Seit der umwälzenden Ereignisse, die im Januar 2011 in Tunesien begonnen haben, und als "arabischer Frühling" weltweit Bekanntheit erlangten, erhielt die Forschung über soziale Bewegungen und Revolutionen in der Politikwissenschaft und Soziologie neuen Auftrieb. Der scheinbar plötzliche, eruptive und rasante Aufstand wurde vermehrt im Zusammenhang mit Social Medias wie Twitter und Facebook in Verbindung gebracht. Gerade in den Populärmedien etablierten sich Begriffe wie "Facebook-Revolution", um die Phänomene des arabischen Frühlings zu beschreiben. Doch welche Rolle haben Social Medias tatsächlich bei der Umwälzung des tunesischen Regimes unter Ben Ali gespielt? Innerhalb dieser Abschlussarbeit im Bachelor of Arts für Soziologie an der Georg-August-Universität Göttingen wird untersucht, welche strukturellen, motivationalen und sozialen Ursachen hinter der sogennannten Jasminrevolution standen. Neben der Darstellung möglicher revolutionstheoretischer Erklärungsrahmen und einer ausführlichen Nachzeichnung des Falls Tunesiens, wird eine Analyse des möglichen Mobilisierungs- und Partizipationspotentials von Social Medias durchgeführt. Auf der Basis umfangreicher Quellenarbeit wird sich zeigen, dass Facebook und Twitter für die aufstrebende, von Deprivationserfahrungen geprägte Mittzwanziger-Generation eine effiziente Plattform boten, um ihre politische und ökonomische Lage zum Ausdruck zu bringen. Dies hatte einen verstärkenden Mobilisierungseffekt auf weite Regionen des Landes zur Folge, die sich gegen das "sultanistische" Regime Alis richteten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Revolutionen in der soziologischen Forschung
- Die Bedeutung sozialen Wandels in der Soziologie
- Definition von Revolution
- Revolutionstheorien
- Marxistisch-orientierter Ansatz
- Gruppen- und aggregationspsychologische Ansätze
- Ideologiezentrierte Ansätze
- System-Wert Konsensus Theorien
- Politische Konflikttheorien
- Strukturalistische Ansätze
- Bedingungen / Grundvoraussetzungen für soziale Revolutionen
- Konflikt zwischen Staat und Eliten
- Konflikt zwischen Staat und breiter Bevölkerung
- Unfähigkeit des Staates zur Repression
- Opportunitäten
- Internationaler Druck auf den Staat
- Grad der Organisation und Mobilisierung von Protestgruppen
- Koalitionsbildungen und Ideologie
- Von der Mobilisierung zur kollektiven Handlung
- Die Genese politischer Öffentlichkeit
- Neue Dimensionen der Öffentlichkeit und Mobilisierung: Social Networks und das Web 2.0
- Möglichkeiten und Grenzen: Social Networks und Protest
- Die Jasminrevolution in Tunesien
- Historischer Überblick: Politische und wirtschaftliche Situation des Landes vor dem arabischen Frühling
- Die arabische Geschichte unter den Ottomanen
- Tunesien als französische Kolonie
- Unabhängigkeit, Herrschaft unter Habib Bourguiba
- Die erste Jasminrevolution. Zine El Abidine Ben Alis Regime
- Die zweite Jasminrevolution. Von der Selbstverbrennung Bouazizis zur Protestbewegung
- Die Jasminrevolution und ihre Ursachen. Tunesien als sultanistisches Regime
- Konflikt zwischen Staat und Eliten
- Der Aufstand breiter Bevölkerungsschichten
- Ökonomische Motive
- Politische Motive
- Die Rolle von Ideologie
- Repressionsmaßnahmen des Regimes
- Internationale Beziehungen
- Frage nach der Mobilisierung von Protestgruppen
- Von Sidi Bouzid bis nach Tunis. Der Schneeballeffekt der Proteste
- Eine Facebook-Revolution? Die Bedeutung von Social Medias in Retrospektive
- Die Wikileaks-Enthüllungen
- Möglichkeiten neuer Technologien
- Politische Öffentlichkeit. Facebook als demokratischer und politischer Raum
- Grenzen neuer Technologien
- Jasminrevolution oder „-refo-lution“? Ein Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Ursachen der Jasminrevolution in Tunesien im Jahr 2011, indem sie einen soziologischen Ansatz verfolgt. Ziel ist es, die sozialen und strukturellen Faktoren zu analysieren, die zu dem Aufstand gegen das autokratische Regime geführt haben. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle von Social Networks wie Facebook und Twitter in der Mobilisierung der Protestbewegung und der Gestaltung einer neuen Form von politischer Öffentlichkeit.
- Soziologische Ansätze zum sozialen Wandel und Revolutionen
- Analyse der sozialen und politischen Situation in Tunesien vor der Revolution
- Die Rolle von Social Networks in der Mobilisierung der Protestbewegung
- Die Entstehung und Bedeutung politischer Öffentlichkeit im Kontext der Revolution
- Die Jasminrevolution als Beispiel für die Auswirkungen von sozialen und strukturellen Faktoren auf politische Umbrüche
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den historischen Kontext der Jasminrevolution und die Relevanz des Themas für die Soziologie darlegt. Kapitel 2 behandelt die verschiedenen soziologischen Theorien zum sozialen Wandel und zu Revolutionen, wobei insbesondere auf die Bedeutung von sozialen und strukturellen Faktoren eingegangen wird. Im Anschluss daran werden wichtige Voraussetzungen für soziale Revolutionen beleuchtet, wie Konflikte zwischen Staat und Eliten oder der breiteren Bevölkerung, sowie die Rolle von Mobilisierung und Opportunitäten. Kapitel 2 widmet sich außerdem der Genese politischer Öffentlichkeit und dem Einfluss von Social Networks in diesem Zusammenhang. Kapitel 3 gibt einen Überblick über die historische Entwicklung Tunesiens und die politische und wirtschaftliche Situation vor dem arabischen Frühling. Kapitel 4 analysiert die Jasminrevolution selbst, untersucht die Ursachen und Hintergründe sowie die Rolle von Social Networks in der Mobilisierung der Protestbewegung.
Schlüsselwörter
Soziale Revolutionen, Soziologischer Ansatz, Sozialer Wandel, Tunesien, Jasminrevolution, Social Networks, Politische Öffentlichkeit, Mobilisierung, Protestbewegung, strukturelle Faktoren, politisches System.
- Arbeit zitieren
- Daniel Kusch (Autor:in), 2011, Die Ära der Facebook-Revolutionen?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/190753