In der mittelalterlichen Literatur lassen sich zwei Textgattungen voneinander unterscheiden, die Versdichtung und die Fachprosa. Erstere, unter die Minne- und Artusdichtung fallen, fand in der Forschung große Beachtung und wurde als ästhetisch und kulturell wertvoll angesehen. Die Fachliteratur dagegen wurde lange Zeit vernachlässigt. Die Verfasser dieser Schriften legten wenig Wert auf sprachliche Schmuckelemente, da die Texte nicht der Unterhaltung, sondern der Vermittlung von Wissen dienten. Gerade in der medizinischen Fachliteratur ist das Verständnis von Wirkung und Gebrauch der Heilpflanzen und Rezepturen nötig, damit der Rezipient Erfolge bei der Anwendung erzielen kann. Diese sprachliche Schlichtheit, die durchaus deutsche und lateinische Fachausdrücke einschließt, sollte keinesfalls zur Minderbewertung der Fachliteratur an sich führen, da sich auch in diesen Texten der Alltag und die Ansichten der damaligen Zeit wiederspiegeln. Der Aufbau der Welt, der Glaube an Gott aber auch an Magie, all dies und mehr lässt sich aus Fachtexten erschließen, die nicht nur inhaltlich ebenso wertvoll sind, sondern auch zahlenmäßig der Versdichtung weit überlegen. Außerdem kann die Untersuchung der Fachprosa zum Verständnis z.B. von Minne- oder Artusdichtung beitragen, wenn dort Fachbegriffe verwendet wurden.
In dieser Arbeit sollen, ausgehend von einem Textbeispiel über die Raute aus dem Codex 8° Ms 875 der Universitätsbibliothek Greifswald, die Welt der Ärzte im Mittelalter, deren Aufgaben und Möglichkeiten näher beleuchtet werden. Anhand dieser Betrachtungen soll bestätigt werden, dass der Text von einem, wie bereits von der Editorin vermutet, praktisch-tätigen Arzt geschrieben wurde. Dazu folgen auf den mhd. Quellentext und die von mir vorgenommene Übersetzung Informationen zu dem Codex und den daran beteiligten Schreibern. Anschließend werden Inhalt, Struktur und Sprache des Abschnittes betrachtet. Diesem eng am Text bleibendem Teil folgen die Ausführungen über die kulturellen Hintergründe, die der Behandlung zugrunde liegenden Annahmen und Theorien der Mediziner, darunter die der Humoralpathologie und der Diätetik. Neben einer auf diesen Ansichten beruhenden Behandlung stand als weitere Möglichkeit der chirurgische Eingriff zur Auswahl; da der Schreiber des Textes
vermutlich aus dem Umfeld der in dieser Tradition stehenden praktisch-tätigen Ärzte stammte, wird auf diesen Berufsstand im Unterschied zu dem Stand der universitär ausgebildeten Ärzte eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Textbeispiel
- 2.1 Original
- 2.2 Übersetzung
- 3. Der Codex 8° Ms 875 und seine Autoren
- 4. Thema des Textbeispiels: Die Raute und ihre Verwendung
- 5. Struktur und Sprache des Textes
- 6. Medizin im Mittelalter - Hintergründe
- 6.1 Stellung der Medizin und heilkundliche Literatur
- 6.2 Ursachen von Krankheit und Wege zur Bekämpfung
- 6.2.1 Diätetik
- 6.2.2 Humoralpathologie und Temperamentenlehre
- 6.2.3 Chirurgie: Zweiteilung der Ärzteschaft
- 7. Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht ein Textbeispiel aus der mittelhochdeutschen medizinischen Fachliteratur – ein Abschnitt über die Raute aus dem Codex 8° Ms 875 der Universitätsbibliothek Greifswald. Ziel ist es, anhand dieses Beispiels die Welt der mittelalterlichen Ärzte, ihre Aufgaben und Möglichkeiten zu beleuchten und die Vermutung zu bestätigen, dass der Text von einem praktisch tätigen Arzt verfasst wurde.
