Im Rahmen dieser Studienarbeit „Künstliche Riffe zum Schutz vor TsunamiWellen“ wurden von mir die Laborversuche von Strusinska (2007) unterstützt, analysiert und ausgewertet. In Kapitel 2 dieser Arbeit wird der heutige Wissensstand zu dem Themen Tsunamiwellen, Theorie der solitären Wellen, Riffe und hydraulische Prozesse am Riff erläutert. Hierbei ist es unumgänglich, die nichtlinearen Wellentheorien, speziell für diese Arbeit die Theorie der solitären Wellen, zu verstehen, da sich Tsunamiwellen auf dem offenen Meer und somit auch auf Höhe eines Riffes am ehesten durch solitäre Wellen in Versuchen generieren lassen, während man für das Auftreffen der Welle auf die Küste am besten eine Bore generieren sollte. An-schließend werden verschiedenartige Riffe und die besonderen Prozesse, die sich am einen Riff abspielen, erklärt. Kapitel 3 stellt die durchgeführten Versuche mit ihren unterschiedlichen Aufbauten vor. Die Beschreibung des Versuchskanals, der eingesetzten Messtechnik, der unterschiedlichen Riffkonfigurationen sowie des Versuchsprogramms werden hier dargestellt. In Kapitel 4 wird dann die Vorgehensweise der Auswertung sowie die Ergebnisse vorgestellt. Nachdem gezeigt wird, wie die im Wellenkanal generierten Wellen mit den zuvor beschriebenen Wellentheorien übereinstimmen, soll das Brechverhalten der Wellen an den verschiedenen Riffstrukturen beschrieben werden. Ebenso findet eine Untersuchung statt, in wie fern die Riffe eine Generierung zusätzlicher Wellenkomponenten (Solitonen) verursachen. Um die globalen Prozesse an den unterschiedlichen Riffstrukturen beschreiben zu können, werden anschließend die Wellenhöhen vor und hinter den Riffen miteinander verglichen. Der letzte Punkt der Auswertung ist eine Stellungnahme zu den Einflüssen einer vorhandenen Böschung an den Riffen. Auf dieser Grundlage werden schließlich Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Riffstrukturen in Bezug auf den Küstenschutz in einer abschließenden Beurteilung diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Tsunamiwellen
2.1.1 Entstehung
2.1.2 Ausbreitung
2.1.3 Auftreffen auf die Küste
2.1.4 Auswirkungen und Schutz
2.2 Theorie der solitären Wellen
2.3 Riffe als dämpfende Strukturen
2.3.1 Natürliche Riffe
2.3.2 Künstliche Riffe
2.4 Hydraulische Prozesse am Riff
2.4.1 Lokale Prozesse am Riff
2.4.2 Globale Effekte
2.5 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen
2.6 Präzisierung der Aufgabenstellung
3 Versuchsaufbau und Versuchsprogramm
3.1 Beschreibung des Wellenkanals und der Wellenmaschine
3.2 Modellmaßstab und Vordimensionierung
3.3 Riffgeometrien
3.3.1 Riffbreite B=1,00m
3.3.2 Riffbreite B=2,00m
3.4 Messtechnik
3.4.1 Wellenpegel
3.4.2 Druckmessdosen und ADV-Sonden
3.4.3 Videoaufzeichnungen
3.5 Versuchsprogramm
4 Analyse der Versuchsdaten
4.1 Ermittlung der benötigten Wellenparameter
4.2 Vergleich der generierten solitären Wellenprofile mit der Theorie von Boussinesq (1871)
4.3 Lokale Prozesse
4.3.1 Wellenbrechen am Riff
4.3.2 Generierung zusätzlicher Wellenkomponenten („Wellenfission“)
4.4 Globale Prozesse am Riff
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis cxii
Anhang A: Wellenparameter
Anhang B: Wellenbrechen
Anhang C: Generierung zusätzlicher Wellenkomponenten
Anhang D: Globale Prozesse
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: Tsunamiursachen und ihre Häufigkeit (Buchholz, 2006)
Abb. 2.2: Beispiel für die Veränderung der Wellenhöhe einer Tsunamiwelle mit einer Wellenperiode von 150s (nach Ward, 2004)
Abb. 2.3: Entwicklung der Welle am Strand in Abhängigkeit zur Wellenhöhe H (Fenton, 2007)
Abb. 2.4: Multi-Barrieren-Abwehrsystem (Oumeraci, 2006a)
Abb. 2.5: Wellenprofile (Oumeraci, 2006b)
Abb. 2.6: Räumliche Betrachtung der Wasseroberfläche η für solitäre Wellen (Dingemans, 1997)
