Ehrenamtliche Richter sind eine über die Jahrhunderte tradierte, mal stärker, mal schwächer ausgeprägte Institution in der deutschen Rechtsprechung 1. Dass es sie gibt, ist allgemein bekannt. Was sie allerdings konkret auf der Richterbank machen, d.h. was ihre nähere Aufgabe, Funktion und Bedeutung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, bleibt den meisten Bürgern verschlossen sofern sie nicht selber Berufs- oder Laienrichter sind. Denn erfahrungsgemäß sind ehrenamtliche Richter in der - öffentlichen - mündlichen Verhandlung schweigsamer als in der anschließenden Beratung und Abstimmung über das Urteil, wo jedoch im Wesentlichen keine anderen Personen zugelassen sind als die Richter selber und etwa Referendare 2.
Ziel dieser Arbeit ist es folglich, den näheren Inhalt der Beteiligung ehrenamtlicher Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beleuchten. Dabei wird auch die Frage zu beantworten sein, wie oft Laienrichter überhaupt noch zum Zuge kommen und wie ihre Bedeutung aus Sicht der berufsrichterlichen Praxis sowie aus ihrer eigenen Sicht bewertet wird. Formale Fragen nach den Voraussetzungen für die Berufung in das Amt, die Amtsdauer oder das Wahlverfahren sollen nur eine untergeordnete Rolle spielen bzw. nur dann angesprochen werden, wenn sie dem Verständnis des Ziels dieser Arbeit dienen 3.
Inhalt
I. Einleitung
II. Gesetzliche Verankerung
1.Art. 20 Abs. 3, 92 GG; § 1, 44 ff. DriG
2. §§ 19 – 34 VwGO
III. Inhalt der Beteiligung ehrenamtlicher Richter
1. Mitwirkung bei der mündlichen Verhandlung
2. Teilnahme an Beratung und Abstimmung
3. Ausfertigung des Urteils
4. „begleitende“ Pflichten des ehrenamtlichen Richters
5. Ausschluß von der Mitwirkung
IV. Tatsächlicher Einsatz ehrenamtlicher Richter
V. Funktion(en) der ehrenamtlichen Richter
1. historisch: Unabhängigkeitskontrolle der Gerichte
2. Ehrenamtliche Richter als Vertreter der Allgemeinheit
3. Plausibilitätskontrolle
4. Der ehrenamtliche Richter als „sozialer Sachverständiger“
5. demokratische Legitimierung der Gerichte
6. Zwischenergebnis
VI. Bedeutung ehrenamtlichen Richter aus Sicht der Praxis
VII. Bedeutung des ehrenamtlichen Richters aus Sicht der ehrenamtlichen Richter – eine statistische Analyse
Resumé
Anhang: Abbildungen 1 -3
I. Einleitung
Ehrenamtliche Richter sind eine über die Jahrhunderte tradierte, mal stärker, mal schwächer ausgeprägte Institution in der deutschen Rechtsprechung[1]. Dass es sie gibt, ist allgemein bekannt. Was sie allerdings konkret auf der Richterbank machen, d.h. was ihre nähere Aufgabe, Funktion und Bedeutung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, bleibt den meisten Bürgern verschlossen sofern sie nicht selber Berufs- oder Laienrichter sind. Denn erfahrungsgemäß sind ehrenamtliche Richter in der - öffentlichen - mündlichen Verhandlung schweigsamer als in der anschließenden Beratung und Abstimmung über das Urteil, wo jedoch im Wesentlichen keine anderen Personen zugelassen sind als die Richter selber und etwa Referendare[2].
Ziel dieser Arbeit ist es folglich, den näheren Inhalt der Beteiligung ehrenamtlicher Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beleuchten. Dabei wird auch die Frage zu beantworten sein, wie oft Laienrichter überhaupt noch zum Zuge kommen und wie ihre Bedeutung aus Sicht der berufsrichterlichen Praxis sowie aus ihrer eigenen Sicht bewertet wird.
