Eine der attraktivsten Frauen in der Geschichte des Films dürfte in ihren jungen Jahren die französische Schauspielerin Simone Signoret (1921–1985), geborene Simone Henriette Charlotte Kaminker, gewesen sein. Dank ihrer feinen Gesichtszüge, ihrer starken Sinnlichkeit und ihres erotischen Mundes galt sie als Frankreichs Sexsymbol der 1950-er Jahre. Später rühmte man ihre Charakterstärke und ihren Mut zur Hässlichkeit. In ihren eindrucksvollsten Rollen spielte sie besessene Liebhaberinnen oder Prostituierte. Ihre Spielweise stand unter Einflüssen des italienischen Neorealismus. Die Kurzbiografie „Simone Signoret“ aus der Feder des Autors Ernst Probst schildert das Leben der in Wiesbaden geborenen Schauspielerin.
Ernst Probst
Simone Signoret
Frankreichs Sexsymbol der 1950-er Jahre
Eine der attraktivsten Frauen in der Geschichte des Films dürfte in ihren jungen Jahren die französische Schauspielerin Simone Signoret (1921–1985), geborene Simone Henriette Charlotte Kaminker, gewesen sein. Dank ihrer feinen Gesichtszüge, ihrer starken Sinnlichkeit und ihres erotischen Mundes galt sie als Frankreichs Sexsymbol der 1950-er Jahre. Später rühmte man ihre Charakterstärke und ihren Mut zur Hässlichkeit. In ihren eindrucksvollsten Rollen spielte sie besessene Liebhaberinnen oder Prostituierte. Ihre Spielweise stand unter Einflüssen des italienischen Neorealismus.
Simone Henriette Charlotte Kaminker kam am 25. März 1921 als erstes von drei Kindern des französischen Offiziers André Kaminker (1888–1961) und seiner Ehefrau Georgette Kaminker, geborene Signoret, in Wiesbaden zur Welt. Ihr Vater arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) für die französische Besatzung in Deutschland. Ihre beiden jüngeren Brüder wurden später in Frankreich geboren.
1923 kehrte die Familie Kaminker nach Frankreich zurück und bezog in Nieully-sur-Seine, einem Vorort von Paris, eine Wohnung. Dort ging Simone in den Kindergarten und später im „Lycée Pasteur“ zur Schule. 1930 bekam sie einen jüngeren Bruder namens Alain. Ihm folgte 1932 ihr jüngster Bruder Jean Pierre.
André Kaminker hatte eine polnisch-jüdische Herkunft und war in seinem Beruf als Dolmetscher ein Meister seines Faches. Er sprach fließend Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch. In den 1930-er Jahren dolmetschte er bei großen internationalen Konferenzen. Ihm wird ein geradezu unglaubliches Gedächtnis nachgesagt. Angeblich konnte er eine Rede mit einer Länge von mehr als anderthalb Stunden ohne Notizen korrekt und vollständig wiedergeben oder eine Seite aus dem Telefonbuch mit allen Namen und Nummern aufsagen.
An einem Abend im Jahre 1934 kam André Kaminker vollkommen erschöpft nach Hause, nachdem er eine Rede des nationalsozialistischen Diktators Adolf Hitler (1889–1945) auf dem Reichsparteitag in Nürnberg gedolmetscht hatte. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) erschien Paris der Familie Kaminker unsicher. Deshalb lebte sie fortan in
Saint-Gildas-de-Rhuys (Departement Morbihan), wo sie sonst Sommerurlaub machte. Simone besuchte ein Lyzeum in Vannes. Eine ihrer Lehrerinnen war Lucie Samuel, die später als „Lucie Aubrac“ (1912–2007) für die Widerstandsbewegung Résistance“ kämpfte. Mit 19 Jahren absolvierte Simone im Frühjahr 1940 ihr Abitur.
Im Juni 1940 wurde Saint-Gildas-de-Rhuys von deutschen Soldaten besetzt. Nachdem jemand verriet, dass die Kaminker-Kinder einen jüdischen Vater hatten, musste die Familie binnen 24 Stunden den Ort verlassen und kehrte nach Paris zurück. Danach floh die Familie Kaminker 1940 nach London. Noch im selben Jahr kehrte Simone mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern Alain und Jean Pierre nach Paris zurück. Ihr Vater blieb zurück in England. Er arbeitete während der deutschen Besetzung von Frankreich für den französischen Rundfunksender „France Libre“ und einige Male als Dolmetscher für General Charles de Gaulle (1890–1970), der von London aus die Fortsetzung des französischen Widerstandes organisierte.
