Ein grundlegendes Kennzeichen der industriellen Wirtschaft ist es, dass durch den Hersteller produzierte Konsum- und Investitionsgüter ihren Weg an den Endverbraucher nicht unverzüglich finden. In der Regel ist beiden ein sogenannter Absatzmittler zwischengeschaltet. Erst über einen Aufenthalt im Handel gelangen Güter vom Hersteller schließlich an ihren eigentlichen Bestimmungsort: den Endabnehmer. Obwohl Hersteller und Handel folglich das gleiche Ziel – nämlich die Vermittlung der angebotenen Produkte an den Kunden – verfolgen, stellt sich das vorherrschende Verhältnis beider Seiten im Distributionskanal nicht immer als konfliktfrei dar. Wie in zahlreichen anderen sozialen Systemen sind auch im Distributionssystem oftmals Meinungsverschiedenheiten oder Missverständnisse zwischen den agierenden Parteien zu beobachten.
Insbesondere der zu verzeichnende Machtanstieg des Handels führt seit einigen Jahren dazu, dass Hersteller sich innerhalb ihrer Absatzpolitik vermehrt auf handelsbezogene Maßnahmen fokussieren. Im Jahr 2002 waren knapp 70% der absatzpolitischen Handlungen US-amerikanischer Hersteller allein auf den Handel konzentriert; im Vergleich dazu waren es vor zwei Jahrzehnten lediglich 25% (...). Diese Zahlen machen deutlich, dass Formen und Ausprägungen der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel am Markt heute aktueller denn je sind.
Allein eine unterschiedliche Grundausrichtung beider Parteien lässt vermuten, dass nicht immer ein harmonisches Verhältnis zwischen Hersteller und Handel zu beobachten ist. Ist es beiden Seiten sind nicht möglich, einen Nenner für gemeinsame Handlungen am Markt ausfindig zu machen, so besteht grundsätzlich die Gefahr für das Auftreten von Konflikten. Inwiefern Hersteller und Handel mit aus ihrer Geschäftsbeziehung resultierenden Konflikten umgehen sollten und welche Möglichkeiten für beide Seiten bestehen, Instrumente für ein effektives Konfliktmanagement einzusetzen, wird im Verlauf dieser Arbeit untersucht.
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Abgrenzung der Fragestellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Kennzeichen des Distributionskanals
2.1 Die Hersteller-Handels-Beziehung
2.2 Zielsysteme von Hersteller und Handel
2.3 Potenzielle Distributionsstrategien zwischen Hersteller und Handel
3 Vorherrschende Konflikte im Distributionskanal
3.1 Grundlegende Merkmale von Konflikten und ihre Ursachen
3.2 Auftretende Konfliktarten
4 Vertikales Konfliktmanagement im Distributionskanal
4.1 Aufgaben und Ziele des Konfliktmanagements
4.2 Strategische Optionen im Umgang mit Konflikten
4.3 Relationship Management als ausgewählter Ansatz des Konfliktmanagements
4.3.1 Wesen und Inhalte des Relationship Managements
4.3.2 Konflikthandhabung durch Relationship Management
4.4 Die Bedeutung des Konfliktmanagements in der Praxis
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Ausgestaltungsformen der Koordination im Absatzkanal
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Konflikt und Effizienz
Abbildung 3: Konfliktpotenzial in der Hersteller-Handels-Beziehung
Abbildung 4: Konfliktlösungsmechanismen im Distributionskanal
Abbildung 5: RM im Schnittfeld verschiedener Marketingschwerpunkte
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Konfliktkonstellationen zwischen Hersteller und Handel 5
Tabelle 2: Zielkonstellationen im Distributionssystem 12
Tabelle 3: Das ECR-Konzept im Überblick 20
1 Einleitung
1.1 Abgrenzung der Fragestellung
Ein grundlegendes Kennzeichen der industriellen Wirtschaft ist es, dass durch den Hersteller produzierte Konsum- und Investitionsgüter ihren Weg an den Endver- braucher nicht unverzüglich finden. In der Regel ist beiden ein sogenannter Absatz- mittler zwischengeschaltet. Erst über einen Aufenthalt im Handel gelangen Güter vom Hersteller schließlich an ihren eigentlichen Bestimmungsort: den Endabneh- mer. Obwohl Hersteller und Handel folglich das gleiche Ziel - nämlich die Vermitt- lung der angebotenen Produkte an den Kunden - verfolgen, stellt sich das vorherr- schende Verhältnis beider Seiten im Distributionskanal nicht immer als konfliktfrei dar. Wie in zahlreichen anderen sozialen Systemen sind auch im Distributionssys- tem oftmals Meinungsverschiedenheiten oder Missverständnisse zwischen den agierenden Parteien zu beobachten.
