Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Essay, 2011
9 Seiten
I. Einleitung
II. Das Glück als höchstes menschliches Gut
a. Definition
b. Voraussetzungen für das menschliche Glück
III. Die charakterliche Tugend
a. Gutheit des Denkens – Gutheit des Charakters
b. Die Tugend als Mitte
IV. Schlussfolgerung: Die Tugend als Voraussetzung für das menschliche Glück
In Buch I und II der Nikomachischen Ethik befasst sich Aristoteles mit der Bestimmung und Definition des höchsten menschlichen Gutes sowie der Tugend. Da nach Aristoteles das menschliche Glück und die Glückseligkeit am ehesten der Definition des höchsten Gutes entsprechen, wird das Glück oder die Glückseligkeit von ihm von nun an als das höchste Ziel des menschlichen Lebens angesehen. Voraussetzung hierfür ist nach Aristoteles ein tugendhaftes Leben sowie „passende“ äußere Gegebenheiten, d.h. ein Leben unbehaftet von negativen Schicksalsschlägen, weder für sich selbst, noch Freunde oder Verwandte betreffend.
Wie definiert sich Glückseligkeit also als höchstes menschliches Gut, und wie definieren sich die Tugenden als solche, sowie als Voraussetzung für das menschliche Glück?
Sämtliche menschlichen Tätigkeiten führen laut Aristoteles auf ein bestimmtes Gut hin. Ihr Ziel ist es dieses Gut zu erreichen, egal ob selbiges materiell oder immateriell ist. So stellt sich also die Frage, auf welches Gut das menschliche Leben als Tätigkeit abzielt. Da bei diesem zu
untersuchenden Gegenstand keine allzu detaillierte Untersuchung möglich ist und auch keine hinreichenden und 100%ig verlässlichen Beweise angeführt werden können, muss die Nikomachische Ethik nicht als Anleitung, sondern viel mehr als Richtlinie oder Leitfaden angesehen werden, die als Hauptanhaltspunkte für die vorgenommenen Untersuchungen die Meinungen von Mehrheiten, sowie die Überlegungen von früheren Denkern anführt.
Bei der Frage nach dem höchsten menschlichen Gut und des Ziels des menschlichen Lebens
stimmen die meisten Menschen ziemlich überein:
Das Glück, sagen nämlich sowohl die Menschen
aus der Menge, als auch die kultivierten Menschen;
und dabei setzen sie das Glücklichsein damit
gleich, dass man gut lebt und gut handelt.[1]
Auch nach Aristoteles’ Überlegungen erfüllt das Glück am ehesten die Kriterien für das höchste und erstrebenswerteste Gut. So ist das Glück nach Aristoteles das am ehesten abschließende Ziel, im Gegensatz zu anderen erstrebenswerten Zielen, wie zum Beispiel Reichtum oder Ehre, die aber unter vielen anderen nur als Mittel zum Zweck, zum Erreichen des höchsten Ziels, des Glücks dienen, also nicht abschließend sind. Ebenso gilt das Glück als autark, was bedeutet, dass es allein das Leben lebenswert machen würde, würde man außer ihm nichts anderes besitzen.[2]
Um, wie oben bereits erwähnt, gut zu handeln, muss festgestellt werden, welche Funktion der Mensch an sich hat, da diese ja bestmöglich zu erfüllen ist. Das vegetative Leben hat der Mensch mit den Pflanzen, die sinnliche Wahrnehmung mit den Tieren gemein. [D]ie Funktion des Menschen [ist also] eine Tätigkeit der Seele entsprechend der Vernunft[...][3] Das heißt also ein Leben lang jede Handlung (der Seele) auf gute und angemessene Weisen zu tun. Dies kann als Funktion des Menschen angesehen werden, welche er so gut wie möglich vollziehen muss, um die Glückseligkeit zu erreichen.
Um dieses Ziel zu erreichen muss, nach Aristoteles’ Meinung, der nach Glück strebende Mensch Zeit seines Lebens gut, oder tugendhaft handeln. Die Definition sowie der Verbindung der Tugend zur Glückseligkeit wird später noch erläutert werden.
Ebenso müssen auch bestimmte äußere Güter vorhanden sein, damit ein Mensch auch ein glücklicher Mensch sein kann. So setzt die Glückseligkeit nicht nur eigenes, gutes Handeln voraus, sondern auch, dass dem Menschen „von außen“ keine Schicksalsschläge oder negativen Umstände widerfahren. Neben Dingen wie Reichtum oder Ähnlichem, die als eine Art Hilfsmittel zum Erreichen der Glückseligkeit angesehen und benutzt werden können, gibt es natürlich auch
Dinge, deren Fehlen die Glückseligkeit trübt,
wie gute Herkunft, wohlgeratene Kinder, Schönheit;
denn wer sehr hässlich aussieht oder von niederer
Herkunft oder einsam und kinderlos ist, den kann
man wohl nicht glücklich nennen, und noch weniger
vielleicht den, der gänzlich schlechte Kinder oder
Freunde hat oder gute, die gestorben sind.“[4]
Wie oben bereits erwähnt müssen die äußeren Güter oder Umstände ein Leben lang vorhanden sein. Wer also bis ins hohe Alter tugendhaft gelebt und keine Schicksalsschläge erlebt hat, dann aber von einem großen Unglück heimgesucht wird, sodass er elend und unglücklich stirbt, der kann nicht als glückselig bezeichnet werden.[5] Die Glückseligkeit kann hierdurch also als eine Art Kombination aus einem vollen, erfüllten Leben und einem lebenslangen Handeln der Seele im Sinne der Gutheit betrachtet werden.
Es muss aber ebenfalls gesagt werden, dass die Tugendhaftigkeit und das tugendhafte Leben in diesem Zusammenhang einen höheren Wert als die äußeren Güter haben. Wenn nämlich jemandem, der gut und tugendhaft ist ein Unglück widerfährt, er dieses aber aufgrund von Stärke und Stolz angemessen und gelassen erträgt, dann kann dieser Mensch wohl trotzdem auch weiterhin als glücklich bezeichnet werden. Und wenn jemand durch seine tugendhaften Tätigkeiten und äußeren Einflüsse erst einmal glücklich geworden ist, so kann ihm diese Glückseligkeit kaum oder nur mit sehr schweren Schicksalsschlägen wieder genommen werden. Da der Tugendhafte Freude an seinen eigenen tugendhaften Tätigkeiten hat, wird er wohl kaum aufhören seine Tätigkeiten auch tugendhaft durchzuführen, welches eine Möglichkeit wäre die Glückseligkeit „wieder zu verlieren“. Ebenso wird der Tugendhafte wohl tugendhaft genug sein um kleinere Schicksalsschlägen wegzustecken und zu ertragen, ohne auf Dauer Unglücklich zu werden. Nur „große“, schwere Schicksalsschläge, die dem Menschen so sehr zusetzen, dass es lange Zeit braucht um sich wieder davon zu erholen können dafür sorgen, dass der erst Glückselige wieder unglücklich wird und es wird lange Zeit dauern um wieder vom unglücklichen zum glückseligen Zustand „zu wechseln“, denn Unglück bring[t] Unlust mit sich und behinder[t] viele Tätigkeiten[6], die nötig sind, um wieder glücklich zu werden.
[...]
[1] Aristoteles. Nikomachische Ethik (übersetzt von Ursula Wolf). Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2006. 1095a 15
[2] Aristoteles. 1097a 25ff.
[3] Aristoteles. 1098a 5
[4] Aristoteles. 1099b
[5] Aristoteles. 1100a
[6] Aristoteles. 1100b 25