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Hausarbeit, 2011
22 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Begriffsklärung
2.1 Professionalisierung
2.2 Professionalisierungsbedürfnis
2.3 Profession
2.3.1 Das strukturtheoretische Modell
2.3.2 Das systemtheoretische Modell
2.3.3 Der interaktionstheoretische Ansatz
3. Die Suche nach einem professionellen Status – kurzer historischer Abriss
4. Rückschritt Deprofessionalisierung
5. Die aktuelle Professionsdiskussion
6. Ökonomisierung der Sozialen Arbeit
6.1 Begriffbestimmung Ökonomisierung
6.2 Auswirkung der Ökonomisierung auf die aktuelle Professionsdiskussion
6.3 Chancen und Risiken der Ökonomisierung für die Zukunft der Sozialen Arbeit
7. Resümee
8. Quellenverzeichnis
Die anhaltende Tendenz zu mehr Markt, Wettbewerb und überprüfbaren Leistungen auch im Non-Profit-Sektor hat in den letzten Jahren eine heftige Diskussion über die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit ausgelöst. Die Soziale Arbeit steht heute mehr als je zuvor unter Legitimations- u. Rechtfertigungsdruck bezüglich der Wirksamkeit u. Wirtschaftlichkeit ihrer Handlungsweise.
Die letzten Jahre waren durch einen demografischen Wandel, einem Umbau des Sozialstaates und die damit zusammenhängende Ökonomisierung der Sozialen Arbeit gekennzeichnet. Dies führte zu gravierenden Veränderungen. Die Anerkennung der Profession der Sozialen Arbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dabei läuft sie Gefahr, als Dienstleister im Auftrag des Staates einen Markt zu bedienen, der durch eine Reihe selbst verschuldeter politischer Entscheidungen erst von ihm geschaffen wurde. Kritiker werfen den Managementsystemen vor, zu einer Deprofessionalisierung und Entindividualisierung sozialer Dienstleistungs-erbringung beizutragen. Befürworter betonen dagegen, dass nur mit solchen Systemen ein effizienter und effektiver Mitteleinsatz sicherzustellen und nachzuweisen ist.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit die Soziale Arbeit bei der Manifestation ihrer Profession als Fachwissenschaft erfolgreich war. Wie stark greift die zunehmende Ökonomisierung in diesen Ablauf ein? Besteht eine Ambiguität oder determiniert sich beides?
Unter Professionalisierung ist der Prozess der Herausbildung einer bestimmten beruflichen Handlungsform in modernen Gesellschaften gemeint, für die drei Dimensionen bestimmend sind:
1. Die Tätigkeiten werden verberuflicht und es bilden sich Berufsrollenträger, die bestimmte Qualifikationsanforderungen erfüllen und in einer Organisationsform ein gewisses Maß an Selbststeuerung erreichen.
2. Die entwickelte verberuflichte Tätigkeit wird methodisiert und erfordert ein gesteigertes und letztendlich wissenschaftliches fundiertes Wissen.
3. Die Professionen legitimieren sich mit einem bestimmten Wertbezug. Die Ethik einer universalistischen Bearbeitung zentraler gesellschaftlicher Problemlösungen tritt vor ein eventuelles eigenes Selbsterhaltungsinteresse.[1]
Die Grundlage der professionellen Tätigkeit setzt ein privilegiertes Wissenssystem voraus, über dessen angemessene Anwendung nur die Angehörigen der Profession selbst entscheiden
können. Damit kontrollieren sie auch den Zugang zur Profession. Mit Zugang ist die Ausbildung gemeint, aber auch der Ausschluss.[2]
Professionalisierte Soziale Arbeit, beruflich ausgeübt, ist noch keine Profession. Sie ist eher ein Sonderfall besonders qualifizierter und privilegierter Berufe. Klassische Professionen sind Geistliche, Juristen und Ärzte. Ihre Sonderstellung zeigt sich in Merkmalen wie:
- lange Ausbildung (Studium)
- eigenes wissenschaftliches Gebiet als Bezugssystem
- hohe gesellschaftliche Anerkennung und Bezahlung
- besonderer Schutz ihrer Tätigkeit vor fremden Einflüssen (z.B. Unabhängigkeit von Richtern, ärztliche Schweigepflicht)
- eigene Standesethik
- ein Monopol der Berufsausübung auf ihrem Gebiet
Erklärbar wird diese Sonderstellung durch das besondere gesellschaftliche Interesse an Tätigkeiten, die große persönliche Risiken einschließen und deshalb besonders geschützt werden.[3]