Insbesondere der zu verzeichnende Machtanstieg des Handels führt seit einigen Jahren dazu, dass Hersteller sich innerhalb ihrer Absatzpolitik vermehrt auf han- delsbezogene Maßnahmen fokussieren. Im Jahr 2002 waren knapp 70% der absatz- politischen Handlungen US-amerikanischer Hersteller allein auf den Handel kon- zentriert; im Vergleich dazu waren es vor zwei Jahrzehnten lediglich 25% (Gómez et al. 2007, S. 410). Diese Zahlen machen deutlich, dass Formen und Ausprägungen der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel am Markt heute aktueller denn je sind.
Allein eine unterschiedliche Grundausrichtung beider Parteien lässt vermuten, dass nicht immer ein harmonisches Verhältnis zwischen Hersteller und Handel zu beobachten ist. Ist es beiden Seiten sind nicht möglich, einen Nenner für gemeinsame Handlungen am Markt ausfindig zu machen, so besteht grundsätzlich die Gefahr für das Auftreten von Konflikten. Inwiefern Hersteller und Handel mit aus ihrer Geschäftsbeziehung resultierenden Konflikten umgehen sollten und welche Möglichkeiten für beide Seiten bestehen, Instrumente für ein effektives Konfliktmanagement einzusetzen, wird im Verlauf dieser Arbeit untersucht.
1.2 Gang der Untersuchung
Der strukturelle Ablauf der vorliegenden Arbeit gliedert sich in drei Aspekte: In Kapi- tel 2 wird zunächst einmal eine grundlegende Abgrenzung der Kennzeichen und Akteure des Distributionskanals vorgenommen. Kapitel 3 wird inhaltlich weiterfüh- rend die im Absatzkanal vorherrschenden Konflikte und deren jeweilige Ausprä- gungsformen umfassen. In Kapitel 4 werden unter Fokussierung des vertikalen Kon- fliktmanagements im Distributionskanal strategische Optionen betrachtet, die sich Hersteller und Handel im Umgang mit Konflikten bieten. Mit dem Ansatz des Rela- tionship Managements wird schließlich ein ausgewähltes Instrumentarium betrach- tet, welches den unternehmerischen Einsatz von Konfliktmanagement verdeut- lichen soll. Durch die Betrachtung relevanter Praxisbeispiele soll zudem ein ein- facherer Zugang zur Thematik geschaffen werden. Kapitel 5 wird die zentralen Er- gebnisse der vorliegenden Arbeit kritisch zusammenfassen und einen Ausblick in weitere sich ergebende Forschungsbereiche leisten.
2 Kennzeichen des Distributionskanals
Während auf dem Markt einerseits an Bedeutung zunehmende Handelsmarken ein immer wichtigeres Element der heutigen Handelslandschaft darstellen, ist andererseits ein gleichzeitig sinkender Anteil an Herstellermarken im Konsumgüterbereich zu beobachten (Steiner 2007, S. 3). Inwiefern die Beziehung zwischen Hersteller und Handel basierend auf diesen externen Bedingungen ausgestaltet ist, soll im folgenden Kapitel untersucht werden.
2.1 Die Hersteller-Handels-Beziehung
Die Merkmale von Geschäftsbeziehungen1 zwischen Hersteller und Handel vollzie- hen sich aufgrund stetig wechselnder technologischer und wirtschaftlicher Rah- menbedingungen am Markt einem kontinuierlichen Wandel (Steiner 2007, S. 8). Mit dem Wegfall der vertikalen Preisbindung im Jahr 1974 erlangte der Handel zum ers- ten Mal in der Geschichte eine uneingeschränkte Preisautonomie gegenüber dem Hersteller (Steiner 2007, S. 10). Distribuierende Handelssysteme verfügten fortan über umfangreiche Freiheit in der Preissetzung der angebotenen Produkte (Ah- lert/Schröder 1999, S. 257). Der sich daraus ergebende aggressive Preiswettbewerb im Handel und der andauernde Vormarsch von Handelsmarken lassen sich als Aus- löser für einen Paradigmenwechsel am Markt bezeichnen: Händler sind nicht länger lediglich Absatzmittler, sondern agieren als eigenständige Partner am Markt (Marschner 2004, S. 33).
