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Hausarbeit, 2009
24 Seiten, Note: 11
1. Einleitung
2. Der zeitgenössische Tanz
2.1. Ausdrucks- und Darstellungsintention im modernen Tanz nach Wigman
2.2. Rudolf von Laban
2.3. Überschneidungen in den Konzepten Wigmans und Labans
3. Tanz in der Schule
3.1. Tanz im Lehrplan der Sek I
3.2. Warum Tanz in der Schule so wichtig ist
3.3. Differenzieren im Sportunterricht – Heterogenität und Tanzen
4. Was wird zur Umsetzung in der Schule benötigt?
4.1. Anforderungen an die Lehrkräfte
4.2. Konzeptionelle Herangehensweisen
4.2.1. Vormachen – Nachmachen
4.2.2. Laban
4.2.3. Entsichern und Begleiten
5. Fazit
Bibliographie
Was ist eigentlich Tanz? Ballett, Hip Hop, Jazz Dance oder Standarttanz wären wohl die Antworten von den meisten Menschen. Das Tanz jedoch eigentlich viel mehr ist, ist nur den Wenigsten bewusst. Dies könnte einer von vielen Gründen für die sehr kleine Rolle von Tanz im Sport- und Schulunterricht sein. In vielen Schulen kommt Tanz überhaupt nicht vor oder wenn, dann wird den Schülern nur eine von einer Vielzahl an Perspektiven des Tanzes eröffnet.
Welche Bedeutung Tanz für Kinder und Jugendliche haben kann, zeigt der Film Rhythm is it von Thomas Grube und Enrique Sanchez Lansch, der in den Medien für großes Aufsehen sorgte. Dieser Film dokumentiert sehr eindrucksvoll, wie sich Tanz auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken kann. Die Filmregisseure interessierten sich besonders für die Veränderung im Denken, Fühlen und Handeln der Jugendlichen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und unterschiedlicher nationaler Herkunft durch Tanz. Der Film bietet ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Tanz tatsächlich positive Veränderungen der Persönlichkeit der Schüler bewirken kann.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Rolle des Tanzens in der Schule und die Fragen: Wieso sollte Tanz in der Schule unterrichtet werden? Wieso ist er nur selten Bestandteil des Unterrichts und wie sollte Tanz in der Schule unterrichtet werden?
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wieso Tanz in der Schule unterrichtet werden sollte. Um diese Frage zu beantworten werden die Auffassungen zweier wichtiger Persönlichkeiten in der Geschichte des zeitgenössischen Tanzes, Wigman und Laban, näher erläutert. Im Anschluss werden die gemeinsamen Merkmale nochmals hervorgehoben, um dadurch den pädagogischen Wert des Tanzens zu begründen. Das letzte Kapitel stellt verschiedene Konzepte für die Art und Weise wie Tanz in Schulen unterrichtet werden sollte vor.
Um die Besonderheit des zeitgenössischen Tanzes zu verstehen, müssen die Entstehung und Ziele dieser neuen Tanzkunst näher erläutert werden. Der Ausdruckstanz entstand am Anfang des 20. Jahrhunderts und hatte seinen Durchbruch nach dem Ersten Weltkrieg. Er kann als eine Begleiterscheinung des neuen aufblühenden Kulturbewusstseins angesehen werden und ist geprägt durch den Mut, das Individuum und dessen Emotionen in den Mittelpunkt zu stellen. Die KünstlerInnen konnten in dieser neuen Form des Tanzes ihre Bedürfnisse in Bewegungen ausdrücken, dadurch zu sich selbst finden und ihren Körper als Einheit von Geist und Seele entwickeln. Diese neue Tanzbewegung steht im klaren Gegensatz zu dem klassischen akademischen Tanz, der durch festgelegte Formen und strenge Positionen geprägt war. Eine der einflussreichsten Persönlichkeiten dieser neuen Tanzform war Rudolf von Laban, der als Pionier des erzieherischen Tanzes angesehen werden kann.
Wigman versteht den zeitgenössischen Tanz als eine individuelle Ausdruckskunst, die an den jeweiligen Menschen, seine Tanzsprache und Zeit gebunden ist, aus der heraus der Tanz entsteht. Sie lehnte die bereits existierenden musikalischen Werke als Grundlage für ihre Tanzkompositionen grundlegend ab, da es ihr unmöglich erschien, eine expressive Tanzsprache zu systematisieren oder allgemeingültige Gesetze für Tanzkompositionen festzulegen. Vielmehr sollten die Tanzkompositionen aus einer inneren Bewegtheit oder Notwendigkeit entstehen und nicht durch äußere Antriebe wie zum Beispiel durch die Musik festgelegte Tanzschritte bestimmt werden.