Abb. 2.7: Zeitliche Betrachtung der Wasseroberfläche η für solitäre Wellen (Dingemans, 1997)
Abb. 2.8: Seitenansicht einer künstlichen Unterwasserstruktur (nach Pilarczyk, 2003)
Abb. 2.9: Draufsicht zweier auf Lücke stehender Riffe (nach Pilarczyk, 2003)
Abb. 2.10: Anwendungsbereiche künstlicher Riffe (nach Bleck, 2006)
Abb. 2.11: Riffbilder mit Riffen unterschiedlicher Funktionen:
a) Künstliches Riff mit Korallensetzlingen (Geocities.com, 1997)
b) Künstliches Riff aus Autoreifen zum Sporttauchen (Geocities.com, 1997)
c) Künstliches Riff zum Surfen, Narrowneck-Project, Gold Coast Australien (The Surf Revolution, 2008)
d) Riff bis oberhalb des Ruhewasserspiegels zum Küstenschutz aus Geotextilien (Pilarczyk, 2003)
Abb. 2.12: Wirkungsweise der künstlichen Riffe auf den Küstenschutz (nach Pilarczyk, 2003)
Abb. 2.13: Materialien der künstlichen Riffe (nach Bleck, 2006)
Abb. 2.14: Künstliche Riffe unterschiedlicher Materialien und Strukturen
a) Ausgesonderte U-Bahn-Waggons (Süddeutsche, 2008)
b) Ausgedienter Flugzeugträger (Wikipedia, 2008a)
c) Alte Autoreifen (Google Bilder, 2009)
d) Versenkung eines alten Flugzeugs (Taucher.net, 2008)
e) Mit Sand gefüllte Geotextilcontainer (Geofabrics, 2005)
f) Verschiedene Betonstrukturen, kleines Bild: Einbau unter Mithilfe von Tauchern (Beton.org, 2009)
Abb. 2.15: Unterwasser-Filtersystem in einem Wellenkanal (tu-berlin.de, 2009)
Abb. 2.16: Diagramm für den Brecherindex Hb/hb [-] nach Goda (2000) in Abhängigkeit zur relativen Wassertiefe und der Strandneigung für regel- mäßige Wellen (nach Oumeraci 2008b)
Abb. 2.17: Brecherformen an flach geneigten Stränden (Oumeraci 2008b)
Abb. 2.18: a) Schwallbrecher (Oumeraci, 2007)
b) Sturzbrecher (Oumeraci, 2007)
Abb. 2.19: Prinzip der Wirbelentstehung (Oumeraci und Bleck, 2001)
Abb. 2.20: Wirbeltypen (nach Oumeraci und Bleck, 2001)
Abb. 2.21: Wirbelbildung unter einer solitären Welle an der Riffvorderkante (nach Lin et al., 2006)
Abb. 2.22: Wirbelbildung unter einer solitären Welle an der Riffhinterkante (nach Lin et al., 2006)
Abb. 2.23: Globale und lokale Effekte an künstlichen Riffen (Bleck, 2003)
Abb. 2.24: Räumliche Darstellung einer solitären Welle über einer Unterwasserstufe mit Böschung
a) Im Bereich x = 0,0m bis 25m
b) Im Bereich x = 25m bis 45m
c) Im Bereich x = 45m bis 72m (nach Madsen und Mei, 1969)
Abb. 2.25: Zeitliche Darstellung einer solitären, nicht brechenden Welle über einer endlichen Unterwasserstruktur der Breite B = 40 m und der Höhe hr = 0,80 m (nach Lin 2004)
a) Am Wellenpegel WP 1 bei x = 1m
b) Am Wellenpegel WP M bei x = 69 m
c) Am Wellenpegel WP 2 bei x = 99 m
Abb. 2.26: Zeitliche Darstellung einer solitären, brechenden Welle über einer endlichen Unterwasserstruktur der Breite B = 40 m und der Höhe hr = 0,80 m (nach Lin 2004)
a) Am Wellenpegel WP 1 bei x = 1m
b) Am Wellenpegel WP M bei x = 69 m
c) Am Wellenpegel WP 2 bei x = 99 m
Abb. 2.27: Entwicklung des Wellenprofils einer solitären Welle an einer 53 dreieckigen Unterwasserstruktur (Seabra-Santos et al., 1987)
Abb. 2.28: Einflussfaktoren auf die Wellentransformation an künstlichen Riffen
Abb. 3.1: Zwillingswellenkanal des Leichtweiß-Institut (Leichtweiß-Institut, 2009)
Abb. 3.2: Aufnahmen der Stahl-Holzkonstruktionen des Riffes
Abb. 3.3: a) Aufnahme Anschluss Riff-Betonsohle
b) Aufnahme Riffhinterkante mit Böschung
Abb. 3.4: Riffkonfiguration bei 1,00m Breite (Zeichnungen nicht maßstäblich)
Abb. 3.5: Riffkonfiguration bei 2,00m Breite (Zeichnungen nicht maßstäblich)
Abb. 3.6: Anordnung der Wellenpegel als Beispiel einer Versuchsanordnung (Strusinska, 2007)
Abb. 3.7: Positionen der Videokameras
Abb. 3.8: Positionen der Videokamera 1:
a) Oberhalb des 1. Glasfensters (Video 1a)
b) Neben dem 1. Glasfenster (Video 1b)
