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Seminararbeit, 2011
31 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Zusammenhang zwischen GU, PD und IF
3. Pädagogische Diagnostik
a. Was ist PD?
b. Aufgaben und Ziele der PD?
c. Strategien der PD?
d. Vorgehen PD im Fachunterricht?
e. Warum PD?
4. Individuelle Förderung
a. Was ist IF?
b. „Adaptiver“ Unterricht und Methoden der IF?
c. Ziele der IF?
5. Guter Unterricht
a. Was wissen wir über GU im Allgemeinen?
b. Was wissen wir über GU im Hinblick auf PD und IF?
6. Fazit
7. Literatur
Nach dem schwachen Abschneiden deutscher SuS bei internationalen Schulleistungstests (PISA, IGLU, TIMSS) wurde dieses u.a. auch mit der mangelnden diagnostischen Kompetenz der LuL begründet. Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang, dass 90% der SuS an Hauptschulen, deren Lesekompetenz bei PISA unter Kompetenzstufe 1 lagen, von ihren LuL nicht als schwache Leser identifiziert wurden[1]. PISA hatte damit einen erheblichen Anteil daran, dass Pädagogische Diagnostik wieder in den Fokus von Bildungsforschern geriet und kontrovers diskutiert wurde/wird.
Felix Winter erklärt in seinem Aufsatz „Diagnosen im Dienst des Lernens“[2], dass Diagnostizieren und Fördern zum Unterrichten dazu gehöre und die Tendenz zu erkennen sei, dass Pädagogik sich dahingehend entwickle, die Förderung der SuS zu einem der höchsten Ziele zu erklären, die auf fundierten Diagnosen aufbaue. Ähnlich äußert sich Marianne Horstkemper in ihrem Beitrag „Fördern heißt diagnostizieren“[3];sie möchte Pädagogische Diagnostik (PD) als wichtige Voraussetzung für individuellen Lernerfolg verstanden wissen. In beiden Aussagen ist die Forderung inbegriffen, dass PD und Individuelle Förderung (IF) Teil des gängigen Schulunterrichts sein müssen, und nicht außerhalb dieses zu denken sind. Winter und Horstkemper sehen somit PD und IF als einen Teil guten Unterrichts (GU).
An dieser Stelle stellt sich zwangsläufig die Frage, inwiefern PD, IF und GU zusammenhängen? Wie könnte man diese Gebiete kategorisieren oder hierarchisieren? Um dies tun zu können, muss man sich zunächst im Klaren darüber sein, worum es bei PD, IF und auch bei GU geht. Dafür wird in einem ersten Kapitel zunächst ein grober Zusammenhang zwischen PD, IF und GU entworfen, worauf zwei Kapitel mit dem Schwerpunkt auf PD und IF folgen. Kapitel 5 widmet sich der Frage, was wir heute über guten Unterricht im Allgemeinen und im Speziellen, d.h. im Bezug auf PD und IF, wissen. Den Abschluss bildet ein Fazit.
Meines Erachtens lässt sich der Zusammenhang von GU, PD und IF in einer hierarchisierten Weise darbieten. Meine Überlegungen basieren in ihrem Kern auf den Ausführungen von Hilbert Meyer über die Frage „Was ist guter Unterricht?“[4].[5] In diesem Werk nennt Meyer zehn Merkmale guten Unterrichts. Eines dieser Merkmale ist für ihn das individuelle Fördern. Daher kann man m.E. sagen, dass IF ein Teilaspekt guten Unterrichts darstellt. D.h. IF allein führt nicht zwangsläufig zu gutem Unterricht, ist aber als Teil eines größeren Ganzen für das Gelingen von GU nicht zu vernachlässigen. Was hat damit nun die PD zu tun?
Die Frage lautet, wie man als LuL herausfindet, ob ein(e) spezielle(r) Schüler(in) individuell gefördert werden sollte, sei es aufgrund bestimmter Defizite oder besonderer Begabungen in manchen Bereichen. Wie kann man solche Defizite oder Begabungen erkennen? An dieser Stelle tritt nun die PD auf den Plan. Genauere Definitionen dieser werden im nächsten Kapitel angeboten, doch so viel sei gesagt. Die PD im engeren Sinn[6], also diejenigen Diagnosen, die sich auf eine Verbesserung des Lernprozesses der SuS konzentrieren, hat die Aufgabe mit bestimmten Methoden[7] derartige Defizite oder Begabungen zu lokalisieren. Haben LuL die Probleme mit Hilfe PD erkannt, können gezielte Fördermaßnahmen[8] eingeleitet werden. Demnach ergibt sich m.E. schematisch folgender Zusammenhang zwischen PD, IF und GU:[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn man sich der Frage annimmt, was nun genau mit PD gemeint ist, stellt man schnell fest, dass sich seit Ende der 60er des 20. Jh. eine Vielzahl von Forschern darum bemüht haben, zu erklären, was PD kennzeichnet. Ursprünglich wurde der Begriff „PD“ von Karlheinz Ingenkamp 1968 in Anlehnung an die Medizinische und Psychologische Diagnostik im Rahmen eines Forschungsprojektes vorgeschlagen und daraufhin allgemein akzeptiert. Infolgedessen machten sich diverse Wissenschaftler daran zu definieren, was PD eigentlich ausmache. Überblickshalber werden an dieser Stelle zwei Definitionen dargeboten, an denen zu erkennen ist, dass PD zwei Schwerpunkte inne wohnen; nämlich die Optimierung von Lehr-Lernprozessen auf der einen und die Vergabe von Qualifikationen auf der anderen Seite. Dies soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass viel mehr Definitionen für PD existieren[10].
