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Seminararbeit, 2009
16 Seiten, Note: 1,7
1 Einleitung
2 Die Sprache als Identitätsbildung
3 Was ist Zweisprachigkeit?
4 Praxiseinheit
5 Vorteile des frühzeitigen Erwerbs einer zweiten Sprache
6 Wachsende Zwei-/Mehrsprachigkeit und die Vorteile
7 Individuelle Zweisprachigkeit
8 Nachteile der Zweisprachigkeit?!
9 Wann wird von Zweitsprache, wann von Fremdsprache gesprochen?
10 Bilingualer Erstsprachenerwerb vs. Früher Zweitsprachenerwerb
11 Empirische UntersuchungsergebnisseS
12 Fazit und Reflexion des Seminars
13 Literaturverzeichnis
Dieses Referat bezieht sich auf das Seminar „Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht“, in dem wir uns mit Begriffen und Konzepten rund um die Mehrsprachigkeit, psycholinguistischen Theorien zur Sprachverarbeitung und zweisprachiger Erziehung beschäftigt haben.
In meinem mündlich vorgetragenen Referat handelte es sich um die Zweisprachigkeit in den Sprachen Deutsch und Vietnamesisch. Anhand einer Praxisphase, durchgeführten Interviews und expliziten Beobachtungen war es meine Absicht einige Vor- und Nachteile von Zweisprachigkeit zu entdecken. Da meines Erachtens aber nur diejenigen eine Aussage darüber machen können, welche die Zweisprachigkeit beherrschen, waren die persönlichen Interviews wertvoller für mich als jegliche Behauptungen von Wissenschaftlern. Ähnlich wie in meinem mündlichen Referat, welches ich im Seminar vorstellte, beschäftige ich mich in der folgenden Arbeit mit den Vor- und Nachteilen von Zweisprachigkeit aus subjektiver und objektiver Sicht. Dabei lasse ich meine Interviewergebnisse nochmals mit einfließen und stelle Bezüge zur Literatur her. Dazu ist zu sagen, dass meine Interviewpartner ausschließlich in einsprachigen Familien aufgewachsen sind, dennoch im frühen Kindesalter mit der Zweitsprache Deutsch in Berührung kamen. Es handelt sich um Kinder mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und sich folglich im Kindergarten- oder Schulalter mit der deutschen Sprache beschäftigten.
Ist diese Aneignung von Sprache noch als bilingualer Erstsprachenerwerb oder schon als Zweitsprachenerwerb zu definieren? Gibt es einen Unterschied zwischen Zweitsprachenerwerb im frühsten Kindesalter und Zweitsprachenerwerb im Jugend- bis Erwachsenenalter? Wann ist überhaupt von Zweitsprache und wann von Fremdsprache zu sprechen? All diese Fragen werde ich versuchen im Laufe dieser Arbeit zu klären.
Die Thematik des Seminars und dieser Arbeit ist für mich deshalb so von Interesse, da ich selber eine Fremdsprache studiere und später einmal unterrichten möchte. Da es in Deutschland immer öfter vorkommt, dass Kinder zweisprachig aufwachsen, sei es durch sprachliche „Mischehen“ oder durch die Einwanderung von Migranten nach Deutschland, möchte ich wissen, wie die Vor- und Nachteile dieser Zwei- oder Mehrsprachigkeit aussehen. Da das Fach Spanisch, welches ich studiere, meist erst in der gymnasialen Oberstufe angeboten wird, kann es auch vorkommen, dass deutsche Schüler und Schülerinnen bereits einen Austausch in einem spanisch sprechenden Land hinter sich haben und ich die heterogene Klasse individuell fördern und fordern muss.
Zwar werde ich hauptsächlich auf die Vor- und Nachteile von Zweisprachigkeit eingehen, die im Vorschul- und Schulalter erworben wurde, dennoch werden sich Parallelen in der natürlich erworbenen und der künstlich erworbenen Zweisprachigkeit finden. Auch die Frage ob die Zweitsprache Deutsch, erst erlernt im Alter von 3-4 Jahren, auf natürlichem oder künstlichem Wege erworben wird, ist noch unklar. Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?
Sprache dient dazu die Welt zu erfassen und zu verstehen. Auch die Gedanken finden in Sprache statt. Die eigene Identität wird also durch die eigene Sprache herausgebildet. Ohne eine Sprache sprechen zu können, ist der Mensch nicht fähig, sich auszudrücken und zu äußern (vgl. Weinreich, 1978). Die Meinungen ob Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine Überforderung für den Menschen darstellt, gehen auseinander. Ist es belastbar für den Menschen wenn er in zwei oder mehr Sprachen denken kann? Kommt der Mensch in Entscheidungsschwierigkeiten oder findet sogar eine Persönlichkeitsspaltung statt?
In Deutschland gewinnt Zweisprachigkeit immer mehr an Bedeutung. Schon 20% der Kinder in Deutschland wachsen zweisprachig auf. Dabei ist nicht unterschieden worden, ob dies Kinder aus sprachlichen „Mischehen“ oder aus einsprachigen Familien sind. 70% der Menschheit spricht täglich mehr als eine Sprache und gar die Hälfte aller Kinder dieser Welt sprechen in der Schule eine andere Sprache als in der Familie. Die Anzahl der Menschen, deren Muttersprache nicht die Sprache des Landes ist, in dem sie Leben, nimmt weiterhin zu (vgl. Stölting, 1980). Damit sie sich integrieren und sozial leben können, sind sie gezwungen, die Zwei- oder Mehrsprachigkeit zu beherrschen.