Abb. 3.9: Aufnahme der Wandmarkierungen
Abb. 3.10: Positionen der Videokamera 2:
a) Von der Brücke aus (Video 2a)
b) Aus dem 1,00m Kanal (Video 2b)
Abb. 4.1: Beispiel für die Zusammensetzung einer Versuchsnummer
Abb. 4.2: Definitionen der einlaufenden generierten Wellenhöhen (nach Strusinska, 2007)
Abb. 4.3: Vergleich der generierten Wellenhöhe Hi,nom=0,06m mit der Theorie nach Boussinesq (1871)
Abb. 4.4: Vergleich der generierten Wellenhöhe Hi,nom=0,12m mit der Theorie nach Boussinesq (1871)
Abb. 4.5: Vergleich der generierten Wellenhöhe Hi,nom=0,18m mit der Theorie nach Boussinesq (1871)
Abb. 4.6: Vergleich der generierten Wellenhöhe Hi,nom=0,24m mit der Theorie nach Boussinesq (1871)
Abb. 4.7: Fotoaufnahmen eines Schwallbrechers (B=1,00m; hr=0,50m; Hi,nom=0,18m; h=0,60m; rechteckiges Riff)
Abb. 4.8: Beispiel einer zeitlichen Darstellung des Wellenprofils bei einem Schwallbrecher
Abb. 4.9: Fotoaufnahmen eines Sturzbrechers (B=2,00m; hr=0,50m; Hi,nom=0,24m; h=0,60m; trapezförmiges Riff)
Abb. 4.10: Beispiel einer zeitlichen Darstellung des Wellenprofils bei einem Sturzbrecher
Abb. 4.11: Brechkriterien nach Hara et al. (1992) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für trapezförmige Riffe mit den Riffbreiten B=1,00m und B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.12: Brechkriterien nach Hara et al. (1992) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für rechteckige Riffe mit den Riffbreiten B=1,00m und B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.13: Brechkriterien nach Iwata (1996) im Vergleich zu den Versuchs- ergebnissen für trapezförmige Riffe mit den Riffbreiten B=1,00m und B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.14: Brechkriterien nach Iwata (1996) im Vergleich zu den Versuchs- ergebnissen für rechteckige Riffe mit den Riffbreiten B=1,00m und B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.15: Brechkriterium für un-/regelmäßige Wellen nach Oumeraci und Bleck (2001) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für ein trapez- förmiges Riff mit der Riffbreite B=1,00m für Hi,1
Abb. 4.16: Brechkriterium für un-/regelmäßige Wellen nach Oumeraci und Bleck (2001) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für ein trapez- förmiges Riff mit der Riffbreite B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.17: Brechkriterium für un-/regelmäßige Wellen nach Oumeraci und Bleck (2001) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für ein recht- eckiges Riff mit der Riffbreite B=1,00m für Hi,1
Abb. 4.18: Brechkriterium für un-/regelmäßige Wellen nach Oumeraci und Bleck (2001) im Vergleich zu den Versuchsergebnissen für ein recht- eckiges Riff mit der Riffbreite B=2,00m für Hi,1
Abb. 4.19: Entwicklung der solitären Welle; Wellenhöhe Hi,nom=0,06m; ohne Riff
Abb. 4.20: Entwicklung der solitären Welle; Wellenhöhe Hi,nom=0,12m; ohne Riff
Abb. 4.21: Entwicklung der solitären Welle; Wellenhöhe Hi,nom=0,18m; ohne Riff
Abb. 4.22: Entwicklung der solitären Welle; Wellenhöhe Hi,nom=0,24m; ohne Riff
Abb. 4.23: Wellenspaltung für Riffhöhe hr=0,40m; Wellenhöhe Hi,nom=0,12m und Riffbreite B=1,00m mit Böschung
Abb. 4.24: Veränderung der Wellenhöhen aller Versuche bei einer Riffhöhe hr=0,30m
Abb. 4.25: Veränderung der Wellenhöhen aller Versuche bei einer Riffhöhe hr=0,40m
Abb. 4.26: Veränderung der Wellenhöhen aller Versuche bei einer Riffhöhe hr=0,50m
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1: Entwicklung der Tsunamiwelle vom Tiefwasser ins Flachwasser (International Tsunami Information Center Honolulu, 2006)
Tab. 2.2: Klassifizierung der Brechertypen nach Battjes (1974) (Oumeraci und Bleck, 2001)
Tab. 2.3: Vergleich der Grenzen der Brechertypen mit/ohne Riff (Oumeraci und Bleck, 2001)
