Wie in vielen Teilen Europas waren auch in Österreich Einwohner jüdischen Glaubens im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Verfolgungen und Diskriminierungen ausgesetzt. Eine nicht geringe Anzahl von ihnen ließ sich mehr oder weniger freiwillig taufen, um der Verfolgung zu entgehen oder bessere Chancen im Leben zu haben. Bei jüdischen Kindern sind viele Zwangstaufen dokumentiert.
In der vorliegenden Arbeit ging es darum, ausgehend von einer in den Jahren zwischen 1784 und 1868 vorgenommenen Eintragung der Taufe einer Person ursprünglich jüdischen Glaubens in den Wiener Pfarrarchiven, den Kontext zu erforschen, in dem diese Taufe geschah. Ausgewählt wurde Leo Piepes, Hörer der Pharmazie an der Universität Wien, der am 1. Dezember 1829 im Alter von 22 Jahren in der Wiener Pfarre St. Leopold katholisch getauft wurde und den Vornamen Joseph Franz annahm.
Leo Piepes entstammte einer angesehenen Lemberger Familie und ist als „Apotheker-Subject“ eingetragen, was einem Apotheker-Gesellen entsprach, während zwei seiner Brüder, Salomon und Simon Piepes, hier Medizin studierten. In Lemberg selbst war es zu dieser Zeit nicht möglich, ein vollwertiges Medizin- oder ein Pharmaziestudium zu absolvieren. Das Jahr 1829 war jedoch kein günstiges Jahr für einen Juden, der Apotheker werden wollte. Am 16. Mai 1829 verbot eine Höchste Entschließung den Juden, das Apothekergewerbe auszuüben - eine Bestimmung, die erst 1860 wieder außer Kraft trat. Es kann als wahrscheinlich angenommen werden, dass dieses Verbot zu Piepes’ Entschluss, den katholischen Glauben anzunehmen, zumindest beitrug.
Leo Piepes, der sich nach seiner Taufe selbst Franz nannte, schloss sein Apothekerstudium mit einer Prüfung ab. Dann verliert sich seine Spur – als katholisch Getaufter wurde er von den Behörden nicht mehr so genau verfolgt wie vorher als jüdischer Einwohner der Monarchie. Salomon Piepes vollendete sein Medizinstudium in Wien, er hatte jedoch so gut wie keine Chancen, sich hier als praktizierender Arzt niederzulassen. Der jüngere Bruder Simon promovierte im Jahr 1835 in Pavia.
In der Arbeit werden die Entwicklung der gesetzlichen Vorschriften, die Debatten zwischen einzelnen Behörden und die Ausnahmeregelungen in Bezug auf jüdische Apotheker und Ärzte näher verfolgt, wobei eine Fülle konkreter Schwierigkeiten und Diskriminierungen sichtbar wird, mit denen diese Bevölkerungsgruppe zu kämpfen hatte.
Inhaltsverzeichnis
- Ausgangspunkt
- Der Konvertit und seine Familie
- Der Taufpate
- Lemberg-Heimatstadt der Familie Piepes
- Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen
- Zum Apothekerberuf
- In bezug auf jüdische Apotheker und Studenten
- Sonderregelungen
- Der Fall der Apothekerfamilie Jeiteles in Prag
- Der Fall Michael Perl aus Tarnopol
- Eingaben italienischer Judengemeinden
- Nochmals der Konvertit und seine Familie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Problematik jüdischer Apotheker und Pharmazie- bzw. Medizinstudenten im Vormärz. Sie untersucht die Schwierigkeiten, die Juden in dieser Zeit hatten, wenn sie den Apothekerberuf wählen wollten, am Beispiel des „Apotheker-Subjects“ Leo Piepes und seiner Familie.
- Die rechtliche Situation jüdischer Apotheker und Studenten im Vormärz
- Die Rolle der Konversion im Kontext des Apothekerberufs
- Die Lebensgeschichte von Leo Piepes und seiner Familie
- Die Bedeutung des Umfeldes und der sozialen Strukturen
- Die Auswertung von Quellen und Archiven
Zusammenfassung der Kapitel
1. Ausgangspunkt
Dieses Kapitel beschreibt die Taufe von Leo Piepes im Jahr 1829 und den Kontext der damaligen Gesetze, die Juden den Zugang zum Apothekerberuf verweigerten. Es wird argumentiert, dass dieses Verbot einen wichtigen Beitrag zu Piepes' Entscheidung, zum katholischen Glauben zu konvertieren, geleistet hat.
2. Der Konvertit und seine Familie
Dieses Kapitel beleuchtet die Lebensgeschichte von Leo Piepes und seiner Familie. Es werden die Studienjahre von Leo Piepes und seinen Brüdern Salomon und Simon an der Universität Wien und ihre Familienverhältnisse untersucht. Der Text stellt die Frage, ob die Brüder alle aus Lemberg stammten und ob sie aufgrund der gesetzlichen Restriktionen gezwungen waren, ihren Familiennamen zu ändern.
3. Der Taufpate
Dieses Kapitel widmet sich der Rolle des Taufpaten Joseph Langer in Leo Piepes' Leben. Es untersucht die Beziehung zwischen dem Taufpaten und dem Konvertiten und geht auf die Bedeutung des Taufpatens im Kontext der damaligen Konversionspraktiken ein.
4. Lemberg-Heimatstadt der Familie Piepes
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Stadt Lemberg, der Heimatstadt der Familie Piepes. Es werden die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in Lemberg zur Zeit der Piepes-Familie untersucht und die Frage nach den Motiven für die Auswanderung der Familie nach Wien beleuchtet.
5. Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen
Dieses Kapitel beleuchtet die rechtliche Situation von Juden im Vormärz. Es werden die wichtigsten Gesetze und Verordnungen im Bezug auf den Apothekerberuf und die Diskriminierung von Juden behandelt. Es wird auf die Einschränkungen hingewiesen, die Juden beim Studium und der Ausübung des Apothekerberufs entgegenstanden.
6. Sonderregelungen
Dieses Kapitel beleuchtet Ausnahmen von den allgemeinen Gesetzen. Es wird der Fall der Apothekerfamilie Jeiteles in Prag und der Fall Michael Perl aus Tarnopol untersucht. Außerdem werden Eingaben italienischer Judengemeinden in Bezug auf die Diskriminierung von Juden im Apothekerberuf analysiert.
7. Nochmals der Konvertit und seine Familie
Dieses Kapitel stellt die Rolle der Konversion im Leben von Leo Piepes und seiner Familie in den Mittelpunkt. Es wird untersucht, welche Auswirkungen die Konversion auf das Leben von Leo Piepes hatte und wie die Familie mit den Veränderungen umging.
Schlüsselwörter
Jüdische Apotheker, Vormärz, Pharmazie, Medizinstudenten, Konversion, Leo Piepes, Lemberg, Wien, Rechtliche Bestimmungen, Diskriminierung, Familie, Soziales Umfeld.
- Arbeit zitieren
- Ilsemarie Walter (Autor:in), 2002, Die Problematik jüdischer Apotheker, Pharmazie- und Medizinstudenten im Vormärz am Beispiel des „Apotheker-Subjects“ Leo Piepes und seines Umfeldes, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/18735