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Seminararbeit, 2009
14 Seiten, Note: 2,3
1. Einleitung
2. Inhaltlicheübersicht
3. Nicht - körperliche Gewalt
4. Ursachen für die Gewalt
5. Augenscheinliche Gewalt
5.1 Gewaltszenen vor der endgültigen Rache Kriemhilds (bis 32. Aventiure)
5.2 Gewaltspirale der Rache Kriemhilds (ab 33. Aventiure)
5.3 Die letzte Aventiure
5.4 Resultat der Gewalt
6. Schluss
7. Literaturverzeichnis
Bei der Themenfindung für diese Hausarbeit habe ich mich zuerst recht schwer getan, weil es viele interessante Angebote gab, die mich dennoch nichtüberzeugen konnten, darüber eine Hausabreit zu schreiben. Erst durch einen Vortrag eines Studenten angeregt, entschied ich mich, das Thema der Gewalt im Nibelungenlied näher zu betrachten. Gewalt ist nämlich ein immer aktuelles Thema, alle modernen Actionfilme leben davon und leider müssen dazu viele Menschen im realen Leben Gewalt erleben, wie das jüngste Beispiel des Amoklaufs eines 17- jährigen Schülers wieder zeigt. Es ist also ein aktuelles Thema der Gegenwart, das ich in mei- ner Arbeit gern auf die Vergangenheit, besser gesagt, auf das Mittelalter beziehen will, denn damals schon spielte Gewalt eine große Rolle. Da das Thema auch mit dem Seminarthema „Aussatz, Wunden, Minneleid“ konform sein sollte, ist die Gewalt und die Gewaltspirale im Nibelungenlied eine gute Wahl, da Gewalt, vor allem körperliche Gewalt, Wunden zurück- lässt und diese Gewalt teilweise wegen Minneleid entstand. Doch wo äußert sich diese Ge- walt? Wie spitzt sie sich am Ende der Handlung zu? Wer ist verantwortlich dafür, dass so viel Gewalt ausgeübt wird?
Diese und andere Fragen sollen in dieser Arbeit eine Antwort finden.
Wenn man die Handlung des Nibelungenliedes anschaut, wird man feststellen, dass die trei- bende Kraftüber den handelnden Menschen das Schicksal ist. Aus kleinsten, banalen Anläs- sen heraus entwickelt sich das Verhängnis bis zum grauenhaften Ende aller, sodass sich aus falschen Verhaltensweisen die Verfehlungen und Verstrickungen, die Handlungen und Ge- genhandlungen ergeben, die dich immer stärker gegenseitig vorantreiben, sodass am Ende alle furchtbar untergehen.1 Schon am Anfang wird auf Grund eines Traumes, den Kriemhild hat, die Gewalt, die sich dann durch das ganze Epos zieht, deutlich: Sie träumt, wie sie einen Fal- ken abrichtet, der dann plötzlich von zwei Adlern geschlagen und zerfleischt wird. Dieser Traum fügt ihr schon großes Leid zu.2 Daran sehe ich, dass Gewalt immer untrennbar mit Leid verbunden ist, was sich auch durch die ganze Handlung des Nibelungenliedes zieht.
Die Gewalt wird in diesem Epos erstaunlicherweise nicht nur von Männern, sondern zusätz- lich von Frauen ausgeführt und teilweise repräsentiert. So hat beispielsweise Brünhildüberna- türliche Kräfte, die der Stärke von 12 Männern entsprechen und die sie gern gewaltsam ein- setzt, welche sie aber nach einem harten Kampf mit dem unsichtbaren Siegfried im ihrem Hausarbeit im Mediävistikseminar Aussatz, Wunden, Minneleid Schlafgemach verliert, als sie sich Gunther hingibt. Andererseits führt Kriemhild ihre grausame Rache als Frau durch, wobei sie Anweisungen und Befehle erteilt und schlussendlich Hagen selbst enthauptet.
Neuzeitlich wird Gewalt als jeder vermeidbare Angriff auf menschliche Grundbedürfnisse und das Leben im Allgemeinen definiert, während das Wort Gewalt im Mittelalter noch einen erweiterten Begriffsumfang hatte: es leitet sich von dem Verb waltan ab und bedeutet soviel wie ‚Kraft haben‘, ‚über etwas verfügen‘ oder ‚herrschen‘. Die heutige Bedeutung des Begriffs war folglich nur ein Teilaspekt.3 Wenn man also im Mittelalter von Gewalt spricht, muss man diese Bedeutungen unbedingt in die Betrachtung mit einbeziehen.