Im Sprachgebrauch wird in diesem Kontext häufig das Wort professionell verwendet. Erfordert eine Tätigkeit professionelle Kompetenz, ist gemeint, dass sie nur mit besonderer Übung und Wissen geleistet, aber nicht von jedermann erwartet werden kann. Damit ist aber nicht gesagt, dass eine solche Tätigkeit nur im Rahmen von Berufstätigkeit ausgeübt werden kann. Selbst wer so etwas kann, gehört nicht schon zu einer Profession. Es gibt viele Aufgaben, die in diesem Sinn auf professionelle Weise getan und doch nicht als Beruf ausgeübt werden. Die Freiwillige Feuerwehr, die Telefonseelsorge oder viele Vereinsvorstände beanspruchen selbstverständlich, dass ihre Arbeit professionellen Standards genügt, obwohl sie primär von ehrenamtlichen Kräften geleistet wird. Umgekehrt kann es sein, dass z.B. Einrichtungen sozialer Arbeit mit nur hauptamtlichen Kräften fachliche Standards vernachlässigen, während andere mit ehrenamtlichen Kräften, insbesondere mit Unterstützung von Fachkräften, höchst professionelle Arbeit leisten.[4]
Neben den klassischen Professionen gibt es seit langem viele Berufe, die im genannten Sinn als Profession anerkannt sein wollen, darunter auch die Soziale Arbeit. Dazu gehören auf Personen bezogene Dienstleistungsberufe wie Psychologen, Lehrer, Pflege- und Beratungsberufe, weiterhin anspruchsvollere technische Berufe wie Ingenieure, Informationstechniker, aber auch Berufe, die Persönliches und Technisches verbinden müssen wie z.B. Manager. Welche dieser Berufe es schaffen, als „Profession“ gesellschaftliche Anerkennung und Privilegien zu bekommen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei der Durchsetzungsfähigkeit haben Manager oder Psychologen meist bessere Möglichkeiten als Sozialarbeiter oder Krankenschwestern. Klassische „Männerberufe“ üben mehr Macht als so genannte „Frauenberufe“ aus. Andererseits hängt es von der Begründbarkeit des Anspruchs ab.
Oevermann unterscheidet zwischen der Professionalisierungsbedürftigkeit eines Berufes und seiner Fähigkeit, den Standards einer Profession gerecht zu werden. Professionalisierungs-bedürftig in diesem Sinn ist eine Tätigkeit, die mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit nur von Personen ausgeübt werden kann, welche über einen wissenschaftlich abgestützten professionellen Habitus verfügen, der sie befähigt, auch in Situationen ohne klare Vorgaben unabhängig, sachgerecht und menschendienlich zu handeln und dafür über wissenschaftlich geprüfte Orientierungsinstrumente verfügen. In diesem Sinne wäre Soziale Arbeit professionalisierungsbedürftig. Der Begriff des Habitus verweist darauf, dass es in ihren Feldern weder genügt, wissenschaftliche Erkenntnisse rezeptartig anwenden zu können, noch über eine rein praktische Ausbildung den Habitus eines Handwerkers erworben zu haben, der seine Berufsroutinen beherrscht. Professionell kann Soziale Arbeit vielmehr nur dann genannt werden, wenn sie zwar auch ihr Handwerkszeug beherrscht (durch praktische Erfahrung, Gesetzeskenntnisse, methodisches know how etc.), zugleich aber fähig ist, wie Alice Salomon einst sagte, „Verschiedenes für verschiedene Menschen zu tun“, d.h. Routinen zu verlassen, unorthodoxe Lösungen zu finden, gegen mächtige andere Interessen standfest zu sein, zu enge Handlungsspielräume mit Geduld und Geschick auszubauen.
Solche autonome Kompetenz brauchen Akteure der Sozialen Arbeit nicht nur gegenüber der Bürokratie, dem Recht und der Politik, sondern auch gegenüber den Klienten selbst und nicht zuletzt gegenüber der eigenen Kollegenschaft. Dabei kann die Autonomie nur eine relative sein. Sie schließt Rechenschaft vor diesen drei Instanzen nicht aus, sondern ein.[5]
Hans Albrecht Hesse definiert in seinem Werk „Berufe im Wandel“ „profession“ in Abgrenzung zu den „non-professions“, wie folgt: „(…) calling requiring specialized knowledge and often long and intensive preparation (...), maintaining by force of organization or concerted opinion high standards of achievement and conduct, and committing is members (...) to a kind of work which has for is prime purpose the rendering of a public service.“[6]
Das bedeutet, eine Profession ist ein Beruf, der zeitintensiv und arbeitsaufwändig erlernt werden muss. Anschließend soll er den dadurch erreichten und etablierten Standard halten. Dies sind Voraussetzungen um sein Ziel, den Dienst an der Öffentlichkeit, zu erfüllen. Die drei „klassischen Professionen“ Theologie, Jura und Medizin erfüllen diese Voraussetzungen. Wissenssoziologisch gesehen braucht jeder Beruf eine Lizenz und ein Mandat.