Geprägt wurde ihre Auffassung von ihrer Lebensphilosophie, bei der sich Wigman als ‚Opfer‘ betrachte, welches sich einem Lebensverständnis hingibt, in dem das Tanzwerk über allen persönlichen Bedürfnissen steht.
In ihrer Tanzerziehung stellt Wigman die Ausbildung zur Tanzkunst in den Mittelpunkt, welche durch ihre Auffassung vom Ausdruckstanz bestimmt wird. Ihre eigene Aufgabe sieht sie darin, die Persönlichkeit ihrer Schüler aus der Situation heraus optimal heranzubilden, deren Körper zu schulen, ihnen ein Verständnis für den eigenen Körper und Bewegung zu vermitteln und ihre Bewegungserlebnisse zu vertiefen. Des Weiteren sieht sie die Wahrnehmung des Raums als einen wichtigen Teil ihrer Tanzerziehung, verlangt von ihren Schülern eine Anpassungs- und Imitationsfähigkeit und fordert gute rhythmisch-musikalische Fähigkeiten. Außerdem unterstützt sie ihre Schüler dabei, individuelle Lösungen für die Entwicklung von eigenen Tanzkompositionen zu finden.
Rudolf von Laban eröffnete mit seiner Arbeit der Tanzkunst und dem Verständnis menschlicher Bewegung neue Wege und Einsichten. Laban arbeitete neben seinen Bewegungskonzepten auch erzieherische Werte für den modernen Tanz aus, welche die Grundsteine für die Tanzerziehung bildeten.
Der zeitgenössische Tanz entstand aus dem veränderten Verständnis von Tanz heraus. Hierbei lernen die Tänzer im Tanz nicht nur die technischen Möglichkeiten des Bewegens kennen, sondern lernen darüber hinaus ihre Bewegungskreativität und Persönlichkeit zu entfalten. Labans Rolle in der Entwicklung der modernen Tanzkunst basierte vor allem auf seiner Auffassung, bei der er sich besonders auf die„Anerkennung und Institutionalisierung des Tanzes als gleichwertige Kunst“ konzentrierte (Postukwa 1999, 130). Laban versteht Tanz als Bewegungskunst, so wie Musik eine Tonkunst und Dichtung eine Wortkunst ist.
Rudolf von Laban verband mit dem Tanz drei verschiedene Gedanken. In dem ersten Gedanken betonte er die „Einheit aus Körper, Seele und Geist“ (Postukwa 1999, 130), welche auch als „Verstand, Gefühl und Wollen“ (Postukwa 1999, 130) beschrieben werden kann. Diese Einheit steht im engen Zusammenhang mit dem Erleben und den Erlebnissen. Der zweite Gedanke beschäftigt sich mehr mit der Tanzerziehung, die für Laban mit der Menschheitserziehung gleichzusetzen war. Durch Tanz wurden der Charakter und der Körper gebildet, welche später in der Persönlichkeitsbildung zusammengeschlossen wurden. Zuletzt ist Tanz für Laban menschliche Bewegung und demzufolge „unterliegt sie einer Reihe von physikalischen, mathematischen, anatomischen und emotionalen Gesetzmäßigkeiten“ (Postukwa 1999, 130). Dieser Gedanke spiegelt sich auch in seiner Theorie wieder, in der die Faktoren Raum, Zeit, Kraft und Raum eine wichtige Rolle spielen (vgl. Postukwa 1999, 130).
Laban betrachtete die spontanen Bewegungsausdrücke der Kinder als eine der natürlichsten Tanzformen und sah darin eine enge Verbindung von körperlichem Ausdruck und seelischem Erleben. Diese Verbindung bildete auch eine der Grundannahmen für die Bedeutung des Tanzes für die Erziehung. Für Laban war Tanzerziehung vielmehr ein bewusstes Erkennen von Bewegungsprinzipien und grundsätzlichen Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers als die bloße Aneignung vorgegebener Bewegungsformen. (vgl. Postukwa 1999:130)
Sowohl Laban als auch Wigman betonen die Subjektivität, Körperlichkeit und Intuition, welche nicht durch Bewegungsqualitäten und -techniken beschrieben werden kann. Diese Merkmale lassen sich sowohl anhand von philosophischen und weltanschaulichen Gedanken als auch durch allgemeine Prinzipien, Ziele und Inhalte analysieren (vgl. Postukwa 1999, 137).
