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Seminararbeit, 2011
22 Seiten
1. Einleitung
1.1 Problemdefinition und Fragestellungen
1.2 Vorgehensweise
1.3 Forschungsstand
2. Gouvernementalität, Reflexive Institutionalisierung, Mediation
2.1 Gouvernementalität nach Foucault und „gouvernmentality studies“
2.2 Reflexive Institutionalisierung
2.3 Das Modell der Mediation
3. Beantwortung der analyseleitenden Fragestellungen
3.1 Mediation als Ausdruck reflexiver Institutionalisierung?
3.2 Mediation als Ausdruck neoliberaler Gouvernementalität?
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
„Herrschaft soll heißen die Chance, auf einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“[1]
Diese klassische Definition von Herrschaft nach Max Weber impliziert, dass der Souverän eines Staates Befehle erteilt und seine Untergebenen diesen Folge leisten. Seit der berühmte Soziologe diese verfasste hat sich jedoch einiges in der gesellschaftlichen und politischen Kultur vieler Nationalstaaten geändert: Konzepte staatlichen Handeln, politischer Steuerung oder regulativer Politik werden zunehmend in Frage gestellt. Scharpf bezeichnete diesen Tatbestand im Jahre 1991 als Problem der „Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des 20. Jahrhunderts.“[2] Was ist geschehen? Der überkommene Institutionenbestand der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie ist aus verschiedenen Gründen in die Kritik geraten. Anna Geis formuliert hierzu: „Auf der Input-Seite ist der Institutionenbestand auf einen Bürger angelegt, der kein besonderes Partizipationsbegehren entwickelt und rechtmäßig zustande gekommene Entscheidungen ohne weiteres als legitim anerkennt.“[3]
Problem- und Konfliktlagen haben sich jedoch stark verändert, denn die Komplexität von Politik ist dramatisch gestiegen. „Vernetzte Problemlagen, Unsicherheit über Folgen, multipolare Konfliktkonstellationen überfordern einen positionellen Politikstil und erzeugen Dysfunktionalitäten in einer repräsentativ-parlamentarischen Demokratie.“[4]
Neben der Steigerung von Komplexität politischer Entscheidungsprozesse, hat sich ebenso das Selbstverständnis der Bürgerinnen und Bürger verändert. Ausdruck fand diese neue Haltung gegenüber dem Staat in den sogenannten neuen sozialen Bewegungen, die sich über Arbeitnehmerfragen hinaus auch mit Themen der bürgerlichen Partizipation beschäftigen. Auch im digitalen Raum hat der Bürger inzwischen die Möglichkeit auf Einflussnahme. Der Begriff des Web 2.0, welcher vom O’Reilly-Verlag in Zusammenarbeit mit Media- Live International für die Benennung einer neuen Konferenz kreiert wurde, steht für diese Veränderung. Sie manifestiert sich beispielsweise im Ende der klaren Trennung von Produzent und Konsument. Derartige Übergänge verlaufen heute fließend. Internetnutzer erstellen eigene Inhalte und veröffentlichen diese auf Plattformen wie You Tube und Myspace. Der Nutzer ist Produzent und Konsument in einem. Axel Bruns kreierte hierfür im Jahre 2009 den Begriff der „Produtzung“[5]. Darüber hinaus haben eine Vielzahl von „Sozialen Netzwerken“, sowie unzählige Blogs und Foren eine völlig neue Form der Öffentlichkeit im Internet geschaffen.
Der Bürger erwartet die Berücksichtigung seiner Interessen und verlangt mehr Mitsprache, wo er diese Interessen betroffen sieht. Partizipation und Kooperation bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen ergänzen die Herrschaftsidee nach Max Weber.
„Die Menschen sind dazu aufgefordert, mithilfe der institutionellen Handlungsspielräume, die die Moderne ihnen bietet, politische Entscheidungen zu hinterfragen und ihnen ggf. entgegenwirken.“[6]
Ganz im Sinne der zuvor beschriebenen Problematik richtete sich das Interesse des französischen Soziologen Michel Foucault Ende der siebziger Jahre auf die Frage nach der Möglichkeit einer guten Regierung, die ihrer Bevölkerung ein größtmögliches Maß an Freiheit anbietet. Sein analytisches Raster der “Gouvernementalität” versucht Regierungsrationalitäten und Programme in historischer Perspektive am Beispiel der Entwicklung der souveränen Staatsräson hin zur liberalen Regierungskunst aufzuzeigen. Nachlesbar ist seine Fahndung nach der Gouvernementalität in den Vorlesungen “Sicherheit, Territorium, Bevölkerung” (1978) und “Die Geburt der Biopolitik” (1979). Beide Zusammen werden auch als die “Geschichte der Gouvernementalität” bezeichnet. An Foucaults Studien schlossen sich seit Beginn der neunziger Jahre eine Forschungsperspektive an, die als „gouvernmentality studies“ bezeichnet wird.[7]
In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob mit dem Modell der Mediation ein Instrument geliefert werden kann, das eine konstruktive Ergänzung der bestehenden Institutionen ermöglicht und den Wünschen vieler Bürgerinnen und Bürger nach verstärktem Einfluss auf die Erarbeitung und Umsetzung politischer Inhalte gerecht wird. Um der institutionellen Komponente des Problems gerecht zu werden, bedient sich der Autor dem Modell der reflexiven Institutionalisierung und untersucht, ob Mediation den Ansprüchen dieses institutionellen Modells genügt. Im nächsten Schritt soll aufgezeigt werden, ob das Modell der Mediation einen Ausdruck moderner Gouvernementalität im Sinne Michel Foucaults darstellt und damit als Instrument der Verbindung von Herrschaftstechnik und Selbsttechnologie bezeichnet werden kann.