Während Hersteller heute nicht mehr nur um ihre Konsumenten, sondern vielmehr auch um die Positionierung ihrer Produkte im Handelsunternehmen kämpfen und sich verstärkt auf vertikales Marketing2 konzentrieren, setzt sich der Handel zuneh- mend mit dem vorherrschenden Preiswettbewerb am Markt auseinander. Um dem Druck der richtigen Preissetzung nicht alleine ausgesetzt zu sein, versucht er dabei, die Problematik in Form von Einkaufspreissenkungen an den Hersteller weiterzuleiten (Steiner 2007, S. 10-11).
2.2 Zielsysteme von Hersteller und Handel
Die arbeitsteilige Organisation von Hersteller und Handel basiert auf der Überle- gung, dass sich durch Trennung von Güterproduktion und -distribution Effizienzge- winne und Spezialisierungsvorteile realisieren lassen (Meffert 1999, S. 269). Sobald Güter nicht auf direktem Weg vom Hersteller zum Kunden gelangen, wird die Koor- dination und Zusammenarbeit von Hersteller und Handel unabdingbar. Obwohl die- se einerseits grundlegend das gleiche Ziel - nämlich die Veranlassung potenzieller Konsumenten zum Kauf - verfolgen, sind andererseits durchaus unterschiedliche Interessen im Hinblick auf die Fokussierung und die Erreichung dieses Ziels zu be- obachten (Gawlik et al. 2002, S. 30). Diese sind in Tabelle 1 zusammenfassend dar- gestellt.
Hersteller und Handel verfolgen ihre Ziele insgesamt betrachtet unter unterschied- lichen Gesichtspunkten (Becker 2002, S. 595). Beide Marktstufen streben erkennbar danach, die jeweils eigenen Marketingkonzepte auf dem Markt durchzusetzen. Ist auf der einen Seite der Hersteller in seiner Ansprache des Endkonsumenten (z.B. über Präferenz-Strategien) dabei jedoch stark vom Verhalten des Handels abhängig und erwartet daher eine Unterstützung durch diesen, versucht der Handel auf der anderen Seite, die eigenen Konzepte (z.B. Preis-Mengen-Strategie) am Markt durch- zusetzen (Becker 2002, S. 595). Der entstehende Kampf um die Marketingführer- schaft und die eng damit verknüpfte Machtverteilung zwischen Hersteller und Han- del wirkt sich erheblich auf die Koordination beider Marktstufen aus (Meffert 1999, S. 270).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Konfliktkonstellationen zwischen Hersteller und Handel (in Anlehnung an Gawlik et al. 2002, S. 31)
Eine zunehmende Vielfalt von Marken und Produkten führt aufseiten der Konsumenten immer mehr zu einem Sättigungsprozess (Olbrich 1995, S. 2614). Der dabei entstehende Einfluss des Käufers bedingt im Umkehrschluss die Stärkung der Händlermacht. Aufgrund dessen begrenzten Platzierungsraumes für Produkte übernimmt der Handel auf diese Weise eine wichtige Rolle als „gatekeeper“3. Er ist somit in der Lage, eine Abhängigkeit des Herstellers zu schaffen.
2.3 Potenzielle Distributionsstrategien zwischen Hersteller und Handel
Die Koordination zwischen Hersteller und Handel lässt sich nach Meffert (1999, S. 274-275) anhand unterschiedlicher Strategien beschreiben. Jeweilige Handlungen der Akteure sind in aktive und passive Verhaltensweisen zu gliedern: Hersteller können ihr Verhalten sowohl bezüglich der Gestaltung ihrer Absatzwege als auch ihre Reaktion auf die Marketingaktivitäten des Handels betreffend wählen und dementsprechend agieren. Es ist im Allgemeinen dabei zwischen den absatzmittler- gerichteten Basisstrategien Anpassung, Konflikt, Umgehung und Kooperation zu unterscheiden. Während die Anpassung sich durch eine branchenübliche oder all- gemein bewährte Gestaltung der Absatz- und Vertriebswege auszeichnet und als Machtduldung des nachfragemächtigen Handels gilt, bezeichnet die Konflikt strate- gie das Streben nach individueller Gestaltung der Absatzwege durch den Hersteller (Benkenstein 2001, S. 124). Dieser versucht den Handel zu dominieren und die Mar- ketingführerschaft im Distributionskanal zu übernehmen. Innerhalb der Umge- hung sstrategie hingegen baut der Hersteller einen eigenständigen Absatzkanal aus (Benkenstein 2001, S. 125). Er schafft es hier auf diese Weise, dem Absatzmittler und dessen Machteinfluss auszuweichen. Kooperatives Verhalten des Herstellers lässt sich demgegenüber mit der Vorteilhaftigkeit der Aufrechterhaltung der Ge- schäftsbeziehung begründen. Ein offensives Durchsetzen der eigenen Interessen erscheint in diesen Fällen ungeeignet; es geht in erster Linie vielmehr um die Inten- sivierung der vorliegenden Geschäftsbeziehung.
