Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick zu geben in die Art und Weise, wie sich Menschen in Österreich und Deutschland in den Hungerzeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre beider Weltkriege zusätzliche Nahrungsmittel verschafft haben. Es sollen die vielen Facetten aufgezeigt werden, die Lebensmittelbeschaffung in Notzeiten annehmen kann, ebenso wie die Komplexität der Situationen, in denen diese Nahrungsbeschaffung geschah. Neben dem Hauptmotiv, der Deckung des dringenden Lebensbedarfs, entstand ein Bedürfnis nach zusätzlichen Lebensmittelquellen aus dem Wunsch, etwas Abwechslung in den eintönigen Speiseplan zu bringen. Die Last dieser Nahrungsbeschaffung lag in erster Linie bei den Frauen; in hohem Maße daran beteiligt waren jedoch auch Kinder und Jugendliche. Die Männer waren großteils an der Front oder in Kriegsgefangenschaft.
In den zahlreich vorhandenen Veröffentlichungen zu diesem Thema – hauptsächlich Aufzeichnungen zu Oral-History-Projekten – und einigen Originalquellen wird eine Fülle legaler oder illegaler Taktiken sichtbar, die zur Lebensmittelbeschaffung angewendet wurden. Der Besitz eines Schrebergartens, in dem man Gemüse, Obst oder Tabak anbauen konnte, galt als großer Reichtum. Wildprodukte wie Beeren oder Pilze wurden systematisch gesammelt. In Großstadtwohnungen wurde Kleintierzucht betrieben: es gab das Huhn im Wohnzimmer, die Gänse im Kabinett, die Kaninchen am Balkon oder im Klosett. Das Anstellen um Lebensmittel kostete sehr viel Zeit, wenn man nicht riskieren wollte, dass man nichts mehr bekam. Nach dem Zweiten Weltkrieg erbettelten vor allem Kinder Lebensmittel von den Besatzungstruppen. Die Stadtbevölkerung fuhr aufs Land „hamstern“ und tauschte dort oft einen wesentlichen Anteil beweglicher Besitzgüter gegen Lebensmittel ein. Schwarzhandel und Tauschhandel waren an der Tagesordnung – es sei dabei ähnlich zugegangen wie heute in der Rauschgiftszene, meinte ein Zeitzeuge. Auf dem Land war Schwarzschlachten und Wilderei üblich. Eindeutig illegal waren Plünderungen, etwa nach Bombenangriffen. Eine Tendenz war allgemein erkennbar: je mehr Vorschriften unter dem Druck von Versorgungslücken erlassen wurden, desto mehr Methoden wurden erdacht und eingesetzt, um diese Vorschriften zu umgehen.
Manches aus diesen Schilderungen aus Notzeiten kann sicherlich dazu beitragen, die Komplexität der damaligen Situation und die Vielschichtigkeit des Verhaltens der betroffenen Menschen zu verstehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Zur Ernährungssituation in den betrachteten Zeiträumen
- 2.1 Österreich: Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit
- 2.2 Deutschland: Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit
- 2.3 Das,,Dritte Reich"
- 2.4 Österreich: Erste Nachkriegsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg
- 2.5 Deutschland: Erste Nachkriegsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg
- 2.6 Gemeinsamkeiten
- 3. Ideologie: Verherrlichung des Wirtschaftens mit knappen Mitteln
- 4. Die verschiedenen Taktiken und Strategien zur Lebensmittelbeschaffung
- 4.1. Legale Strategien und Taktiken
- 4.1.1 „Ein Königreich für einen Schrebergarten“ Privater Anbau
- 4.1.2 ,,Wir lasen Ähren, die wurden ausgeklopft und die Körner in der Kaffeemühle gemahlen" Sammeln von Wildprodukten, Ährenlesen u. ähnl.
- 4.1.3,,Hühner, Hasen, Kaninchen, Schweine etc." (Klein-)tierzucht in der Stadt
- 4.1.4,,Hunde und Katzen? ja, da hat's wenige gegeben" Überschreiten von Tabus
- 4.1.5 ,, wenn man Pech hatte, dann war die Milch schon verkauft, wenn man endlich rankam" Taktiken beim Anstellen
- 4.1.6 „Einmal überhäuften die Russen mein Tablett mit Tomaten" Lebensmittel von den Besatzungstruppen
- 4.1.7 ,,CARE-Pakete aber konnte man sich sogar schicken lassen" Spendenaktionen u. ähnl.
- 4.2. Illegale Strategien und Taktiken
- 4.2.1, Und auch Essigessenz wurde von der Landbevölkerung gerne genommen" Hamstern
- 4.2.2 Ähnlich wie heute in der Rauschgiftszene" Einkaufen im Schwarzhandel - Tauschhandel
- 4.2.3 „Es wurde oft ein Schwein in einem hinteren Winkel aufgefüttert" Schwarzschlachten, Schwarzbuttern u. ähnl.
- 4.2.4,,ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit" Wilderei
- 4.2.5,,Bis zu den Knöcheln watete man in der Butter" Plünderungen
- 4.2.6,,Erwischen durfte man sich natürlich nicht lassen" Lebensmitteldiebstähle
- 4.1. Legale Strategien und Taktiken
- 5. Stadt versus Land
- 6. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Strategien zur Lebensmittelbeschaffung
- 7. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Ziel dieser Arbeit ist es, Einblicke in die Lebensmittelbeschaffungsstrategien der Bevölkerung in Österreich und Deutschland während der Hungerperioden der beiden Weltkriege und der Nachkriegsjahre zu gewähren. Die Arbeit behandelt die vielfältigen Strategien und Taktiken, die von den Menschen angewendet wurden, um zusätzliche Nahrungsmittel zu beschaffen. Dabei werden sowohl legale als auch illegale Methoden untersucht, die von der Selbstversorgung im Kleingarten bis hin zu Schwarzhandel und Diebstahl reichten.
- Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten
- Strategien und Taktiken der Lebensmittelbeschaffung
- Legale und illegale Methoden
- Regionale und zeitliche Unterschiede
- Die Rolle von Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1 bietet eine Einleitung und führt in die Thematik der Lebensmittelbeschaffung in Notzeiten ein.
- Kapitel 2 analysiert die Ernährungssituation in Österreich und Deutschland während der Kriegs- und Nachkriegsjahre beider Weltkriege. Es werden die Besonderheiten der jeweiligen Zeiträume und Regionen beleuchtet.
- Kapitel 3 befasst sich mit der Ideologie, die das Wirtschaften mit knappen Mitteln in den Krisenzeiten prägte.
- Kapitel 4 untersucht die verschiedenen Taktiken und Strategien, die von der Bevölkerung angewandt wurden, um zusätzliche Nahrungsmittel zu beschaffen. Die Kapitel gliedert sich in legale und illegale Methoden und zeigt die Bandbreite an Strategien, die von der Selbstversorgung bis hin zur Kriminalität reichten.
- Kapitel 5 stellt die Unterschiede in der Lebensmittelversorgung zwischen Stadt und Land heraus.
- Kapitel 6 widmet sich der Rolle von Kindern und Jugendlichen bei der Lebensmittelbeschaffung.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen und Begriffe dieser Arbeit umfassen Lebensmittelbeschaffung, Notzeiten, Kriegs- und Nachkriegsjahre, Österreich, Deutschland, Strategien, Taktiken, Legalität, Illegalität, Selbstversorgung, Schwarzhandel, Lebensmittelknappheit, Hunger, Kinder, Jugendliche.
- Quote paper
- Ilsemarie Walter (Author), 2000, Taktiken und Strategien zur Lebensmittelbeschaffung in Notzeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/17782