Das Verhältnis von Frauenbewegung und Nationalismus stellt ein Thema dar, mit dem sich die Geschichtsforschung erst in letzter Zeit befasst hat. Meist wird dabei vom Postulat ausgegangen, dass Frauenbewegung und nationale Bestrebungen entgegengesetzte Ziele verfolgten, da die Frauenemanzipation die Solidarität aller Frauen verlangt hätte, während der Nationalismus die Frauen verschiedener Nationen trennte. Wollten sich die Frauen daher an den im 19. Jahrhundert erstarkenden nationalistischen Strömungen beteiligen und damit auch die Unterstützung der dort engagierten Männer erreichen, mussten sie dieser Theorie zufolge bedeutende Abstriche von ihren Forderungen nach Frauenemanzipation machen.
Die vorliegende Arbeit zeigt am Beispiel der tschechischen Frauenbewegung ein anderes Handlungsmuster auf. Die tschechischen Frauen fühlten sich in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie doppelt unterdrückt, infolge ihres Geschlechts und infolge der nationalen Zugehörigkeit. Die Aktivistinnen der tschechischen Frauenbewegung waren meist überzeugte Patriotinnen, sie sahen jedoch keinen Widerspruch zwischen ihrem Kampf um Gleichberechtigung mit den Männern und dem Kampf um die nationalen Rechte ihres Volkes, sondern nahmen beides in ihr Programm auf. Sie waren überzeugt, dass das Erreichen nationaler Ziele auch der Frauenbewegung nützen würde. Die tschechischen Männer wiederum setzten vielfach ihren Stolz daran, durch Rechte, die sie den Frauen einräumten, bzw. entsprechende verbale Erklärungen die Fortschrittlichkeit ihrer Nation unter Beweis zu stellen. Im Kampf um die nationalen Rechte traten Männer und Frauen gemeinsam auf. Nur dort, wo es keinen „nationalen Gegner“ gab wie etwa innerhalb der tschechischen Turnvereinigung „Sokol“, wird, wie die Arbeit aufzeigt, das zähe Ringen auch der tschechischen Frauen um ihre Rechte in einer männlich bestimmten Gesellschaft deutlicher.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entwicklung der tschechischen Frauenbewegung
- Erste Anfänge
- Frauenerwerbsvereine und Vereine zur Mädchenbildung
- Kampf um politische Rechte
- Frauenzeitschriften
- Tschechische Frauenbewegung und Nationalismus
- Die Erfolge der tschechischen Frauenbewegung als Erfolge des tschechischen Volkes
- Die Pflicht tschechischer Mütter, ihre Kinder zu tschechischen Patrioten zu erziehen
- Frauenbildung und Frauenstudium
- Die Aktion „Svuj k svému“ und die Beteiligung der tschechischen Frauenbewegung
- Tschechinnen und Tschechen unter sich – am Beispiel der Sokol-bewegung
- Zur Geschichte der Sokolbewegung und der auf sie bezüglichen „Frauenfrage“
- Die Frauenzeitschrift „Sokolice“
- Frauen und Männer im „Sokol“
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis von tschechischer Frauenbewegung und tschechischem Nationalismus im Kontext der späten Habsburgermonarchie. Sie untersucht, inwiefern sich die tschechische Frauenbewegung für die nationale Sache einsetzte und gleichzeitig eigene Ziele der Frauenemanzipation verfolgte. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob und wie es zu einer Konkurrenz oder Parallelität zwischen weiblicher und männlicher Befreiung kam.
- Entwicklung der tschechischen Frauenbewegung im Vergleich zur deutschösterreichischen Bewegung und der europäischen „Frauenfrage“
- Die Rolle der Frauenbewegung im tschechischen Nationalismus
- Die Bedeutung von Frauenbildung und Frauenstudium für die tschechische Nation
- Die Verbindung zwischen Frauenbewegung und tschechischen Institutionen wie der Sokol-bewegung
- Die Verwendung tschechischer Quellen und die Schwierigkeiten der Übersetzung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema des Verhältnisses von Frauenbewegung und Nationalismus im Kontext der tschechischen Geschichte in den Mittelpunkt. Sie beleuchtet die bisherige Forschung und die verschiedenen Perspektiven auf dieses Thema, besonders im Hinblick auf die Rolle der tschechischen Frauen im tschechischen Nationalismus.
- Entwicklung der tschechischen Frauenbewegung: Dieses Kapitel zeichnet die Geschichte der tschechischen Frauenbewegung nach, von den ersten Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Es beleuchtet die wichtigsten Vereine und Organisationen, die sich für die Rechte der Frauen einsetzten, und die Herausforderungen, die sich ihnen stellten.
- Tschechische Frauenbewegung und Nationalismus: Dieses Kapitel beleuchtet die enge Verbindung zwischen der tschechischen Frauenbewegung und dem tschechischen Nationalismus. Es untersucht, wie sich die Frauenbewegung in die nationale Sache einbrachte und welche Rolle sie im Kampf um die Selbstbestimmung des tschechischen Volkes spielte.
- Tschechinnen und Tschechen unter sich – am Beispiel der Sokol-bewegung: Dieses Kapitel analysiert die Rolle der tschechischen Frauen in der Sokol-bewegung, einer wichtigen tschechischen Turn- und Kulturorganisation. Es untersucht die Herausforderungen, die sich für die Frauen im Kontext der Sokol-bewegung stellten, und die Möglichkeiten, die sich ihnen boten.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: tschechische Frauenbewegung, Nationalismus, Habsburgermonarchie, Frauenemanzipation, tschechische Geschichte, „Frauenfrage“, Sokol-bewegung, Frauenbildung, Frauenstudium, „Svuj k svému“.
- Arbeit zitieren
- Ilsemarie Walter (Autor:in), 2003, Die tschechische Frauenbewegung im Nationalitätenkonflikt der späten Habsburgermonarchie, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/18736