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Hausarbeit, 2011
21 Seiten
1 Einleitung
2 Definition / Begriffserklärung „konfrontative Pädagogik“
3 Coolness-Training
3.1 Konzept
3.2 Methoden
3.3 Ziele
4 Anti-Aggressivitäts-Training
4.1 Konzept
4.2 Methoden
4.3 Ziele
5 Forschungsergebnisse vs. Kritik
6 Kampfsport - Eine präventive Alternative
7 Fazit
Quellenverzeichnis
Laut einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Hannover, in der 2007 und 2008 rund 45.000 Schüler der neunten Klasse in 61 repräsentativen Städten und Landkreisen befragt wurden, wurde deutlich, dass jeder siebte Jugendliche starke „ausländerfeindliche“ Einstellungen hegt. 4,9 Prozent der befragten Jungen gehören einer rechtsextremen Gruppe an. Bei Mädchen betrifft es nur die Hälfte. Fast jeder sechste Befragte war in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Opfer einer Gewalttat, jeder Zwanzigste Opfer eines Raubes oder einer Erpressung und jeder dreißigste Jugendliche Opfer einer schweren Körperverletzung. Umgekehrt gaben zwischen 11,5 und 18,1 Prozent der Jugendlichen an, in den letzten zwölf Monaten selbst straftätig geworden zu sein. Trotz allem ist die Zahl der Gewalttaten Jugendlicher in den letzten zehn Jahren in Deutschland leicht gefallen.[1]
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass 57,9 Prozent der Neuntklässler in Deutschland in ihrer Kindheit Opfer familiärer Gewalt wurden. Somit geht laut Dirk Baier, dem Verfasser der Studie über Jugendgewalt, die größte Gefahr für Gewalt von der Familie und der Schule aus.[2] Auch wenn die Zahlen der Gewalttaten leicht gesunken sind, so steigt jedoch die Intensität und Schärfe der durchgeführten Taten.[3]
Anhand der oben dargestellten Zahlen sowie prägnanter vergangener Ereignisse, die in den Medien heftig und vielseitig diskutiert wurden, wie etwa der Amoklauf in Erfurt 2002, der Amoklauf 2009 in Winnenden oder die U-Bahn-Schläger von 2007 in München, zeigen deutlich, dass in Deutschland gravierender pädagogischer Handlungsbedarf besteht. Es scheint immens wichtig geworden zu sein, Konflikte und auffälliges bzw. abweichendes Verhalten früher zu erkennen oder präventiv erst gar nicht entstehen zu lassen, um auch geplanten Gewaltdelikten entgegenzuwirken. Durch die Medienpräsenz besonders schwerwiegender Delikte werden gesellschaftliche Forderungen für härtere juristische und pädagogische Maßnahmen laut. Bei den heutigen teils extremen Gewalttaten Jugendlicher, kommt die Frage auf, ob es noch tragbar ist, dem Ganzen eine verständnisvolle bzw. akzeptierende Pädagogik als Lösung anzubieten? Erreicht diese Art von Pädagogik solche Jugendliche überhaupt noch?
Ein „Stützpfeiler“ um solche gewalttätig gewordenen Jugendlichen aufzufangen und zu „erreichen“, sowie Gegenspieler der verständnisvollen und akzeptierenden Pädagogik, stellt die konfrontative Pädagogik dar, welche auch zu heftigen kontroversen Diskussionen führt.
In dieser Hausarbeit soll es speziell um Konfliktarbeit sowie Konfliktbewältigungsstrategien der konfrontativen Pädagogik gehen. Diese Hausarbeit will ausgewählte, aus der konfrontativen Pädagogik entspringende Ansätze und Methoden genauer erläutern und darstellen. Zu Beginn sollen die Begriffe der „Konfrontation“ und der „konfrontativen Pädagogik“ ausreichend definiert werden. Fortführend wird das Coolness-Training als auch das Anti-Aggressivitäts-Training ausführlicher besprochen. Ein weiterer Punkt gilt der Kritik. Zum Schluss hin soll eine mögliche Alternative zur konfrontativen Pädagogik angeboten werden. Das Fazit am Ende dient der Zusammenfassung der bereits beschriebenen Teilgebiete und der Ansicht des Autors.
Lexikalisch meint der lateinische Begriff der „Konfrontation“ eine Gegenüberstellung, Auseinandersetzung, Kollision, Konflikt, Streit oder Zusammenbruch. „Konfrontieren“ (lat. confrontare) meint eine Gegenüberstellung nicht übereinstimmender Personen und Meinungen.[4]
Rainer Kilb definiert den Begriff „konfrontative Pädagogik“ als, „…ausdrücklich nicht für eine in sich geschlossene pädagogische Theorie, sondern bezeichnet einen pädagogischen Handlungsstil, eine Methodik im Kontext eines auf Demokratie und auf Förderung von Selbstverantwortung des Klienten zielenden erzieherischen Prinzips. Konfrontation wird hierbei als eine von zahlreichen Interventionsformen eingesetzt.“[5]
Es handelt sich also bei der konfrontativen Pädagogik um keine eigenständige Pädagogik, sondern eher um eine konfrontative Methode eingebettet in die Pädagogik. Sie sieht sich als Ergänzung und begreift sich als „ultima ratio“, als ein letztes Mittel im Umgang mit gewalttätigen Mehrfachauffälligen, wenn akzeptierende und einfühlsame pädagogische Handlungsstile nicht mehr „greifen“ bzw. versagt haben.[6]
Fortfahrend definiert Kilb, dass „hinter dieser Handlungsform .. die entschiedene Haltung des intervenierenden Pädagogen [steht], entweder eine Störung sozial-kommunikativer Gruppenbezüge, Verletzungen individueller Freiheitsrechte oder der Unversehrtheit anderer Personen nicht zu akzeptieren, sondern den oder die Regelverletzer/in mit einer von ihm/ihr begangenen Verletzung oder Regelüberschreitung, also mit seiner/ihrer Tat oder aber mit der hiervon betroffenen Person möglichst rasch und direkt zu konfrontieren.“[7]
Die konfrontative Pädagogik hat ihren Ursprung in der amerikanischen Glen Mills School und steht in den USA für eine vollstationäre Alternative zum Jugendvollzug. Die Glen Mills School arbeitet nach einem klaren und strukturierten System, dass Regelverletzungen eindeutige Konsequenzen gegenüberstellt. Diese mit dem jugendlichen Straftäter konfrontierenden Konsequenzen werden in sieben Stufen der Konfrontation untergliedert.[8] Die teilnehmenden Jugendlichen sollen hin zum prosozialen Verhalten gefördert werden und sich moralisch weiterentwickeln. Sie sollen soziale Kompetenzen erlernen, um in der Gesellschaft als verantwortungsbewusste, eigenverantwortliche und handlungsfähige Subjekte gelten zu können.[9] Ziel dieser Jugendanstalt ist es, den Mehrfachauffälligen zu resozialisieren, damit er sich in seinem gesellschaftlichen Umfeld so verhält, dass er keine gesellschaftlichen Norm- und Regelverletzungen mehr begeht und nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt gerät.