Beide dieser wohl wichtigsten Persönlichkeiten in der deutschen Geschichte des zeitgenössischen Tanzes propagierten eine freie und impulsive Bewegungsweise, die den gesamten Körper und Menschen anspricht und bewegt.
Im Mittelpunkt dieser Tanzauffassung steht das Individuum, das seine innere Bewegtheit durch die äußere Gestalt mitteilen möchte. Grundlegende Voraussetzungen für diese neuen Bewegungsqualitäten sind neben dem Körperrhythmus, Bewegungen aus der Körpermitte, da die neuen Bewegungsqualitäten vom Becken und Rumpf bestimmt werden. Trotz allem sind auch technische Grundlagen erforderlich, um dem Körper die Möglichkeit zu geben, alle Gefühle und Ideen auszudrücken, die jedoch keinem vorgefertigten System unterliegen. Außerdem ist hierbei der Entstehungsprozess ausschlaggebend für das Ergebnis des kreativen Prozesses (vgl. Postukwa 1999, 73).
Eine weitere Gemeinsamkeit in ihren Vorstellungen über den zeitgenössischen Tanz war der revolutionäre Umgang mit Musik. Die Musik war nicht mehr notwendig für die Gestaltung und beide sahen Tanz und Musik als gleichberechtigt an (vgl. Postukwa 1999, 75-76).
„Die Unterrichtsgrundlage für Tanz findet sich prinzipiell in den Rahmenlehrplänen für Musik und Sport sowie darstellendes Spiel (Bereich Tanz-, Bewegungs- und Körpertheater.)“ (vgl. Breitig 2006, 13) Dennoch ist und bleibt Tanz als fester Bestandteil des Unterrichtes an hessischen Schulen nach wie vor eine Seltenheit. Trotz der Verankerung des Gestaltens und Sich-körperlich-Ausdrückens im Lehrplan wird „Tanz […] – wenn überhaupt – von Lehrerinnen unterrichtet“ (Cabrera-Rivas, Klinge 2001, 2) und findet meist außerhalb der Unterrichtszeit im Rahmen von AGs, Wahlfächern, Workshops oder Projekten statt, die frei wählbar sind. Dies wirft die Frage nach dem Warum auf, erfreut sich das Tanzen außerhalb der Schule doch großer Beliebtheit. (vgl. ebd.)
Bei dem Begriff Tanz denken insbesondere Schüler, aber auch angehende Lehrer an etablierte versportlichte Formen des Tanzes wie Ballett, Hip Hop, Streetdance oder Standardtanz. Konfrontiert man sie mit Formen, die von ihren eindeutigen Vorstellungen abweichen, wie etwa dem Ausdruckstanz, empfinden sie dies als befremdlich, lehnen es ab, machen sich darüber lustig. In Hinblick auf den Sportunterricht wird Tanz vielerorts nicht als Sport wahrgenommen, er scheint zu wenig objektivier- und messbar, zu wenig leistungsorientiert, etwas für Mädchen oder solche, die sonst nichts können. Die Tatsache, dass das Tanzen und Gestalten mit vielen Vorurteilen behaftet ist, die unhinterfragt tradiert werden, erschwert die Lehrerausbildung in diesem Bereich, aber auch die Umsetzung in der Schule. Hinzu kommt eine Verunsicherung der Lehrkräfte durch „mangelnde Eigenrealisation und Erfahrung“ (ebd.), sodass sie Tanz nicht in den Unterricht einbeziehen.
Dass Jugendliche, die eigentlich gerne tanzen, sich negativ über Gymnastik und Tanz in der Schule äußern, könnte dafür sprechen, dass die unterrichtenden Lehrkräfte unzureichend ausgebildet sind. Ihre Herangehensweise ist nicht sensibel genug, sodass die Schüler sich peinlich berührt fühlen oder aber sie empfinden Langeweile, da die Bewegungen ihren eigenen ästhetischen Vorstellungen widersprechen oder ihnen keine neuen Erfahrungen möglich sind. Ein Grund kann auch sein, dass die prinzipielle Offenheit und die fehlenden Kategorisierung in falsch oder richtig im Rahmen der Schule als verunsichernd empfunden werden.
Doch welche Chancen kann Tanz bei einer professionellen Herangehensweise eröffnen? Welche Anforderungen stellt dies an die Lehrkräfte und deren Ausbildung?
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