Durch die zunehmende Homogenisierung der erhältlichen Produkte erleben bereits über 70% der Konsumenten Marken und Dienstleistungen als austauschbar. Dies stellt eine Herausforderung an alle Unternehmen dar und die Bedeutung des Erlebnismarketings steigt zunehmend an. Ein Aspekt dessen ist der Duft, dessen Wirkung seit geraumer Zeit in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde. Die Hausarbeit befasst sich mit der Verarbeitung sowie der Wirkung von Düften im Marketing unter besonderer Berücksichtigung des umweltpsychologischen Verhaltensmodells von Mehrabian und Russel.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
VORWORT
1 REIZE UND REAKTIONEN
1.1 STIMULUS-RESPONSE-PARADIGMA
1.2 STIMULUS-ORGANISM-RESPONSE-PARADIGMA
1.3 DIE UMWELTPSYCHOLOGISCHE INTERDEPENDENZTHEORIE
2 DAS UMWELTPSYCHOLOGISCHE VERHALTENSMODELL
2.1 DIE STIMULUSVARIABLEN
2.2 DIE PERSÖNLICHKEITSVARIABLEN
2.3 DIE INTERVENIERENDEN VARIABLEN
2.4 DIE REAKTIONSVARIABLEN
3 MARKETING MIT DUFT
3.1 ERLEBNISMARKETING
3.1 VERARBEITUNG UND WIRKUNG VON DÜFTEN
3.2 FUNKTIONEN DES GERUCHSSINNES AUS MARKETINGSICHT
3.3 ZIELE DES EINSATZES VON DUFTSTOFFEN
3.4 DUFTREIZE UND EMOTIONEN
3.5 DÜFTE EINER UMWELT
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gegenüberstellung der S-R-Theorie (Ri=f(Si)) mit dem S-O-Paradigma (Ri=f(Si+Cx)) bei der Geruchswahrnehmung von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur
Abbildung 2: Vereinfachte schematische Darstellung des Verhaltensmodells von Mehrabian und Russell
Abbildung 3: Einteilungsschema für die intervenierenden Variablen des Verhaltensmodells mit den orthogonalen Dimensionen Lust und Erregung
Abbildung 4: Graphische Darstellung des Ablaufes der Reizverarbeitung im Gehirn
Abbildung 5: Übersicht der Beeinflussungsziele des Duftmarketings, basierend auf den für das Marketing relevanten Riechfunktionen: Information, Erlebnis, Genuss und Emotionen
Vorwort
Während des Anfertigens der hier vorliegenden Hausarbeit stand mir leider nur eine sehr begrenzte Anzahl an Literatur zur Verfügung. Einige der benötigten Bücher werden in der Bibliothek der Hochschule Harz nicht geführt und andere waren über einen längeren Zeitraum verliehen. Zu diesen Büchern zählen:
Hatt, H. & Dee, R. (2009). Niemand riecht so gut wie du: Die geheimen Botschaften der Düfte. München: Piper.
Hehn, P. (2007). Emotionale Markenführung mit Duft, Rosdorf: ForschungsForum.
Mehrabian, A. (1978). Räume des Alltags: wie die Umwelt unser Verhalten bestimmt. Frankfurt am Main: Campus-Verlag.
Mehrabian, A. & Russell, J. A. (1974, 1980). An Approach to Environmental Psychology. Cambridge, Mass.: MIT Press.
Aus diesem Grund und in Absprache mit dem betreuenden Dozenten Herrn Patrick Hehn, wurde hier vorwiegend mit Sekundärliteratur gearbeitet. Als Ersatz für Emotionale Markenführung mit Duft (Hehn, 2007) wurde das entsprechende Vorlesungsskript (Hehn, SS 2010) genutzt. Der Leser möge darüber hinaus beachten, dass durch den sehr begrenzten Umfang der Hausarbeit die verschiedenen Themen nur ausschnittsweise aufgegriffen werden. An geeigneten Stellen wird auf weiterführende Literatur verwiesen.