Doch was ist nun Zweisprachigkeit ? Kann erst von Zweisprachigkeit gesprochen werden, sobald die Zweitsprache perfekt und fließend beherrscht wird, gleichgestellt mit der Erst- oder Muttersprache oder ist es schon Zweisprachigkeit wenn die Fähigkeit da ist, sich halbwegs mit der Zweitsprache verständigen zu können und Vokabeln den Wortschatz der Zweitsprache lückenhaft füllen?
Wäre Letzteres als Zweisprachigkeit zu definieren, würden sehr viele Menschen als zweisprachig bezeichnet werden.
Jonekeit und Kielhöfer (1998) sagen, dass es nicht einfach sei, sich auf eine der beiden Definitionen festzulegen. Vermutlich sei „irgendwo dazwischen eine vernünftige Definition möglich“ (vgl. Jonekeit, Kielhöfer, 1998:43).
Da ich viele Jahre in meiner eigenen Schulzeit nach dem Unterricht Kinder mit Migrationshintergrund im AKAK (Arbeitskreis ausländischer Kinder) in Hameln betreute und ich auch in meiner Praxisphase für dieses Seminar Interviews im AKAK führte, konnte ich einige Beobachtungen zur Qualität der Zweitsprache der Kinder nachvollziehen: Ältere Kinder, die schon einige Jahre in Deutschland leben und auch schon in höheren Klassenstufen sind, beherrschen die deutsche Sprache meist so gut wie ihre Muttersprache bzw. wie die deutschen Muttersprachler. Von anderen, die beispielsweise erst die erste oder zweite Klasse besuchen und somit noch nicht allzu lange in Kontakt mit der deutschen Sprache sind, machen in Grammatik und Ausdruck noch viele Fehler. Dennoch würde ich behaupten, dass auch diese Kinder zweisprachig sind. So wie Jonekeit und Kielhöfer (1998) schon sagten, liegt meine Definition von Zweisprachigkeit demnach nicht im fließenden, fehlerfreien Beherrschen der Zweitsprache Deutsch, aber auch nicht nur im Beherrschen von Bruchteilen. Die Kinder konnten sich mühelos verständigen, konnten zum Ausdruck bringen was sie meinen und sind demnach in die deutsche Sprache integriert. Durch ein wenig mehr Erfahrung und weiteren Jahren in Deutschland würde sich diese Zweisprachigkeit weiter entwickeln.
Graf und Tellmann (1997) schrieben bereits, dass sich die Definition von Zweisprachigkeit nicht auf den Sprachstand beziehen sollte, sondern auf das handlungsorientierte Verhalten des Sprechens, wie oft und aus welchen Gründen die Zweitsprache also angewandt wird. Zweisprachigkeit sei „die Fähigkeit, sich spontan mit der zweiten Sprache äußern zu können, wenn die Handlungssituation dies empfiehlt“ (vgl. Graf, Tellmann, 1997:245).
Diese Fähigkeit besitzen die jungen Kinder aus dem AKAK, die noch einige Mängel in der Qualität der deutschen Sprache besitzen, dennoch, da sie sich ausreichend verständlich in der deutschen Sprache verständigen können und höchstens mit Kindern der gleichen Muttersprache auf ihrer Erstsprache kommunizieren. Das schnelle, bewusste Umschalten von der einen in die andere Sprache ist eindeutiges Zeichen dafür, dass Zweisprachigkeit vorliegt. Dieses Umschalten erfordert von den Kindern eine sehr hohe geistige Aktivität und beruht auf monatelanger, wenn nicht jahrelanger Übung (vgl. Graf, Tellmann, 1997). Anstatt die Sprachen miteinander zu vermischen, besteht bei den Kindern aus dem AKAK, gleichgültig wie lange diese bereits in Deutschland sind und auf welchem Niveau sie beide Sprachen beherrschen, die Fähigkeit die Sprachen zu trennen.
Während meiner Arbeit im AKAK (Arbeitskreis ausländischer Kinder e.V.) in Hameln habe ich mich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die nach dem Unterricht Hilfe bei den Hausaufgaben und für Klausurfragen im AKAK suchten. Diese Kinder besuchten in den meisten Fällen die Grundschule oder Hauptschule, nur in seltenen Fällen waren Realschüler oder Gymnasiasten dabei. Der Arbeitskreis ausländischer Kinder e.V. möchte Migrantenkindern helfen, sich zu integrieren. Es werden Hausaufgabenbetreuung angeboten, Bewerbungshilfen und Klausurvorbereitungen unternommen. Die Betreuerinnen geben den Schülern und Schülerinnen Tipps und Handlungsempfehlungen für die Praxis und ermöglichen ihnen höhere Chancen in das Berufsleben einzusteigen. Der Arbeitskreis wird von Betreuerinnen, ausgebildeten Sozialpädagogen, betreut, die neben der deutschen Sprache auch weitere Fremdsprachen beherrschen. Es wurde Russisch, Türkisch, Vietnamesisch, Spanisch und Englisch gesprochen, damit alle Kinder einen Ansprechpartner in ihrer eigenen Muttersprache bekommen würden. Wurde etwas auf Deutsch nicht verstanden, wurde die Muttersprache angewandt, ansonsten wurde aber ausschließlich Deutsch gesprochen. Auch einige Gymnasiasten dürfen nach ihrer Schule Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe anbieten.
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