Tab. 3.1: Versuchsprogramm
Tab. 4.1: Mittelwerte der Wellenhöhen Hi,1, Hi,2 und Hi,3 aller Versuche (mit/ohne Riffböschung)
Tab. 4.2: Parameter der solitären Welle für Hi,nom
Tab. 4.3: Parameter der solitären Welle für Hi,1
Tab. 4.4: Zusammenfassung der Brecherbedingungen an den 1,00m breiten Riffen
Tab. 4.5: Zusammenfassung der Brecherbedingungen an den 2,00m breiten Riffen
Tab. 4.6: Dimensionslose Parameter für die Brechkriterien für Hi,1 aller Versuche (h=0,60m)
Tab. 4.7: Dimensionsloser Parameter γ für die Brechkriterien nach Hara et al. (1992)
Tab. 4.8: Charakteristiken der Wellenfission bei einer Riffbreite B=1,00m (h=0,60m)
Tab. 4.8: Fortsetzung
Tab. 4.9: Charakteristiken der Wellenfission bei einer Riffbreite B=2,00m (h=0,60m)
Tab. 4.9: Fortsetzung
Tab. 4.9: Fortsetzung
Tab. 4.10: Maximale Transmissionskoeffizienten der einzelnen Riffhöhen (ohne Böschung)
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Am 26. Dezember 2004 geschah eine der schlimmsten Tsunamikatastrophen der Menschheit. Damals löste ein Seebeben der Stärke 9,3 auf der Richterskala im Indischen Ozean vor der Insel Sumatra einen Tsunami aus. Die Zahl der Opfer wurde Jahre später auf circa 300.000 Menschen geschätzt (Bormann, 2008a). Neben den zahlreichen Todesopfern hinterließ die Welle auch enorme ökonomische, ökologische sowie kulturelle Schäden. Über sechs milliar- den Dollar wurden damals weltweit gespendet, um die betroffenen Regionen zu unterstützen.
Das Unglück verdeutlichte, dass es noch einige Lücken in dem Wissen über Tsunamiwellen gab. Auf der einen Seite war man auf so einen Extremfall in keinster Weise vorbereitet. Zum anderen überraschte es, wie unterschiedlich die Auswirkungen der Welle auf die verschiede- nen Küstenregionen waren. Aufgrund dessen entwickelte Oumeraci (2006a) eine Strategie gegen große Tsunamiwellen, die „Divide-and-Rule Defence Strategy Against Major Tsuna- mi“. In seinen Ausführungen trägt er bauliche sowie natürliche Barrieren zu einem „mehrstu- figen Abwehrraum“ zusammen.
Den ersten Abschnitt zur Abwehr von Tsunamiwellen nach dem oben genannten Konzept stellen die künstlichen Riffe dar. Sie sollen die Energie der Tsunamiwelle noch vor dem Auf- treffen auf die Küste dämpfen, indem sie die Welle durch die geringe Wassertiefe über ihrer Riffkrone zum Brechen bringen. Die Möglichkeiten der Anwendung künstlicher Riffe zur Dämpfung von Tsunamiwellen untersuchte Strusinska (2007) in Laborversuchen. Im Hin- blick auf Wellenbrechen und Fission der Tsunamiwellen wurde die hydraulische Wirkung begrenzter künstlicher Riffe in Modellversuchen untersucht, um die Ergebnisse mit Compu- tersimulationen zu vergleichen.
Im Rahmen dieser Studienarbeit „Künstliche Riffe zum Schutz vor Tsunami-Wellen“ wurden von mir die Laborversuche von Strusinska (2007) unterstützt, analysiert und ausgewertet. In Kapitel 2 dieser Arbeit wird der heutige Wissensstand zu dem Themen Tsunamiwellen, Theo- rie der solitären Wellen, Riffe und hydraulische Prozesse am Riff erläutert. Hierbei ist es unumgänglich, die nichtlinearen Wellentheorien, speziell für diese Arbeit die Theorie der soli- tären Wellen, zu verstehen, da sich Tsunamiwellen auf dem offenen Meer und somit auch auf Höhe eines Riffes am ehesten durch solitäre Wellen in Versuchen generieren lassen, während man für das Auftreffen der Welle auf die Küste am besten eine Bore generieren sollte. An- schließend werden verschiedenartige Riffe und die besonderen Prozesse, die sich am einen Riff abspielen, erklärt.
Kapitel 3 stellt die durchgeführten Versuche mit ihren unterschiedlichen Aufbauten vor. Die Beschreibung des Versuchskanals, der eingesetzten Messtechnik, der unterschiedlichen Riff- konfigurationen sowie des Versuchsprogramms werden hier dargestellt.
