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Hausarbeit, 2011
16 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Täterinnen
3. Konfrontative Pädagogik mit Mädchen und jungen Frauen
4. Schlussbemerkungen
Literatur- und Quellenverzeichnis
Die „Konfrontative Pädagogik“ (KP) lässt sich gleichzeitig als ein (sozial)pädagogischer Handlungsstil und eine Interventionsmethode beschreiben (vgl. Kilb 2010: 38). Sie knüpft an die Lebensweltorientierung nach Thiersch an, die fördern soll, dass die AdressatInnen ihr Leben besser und bewusster gestalten können, dadurch Teilhabe erlangen und Exklusion vermeiden. Bei lebensweltorientierter Arbeit soll die gesamte Lebenswelt des/der Jugendlichen/Heranwachsenden mit seinen/ihren damit verknüpften Stärken mit einbezogen werden (vgl. Kilb 2010: 52ff.). Folglich spielt, v.a. in der Endphase konfrontativer Angebote, auch der Empowerment-Ansatz eine entscheidende Rolle.
Außerdem basiert die KP theoretisch auf der konfrontativen Therapie nach Corsini und der provokativen Therapie nach Farrelly. Diese Zugänge haben sich vor allem bei „sozialarbeitsresistenten“ KlientInnen bewährt.
Des Weiteren leitet sie sich hauptsächlich aus der Verhaltenstherapie und den kognitiven Therapien ab. Dabei umfasst die Verhaltenstherapie den Bereich, in dem das Verhaltensrepertoire durch das Einüben neuer Muster erweitert/verändert wird. Die kognitiven Therapien sind eine Ergänzung dazu und sollen das Denken und Bewerten der AdressatInnen verändern. Man spricht also von einem lerntheoretisch-kognitiven Paradigma als Grundlage für den konfrontativen Umgang (vgl. Schanzenbächer 2006: 21).
Bei der praktischen Umsetzung der KP ist es grundlegend, dass als Basis für die konfrontative Vorgehensweise eine Beziehung zwischen Sozialpädagoge/in und Klient/in geschaffen wird, die von Empathie, Wertschätzung und Anerkennung geprägt ist (vgl. Weidner 2010: 23). Nur auf dieser Basis kann eine Konfrontation mit dem abweichenden Verhalten der KlientInnen in Form von Provokationstests, etc. erfolgreich verlaufen.
Dabei werden die Person und ihr Verhalten differenziert betrachtet. Der/die Klient/in wird als Person ressourcenorientiert, was seine/ihre Taten betrifft aber defizitorientiert betrachtet, seine Verhaltensweisen also verurteilt. Das Motto hierfür lautet „ […] Klare Linie mit Herz […].“ (Weidner 2010: 25). Wichtig ist es das abweichende Verhalten des/der Jugendlichen/Heranwachsenden zu verstehen, aber nicht zu tolerieren (vgl. Weidner 2010: 29). Im Umgang mit dem/der Jugendlichen/Heranwachsenden sollte der/die Professionelle zu „[…] 80% […] einfühlsam, verständnisvoll, verzeihend und non-direktiv bleiben, aber um 20% Biss, Konflikt- und Grenzziehungsbereitschaft […].“(Weidner 2010: 28) zeigen. Dies beschreibt die notwendige Grundhaltung der Fachkraft.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die konfrontative Arbeit „[…] ist die Interventionserlaubnis der konkret Betroffenen.“ (Weidner 2010: 23). Diese könnte zum Beispiel in Form eines Teilnehmervertrages des Anti-Aggressivitäts-Trainings erfolgen.
Die KP verfolgt unterschiedliche Ziele. Durch konfrontative Maßnahmen soll eine „[…] Ein- stellungs- und Verhaltensänderung beim Betroffenen.“ (Weidner 2010: 23) gegenüber sich selbst und anderen Personen erzielt werden. Er/Sie soll also lernen Verantwortung für sei- ne/ihre Taten zu übernehmen und mit Aggressionen konstruktiv umzugehen, um ein gewalt- freies Leben führen zu können. Dafür sollen u.a. Rechtfertigungsmechanismen aufgebro- chen, Schuldgefühle geweckt und Handlungsalternativen eingeübt werden. Außerdem sollen unterschiedliche Handlungskompetenzen gefördert werden, bei denen die Mehrfachauffälligen Nachholbedarf aufweisen: „[…]Empathie, Frustrationstoleranz, Ambigui- täts- oder Ambivalenztoleranz sowie Rollendistanz.“ (Weidner 2010: 24). Zusätzlich soll pro- soziales Verhalten gefördert und die Fähigkeit des moralischen Urteilens entwickelt werden (vgl. Walkenhorst 2010: 93).
