte datierte Blatt von Ugo da Carpi ist aus demselben Jahr, in dem er das Patent erworben hatte.
Die Clair-obscur Technik wurde später von dem bereits erwähnten Hans Burgkmair und Hans Baldung Grien verfeinert. Diese Technik erfasste nicht nur Deutschland und Italien, sondern auch die Niederlande. Da sich an diese schwierige Drucktechnik nur besonders wagemutige und talentierte Künstler herantrauten, ist das Resultat der Drucke der Künstler des 16. und des 17. Jahrhunderts in Deutschland und den Niederlanden relativ gering.[5]
2. Ugo da Carpi
Über das Leben des um etwa 1480 in Carpi geborenen und um 1530/32 in Rom gestorbenen italienischen Künstlers Ugo da Carpi ist wenig bekannt. Sein Name wird unverwechselbar mit dem Clair-obscur Holzschnitt in Verbindung gebracht, dessen Technik er in Italien populär machte und deren Erfindung er sich selbst zuschrieb. Er gab vor allem Zeichnungen Raffaels und Parmigianinos wieder.[6]
2.1 „Diogenes“
2.1.1 Bildbeschreibung
Der Clair-obscur Holzschnitt „Diogenes“[7] (Abb.1) wurde von Ugo da Carpi um etwa 1527/30[8] angefertigt und hat die Maße 48 x 34,9 cm.[9] Der Druckstock ist unten links mit „FRANCISCVS/ PARMEN./ PER VGO CARP.“[10] signiert.
Dargestellt ist die philosophische Gestalt Diogenes (391/399 v.Chr. - 323). Diogenes erwarb durch sein Bettlerleben den Beinamen Kyon (= Hund), woraus sich die Philosophenschule der Kyniker, deren Kernpunkt die Bedürfnislosigkeit ist, herleitet. Aufgrund dessen, dass ein Mensch mit derartig geringen Ansprüchen auch in einer Tonne (wie ein Hund) leben könnte[11], ist die Anekdote vom „Diogenes in der Tonne“ entstanden.
Der Philosoph Diogenes zeigt in einer in sich gedrehten Haltung und kraftvollen Drehbewegung mit einem Stock in der rechten Hand auf ein aufgeschlagenes Buch, in dem die Signatur Ugo da Carpis abgedruckt ist.
Er drückt mit seiner rechten Hand einen Mantelbausch, der seine linke Körperhälfte bedeckt, fest an seinen Oberkörper. Diogenes sitzt etwa in der Raummitte auf einer kleinen Erhebung, die mit einem Tuch bedeckt ist. Seine Füße sind leicht überkreuzt, und er schaut hinunter zu dem sich vor ihm auftürmenden Bücherstapel, wobei er ein aufgeschlagenes Buch direkt ins Visier genommen zu haben scheint. Im Hintergrund ist die aus der Anekdote bekannte Tonne zu erkennen, die beinahe überlebensgroß dargestellt wird. Rechts im Hintergrund befindet sich abseits von Diogenes ein auf zwei Hinterbeinen stehendes gerupftes Huhn mit verdrehtem Kopf vor einem Palmengewächs.[12]
Ugo da Carpis „Diogenes“ ist ein so genannter Reproduktionsholzschnitt[13], da er sich der heute verlorenen Vorzeichnung Parmigianinos[14] bediente, ein vorhandenes Kunstwerk zum Vorbild hatte, und dieses in der Clair-obscur Technik umsetzte.[15]
Da Carpi verwendete insgesamt vier Platten, eine Strichplatte in Schwarz und drei Tonplatten in drei unterschiedlichen Grüntönen (Grünabstufungen).[16] Die schwarze Strichplatte, auch Strukturplatte genannt, diente in der Regel dazu, die wichtigsten Umrisse, die Konturen, oder wichtige Binnenstrukturen (z.B. Holzmaserungen) zu charakterisieren. Die beeindruckende malerische Gesamtwirkung des Clair-obscurs kommt aber bei da Carpi daher zustande, dass er auf eine eigenständige Linienplatte weitgehend verzichtete, die der Funktion einer Umrisslinie nachkommen sollte. An nahezu jedem Detail in der Graphik ist dies spürbar. So kommen die Tonne, das Huhn, die Bücher und andere Elemente, aber vor allem die zentrale Gestalt des Diogenes, ohne diese Umrisslinie aus, die für den Holzschnitt sonst so charakteristisch ist. Einzig am linken Arm und Ellenbogen und an der linken Innenseite der rechten Hand des Diogenes ist diese deutlich erkennbar. Da Carpi bezieht das Schwarz hingegen als reinen Schattenwert in die malerische Gesamtwirkung mit ein.[17]
[...]
[1] Strauss 1973
[2] Wechsler 1970
[3] Düchting 2003
[4] In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, wer den Clair-obscur Holzschnitt erfunden hat. Zum einen wird Ugo da Carpi die Erfindung zugeschrieben, zum anderen soll er die Technik nur weiterentwickelt haben.
[5] Strauss 1973
[6] Vgl. ebd.
[7] Die Figur Diogenes geht auf eine heute verlorene Zeichnung Parmigianinos zurück (Parmigianino 2003)
[8] Vasari schrieb das Blatt fälschlicherweise Parmigianino zu und es entstand seines Erachtens nach in Bologna. Ugo da Carpi schuf jedoch Entwürfe hierzu 1526/27 in Rom. (Parmigianino 2003)
[9] Parmigianino 2003
[10] Zu Deutsch etwa: Francesco Parmigianino. Nach Ugo da Carpi.
[11] Ob Diogenes wirklich in einer Tonne lebte, ist ungewiss.
[12] Das Huhn ist als eine Anspielung von Diogenes zu verstehen, der damit Platons Definition des Menschen als zweibeiniges, federloses Tier verspottete. (Parmigianino 2003)
[13] Musper 1964
[14] Laut Vasari ließ Parmigianino in Bologna seine Darstellungen durch Clair-obscur Holzschnitte verbreiten. Dazu eigneten sich besonders lavierte und mit Weiß gehöhte Federzeichnungen, die in Farbholzschnitten eine malerische Wirkung entfalteten. (Parmigianino 2003)
[15] Vgl. ebd.
[16] Es gibt noch einen weiteren Abzug von drei Tonplatten in einem Gelbton, Ocker und einem Lindgrün und einer waagerechten Knickfalte in der Blattmitte.
[17] Parmigianino 2003