Die Gewalt wird, wie gesagt, durch kleine Ereignisse, unscheinbare Angelegenheiten ausge- löst. Da ist als erstes die List Siegfried zu nennen, als er sich bei der Werbung Gunthers um Brünhild als sein Lehnsherr ausgibt, wobei er das Pferd für Gunther dient, ihm hilft und ihm so dient.4 Sie nächste List, die Siegfried an Brünhild begeht, ist das Besiegen in ihren Kampf- disziplinen, bei denen er mit Hilfe der Tarnkappe unsichtbar ist und Gunther sozusagen ge- winnt. Doch schon bei der Doppelhochzeit wird Brünhild skeptisch und will aufgeklärt wer- den, weshalb sie sich Gunther auch verweigert. An dieser Stelle wird sie erneut betrogen: Siegfried setzt wiederholt seine Tarnkappe ein undüberwältigt Brünhild im harten Kampf, so dass sie sich Gunther hingibt.5 Er verhält sich gegenüber Gunther ganz treu, begeht aber den schwerwiegenden Fehler, dass er Kriemhild in diese Geschehnisse einweiht und ihr den Gür- tel und Ring, die er Brünhild gestohlen hat.6 Brünhild ist immer noch unruhig und verwun- dert, dass Siegfried so wenige Dienstleistungen zu erbringen hat. Deshalb lädt sie Siegfried und Kriemhild ein. Doch dabei kommt es zu einem Streit zwischen den beiden Frauen, da Brünhild auf Siegfrieds sich auf Siegfrieds ersten betrug bezieht und Siegfried ja Gunthers Mann sei. Daraufhin hält Kriemhild ihre Schwägerin an, solche Behauptungen zu unterlassen. Dieser Streit steigert sich auch deshalb, weil beide davonüberzeugt sind, dass ihre Männer die Wahrheit verkörpern. Brünhild ist zutiefst beleidigt, dass Hagen, Ortwin und Gernot Ra- che schwören und somit Siegfrieds Tod abmachen. Kriemhild wurde entehrt und durch den Tod Siegfrieds wird sie noch mehr entehrt. Dieser Mord an Siegfried, durch Hagens Gewalt ausgelöst, erfordert Rache. Dass Hagen der Kriemhild dazu noch den Hort raubt, beleidigt sie noch mehr und erfordert erneut Rache und Gegenwehr erfordert. Die Möglichkeit dazu wird Kriemhild dadurch gegeben, dass sie die Werbung Etzels annimmt. Damit erlangt sie nicht Hausarbeit im Mediävistikseminar Aussatz, Wunden, Minneleid nur wieder Ehre und Machtstellung, sondern auch das, was ihr angetan wurde, zu rächen. Jetzt wiederholt Kriemhild eine Handlung Brünhilds: wie diese damals Siegfried und Kriemhild einlud, lädt sie nun die Burgunden zu sich ein. Hagen warnt noch, die Reise nicht anzutreten, da er sich bewusst ist, dass Kriemhild auf Rache sinnt, aber ihm vorgeworfene Feigheit und die Rettung seiner und der Königen Ehre zwingt ihn, doch ins Hunnenland zu reisen. Hier steigert sich die Gewalt dann zunehmend. Hagen ermordet Kriemhilds und Etzels Sohn, er wird schlussendlich von Kriemhild selbst mit dem Balmung-Schwert enthauptet, was dazu führt, dass sie selbst durch das Schwert Hildebrands getötet wird.
Der Erzähler resümiert, dass alle, außer Dietrich und Etzel, von denen es sich zu erzählen lohnte, nun tot sind. Alleüberlebenden weinen.7 Damit ist jede höfische Ordnung, die sonst von Freude gekennzeichnet ist, nun zerstört ist und der Erzähler deshalb nichts mehr zu be- richten wisse.8
Gewalt im Nibelungenlied ist immer nur körperliche Gewalt, sondern ebenso diskursive Ge- walt.9 Generell werden die Frauen, vor allem Kriemhild und Brünhild, als Damen höfischer Abstammung beschrieben und großer Wert auf die Beschreibung ihrer außerordentlichen Schönheit gelegt. Kriemhild wird als vorbildliche höfische Dame eingeführt, die eine aus- nehmende Schönheit, edle Herkunft, Tugendhaftigkeit und Ehre kennzeichnet.10 Auch Brün- hild wird als unbeschreiblich schöne Königin und ungewöhnlich große Kraft besitzend, dar- gestellt.11
Damit wird deutlich, dass Adel und Schönheit den Wert und die Attraktivität einer Frau damals ausmachten. Eine Frau musste ihre ehelichen Pflichten erfüllen, dem Mann eine Zierde sein und ihm Söhne gebären, wodurch sie zum Heiratsobjekt degradiert und damit auf ihren Funktionswert reduziert wird.