- Medizinische Fachliteratur des Mittelalters
- Der Codex 8° Ms 875 und seine Autoren
- Verwendung und Eigenschaften der Raute in der mittelalterlichen Heilkunde
- Medizinische Theorien im Mittelalter (Humoralpathologie, Diätetik)
- Unterschiede zwischen universitär und praktisch ausgebildeten Ärzten
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung differenziert zwischen Versdichtung und Fachprosa im Mittelalter, wobei letztere lange vernachlässigt wurde. Sie betont die Bedeutung der medizinischen Fachliteratur für das Verständnis der damaligen Zeit und deren Alltag, der sich in der sprachlichen Schlichtheit der Texte wiederspiegelt. Die Arbeit fokussiert auf die medizinische Fachprosa des deutschen Mittelalters, die von universitärer Lehre, praktischer Erfahrung und ausländischen Einflüssen geprägt war. Die Rolle von Klerikern bei der Verbreitung medizinischer Texte wird erwähnt, wobei die praktische Anwendung des Wissens in klösterlichen Hospitälern hervorgehoben wird. Die mittelalterliche Haltung gegenüber Krankheiten als natürlicher Bestandteil des Lebens, begründet durch den Sündenfall Adams, wird ebenfalls angesprochen. Die Arbeit zielt darauf ab, anhand eines Textbeispiels über die Raute aus dem Codex 8° Ms 875, die Welt der mittelalterlichen Ärzte zu beleuchten und die Autorschaft zu klären.
2. Textbeispiel: Dieses Kapitel präsentiert den Originaltext über Knoblauch und Raute aus dem Codex 8° Ms 875, gefolgt von einer Übersetzung. Der Text beschreibt die medizinischen Anwendungen beider Pflanzen, ihre Eigenschaften und Anwendungsempfehlungen. Es werden verschiedene Zubereitungsarten und Anwendungsmöglichkeiten detailliert beschrieben, begleitet von Zitaten vermeintlicher Autoritäten wie Pythagoras und Hinweise zur Dosierung und Anwendung.
3. Der Codex 8° Ms 875 und seine Autoren: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Kontext des Textbeispiels, indem es den Codex 8° Ms 875 der Universitätsbibliothek Greifswald und seine Schreiber näher untersucht. Es analysiert die Herkunft und den Entstehungskontext des Kodex, um Rückschlüsse auf die möglichen Autoren und deren medizinisches Wissen zu ziehen. Es beleuchtet die Schreiber und ihre Beziehung zum medizinischen Wissen ihrer Zeit.
4. Thema des Textbeispiels: Die Raute und ihre Verwendung: Dieses Kapitel analysiert den spezifischen Inhalt des Textbeispiels über die Raute. Es untersucht die beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten der Raute und ihre medizinischen Eigenschaften, wie sie im Text beschrieben werden. Die Analyse beinhaltet eine detaillierte Betrachtung der im Text angegebenen Indikationen, Zubereitungsweisen und Anwendungsformen.
5. Struktur und Sprache des Textes: Dieser Abschnitt untersucht die sprachliche Gestaltung und den Aufbau des Textbeispiels. Es werden die sprachlichen Mittel, der Satzbau, die verwendete Terminologie und die Struktur des Textes im Detail analysiert. Die Analyse zielt darauf ab, die Besonderheiten des mittelalterlichen medizinischen Fachprosa-Stils zu verdeutlichen und den Text in seinen sprachlichen Kontext einzuordnen.
6. Medizin im Mittelalter - Hintergründe: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über den medizinischen Kontext des Mittelalters. Es beleuchtet die Stellung der Medizin und der heilkundlichen Literatur, die Ursachen von Krankheiten und die damals gängigen Behandlungsmethoden. Die Kapitel unterabschnitte befassen sich mit der Diätetik, der Humoralpathologie und Temperamentenlehre sowie der Chirurgie und der Zweiteilung der Ärzteschaft in universitär und praktisch ausgebildete Ärzte. Der Einfluss des IV. Laterankonzils von 1215 auf die chirurgische Tätigkeit von Klerikern wird diskutiert.