1 Reize und Reaktionen
Friedrich Nietzsche schrieb im Jahre 1868 an seinen Freund Paul Deussen: „Jemand der den Duft einer Rose nicht riecht wird doch nicht darüber kritisieren dürfen; und riecht er ihn, à la bonne heure! Dann wird ihm die Lust vergehen zu kritisieren.“
1.1 Stimulus-Response-Paradigma
Nietzsches Vorstellung über die Wirkung des Rosenduftes entspricht genau dem Denkmodell, welches lange Zeit in der Konsumentenpsychologie dominierte (Felser, 2007): Man ging nämlich davon aus, dass ein bestimmter Reiz immer zu einer bestimmten Reaktion führt. Als Reiz sind dabei sämtliche innere und äußere Reize einer gegebenen Situation zu verstehen. Diese Denkmodelle haben alle gemeinsam, dass sie davon ausgehen, dass die Reaktionen automatisch und nach bestimmten Schemata ablaufen (Felser, 2007). Aufgrund der bedingten Reaktion auf den Reiz, kann diese regelmäßige und wiederholbare Beziehung als Funktion Ri=f(Si) über das S- R-Gesetz (Fröhlich, 2008, S. 454) beschrieben werden. Alle Paradigmen, welche dies als gegeben annehmen, werden als Stimulus-Response-Paradigmen (folgend S-R-Theorien) bezeichnet. Was genau zu einer Reaktion führt, wird in den S-R-Theorien allerdings nicht berücksichtigt und in eine „black box“ gepackt, was zu der Annahme führt, dass das Verhalten der Konsumenten durch den spezifischen Reiz erklärt und auch vorhersagt werden kann, ohne dass interindividuelle Unterschiede bestehen (Felser, 2007), da eine Analyse von Erlebniszuständen oder -vorgängen ausgeschlossen ist (Fröhlich, 2008).
Folgt man diesen Theorien, dann müsste ein präsentierter Reiz, wie zum Beispiel der Duft von frischgebackenen Brötchen (Stimulus), immer und bei jedem dazu führen, dass er die nächste Bäckerei aufsucht (Response). Sollte die Reaktion ausbleiben, muss der Fehler am Stimulusmaterial liegen, da die S-R-Theorien die Wirksamkeit am beobachtbaren Verhalten messen und allein den Stimuli zuschreiben (Felser, 2007). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man den Stimulus so lange variieren kann, bis die gewünschte Reaktion eintritt.
Durch die Festlegung auf das beobachtbare Verhalten zählen die S-R-Theorien zu den Modellen der behavioristischen Psychologie. Diese Schule prägte auch den Begriff black box (Bourne & Ekstrand, 2005), der eine Metapher darstellt. Dieser „schwarze Kasten“ steht für ein System, welches innere und äußere Reize verarbeitet, dessen Funktionsweise aber (noch) unbekannt ist. Das rührt vor allem daher, dass zu Anfangszeiten des Behaviorismus, also zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht den Anspruch geltend machten, kognitive und emotionale Fähigkeiten erfassen zu können.
1.2 Stimulus-Organism-Response-Paradigma
Ende der 1920er entstand aus dem Unmut darüber, dass der klassische Behaviorismus die interindividuellen Unterschiede gänzlich ignoriert, der Neobehaviorismus (Bourne & Ekstrand, 2005). In dieser Schule wird wie auch im klassischen Stimulus-Response-Paradigma (Kapitel 1.1) davon ausgegangen, dass ein Reiz eine bestimmte Reaktion hervorruft, allerdings beinhaltet die black box nun einen erforschbaren Organismus und keine Leere mehr. Die Neobehavioristen gehen davon aus, dass es interindividuelle Unterschiede in der Verarbeitung von Reizen gibt, welche zum einem der Reaktion vorgeschalten sind und zum anderen dazu führen, dass nicht immer die erwartete Reaktion eintritt (Felser, 2007). Im Unterschied zu den älteren Konzepten werden also interne Prozesse des Organismus im weitesten Sinne in Rechnung gestellt, weshalb diese Theorien als S-O-R-Paradigmen bezeichnet werden und durch die Formel Ri=f(Si+C), mit C als individueller Faktor der Probanden beschrieben wird.