Ein Mandat setzt ein gesellschaftlich anerkanntes Wissen wozu und über welchen Bereich dieser Beruf für gut und nützlich erachtet wird, voraus. Eine Lizenz ist ein gesellschaftliches Wissen darüber, was die Akteure eines Berufes tun dürfen und sollen und über die Voraussetzungen für dieses Handeln.[7]
Bei den Professionen sind die Anforderungen an Mandat und Lizenz besonders hoch, wenn die Berufstätigkeit:
- zentrale und besondere Bereiche des menschlichen Lebens beinhaltet
- den Privat- oder Intimbereich von Menschen betrifft
- besondere Risiken und Verletzungsgefahren für diejenigen Personen einschließt, denen diese Berufe nützen sollen.
Für drei hierfür zutreffende Bereiche haben sich die klassischen Professionen gebildet. Ärzte haben Mandat und Lizenz für alles, was mit dem menschlichen Körper, seiner Gesundheit und ihrer Gefährdung zusammenhängt. Juristen, Rechtsanwälte etc. für alles, was mit den Rechten von Menschen und ihrer Verletzbarkeit in Verbindung steht und schließlich die geistliche Profession, die Mandat und Lizenz für alles, was mit der menschlichen Seele und ihren Gefährdungen zusammenhängt, besitzt.[8]
Aus diesen exklusiven Mandats- und Lizenzzuweisungen lassen sich zwei der wichtigsten Merkmale der klassischen Professionen ableiten. Erstens müssen ihre Akteure besonders kompetent sein, um die jeweiligen sensiblen Lebensbereiche nicht zu schädigen. Zweitens müssen sie in besonderer Weise unabhängig sein. Nicht nur von staatlichen Intuitionen, sondern auch von Instanzen die andere Interessen verfolgen als ihre Klienten, und auch von diesen selbst.[9]
Es lassen sich sieben Kriterien bestimmen, die als Merkmale zur Bestimmung professioneller Berufsgruppen gelten. Diese Kriterien finden sich in ähnlicher und modifizierter Form auch in anderen Fachbüchern wieder[10]:
1. Die Berufsangehörigen sind in einem selbst verwalteten Berufsverband organisiert.
2. Der Berufsverband stellt spezifische Verhaltensregeln in Form einer Berufsethik auf, an die die Professionellen in ihrer Praxis gebunden sind.
3. Die Professionstätigkeit ist durch eine besondere Wissensbasis gekennzeichnet, deren Vermittlung in der Regel in der Hand des Berufsverbandes liegt.
4. Die professionelle Arbeit ist ein Dienst an der Allgemeinheit und auf zentrale gesellschaftliche Werte (Erziehung, Gerechtigkeit, Gesundheit, Seelenheil etc.) bezogen; mit dieser Gemeinwohlorientierung ist das Postulat einer eher altruistischen statt egozentrischen Dienstmotivation verbunden.
5. In der asymmetrischen Beziehung zwischen Professionellen und Klienten fungieren erstere als Experten und können weitgehend autonom entscheiden und gestalten; sie haben ein hohes Verantwortungsbewusstsein für ihre Klienten, erwarten von diesen aber auch Vertrauen in ihre fachliche Kompetenz und moralische Integrität.
6. Durch die hohe Autonomie und Verantwortung genießt die professionelle Arbeit ein hohes Maß an gesellschaftlicher Wertschätzung.
7. Den professionellen Berufen ist in der Regel öffentliche Werbung untersagt.[11]
Diese Merkmale sind für viele weitere Berufe zur Messlatte hinsichtlich einer Professionalisierung geworden.
Um die Vielseitigkeit der verschiedenen Professionstheorien zu veranschaulichen, folgt eine kurze Vorstellung dreier Modelle.
[...]
[1] Hamburger, F.: Professionalisierung. In: Kaller, P. (Hrsg.): Lexikon Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Sozialrecht. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2001, S. 316f
[2] Ebd. S. 317f.
[3] Vgl.: Müller, B.: Professionalisierung. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Wiesbaden 2005, 731ff.
[4] Vgl.: Nittel, D.: Professionalität ohne Profession. In: Kraul, M., Marotzki, W., Schweppe, C. (Hrsg.): Biographie und Profession. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, 2002, S.253ff.
[5] Vgl.: Müller, B.: Professionalität. In Thole, W. (Hrsg.) Grundriss Soziale Arbeit, Wiesbaden 2010, S.955-974
[6] Hesse, H. A.: Berufe im Wandel. Ein Beitrag zum Problem der Professionalisierung. Enke Verlag, Stuttgart 1968, S.17
[7] Müller, B.: Professionalität. In Thole, W. (Hrsg.) Grundriss Soziale Arbeit, Wiesbaden 2010, S.956
[8] Müller, B.: Professionalität. In Thole, W. (Hrsg.) Grundriss Soziale Arbeit, Wiesbaden 2010, S.957
[9] Ebd.
[10] Vgl.: Heiner, M./Kurtz, T./Müller, B.
[11] Kurtz, T.: Berufssoziologie. Transcript-Verlag, Bielefeld 2002, S. 49