In Kapitel 4 wird dann die Vorgehensweise der Auswertung sowie die Ergebnisse vorgestellt. Nachdem gezeigt wird, wie die im Wellenkanal generierten Wellen mit den zuvor beschriebe- nen Wellentheorien übereinstimmen, soll das Brechverhalten der Wellen an den verschiede- nen Riffstrukturen beschrieben werden. Ebenso findet eine Untersuchung statt, in wie fern die Riffe eine Generierung zusätzlicher Wellenkomponenten (Solitonen) verursachen. Um die globalen Prozesse an den unterschiedlichen Riffstrukturen beschreiben zu können, werden anschließend die Wellenhöhen vor und hinter den Riffen miteinander verglichen. Der letzte Punkt der Auswertung ist eine Stellungnahme zu den Einflüssen einer vorhandenen Böschung an den Riffen.
Auf dieser Grundlage werden schließlich Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Riff- strukturen in Bezug auf den Küstenschutz in einer abschließenden Beurteilung diskutiert.
2 Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel umfasst den heutigen Wissensstand über die Tsunamiwellen, der Theorie der solitären Wellen, der Riffe und den hydraulischen Prozessen an einem Riff. Es ist in vier Ab- schnitte unterteilt. Zuerst werden die Tsunamiwellen beschrieben. Dieser Teil gliedert sich in Entstehung, Ausbreitung, Auftreffen auf die Küste und Auswirkungen und Schutz. Danach befasst sich der zweite Teil mit der Theorie der solitären Wellen. Der dritte Abschnitt handelt von den verschiedenen Unterwasserriffen. Hierbei soll vor allem auf die künstlichen Riffe eingegangen werden, während im letzten Abschnitt die hydraulischen Prozesse an diesen künstlichen Riffen erörtert werden.
2.1 Tsunamiwellen
Tsunamis sind unkontrollierbare Naturphänomene, die nicht selten verheerende Auswirkun- gen auf Mensch und Natur zur Folge haben. Der Name Tsunami stammt aus dem Japanischen. Übersetzt heißt es: „Die Hafenwelle“. Die japanischen Fischer konnten die Welle auf offener See nicht bemerken. Da Japan über eine Tiefseesteilküste verfügt, bildeten sich die riesigen Wellen erst kurz vor der Uferlinie aus, und verwüsteten oftmals den kompletten Hafen (Buch- holz, 2006).
2.1.1 Entstehung
Die Hauptursachen für Tsunamiwellen und ihre Häufigkeiten sind in der folgenden Abbildung 2.1 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Tsunamiursachen und ihre Häufigkeit (Buchholz, 2006)
Die häufigste Ursache für Tsunamis stellen die Erdbeben, bzw. die Seebeben, mit 75% dar. Das GeoForschungsZentrum Potsdam setzt diesen Wert sogar auf knapp 90%. Jedoch resul- tiert nicht aus jedem Seebeben eine riesige Tsunamiwelle. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem Seebeben ein Tsunami entsteht, wird auf 1% - 10% geschätzt. Zunächst bedarf es ei- nem Beben der Stärke 7 oder mehr auf der Richterskala. Desweiteren ist ein oberflächennahes Hypozentrum in der Subduktionszone erforderlich. Das heißt, der Entstehungsort des Bebens sollte so nahe wie möglich am Meeresgrund liegen und zwar in der Subduktionszone, wo sich die tektonischen Platten übereinander schieben. Hierbei handelt es sich um das schlagartige Entladen mechanischer Spannungen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg aufgebaut ha- ben. Als zusätzliche Bedingung muss sich der Meeresgrund vertikal verschieben (Wikipedia, 2008a). Die Energie wird dabei in die darüber liegende Wassermasse freigegeben, und verur- sacht einen Wellenberg, der sich sternenförmig in alle Richtungen in Form einer langen Welle aufteilt. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit für solche Seebeben liegt heute bei etwa 60% - 70%. Während direkte Zerstörungen zu den Primärfolgen von Erdbeben zählen, handelt es sich bei Tsunamiwellen um Sekundärwirkungen. Als weitere Sekundärfolge der Beben gelten Hangrutsche, welche wiederum als Ursache für Tsunamis mit 8% an zweiter Stelle stehen (Buchholz, 2006).
Hangrutsche entstehen, wenn die Lagerung der Gesteinsmassen instabil wird. Neben der geo- logischen Lagerung ist ebenso das Wissen über die örtliche geomorphologische Dynamik wichtig. Kommt es zu einem Erdrutsch unter Wasser, so entstehen parallel zu dem Rutsch Wellen in den jeweils zwei zueinander entgegengesetzten Rutschrichtungen. Es handelt sich demnach um gerichtete Wellen, die je nach Größe des Rutsches an Land größer sein können, als die Wellen von Erdbeben (Buchholz, 2006).