Abbildung 1 verdeutlicht am Beispiel der Geruchswahrnehmung von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur (in Anlehnung an GSW, 2010) den entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Modellen. Die Geruchsschwelle, also „jene minimale Konzentration eines gasförmigen, sensorisch aktiven Stoffes, die ein Lebewesen durch den Geruchssinn gerade noch wahrnehmen kann“ (GSW), ist für jeden Stoff unterschiedlich. So hat reines Wasser einen Geruchsschwellenwert von 0, was bedeutet, dass man selbst ohne Handicap nichts riechen würde. Unser Trinkwasser hingegen darf nach der Trinkwasserverordnung (DVGW, 2001)1 bei 12°C einen Wert von 2 und bei 25°C einen Wert von 3 nicht überschreiten. Diese Werte stellen das Verhältnis im Vergleich zu geruchsfreiem Wasser dar und können als Verdünnungsfaktor angesehen werden. Nehmen wir nun für unser Beispiel an, dass sich aus diesen Werten eine Funktion ableiten lässt, welche die Geruchswahrnehmung von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur bei einem durchschnittlichen Menschen darstellt. Dann müsste diese bei dem S-R-Modell wie der orangefarbene Graph (Ri=f(Si)) aussehen und für alle Personen gelten, die man diesbezüglich untersuchen würde. Beim S-O-R-Paradigma, in der Abbildung 1 durch Ri=f(Si+C1) und Ri=f(Si+C2) dargestellt, kann es hingegen ebenso viele Graphen wie Versuchspersonen geben, deren Anzahl wird lediglich durch die menschliche Physiologie eingeschränkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gegenüberstellung der S-R-Theorie (Ri=f(Si)) mit dem S-O-Paradigma
(Ri=f(Si+Cx)) bei der Geruchswahrnehmung von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur.
Auch bei diesem Modell war die black box anfänglich ohne genauere Beschreibung (Bourne & Ekstrand, 2005). Man nutzte sie lediglich als unbekannte Mediatorvariable (= intervenierende Variable), das heißt, man verwendete sie, um zu erklären, wie „variable Einflüsse innerer Mechanismen, die durch spezifische Reiz- oder Prozesseigenschaften in Gang kommen und die Reaktionsvarianz mitbestimmen“ (Fröhlich, 2008, S. 317). Durch zunehmend bessere Forschungsmethoden wurde die Mediatorvariable „black box“ durch psychische und soziale Prozesse ersetzt. Gegenstand der Untersuchungen im Neobehaviorismus (Fröhlich, 2008) waren nicht nur wie in den S-R-Theorien das offene Verhalten, sondern auch Erwartungen und kognitive Prozesse, was zu neuen und bis heute noch üblichen Konstrukten und Mediatorvariablen (z.B. Zielorientiertheit) zur Erklärung des Lernens und Erinnerns geführt hat.
Trotzdessen das die S-O-R-Theorien eine Analyse von Erlebniszuständen oder - vorgängen zulassen und zum Teil auch durchführen, bleibt die aktive Rolle dem Reiz-Aussender vorbehalten. Der Reiz-Empfänger als solcher ist weiterhin passiv, was auch erklärt, warum andere Faktoren, welche die Reaktion auf einen Reiz beeinflussen können, ausgeblendet werden (Bourne & Ekstrand, 2005).
1.3 Die umweltpsychologische Interdependenztheorie
Ein Faktor, welcher Verhalten beeinflusst, ist die Umwelt, in der sich ein Reiz befindet. Man denke nur an den Rosenduft, den man in einem Restaurant eher wahrnimmt, als in einem gut besuchten Parfumladen.