Schlüsselwörter
Mittelhochdeutsche Medizin, Fachliteratur, Codex 8° Ms 875, Raute, Knoblauch, Kräuterheilkunde, Humoralpathologie, Diätetik, Chirurgie, mittelalterliche Ärzte, Universitätsmedizin, praktische Medizin, praktisch tätige Ärzte.
Häufig gestellte Fragen zum Codex 8° Ms 875: Mittelalterliche Medizin und die Raute
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert ein Textbeispiel aus dem Codex 8° Ms 875 der Universitätsbibliothek Greifswald, welches sich mit der medizinischen Verwendung von Raute und Knoblauch befasst. Ziel ist die Untersuchung der mittelalterlichen medizinischen Fachliteratur, der Arbeitsweise mittelalterlicher Ärzte und die Klärung der Autorschaft des Textbeispiels.
Welche Themen werden im Codex 8° Ms 875 behandelt?
Der Codex enthält ein Textbeispiel, das die medizinischen Eigenschaften und Anwendungen von Raute und Knoblauch beschreibt, inklusive Zubereitung und Dosierung. Die Arbeit untersucht die mittelalterlichen medizinischen Theorien (Humoralpathologie, Diätetik), die Rolle von universitär und praktisch ausgebildeten Ärzten, sowie den allgemeinen Kontext der mittelalterlichen Medizin.
Was ist der Codex 8° Ms 875?
Der Codex 8° Ms 875 ist ein mittelalterlicher Kodex aus der Universitätsbibliothek Greifswald. Die Arbeit untersucht seine Herkunft, Entstehung und die möglichen Schreiber, um Rückschlüsse auf die Autoren des Textbeispiels und deren medizinisches Wissen zu ziehen.
Welche Rolle spielt die Raute im Textbeispiel?
Die Raute ist der zentrale Gegenstand des analysierten Textbeispiels. Die Arbeit untersucht detailliert die beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten, medizinischen Eigenschaften, Indikationen, Zubereitungsweisen und Anwendungsformen der Raute gemäß dem Text.
Wie ist der Text sprachlich aufgebaut?
Die Arbeit analysiert die sprachliche Gestaltung und den Aufbau des Textbeispiels im Detail. Untersucht werden sprachliche Mittel, Satzbau, Terminologie und die Struktur des Textes, um den Stil der mittelalterlichen medizinischen Fachprosa zu verdeutlichen.
Welche medizinischen Hintergründe werden beleuchtet?
Die Arbeit bietet einen umfassenden Überblick über die mittelalterliche Medizin, inklusive der Stellung der Medizin und heilkundlicher Literatur, der Ursachen von Krankheiten und gängiger Behandlungsmethoden. Es werden Diätetik, Humoralpathologie, Temperamentenlehre und Chirurgie sowie die Zweiteilung der Ärzteschaft (universitär vs. praktisch ausgebildet) behandelt.
Wer waren die Autoren des Textes?
Die Arbeit versucht, anhand der Analyse des Codex 8° Ms 875 und seines Kontextes, Rückschlüsse auf die möglichen Autoren des Textbeispiels zu ziehen. Es wird untersucht, ob der Text von einem praktisch tätigen Arzt verfasst wurde.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Mittelhochdeutsche Medizin, Fachliteratur, Codex 8° Ms 875, Raute, Knoblauch, Kräuterheilkunde, Humoralpathologie, Diätetik, Chirurgie, mittelalterliche Ärzte, Universitätsmedizin, praktische Medizin, praktisch tätige Ärzte.
Welche Kapitel enthält die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Einleitung, Textbeispiel (Original und Übersetzung), dem Codex 8° Ms 875 und seinen Autoren, dem Thema "Raute und ihre Verwendung", Struktur und Sprache des Textes, medizinischen Hintergründen im Mittelalter und einem Fazit/Ausblick.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2004, Die Raute - Ein Textbeispiel aus der mittelhochdeutschen medizinischen Fachliteratur, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/172309