Am dritthäufigsten werden Tsunamiwellen infolge eines Vulkanausbruchs in Meeresnähe zu 5% verursacht. In der Vergangenheit wurden 65 durch Eruptionen verursachte Tsunamis ge- zählt. Hierbei können zum Teil größere Wellen entstehen als bei Seebeben, wenn entweder große Magmamengen oder ganze Teile von Bergflanken ins Meer stürzen. Mit modernster Technik, sowie dem Wissen über die Vorgeschichte des Vulkans können Vulkanausbrüche eher vorausgesagt werden als Seebeben. Besonders kritisch werden die Vulkane auf der Kana- reninsel La Palma und auf Hawaii beim Kilauea betrachtet, da dort mit dem Absturz einer Bergflanke zu rechnen ist (Buchholz, 2006).
Durch einen Meteoriteneinschlag werden nur 2% aller Tsunamiwellen verursacht. Die Aus- maße eines solchen Tsunami hängen hier zum Einen von der Meerestiefe ab, in die der Me- teorit eindringen kann, und zum Anderen von der Masse und Geschwindigkeit des Objektes. Je tiefer das Wasser ist, umso größer werden die dabei entstehenden Wellen. Aus einer Simu- lation eines Meteoriteneinschlages mit einem Durchmesser von 200 m, einer Dichte von 3 g/cm3 (Stein) und einer Geschwindigkeit von 20 km/s gingen folgende Ergebnisse hervor:
In 300 Sekunden breitete sich eine im Ursprung 325m hohe Welle mehr als 50km weit aus. Die kinetische Energie betrug 1.581 Megatonnen TNT. Nach 500km betrug die Welle noch etwa 10m (Buchholz, 2006).
Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Meteorit der Größe 50m - 300m auf die Erde einschlägt, wird auf etwa einmal alle paar hundert Jahre geschätzt. Da ca. 71% der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, ist es durchaus denkbar, dass dieser Meteorit einen Tsunami verursacht (Buchholz, 2006).
Die restlichen 10% aus der Abbildung 2.1 haben eine unbekannte Ursache.
2.1.2 Ausbreitung
Wie schon erwähnt, breitet sich ein Tsunami im Idealfall vom Entstehungsort in alle Richtun- gen gleich aus. Eine unterschiedliche Ausbreitung stellt jedoch den Regelfall dar, weil jedes Gebiet für sich über eine unterschiedliche Unterwassertopographie sowie einer unterschiedli- chen Küstenlinie verfügt. Spezielle Unterwasserprofile können durch Refraktion Tsunamiwel- len so steuern, dass sie verstärkt auf einzelne Küstenbereiche auftreffen, während andere Küs- tenabschnitte weitgehend verschont bleiben. Aber auch der Impuls kann ausschlaggebend sein, wenn er zum Beispiel wie bei einem Hangrutsch richtungsorientiert ist. Dies erhöht die Schwierigkeit, verlässliche Modelle zur Generierung eines Tsunami zu erstellen (Buchholz, 2006 und Bormann, 2008a).
Auf offener See ist es nicht möglich in tiefen Regionen eine Tsunamiwelle zu bemerken, da ihre Amplituden in der Regel kleiner als einen Meter sind und sie zudem über eine Wellen- länge von bis zu 500km verfügen können. Ihre Geschwindigkeit ist unabhängig von ihrer Wellenlänge, da es sich bei den Tsunamiwellen um Flachwasserwellen handelt. „Die Disper- sion nimmt mit flacher werdendem Wasser (h/L kleiner!) ab, so dass die Wellenschnelligkeit im Flachwasser nur von der Wassertiefe h abhängig ist“ (Oumeraci, 2008a). Die Geschwin- digkeit c einer Welle wird im Flachwasserbereich (h/L < 0,05) nur von der Wassertiefe be- einflusst, wie die Gleichung 2.1 zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Welle wird demnach mal beschleunigt und mal verlangsamt. Ebenso ist die Welle wäh- rend ihrer gesamten Ausbreitung den Prozessen der Refraktion, Shoaling und Reflektion aus- gesetzt. Da es sich bei den Tsunamiwellen jedoch aufgrund ihrer enormen Wellenlängen um Flachwasserwellen handelt, bewegt sich die komplette Wassersäule. Die Welle verfügt somit über ein gewaltiges Potential an Energie, welches nur bedingt abgebaut wird, da die Rei- bungsverluste vernachlässigbar klein sind. Die Wellenperiode der durch Erdbeben generierten Tsunamis kann zwischen zehn Minuten und zwei Stunden liegen. Die Perioden der anders verursachten Tsunamiwellen hingegen bemessen sich lediglich auf eine Viertelstunde (Bor- mann, 2008a).