Sobald Brünhilds körperliche Gewalt erwähnt und Kriemhild im Zusammenhang mit ihrer Rache beschrieben wird, verschwinden positive Beschreibungen der Frauen. Brünhild wird beispielsweise als edel (V. 393), sch œ ne (V. 417) oder minneclîche (V. 435) beschrieben. Doch als die Beschreibung ihrerüberdimensionalen Kampfgegenstände beginnt (V. 436), wird sie nicht mehr mit solch positiven Attributen bedacht, sondern sogar als tíuvéles wîp (V. 438) beschrieben. Ähnlich verhält es sich auch bei Kriemhild, die im ersten Teil hauptsächlich
Hausarbeit im Mediävistikseminar Aussatz, Wunden, Minneleid
mit é del (V. 2), minneclîchen (V. 3), hôhgemüete (V. 45), sch œ ne (u.a. V. 225), lobelîch (V. 305) und anderen beschrieben wird. Als sie im zweiten Teil Frau, die auf Rache sinnt, dargestellt wird, verschwinden diese positiven Beigaben fast vollständig.12
Diskursive Gewalt äußert sich außerdem in den für das Nibelungenlied typischen epischen Vorausdeutungen. In diesen wird den Frauen schon Schuld für späteres Leid und Gewalt zugesprochen, so z. B. in der 1., 5. oder 13. Aventiure13, oder sie werden als Verursacherinnen dieses Leids bezeichnet. Daran wird deutlich, dass die Schuld den Frauen zugeschoben wird, während jedoch an keiner Stelle wird die Werbung der Männer oder die damit verbundenen eingesetzten Listen in Zusammenhang mit zukünftigen Ereignissen gebracht.14
Gewalt wird immer dann eingesetzt, wenn es um die Wiederherstellung von Ehre oder Recht geht. Ein Beispiel dafür ist Hagen, der alle davor warnt, ins Hunnenland zu reisen, weil er die Rache Kriemhilds befürchtet (V. 1461), aber aus Angst, seine Ehre zu verlieren, dann doch mitreist (V. 1464). Ein anderes Beispiel, wo verletzte Ehre Gewalt auslöst, ist Rüdiger. Als ihm von einem Krieger der Hunnen vorgeworfen wird, dass er in diesem Kampf noch keinen nennenswerten Hieb geschlagen hat, bringt er den hunnischen Krieger sofort mit nur einem Hieb um.15 Außerdem empfindet er das Tragische an dieser ganzen Situation und arg um sein Ansehen, die Reue und seine höfische Erziehung besorgt.16 Kriemhilds Rache wird, wie schon einmal erwähnt, insgesamt von einer Reihe Beleidigungen und ihrer Entehrung durch den Mord an ihrem Mann ausgelöst. Zuerst kränken sich Brünhild und Kriemhild gegenseitig, wobei Brünhild ihre Schwägerin mit eigen diu (V. 838) beschimpft und Kriemhild mit man- nes kebse (V. 839) kontert und damit bekräftigt, dass sie Brünhild ihren Ring zeigt (V. 847). Damit ist Brünhild in der Öffentlichkeit gedemütigt und entehrt. Siegfried leistet noch den Eid, dass Kriemhilds Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen, aber da mit Brünhild das ganze Burgundenland beleidigt ist, wird Siegfrieds Tod ja beschlossen. Weiterhin wurde Brünhild auch durch ihreüberwältigung von Siegfried entehrt.
Kriemhild wird durch den Vorwurf entehrt, ihr Mann sei dem König nicht gleichgestellt. Durch den Mord an ihrem Mann verliert sie nicht nur ihn, sondern vor allem Ansehen und ih- re Machtstellung. Durch den Raub des Nibelungenhortes erfährt sie eine zusätzliche, gestei-gerte Schmähung.
[...]
1 Vgl. F. Maurer, 1969, S. 16
2 Vgl. Nibelungenlied, 1. Aventiure, Vers 13
3 P. Frank, 2004, S. 6f.
4 Vgl. Nibelungenlied, 7. Aventiure, V. 397
5 Vgl. Nibelungenlied, 10. Aventiure, V. 663 - 677
6 Vgl. Nibelungenlied, 10. Aventiure, V. 680
7 Vgl. Nibelungenlied, 39. Aventiure, V. 2377
8 Vgl. J.-D. Müller, Tübingen, 1998, S. 117
9 Vgl. R. Scheuble, Frankfurt a./M., 2005, S. 113
10 Vgl. Nibelungenlied, 1. Aventiure, V. 2 - 3
11 Vgl. Nibelungenlied, 6. Aventiure, V. 326
12 Vgl. R. Scheuble, Frankfurt a./M., 2005, S. 113
13 „ dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp. “ (V. 2); „ dar umbe sît der küene lac vil j æ merlîche tôt. “ (V. 324); „ diu líebe wart sît gescheiden: daz frumte gr œ zlîcher nît.“ (V. 812)
14 Vgl. R. Scheuble, Frankfurt a./M., 2005, S. 115
15 Vgl. Nibelungenlied, 37. Aventiure, V. 2138 - 2142
16 Vgl. Nibelungenlied, 37. Aventiure, V. 2153