„Diagnostik in schulischen Entscheidungssituationen hat den Zweck, Informationen zur Optimierung des pädagogischen Handelns zu gewinnen. Entsprechend unterscheidet man zwischen PD im engeren Sinn, die die Planung und Kontrolle von Lehr-Lernprozessen zum Gegenstand hat und PD im weiteren Sinn, die alle diagnostischen Aufgaben im Rahmen der Bildungsberatung umfasst.“[11]
In dieser Definition tritt die Doppelbedeutung offen zu Tage. An dieser Stelle soll ausdrücklich erwähnt werden, dass in meinen folgenden Ausführungen, lediglich PD im engeren Sinn von Bedeutung sein wird, denn mein Interesse gilt der Verbesserung von Unterricht und demzufolge der Optimierung des Lern- Lehrprozessen innerhalb dieses. Die PD im weiteren Sinne muss jedoch immer mitgedacht werden, wenn man sich mit den Aufgaben und Funktionen der PD befasst. Der herausragenden Bedeutung der PD im engeren Sinne trägt die Definition von Paradies, Linser und Greving Rechnung:
„PD umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei Lernenden und Lehrenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen im dialogischen Prozess zu optimieren.“[12]
Diese Definition ist freilich an die Definition des Standardwerkes von Ingenkamp „Lehrbuch der PD“ aus dem Jahr 1988 angelehnt.
Wie in den Definitionen bereits angedeutet kommen der PD zwei Aufgaben bzw. Ziele zu. Auf der einen Seite steht ein didaktisch orientiertes Ziel der PD, nämlich die Optimierung des Lernens, wohingegen auf der anderen Seite eine mehr gesellschaftlich orientierte Steuerung des Bildungsnachwuchses und die Erteilung von Qualifikationen Gegenstand der PD ist. Demzufolge kann man PD entweder als eine „Modifikations- bzw. Förderdiagnostik“ oder als eine „Selektions- bzw. Auslesediagnostik“ betreiben.[13] Erstere stellt PD im engeren und zweitere im weiteren Sinn dar[14]. Wie bereits erwähnt, wird die „Modifikations- bzw. Förderdiagnostik“ im Fokus meines Interesses stehen. Im Namen dieser Diagnostik ist bereits die Absicht der gezielten Förderung von SuS intendiert, was mein obiges Modell in Kap. 2 insofern bekräftigt, dass PD im engeren Sinne Voraussetzung für individuelles Fördern ist.
Im Zusammenhang der Ziele und Aufgaben haben sich entsprechende Strategien der PD entwickelt, die gezielt auf die jeweilige Aufgabe von PD angewandt werden können[15]. Auf der einen Seite bedient sich die „Selektions- und Auslesediagnostik“ der sog. „Statusdiagnostik“, auf der anderen Seite die „Modifikations- bzw. Förderdiagnostik“ der sog. „Prozessdiagnostik“.[16]Die „Statusdiagnostik“ zielt auf die Erfassung des Zustandes einer Person und nimmt dabei relative Stabilität dieses Zustandes an. Diese Art von Diagnostik benötigt man u.a. für Laufbahnempfehlungen[17], Vorschlag zur Hochbegabtenförderung etc. Die „Prozessdiagnostik“ hingegen beschäftigt sich mit Aspekten, die Veränderungsprozesse ermöglichen, d.h. sie geht von Entwicklungsmöglichkeiten des jeweiligen Individuums aus. Anwendungsgebiete dieser können u.a. Fehleranalysen, Stärken- und Schwächenprofile etc. sein, auf die gezielte Fördermaßnahmen folgen.
Abschließend lässt das Modell aus Kap. 2 folgendermaßen ergänzen:
An diesem Schaubild lässt sich mein weiterer Fokus gut erkennen. Der Aspekt der PD im weiteren Sinn wird in folgenden Erläuterungen ausgespart und der Schwerpunkt auf die Relevanz von PD für (guten) Unterricht gelegt.
Bisher haben wir lediglich betrachtet, wie PD charakterisiert wird, welche Aufgaben und Strategien ihr zugrunde liegen. Wie sieht es aber mit der praktikablen Anwendung dieser im Fachunterricht aus. In diesem Zusammenhang schlagen Paradies, Linser und Greving[18] drei Arbeitsschritte des Diagnostizierens[19] im Fachunterricht vor:
1. Fachliche und fachdidaktische Zielbestimmung
2. Datenerhebung und –aufbereitung
3. Datenaufbereitung und –interpretation
Diese Schrittfolge soll im Folgenden etwas näher erläutert werden, wobei m.E. dem zweiten Punkt die größte Aufmerksamkeit zu teil werden muss, denn in diesem ist die Frage enthalten, wie man als LuL überhaupt Daten erheben kann. Somit muss geklärt werden, welche Messinstrumente mit welchen Gütekriterien für bestimmte Merkmalsdiagnosen überhaupt zur Verfügung stehen, kurz: womit diagnostiziere ich unter wissenschaftlichen Kriterien was?