Die Veränderung der Wellenhöhe einer Tsunamiwelle mit einer Wellenperiode von 150s be- dingt durch Shoaling kann der Abbildung 2.2 entnommen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Beispiel für die Veränderung der Wellenhöhe einer Tsunamiwelle mit einer Wellenperiode von 150s (nach Ward, 2004)
Das Shoaling beschreibt die Erhöhung der Wellenhöhe. Aus einem 4000m tiefen Wasserbe- reich kommt eine Welle, dessen Wellenhöhe in diesem Bereich gleich eins gesetzt wird. Je flacher das Wasser wird, umso mehr büßt die Welle an Geschwindigkeit ein, und umso mehr wächst ihre Wellenhöhe. Die Welle ist hier bei jeder Wassertiefe dem Shoaling ausgesetzt. Bei einer Wassertiefe von 125m ist die Wellehöhe um den Shoaling-Koeffizienten Ks=2 an- gewachsen. Da diese Abbildung jedoch von einem zur Küstenlinie orthogonalen Wellenang- riff ausgeht und auch sonst keine weiteren Faktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Unterwassertopographie oder mögliche Tidephasen, können bei Tsunamiwellen Shoaling- Koeffizienten Ks≥4 auftreten (Ward, 2004). Dieser enorme Anstieg der Wellenhöhe resultiert daraus, dass die Energie einer Tsunamiwelle, aufgrund der nachfolgend erklärten Effekte der Dispersion von Wellen, in einen engeren Bereich gepresst wird. Die Wellenenergie wird also beim Auftreffen auf die Küstenlinie komprimiert. Aufgrund ihrer großen Wellenlängen „shoa- len“ und „refraktieren“ Tsunamiwellen sogar im tiefsten Ozean.
Die nachfolgende Tabelle spiegelt die Entwicklung der Wellengeschwindigkeit und der Wel- lenlänge von dem Ort des Entstehens bis zum Auftreffen auf die Küste wieder.
Tabelle 2.1: Entwicklung der Tsunamiwelle vom Tiefwasser ins Flachwasser (International Tsunami Information Center Honolulu, 2006)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Tabelle zeigt deutlich die Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Wassertiefe. Dies zeigt auch die Gleichung 2.1, in der die Wellenschnelligkeit c nur von der Wassertiefe h ab- hängig ist. Je flacher das Wasser wird, umso langsamer breitet sich die Welle aus. In noch tieferen Regionen sind durchaus Höchstgeschwindigkeiten von über 1000 km/h zu erreichen. Die Wellenlänge L verhält sich zu der Wassertiefe ähnlich wie die Geschwindigkeit. Für Flachwasserwellen errechnet sie sich mit folgender Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Während auf offener See Längen von bis zu 500km vorkommen, reduzieren sie sich im Küs- tenbereich auf wenige Kilometer. Diese beiden Effekte der Dispersion sind bei Tsunamiwel- len deutlich ausgeprägter als bei normalen Wellen, da die Tsunamiwellen über eine quasi unendlich lange Wellenlänge L verfügen.
2.1.3 Auftreffen auf die Küste
Beim Auftreffen auf die Küste können der Wellenauflauf (Run-up) und die Überflutungen von Ort zu Ort sehr verschieden sein. Je nachdem, ob zuerst der Wellenberg oder das Wellental der Tsunamiwelle die Küste erreicht, spricht man von einer positiven bzw. negativen Welle. Die negativen Wellen, also dort, wo das Wellental zuerst die Küste erreicht, haben ein anfäng- liches Zurückweichen der Uferlinie gemeinsam. Dieses Zurückweichen der Uferlinie kann mehrere hundert Meter betragen. Wenige Minuten später erreicht dann der erste Wellenberg die Küstenlinie. Ihm folgen weitere Wellen des Tsunamipaketes. Während die negativen Wel- len einen Abfall des Wasserspiegels verzeichnen, geht den positiven Wellen ein rascher Ans- tieg des Wasserspiegels voraus. „Ob der der Meeresspiegel ansteigt oder absinkt, ist abhängig von der Art und räumlichen Orientierung des Anregungsvorgangs, der Ausbreitungsrichtung der Wellen, der Orientierung von Küstenbuchten und anderen Einflüssen“ (Bormann, 2008a, S. 4).
Gewöhnliche Wellenhöhen von Tsunamiwellen sind um die 10m hoch. An Tiefseesteilküsten können es durchaus 50m werden, während in einem Fjord schon Wellen über 100m hoch beo- bachtet wurden (Wikipedia, 2008a). Einer Statistik des GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam nach zufolge treten in einem Zeitraum von 10 Jahren weltweit folgende Run-up- Höhen auf (Bormann, 2008a):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den wenigsten Fällen brechen die Tsunamiwellen im Küstenvorfeld. Hierbei wird ein Teil der Wellenenergie dissipiert, bevor die Welle den Strand erreicht. Kommt es jedoch zu kei- nem Brechen der Wellen, so branden sie mit Geschwindigkeiten von 5 - 8 m/s am Strand, wo sie in Form einer turbulenten Bore ihre enorme Kraft entfalten können (Bryant, 2001).