Ein weiteres Ziel ist „[…] die Anpassung an gesellschaftlich erwünschtes bzw. erwartetes Verhalten […].“ (Kilb 2010: 54), um sich auf dieser Basis selbstständig weiterentwickeln zu können.
Dafür sollen auch (mit Hilfe von Begleit- oder Anschlussangeboten) die Rahmenbedingungen der gewaltbereiten Jugendlichen und Heranwachsenden verbessert werden, um negative und stressgeladene Einwirkungen zu mindern (vgl. Krieger 2007: 131). Um diese Ziele erreichen zu können müssen die Konfrontationen kontinuierlich stattfinden sowie ein geschützter Rahmen für diese geschaffen werden (vgl. Weidner 2010: 23).
Konfrontative Arbeit ist grundsätzlich mit allen Zielgruppen möglich. Sie kann in unterschied- lichen Bereichen wie stationären Einrichtungen (z.B. JVA), in Schulen, Gruppenarbeit, Ein- zelfallarbeit und Beratungsarbeit angewendet werden (vgl. Kilb 2010: 40) und ist somit in unterschiedlichen Einsatzfeldern Sozialer Arbeit relevant. „[…] vor allem in der pädagogi- schen Arbeit mit aggressiven und stark auffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen […].“ (Weidner/Kilb 2011: 5) ist die KP ein wichtiger Bestandteil. Daher wird sich diese Arbeit auf diese Zielgruppe beziehen.
Die KP „[…] begreift sich als sozialpädagogische ultima ratio im Umgang mit Mehrfachauffälligen.“ (Weidner 2010: 23), die eingesetzt wird, wenn andere vorausgegangene Zugänge, wie z.B. die klientenzentrierte Gesprächsführung, nicht (mehr) ausreichen.
Auch jede Person kann konfrontativ arbeiten, wichtig ist lediglich die oben beschriebene Grundhaltung. Je nach Art der Konfrontation ist eine fachliche Ausbildung (z.B. Sozialpädagoge, Erzieher) oder eine zusätzliche Ausbildung (Anti-Aggressivitäts-Trainer) notwendig (vgl. Schanzenbächer 2006: 41).
Maßnahmen in denen die KP eine zentrale Rolle spielt sind u.a. das Anti-Aggressivitäts- Training (AAT), Soziale Trainingskurse und Coolnesstraining (CT), die mit Methoden wie z.B. dem „Heißen Stuhl“ arbeiten (vgl. Kilb 2010: 40).
Laut der aktuellsten, auf der Internetseite des Deutschen Instituts für Konfrontativen Päda- gogik, veröffentlichten Evaluationsergebnisse von A. Eggert und W. Feuerhelm der Katholi- schen Fachhochschule Mainz, erweisen sich die konfrontativen Maßnahmen AAT und CT als relativ effektiv. Hier wird sichtbar, dass etwa zwei Drittel der Mehrfachtäter nicht rückfällig wurden. Die Hälfte derjenigen, die rückfällig wurden begangen schwächere Delikte. Etwa drei Viertel der Teilnehmer wurden im ersten Jahr nach ihrer Kursteilnahme nicht rückfällig. Lediglich 5,8% der Probanden waren weiblich (vgl. Eggert/Feuerhelm 2007: 10ff.).
Da männliche und weibliche Jugendliche bezüglich der Gründe und Formen ihrer Gewalttaten, ihren geschlechterspezifischen Lebenswelten, gesellschaftlichen Anforderungen und Erfahrungen sehr unterschiedlich sind, benötigt man auch in der KP einen geschlechterbezogenen Zugang (vgl. Bruhns 2010: 370). Was bei Männern wirkt, wirkt nicht zwangsläufig auch bei Frauen! Dies soll in den folgenden Kapiteln erarbeitet werden.
Um mit Mädchen und jungen Frauen konfrontativ arbeiten zu können, muss man sich zunächst mit dem Vorkommen, den Erscheinungsformen und Ursachen des delinquenten Verhaltens in Abgrenzung zu männlichen Tätern auseinandersetzen. Nur so können konfrontative Maßnahmen optimal nach ihnen ausgerichtet werden.
Mit Hilfe der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) von 2009 lässt sich die Zielgruppe für die KP mit Täterinnen ermitteln. Dabei werden lediglich die Delikte vorsätzliche leichte Körperverletzung sowie gefährliche und schwere Körperverletzung berücksichtigt. Es wird deutlich, dass die Häufigkeit der vorsätzlichen leichten Körperverletzung sowie der gefährlichen und schweren Körperverletzung bei männlichen Tätern aller Altersstufen fast fünf Mal höher ist als bei Täterinnen. Sie werden in der PKS folglich wesentlich seltener als Täterinnen wegen Körperverletzung erfasst.