Formale Fragen nach den Voraussetzungen für die Berufung in das Amt, die Amtsdauer oder das Wahlverfahren sollen nur eine untergeordnete Rolle spielen bzw. nur dann angesprochen werden, wenn sie dem Verständnis des Ziels dieser Arbeit dienen[3].
II. Gesetzliche Verankerung
Bevor der Frage nach dem Inhalt der Beteiligung nachgegangen wird, soll zunächst grundlegend die wesentliche gesetzliche Verankerung der ehrenamtlichen Richter dargelegt werden.
1. Art. 20 Abs. 3, 92 GG; § 1, 44 ff. DRiG
Im Grundgesetz ist explizit nicht die Rede von der Beteiligung ehrenamtlicher Richter an der Rechtsprechung.
Dennoch wird gesagt, dass die Beteiligung ehrenamtlicher Richter dem Wesen einer demokratischen Verfassung entspreche[4].
In Art. 92 GG ist schlicht von „den Richtern“ die Rede. Da weitere Vorschriften im Grundgesetz sich nur an den Berufsrichter wenden[5], war es zunächst zweifelhaft, ob unter „den Richtern“ iSd Art. 92 GG auch die ehrenamtlichen Richter zu subsumieren sind. Hinter dieser Vorschrift steht jedoch die Intention, die Richter in ihrer richterlichen Funktion anzusprechen. Es sollten folglich alle Richter ohne Rücksicht auf ihre gerichtsverfassungsrechtliche oder dienstrechtliche Stellung erfasst werden, d.h. auch die ehrenamtlichen Richter[6]. Für diese Auslegung spricht nunmehr auch, dass Art. 92 GG in § 1 DRiG dahingehend konkretisiert wird, dass die rechtsprechende Gewalt den Berufs- wie auch den ehrenamtlichen Richtern anvertraut ist.
In welchem Umfang die Verwendung von Berufsrichtern notwendig, d.h. die Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zulässig ist, wird im Grundgesetz ebenfalls nicht geregelt und ist somit dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen[7].
Ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Beteiligung ehrenamtlicher Richter findet sich in Art. 20 Abs. 3 GG. Demnach ist die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ gebunden. Das „Recht“ entspreche aber nicht zwingend der Gesamtheit aller Rechtsnormen, d.h. der Gesetze, sondern Maßstab sei vielmehr die praktische Vernunft sowie die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft[8]. Demnach lasse das GG ein Einfallstor für außerjuristische Wertungen offen, dessen Offenheit durch die Beteiligung ehrenamtlicher Richter gewährleistet sei[9].
2. §§ 19 – 34 VwGO
In den §§ 19 – 34 VwGO ist näher ausgestaltet, unter welchen Voraussetzungen ehrenamtliche Richter in ihr Amt berufen oder vom Amt ausgeschlossen werden können, die Länge ihrer Amtsdauer und etwa welche Entschädigungsansprüche ihnen für ihre Tätigkeit zustehen.
In § 19 VwGO ist darüber hinaus niedergelegt, dass die ehrenamtlichen Richter bei der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie die Berufsrichter mitwirken. Dies ist eine zentrale Norm bei der Bestimmung des Inhalts der Beteiligung ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsprozess.
III. Inhalt der Beteiligung ehrenamtlicher Richter
1. Mitwirkung bei der mündlichen Verhandlung
Wie bereits angesprochen wirkt der ehrenamtliche Richter gem. § 19 VwGO bei der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie der (Berufs-)Richter mit.
In der mündlichen Verhandlung hat der ehrenamtliche Richter gem. § 104 Abs. 2 S. 1 VwGO das Recht, vom Vorsitzenden die Gestattung von Fragen zu verlangen.
Gem. § 98 VwGO iVm §§ 396 Abs. 3, 402 ZPO ist er ebenfalls zur Befragung von Zeugen und Sachverständigen berechtigt.