Wachsendes Bestreben nach Rationalisierung und die steigende Bedeutung interna- tionaler Beschaffung lassen aktuell eine Restrukturierung von Lieferantenportfolios erkennen (Meffert 1999, S. 276). Es ist demnach zu beobachten, dass die Bedeut- samkeit der strategischen Ausrichtung des Handels immer weiter zunimmt. Die er- läuterten Basisstrategien des Herstellers sind demnach spiegelbildlich auf die des Händlers zu übertragen. Ein Verfolgen der Anpassungsstrategie ist dabei aufgrund der allgemein zu beobachtenden hohen Marktmacht des Handels jedoch nur noch selten vorzufinden.
Die integrierte Sichtweise von Geschäftsbeziehungsstrategien zwischen Hersteller und Handel ist in Anlehnung an Meffert (1999, S. 278) zusammenfassend in Abbil- dung 1 dargestellt. Die Wahl einer entsprechenden Verhaltensstrategie wird dabei in Abhängigkeit von der Verteilung der Macht im Distributionskanal vollzogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ausgestaltungsformen der Koordination im Absatzkanal (in Anlehnung an Meffert 1999, S. 278)
Die Marketingführerschaft des Herstellers im Quadranten II lässt sich als Ergebnis der Verbindung von Konfrontations- und Umgehungsstrategie auf Herstellerseite und einer Anpassung bzw. Kooperation aufseiten des Handels sehen (Meffert 1999, S. 278). Diese war vor allem bis in die 1970er Jahre kennzeichnend für den betrach- teten Distributionskanal. Dieser stark dominanten Position des Herstellers steht innerhalb des Quadranten III die mächtige Stellung des Händlers entgegen (ebd.). Insbesondere gegenüber kleinen Herstellern übernimmt der Handel zunehmend die Marketingführerschaft und orientiert sich immer mehr in Richtung einer Konfronta- tionsstrategie. Eine kooperative Grundausrichtung beider Seite hingegen ist in Quadrant I dargestellt (Meffert 1999, S. 279). Diese Kooperationen im Sinne einer sogenannten Wertschöpfungspartnerschaft werden sich in erster Linie immer dann ergeben, wenn Hersteller und Händler stark voneinander abhängig (Skinner et al. 1992, S. 178) oder gemeinsam Inhaber einer Marktnische sind. Quadrant IV beschreibt letztlich eine Situation, in welcher Kooperation und Konfrontation gemeinsam nebeneinander existieren (Meffert 1999, S. 279).
[...]
1 Unter einer Geschäftsbeziehung ist in Anlehnung an Plinke (1989, S. 307-308) eine Folge von nicht zufälligen Markttransaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager zu verstehen. Für beide Seiten bestehen dabei spezifische Gründe, die eine planmäßige Verknüpfung zwischen Transaktionen be- dingen. Diese sind durch eine sogenannte „innere Verbindung“ gekennzeichnet.
2 Ausgangspunkt des vertikalen Marketings ist der Hersteller eines Produktes, der bestrebt ist, des- sen Absatz über entsprechende Distributionsstufen hinweg zu koordinieren. Entscheidend ist dabei oftmals die Interessenberücksichtigung des Handels. Die in diesem Zusammenhang entstehende sogenannte vertikale Kooperation beschreibt dabei den Aspekt, dass beteiligte Unternehmen un-terschiedlichen Wirtschaftsstufen (Produktions- und Handelsstufe) angehören (Engelhardt 1990, S. 11).
3 „Gatekeeper“ lassen sich frei übersetzt als Pförtner bezeichnen. Sie verfügen im Marketingkanal über die Möglichkeit, Informationsflüsse ihren Vorstellungen entsprechend zu regulieren (Fließ2000, S. 321). Im vorliegenden Fall gilt der Handel als „gatekeeper“, da er über die Aufnahme oder Nicht-Aufnahmne von Produkten und Marken in sein Sortiment in der Lage ist, das Angebot des Herstellers dem Konsumenten gegenüber vorzuselektieren.