Nach der Rückkehr in Frankreich war Simone der einzige Ernährer für ihre Mutter und ihre Brüder. Da sie als so genannte „Halbjüdin“ galt, tarnte sie sich mit dem Mädchennamen „Signoret“ ihrer Mutter. Von September 1940 bis Juni 1941 arbeitete sie als Sekretärin für die opportunistische Zeitung „Les nouveaux temps“. Dieses Blatt war von Jean Luchaire
(1901–1946), dem Vater ihrer Mitschülerin und späteren Schauspielerin Corinne Luchaire
(1921–1950), gegründet worden. Ihre Mutter verließ Neuilly-sur-Seine und zog mit den zwei Söhnen, die mittlerweile aus Schutz vor Verfolgung durch die Deutschen den protestantischen Glauben erhalten hatten, in das unbesetzte Südfrankreich nach Valréas, etwa 65 Kilometer von Avignon entfernt. Dort lebte die Mutter während der Besetzung Frankreichs und arbeitete als Wäscherin.
Simone Signoret verbrachte ab 1941 ihre Freizeit gern in Pariser Künstler- und Intellektuellenkreisen, die sie der französischen „Kommunistischen Partei“ nahe brachten. Außerdem engagierte sie sich für die französische Widerstandsbewegung „Résistance“.
Um ihre bescheidenen Finanzen aufzubessern, arbeitete Simone Kaminker, die damals den Spitznamen „Kiki“ hatte, auch als Komparsin beim Film. Erste kleine Nebenrollen spielte sie in „Boléro“ (1942), wo sie noch nicht im Abspann erwähnt wurde, und in „Le prince charmant“ (1942). Dadurch erwachte ihr Ehrgeiz und sie nahm Schauspielunterricht. Es folgte eine größere Nebenrolle in „Les visiteurs du soir“ („Die Nacht mit dem Teufel“, 1942). Während der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen fürchtete sie stets, als Halbjüdin entdeckt zu werden.
Bei Dreharbeiten lernte Simone Signoret den französischen Regisseur Yves Allégret
(1907–1987) kennen, der früher Sekretär des russischen Revolutionärs Leo Trotzki (1879–1940) gewesen war. 1944 heirateten die Signoret und Allégret. Aus dieser Ehe ging am 16. April 1946 die Tochter Catherine hervor. Von Allégret erhielt Simone Signoret ihr erstes wesentliches Rollenangebot in dem Film „Les Démons de L’Aube“ (1946). Für den Streifen „Macadam“ („Zur roten Laterne“, 1946), in dem sie eine Prostituierte spielte, verlieh man ihr 1947 den „Suzanne-Bianchetti-Preis“ als beste Nachwuchsdarstellerin.
Zu Simone Signorets unvergessenen Filmen zählen „L’ange de la nuit“ („Engel der Nacht“, 1942), „Fantomas“ (1947), „Dédée d’Anvers“ („Schenke zum Vollmond“, 1948), „Manèges“ („Eine Frau im Sattel“, 1949), „La traqué“ („Unterwelt von Paris“, 1950), „La ronde“ („Der Reigen“, 1950), „Casque d’or“ („Goldhelm“, 1951), „Thérèsè Raquin“ („Therese Raquin – Du sollst nicht ehebrechen“, 1953), „Les diaboliques“ („Die Teuflischen“, 1954) und „La mort en ce jardin“ („Pesthauch des Dschungels“, 1956).
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete André Kaminker als Dolmetscher der französischen Delegation in Nürnberg, jedoch nicht beim „Nürnberger Prozess“ im Gerichtssaal. Er engagierte sich sehr für die Dolmetscher im Europarat und bekam den Spitznamen „Sir Boss“. Ab 1945 war er lange Zeit erster Chefdolmetscher für die „United Nations Organization“ („UNO“) in New York City.
Filmreif war an einem schönen Sommerabend im August 1949 die Szene des Kennenlernens von Simone Signore mit dem französischen Chansonnier und Filmschauspieler Yves Montand
(1921–1991), bei der es zwischen den Beiden funkte. Montand, der gerade eine dreijährige Beziehung mit der Chansonsängerin Edith Piaf (1915–1963) hinter sich hatte, betrat damals die Terrasse des Hotels „Colombe d’Or“, eines beliebten Künstlertreffs in St.-Paul-de-Vence im hügeligen Hinterland der Cote d’Azur. Dort erblickte er die strahlendschöne und leuchtendblonde Simone Signoret, die von einem Schwarm Tauben umgeben war. Montand traf, wie er später erzählte, ihr Anblick bis ins Mark. Sofort wusste er. „Das ist die Frau meines Lebens!“ Er kannte zwar ihren Namen, sie aber noch nicht persönlich und beschloss, auf sie zuzugehen und anzusprechen, ohne die Tauben aufzuschrecken. Noch bevor die Sonne an jenem Abend unterging, waren Yves und Simone wie zwei verliebte Täubchen.
[...]