Gegen Ende der 80er Jahre übernahm die Jugendstrafanstalt Hameln den Ansatz der Glen Mills School in Form des Anti-Aggressivitäts-Trainings. Dort wurde es im europäischen Raum erstmals angewandt und seitdem stetig weiterentwickelt. Seit Mitte der 90er Jahre scheint sich in Deutschland ein Paradigmenwechsel zu vollziehen, der sich von rein begleitenden und verständnisvollen Ansichten und Handlungsweisen der Pädagogik entfernt, hin zu konfrontierenden Methoden. Der Fokus soll auf die Selbstverantwortung der Täter gelenkt werden. Täter sollen ihre Taten begreifen und als Fehler erkennen. Um dies gewährleisten zu können, bedarf es klarer Antworten, eindeutige Konsequenzen und Sanktionen, denn müssten sich diese Jugendliche nicht mit ihren Fehlverhalten auseinandersetzen, würde ein Lerneffekt ausbleiben. Erst nach dieser Phase der Konfrontation werden die Täter in ihrem Selbstwert stabilisiert und aufgebaut.[10]
Fortfahrend werden nun konfrontativ-pädagogische Praxisansätze am Beispiel des Coolness-Trainings und des Anti-Aggressivitäts-Trainings erläutert, um einen umfassenderen Überblick über die Methodik der konfrontativen Pädagogik in Deutschland zu erhalten.
Das Coolness-Training ist eine Maßnahme, die aus dem Anti-Aggressivitäts-Training entstanden ist, also eine abgeschwächte Form des Anti-Aggressivitäts-Trainings. Das Konzept des Trainings wurde vom Sozialarbeiter Rainer Gall entwickelt zur Anwendung im schulischen Kontext, aber auch im Kontext der Jugendhilfe. Damit wollte er das Coolness-Training einer breiten Masse an Jugendlichen zugänglich machen, denn nach Gall treffen in einer Schulklasse Täter, Opfer sowie stille Beobachter zusammen. Im Mittelpunkt steht das „Handlungsviereck“. Dieses Viereck steht für den Täter, das Opfer, die Gruppe und die Sozialisationsinstanz, zum Beispiel die Schule, die Eltern oder die Pädagogen. Laut Gall sind diese vier „Fronten“ maßgeblich an gewaltausschreitenden Konflikten beteiligt.[11]
Somit verfolgt das Konzept des Coolness-Trainings einen ganzheitlichen Ansatz und sieht nicht nur bei den Tätern Handlungsbedarf, sondern spannt im Sinne des Handlungsvierecks die restlichen drei Instanzen mit ein.
Für Täter dient die Gewaltanwendung als Mittel der Selbstdurchsetzung. Sie sind überzeugt davon, mit Gewalt all ihre Probleme lösen zu können. Im Training werden sie mit ihrer Gewaltbereitschaft konfrontiert. Opfer reagieren auf aggressive, gewaltbereite Jugendliche ängstlich und symbolisieren ihr ängstliches Auftreten durch Ihre Körpersprache. Sie üben sich im Training an Methoden, die ihnen Selbstschutz vermitteln, ich eigenes Verhalten reflektieren lassen und somit ihre Handlungsspielräume bei möglichen Angriffen erweitern. Zuschauer (Gruppe) fühlen sich meist von gewalttätigen Jugendlichen beeindruckt und Pädagogen und Eltern (Sozialisationsinstanz) intervenieren nicht früh genug.[12]
[...]
[1] Vgl. www.zeit.de, abgerufen am 22.03.2011.
[2] Vgl. ebenda.
[3] Vgl. www.welt.de, abgerufen am 22.03.2011.
[4] Vgl. www.duden.de, abgerufen am 26.03.2011.
[5] Kilb, R. (2009), S. 45.
[6] Vgl. Weidner, J. (2001), S. 7.
[7] Kilb, R. (2009), S. 45f.
[8] Vgl. Fröhlich-Gildhoff, K. (2006), S. 152.
[9] Vgl. Weidner, J. (2001), S. 7ff.
[10] Vgl. Fröhlich-Gildhoff, K. (2006), S. 152f.
[11] Vgl. Schröder, A.; Merkle, A. (2009), S. 45.
[12] Vgl. Schröder, A.; Merkle, A. (2009), S. 45f.