Ein Teil der Umweltpsychologen (Kapitel in Anlehnung an Gröppel, 1991), die sich im Allgemeinen damit befassen, ob und wie die materielle Umwelt einen Einfluss auf das Verhalten hat, bedient sich der sogenannten Interdependenz-Theorien. In diesen Theorien wird davon ausgegangen, dass das Verhalten eine Folge der Interaktion zwischen einer Person und der von ihr wahrgenommenen Umwelt ist. Der Mensch spielt dabei eine aktive Rolle, da er zielgerichtet auf seine Umwelt einwirkt und durch diese, im Sinne einer dynamischen Wechselwirkung, auch beeinflusst wird. Nach Ittelson et. al. (übernommen aus Gröppel, 1991) gibt es acht Grundannahmen, auf welchen die umweltpsychologische Interdependenztheorie beruht:
(1) Die Umwelt wird zwar in Form von diskreten Reizen wahrgenommen, aber die totale Reizkonstellation bestimmt die Reaktion.
(2) Eine Person hat sowohl individuell psychologische Eigenschaften, als auch jene, die sich aus der Umwelt ergeben. Sie ist sowohl Gestalter, als auch Bestandteil einer Umwelt.
(3) Kein Mensch ist in der Lage, auf seine Umgebung unabhängig seiner Rolle als soziales Wesen zu reagieren. Deswegen ist jede materielle Umwelt in ein soziales System eingebettet.
(4) Das Ausmaß des Umwelteinflusses auf das Verhalten variiert.
(5) Die Umwelt wirkt häufig unterhalb der Bewusstseinsebene, was bedeutet (Fröhlich, 2008), dass Ereignisse, Zustände oder Vorgänge vom erlebenden Individuum nicht wahrgenommen und vor allem nicht bewusst verarbeitet werden.
(6) In Anlehnung an den Konstruktivismus2 wird davon ausgegangen, dass die beobachtete Umwelt nicht zwangsweise der realen Umwelt entsprechen muss. Persönliche Prädispositionen, Motive, ein unterschiedlicher Wissenstand, ebenso wie interindividuelle physische Unterschiede führen dazu, dass die Umwelt subjektiv und ungleich wahrgenommen wird. Der Einzelne hat somit sein eigenes Vorstellungsbild von der Umwelt.
(7) Sowohl Wahrnehmungsverzerrungen, als auch Erwartungen wirken sich auf die vom Individuum in seiner Umgebung gespielte Rolle3 aus.
(8) Die Umwelt besitzt Symbolwert, über die dem Individuum mitgeteilt wird, was er von der jeweiligen Umwelt zu halten hat und auch, wie er seine Beziehung dazu einschätzen kann.
Zusätzlich zu den Grundannahmen nach Ittelson et. al. wird in der Umweltpsychologie davon ausgegangen, dass ein Individuum versucht sich seiner Umgebung zu bemächtigen, was bedeutet es versucht sich in einer unbekannten Umgebung zurechtzufinden. Die neugewonnenen Eindrücke werden kategorisiert und mit Hilfe dieser Einteilungen wird ein intuitiver Gesamteindruck gebildet. Diese, bereits oben angeführte Wechselwirkung von Umwelt und Individuum, wird demnach sowohl durch emotionale, als auch durch kognitive Prozesse geprägt.
Entsprechend der unterschiedlichen Wirkungs- und Herangehensweisen von Emotionen und Kognitionen, haben sich zwei Orientierungen in der Umweltpsychologie herauskristallisiert. Zum einen gibt es die kognitiv-orientierten Umweltpsychologen. Deren Hauptaugenmerk liegt auf dem Verständnis darüber, wie ein Individuum eine Umwelt wahrnimmt, begreift und sich an sie erinnert. Zum anderen gibt es die emotionspsychologischen Ansätze, die sich damit beschäftigen, wie eine Umwelt auf ein Individuum auf subjektiver Ebene wirkt und es beeinflusst.
[...]
1 Deutsche Trinkwasserverordnung vom Mai 2001, §7, Anlage 3, lfd. Nr. 7.
2 Hier nicht im Sinne der Lerntheorie, sondern der Philosophie. Eine kleine Einführung mit weiterführenden Links gibt es bei Wikipedia unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivismus_(Philosophie)
3 Grundgedanke ist dabei die so genannte „Rollentheorie“. Eine Einführung, sowie ein paar interessante Links, gibt es auf Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Rollentheorie