Die analyseleitenden Fragestellungen lauten: Kann das Modell der Mediation als Ausdruck reflexiver Institutionalisierung bezeichnet werden? Kann Mediation als Ausdruck neoliberaler Gouvernementalität angesehen werden?
Abschnitt 2 dient der Beschreibung der in dieser Arbeit zentralen theoretischen Modelle. Daher erfolgt zunächst eine knappe Beschreibung des Modells der Gouvernementalität nach Michel Foucault und den weiterführenden „governmentality-studies“. (2.1). Im nächsten Schritt soll geklärt werden, was unter „reflexiver Institutionalisierung“ zu verstehen ist (2.2). Ist dies getan, liefert Abschnitt 2.3 Informationen über das Modell der Mediation. Das Augenmerk liegt hierbei auf der Herkunft des Modells (2.3.1). Des Weiteren werden verschiedene Definitionen des Begriffes präsentiert (2.3.2). Abschnitt 2 soll außerdem die zentralen Merkmale der verwendeten theoretischen Konstrukte aufzeigen. Dies ist unabdingbar, da nur so die Beantwortung der analyseleitenden Fragestellungen möglich ist.
Abschnitt 3 dient der Beantwortung der analyseleitenden Fragestellungen. Anhand der in Abschnitt 2 herausgearbeiteten zentralen Merkmale soll zunächst überprüft werden, ob das Modell der Mediation als Ausdruck reflexiver Institutionalisierung bezeichnet werden kann (3.1). Abschnitt 3.2 beantwortet die Frage, ob das Modell der Mediation als Ausdruck moderner Gouvernementalität angesehen werden sollte. Zur Veranschaulichung bezieht sich der Autor hierfür auf das Mediationsverfahren zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Am 13. Mai 1998 einigten sich Hessens damaliger Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) und der „Gesprächskreis Flughafen“ nach einer eingehenden Analyse der Interessen- und Konfliktsituation darauf, die künftige Entwicklung des Flughafens Frankfurt einem unabhängigen und ergebnisoffenen Mediationsverfahren zu unterziehen. Somit sollte ein adäquater Bericht darüber geliefert werden, „unter welchen Voraussetzungen der Flughafen Frankfurt dazu beitragen kann, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsregion Rhein-Main im Hinblick auf Arbeitsplätze und Strukturelemente dauerhaft zu sichern und zu verbessern, ohne die ökologischen Belastungen für die Siedlungsregion außer Acht zu lassen“. Mit 20 Vertretern aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft wurde eine Mediationsgruppe gegründet. Noch vor Beginn des Verfahrens verkündeten Vertreter von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden, nicht am Mediationsverfahren teilzunehmen Abschnitt 4 fasst die gewonnenen Ergebnisse in Form eines Fazits zusammen und liefert darüber hinaus einen Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen.
Der Begriff der „Mediation“ stammt aus dem englischen Sprachgebrauch und wurde in den sechziger Jahren in den USA entwickelt. Seither sind zahllose Werke zu dieser Form alternativer Konfliktlösung veröffentlicht worden. Die Informationen zur Mediation stammen aus Fachzeitschriften, Sammelbänden und Monographien zum Thema. Mit dem Mediationsverfahren zum Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes ist ein sehr aktuelles Beispiel vorhanden, das deutlich macht, dass das Modell der Mediation nach wie vor als alternatives Mittel der Streitbeilegung genutzt wird. Die reflexive Institutionalisierung ist ein Modell, das in verschiedenen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen besprochen wird (Politische Theorie, Internationale Beziehungen). Aufgrund dessen ist es dem Autor möglich, hierfür auf Quellen in Form von Primär- und Sekundärliteratur zurückzugreifen. Das zur Veranschaulichung verwendete Fallbeispiel (Mediationsverfahren zur Flughafenerweiterung Frankfurt) wurde anhand einer Studie der hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung analysiert.
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[1] Weber, Max (1984): Soziologische Grundbegriffe, Tübingen, S.94.
[2] Zilleßen, Horst (1998): Mediation. Kooperatives Konfliktmanagement in der Umweltpolitik, Wiesbaden, S.8.
[3] Geis, Anna( 2005): Regieren mit Mediation, Wiesbaden, S.42.
[4] Ebd., S.43.
[5] Bruns, Axel (2009): Produtzung: Von medialer zu politischer Partizipation. In: Bieber, Christoph (Hrsg.): Soziale Netze in der digitalen Welt. Das Internet zwischen egalitärer Teilhabe und ökonomischer Macht, Frankfurt a.M, S.65-86.
[6] Neureiter, Michael (2009): Ulrich Beck. Die Risikogesellschaft, Norderstedt, S.14.
[7] vgl. Lohmann, Susanne (2008): Michel Foucault: Gouvernementalität, Hamburg, S.3-4.