Ein Recht seitens des ehrenamtlichen Richters auf Information im Vorfeld der mündlichen Verhandlung bezüglich des Verfahrensstoffes besteht jedoch nicht[10]. Mag eine Vorabinformation grundsätzlich zulässig und im Einzelfall zweckmäßig sein[11], so ist sie keine zwingende Voraussetzung der ordnungsgemäßen Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Denn den Beitrag eines juristisch ausgebildeten Richters zur Entscheidungsfindung, die Präsentation eines wohlerwogenen schriftlichen Votums, habe der ehrenamtliche Richter gerade nicht zu erbringen.[12]
Gem. § 101 Abs. 2 VwGO wirken ehrenamtliche Richter aber auch mit bei Entscheidungen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen. Voraussetzung ist aber, dass der Berichterstatter oder der Vorsitzende einen Sachbericht im Sinne des § 103 Abs. 2 VwGO vorträgt, der die ehrenamtlichen Richter in die Lage versetzt, tatsächlich bei der Entscheidungsfindung ihrer Rolle gerecht zu werden[13].
Ein Unterlassen dieses Vortrags stellt stets einen Verfahrensmangel dar, da in diesem Fall den mitwirkenden (ehrenamtlichen) Richtern die ausreichende Unterrichtung über den Sach- und Streitstoff vorenthalten wird[14].
2. Teilnahme an Beratung und Abstimmung
Wie für die Berufsrichter auch, besteht für die ehrenamtlichen Richter die Pflicht zur Abstimmung gem. § 195 GVG. Dabei kommt ihrer Stimme das gleiche Gewicht wie denen der Berufsrichter zu, § 196 Abs. 1 GVG.
Interessant dabei ist, dass bei einer Mehrheitsentscheidung gem. § 197 S. 2 GVG die ehrenamtlichen Richter vor den Berufsrichtern ihre Stimmen abgeben. Dies soll eine mögliche Beeinflussung der ehrenamtlichen Richter durch das Abstimmverhalten der Mehrheit der Berufsrichter und insbesondere des Vorsitzenden so gering wie möglich halten. Andererseits wird darin auch deutlich, dass dem ehrenamtlichen Laien die Repräsentation des Volkes, mithin des „gesunden Menschenverstandes“[15] zukommt, den der Berufsrichter bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat und nicht eben umgekehrt.
[...]
[1] Zum geschichtlichen Hintergrund Schmidt-Räntsch vor § 44 DRiG oder Niedersächsisches Justizministerium, Handbuch für die ehrenamtlichen Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Ein Leitfaden für die Praxis, S. 21 ff., http://www.mj.niedersachsen.de/functions/downloadObject/0,,c1149827_s20,00.pdf .
[2] Siehe § 193 Abs. 1 GVG.
[3] Zu den formalen Bedingungen wird auf die Kommentierungen zu den §§ 19 – 34 VwGO in Kopp/Schenke oder Sodan/Ziekow verwiesen.
[4] BVerwGE 8, S. 350 ff. (355).
[5] vgl. etwa Art. 97 Abs. 2 oder 98 GG.
[6] Vgl. Rüggeberg, Ehrenamtliche Richter in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, Verwaltungsarchiv 1970, S. 189 ff. (191).
[7] BVerfGE 27, 312, 319 f.; 42, 206, 208f..
[8] BVerfGE 34, 269, 286 f.
[9] So Ziekow in Sodan/Ziekow, § 19 Rn. 8.
[10] Ziekow aaO Rn. 20 mwN.
[11] Ebenda.
[12] Ebenda.
[13] vgl. auch Ziekow in Sodan/Ziekow § 19 Rn. 5.
[14] Entsprechend Schenke in Kopp/Schenke § 103 Rn. 6.
[15] Ähnlich auch Ziekow in Sodan/Ziekow § 19 Rn. 6.