Unter den jugendlichen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 18 Jahren liegt der weibliche Anteil an leichten Körperverletzungen bei 23,9%, bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung sind es 19,3%. Ihr Anteil stieg seit dem Jahr 2006 um etwa 2%. Den weiblichen Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) wurden 15,8% der leichten Körperverletzungen und 10,1% der gefährlichen und schweren Körperverletzungen zur Last gelegt, ihr Anteil seit den vorherigen drei Jahren stieg um etwa 1%.
Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass Mädchen und junge Frauen erheblich weniger Taten begehen als männliche Jugendliche und Heranwachsende, ihr Anteil aber innerhalb der letzten Jahre langsam zunahm. So steigt auch die Relevanz des Themas „Konfrontative Pädagogik mit Mädchen und jungen Frauen“. Außerdem ist sichtbar, dass sie eher leichtere Gewaltdelikte wie z.B. vorsätzliche leichte Körperverletzung begehen.
Dennoch ist zu beachten, dass es sich hierbei lediglich um die Taten handelt, die polizeilich erfasst wurden (Hellfeld). Es werden aber deutlich mehr Taten begangen als der Polizei be- kannt wird (Dunkelfeld). Das Steigen oder Fallen des Kriminalitätsgeschehens in der PKS bedeutet in der Realität nicht unbedingt ein häufigeres oder weniger häufiges Vorkommen.
Diese Entwicklungen können u.a. durch eine Änderung des Strafrechts, höhere/geringere polizeiliche Kontrollen oder ein steigendes/fallendes Anzeigeverhalten der Bürger beeinflusst werden. (vgl. Bundeskriminalamt 2010)
Die Opfer der Täterinnen sind hauptsächlich andere weibliche Jugendliche oder Heranwachsende. Grund dafür ist, dass Jungen meist körperlich überlegen sind und dadurch ein höheres Risiko auf Unterlegenheit bergen (vgl. Bruhns 2010: 362).
Bezüglich der Ursachen der physischen Gewaltanwendung von Mädchen und jungen Frauen gibt es unterschiedliche Annahmen und Risikofaktoren. All diese in dieser Arbeit aufzuzeigen würde den Rahmen sprengen, deshalb wird im Folgenden nur auf einige von ihnen einge- gangen.
Von gesellschaftlicher Seite erfahren weibliche Jugendliche und Heranwachsende wider- sprüchliche Erwartungen. Einerseits sollen, gemäß dem klassischen Rollenbild, im privaten Bereich weibliche Aufgaben verrichtet werden, andererseits stehen sie im beruflichen Be- reich unserer modernen Gesellschaft immer mehr unter Leistungsdruck. Es herrscht also eine Ambivalenz zwischen klassischer Rollenerhaltung und -verlust vor, die sie verunsichert. Kommen sie mit dieser Ambivalenz nicht zurecht, kann gewalttätiges Handeln eine Folge sein (vgl. Bruhns 2010: 369).
Ein weiterer Hintergrund gewalttätigen Handelns von Mädchen und jungen Frauen kann sein, dass diese sich durch ihre Taten von dem klassisch weiblichen Rollenbild, das als ab- hängig und schwach gilt, abgrenzen wollen (vgl. Bruhns 2010: 364). Dabei setzen sie sich nicht die männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden aus ihrem Umfeld als Vorbild, sondern wollen mit Hilfe gewalttätiger Verhaltensweisen ein durchsetzungsfähiges und selbstbewusstes Weiblichkeitsbild vermitteln, das nicht von Benachteiligung geprägt ist. Dies wird in der Literatur oftmals als „Protestweiblichkeit“ beschrieben (vgl. Althoff 2007: 233). Dennoch orientieren sie sich an Elementen des klassischen Rollenbildes und eifern trotz ihrer „unweiblichen“ Verhaltensweisen Schönheitsidealen nach und machen Familienpläne (vgl. Bruhns 2009: 185).
Wenn die Mädchen oder jungen Frauen aus einem armen sozialen Umfeld stammen und/oder ein niedriges Bildungsniveau aufweisen sind sie eher begünstigt delinquente Ver- haltensweisen zu zeigen. Auch weibliche Jugendliche und Heranwachsende die aus benach- teiligten Stadtvierteln kommen und/oder einen Migrationshintergrund haben, weisen eine höhere Rate an Gewaltdelikten auf (vgl. Bruhns 2010: 365). Die Beschaffenheit der Lebens- welt der Täterinnen ist folglich ein entscheidender Risikofaktor in ihrer Gewaltkarriere. Dies lässt sich u.a. durch die Anomietheorie erklären, die besagt, dass Menschen gewalttätiges Verhalten dann zeigen, wenn sie auf Grund gesellschaftlich bedingter Faktoren (z.B. materi- eller Ressourcen) Exklusion, Diskriminierung und Erfolglosigkeit erfahren. Sie versuchen daraufhin die legal unerreichbaren Ziele auf illegalem Weg zu erreichen.
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