1. Fachliche und fachdidaktische Zielbestimmungen:
Paradies et al. berufen sich bei ihren Ausführungen auf die Erkenntnisse von E. Stern, die vorschlägt zu Beginn der PD eine „Analyse des zu vermittelnden Wissens unter kognitionspsychologischen Gesichtspunkten vor(zu)nehmen. Dazu gehören u.a. Fragen wie:
- Welche Begriffe müssen verstanden und welche Fakten müssen bekannt sein, damit ein bestimmtes Lernangebot genutzt wird?
- An welche Art von Wissen kann man anknüpfen?
- Wo liegen Quellen für Missverständnisse?
- Welche Veranschaulichungsformen können angeboten werden?“[20]
2. Datenerhebung und -aufbereitung
Bevor man zur eigentlichen Datenerhebung übergeht, werden Hypothesen darüber gebildet, welche Zustände und Prozesse tatsächlich erfasst werden sollen. Im Hinblick auf die Hypothesen kommt es zu einer methodisch kontrollierten Datenerhebung, nach deren Interpretation z.B. ein Förderplan erstellt werden kann. Bedingungen für diese Datenerhebung sind jedoch die methodische Kontrolle und die Berücksichtigung bestimmter Gütekriterien.[21] Es soll nun näher auf Messinstrumente der PD, Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Messungen und Merkmale, die mit Hilfe der Instrumente diagnostiziert werden können, eingegangen werden.
Hesse und Latzko benennen in ihrem Werk „Diagnostik für Lehrkräfte“[22] drei Grobkategorien diagnostischer Messinstrumente für den Gebrauch in Schulen. Sie verweisen auf:
[...]
[1] Hesse: Diagnostik für Lehrkräfte. S. 14.
[2] Winter, Felix: Diagnosen im Dienst des Lernens. Diagnostizieren und Fördern gehören zum Unterrichten. Friedrich Jahresheft 24 (2006).
[3]Horstkemper, Marianne: Fördern heißt diagnostizieren. Pädagogische Diagnostik als wichtige Voraussetzung für individuellen Lernerfolg.. Friedrich Jahresheft 24 (2006)
[4] Meyer, Hilbert: Was ist guter Unterricht. Berlin 2004.
[5]Weitere Zusammenhänge zwischen PD, GU und IF werden in Kap. 5b mit Einbeziehung anderer Werke hergestellt.
[6] Angelehnt an die Definition von Reulecke und Rollett aus dem Jahre 1976.
[7] Kap. 3e
[8] Kap. 4b
[9]Ingenkamp: Lehrbuch der PD. 2008. S. 12ff.
[10] Siehe für eine ausführlichere Liste von Definitionen: Ingenkamp: Lehrbuch der PD. S. 13.
[11]Reulecke und Rollett 1976.
[12] Paradies, Linser, Greving: Diagnostizieren, Fordern und Fördern, S. 31.
[13]Ingenkamp: Lehrbuch der PD. S. 20ff.
[14] In Anlehnung an obige Definition von Reulecke und Rollett.
[15] Was nicht bedeuten soll, dass sie nicht auch auf die jeweils andere Aufgabe von PD angewandt werden kann. Siehe Paradies: Diagnostizieren, Fordern, Fördern. S. 26.
[16]Horstkemper: Diagn. Kompetenz als Basis für päd. Handeln. 2006.
[17] Beispiel ist die Tatsache, dass meine Schwägerin nach hervorragend abgeschlossenem Physikum (Grundstudium Medizin) u.a. deshalb in Deutschland keine Universität für das Hauptstudium findet, weil ihr Abiturdurchschnitt nicht entsprechend ist. Hier sieht man, dass die „Selektions- bzw. Auslesediagnostik“ und mit ihr die Strategie der „Statusdiagnostik“ greift. Es wird in diesem Zusammenhang eine Stabilität der Leistungen des Abiturs im Hinblick auf weiterführende Studienangebote unterstellt, die so nicht existiert. Eindeutige Schwächen dieses Systems sind nicht von der Hand zu weisen, obwohl Veränderungen vermutlich schwer umsetzbar sind.
[18] Paradies: Diagnostizieren, Fordern und Fördern. S. 34 f.
[19] Eine andere Aspektenliste PD im Schulalltag schlägt Ingenkamp im Lehrbuch der PD vor (S. 39 – 44). Er unterscheidet die Schritte Vergleich, Analyse, Prognose, Interpretation, Mitteilung und Wirkungskontrolle.
[20] Paradies: Diagn.,Fordern, Fördern. S. 34.
[21] Paradies: Diagn.,Fordern, Fördern. S. 34.
[22] Hesse; Latzko: Diagnostik für Lährkräfte. Opladen 2009.