Die nachfolgende Abbildung 2.3 zeigt wie sich eine positive Tsunamiwelle beim Auftreffen auf die Küste verhält.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.3: Entwicklung der Welle am Strand in Abhängigkeit zur Wellenhöhe H (Fenton, 2007)
Die Abbildung 2.3 c zeigt, dass sich die Wellen mit zunehmender Wellenhöhe zu einer Bore formatieren und auf die Küste treffen. Dies geschieht bei Wellenhöhen ab 5 Metern. Die Wel- len steilen sich bis zur Küstenlinie auf, brechen und bilden eine Bore. Aus diesem Grunde sollten Tsunamiwellen in Modellversuchen als Bore generiert werden, wenn das Auftreffen der Welle auf die Küste Gegenstand der Untersuchung ist. Da sich diese Arbeit mit dem Ver- halten der Wellen an Riffen beschäftigt, und sich diese weiter draußen auf dem Meer befin- den, sind die Wellen in diesen Modellversuchen als solitäre Welle generiert worden.
Die 2m - 5m hohen Wellen steilen sich ebenfalls auf, teilen sich dann aber an der Küstenlinie in mehrere einzelne Wellen in Form von unruhigen/gestörten Boren („Undular Bore“) auf (Abb. 2.3 b). Die kleinsten Wellen (H<2m) steilen sich hingegen nicht nennenswert auf (Abb. 2.3 a). Hier passiert eher ein sukzessives Auf- und Ablaufen der Welle am Strand (Fenton, 2007).
Neben dem extremen Wellenhöhen bilden sich in Küstennähe ebenso Stokes-Strömungen aus. Da die Wellenhöhe gegenüber der Wassertiefe nicht mehr vernachlässigbar klein ist, geht ein Teil der Schwingung des Wassers in eine horizontale Bewegung über. Diese Strömungen be- deuten oftmals einen höheren Grad der Zerstörung als die hohe Amplitude der Welle (Wiki- pedia, 2008a).
Eine weitere Ursache für die enormen Schäden an der Küstenlandschaft ist die Tatsache, dass starke Tsunamiwellen mehrere Kilometer weit ins Landesinnere reichen können. Die meisten Wellen jedoch schaffen es nur bis auf einige wenige hundert Meter. Begünstigt wird das Ereignis des tieferen Eindringens in das Hinterland der Küste vor allem von der Topographie der Landschaft. Die Eigenschaften der Welle spielen hier eher eine untergeordnete Rolle. Stärkere, höhere Wellen dringen hierbei zwar weiter in das Landesinnere ein als schwächere Wellen. Es bedarf jedoch immer einer flachen Küstenlandschaft für das weite Eindringen der Wellen. Flache Landschaften sind somit besonders gefährdete Regionen (Bormann, 2008a).
Nachdem die Welle eine Küstenregion überflutet hat, erfolgt der Rückstrom. Dieser reißende Strom stellt eine ernsthafte Gefahr dar. Alles was vorher von der Welle zerstört und losgeris- sen wurde, wird von dem Rückstrom mit auf das offene Meer gezogen. Je weiter die Welle vorher in das Hinterland eindringen konnte, desto mehr Sachen können zerstört und losgeris- sen werden, und desto mehr Gegenstände können im Rückstrom für erneute Schäden sorgen.
Die Ausmaße der Zerstörungen einer Tsunamiwelle hängen demnach von mehreren Faktoren ab. Zum einen verursachen höhere Wellen das Auftreffen einer turbulenten Bore, die zusam- men mit den Stokes-Strömungen für erheblichen Schaden sorgen. Zum anderen ist ein weites Eindringen der Welle in das Hinterland für eine größere Anzahl an Schäden verantwortlich. Der Rückstrom stellt den letzten Faktor für die Ausmaße der Zerstörung dar.
2.1.4 Auswirkungen und Schutz
Die Folgen einer Tsunamiwelle lassen sich in Primär- und Sekundärschäden unterscheiden. Primärschäden entstehen unmittelbar während des Auftreffens der Welle auf die Küste. In erster Linie sind oftmals eine Vielzahl von Toten und Verletzten zu beklagen. Wer sich nicht rechtzeitig auf höher gelegene Plätze retten kann, wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der brandenden Bore ertrinken, von zerstörtem Treibgut erschlagen werden oder von der Rück- strömung mit auf das offene Meer gezogen und schließlich dort ertrinken.
Neben den Menschenleben können unzählige Häuser bis hin zu ganzen Landstrichen verwüs- tet werden. Nennenswerte Schäden können hierbei schon von Tsunamiwellen mit Run-up- Höhen von 2 m und mehr hervorgerufen werden:
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Hinzu kommt, dass die betroffenen Regionen so gut wie über keine Schutzeinrichtungen ge- gen Überflutungen verfügen. Handelt es sich dann noch um flache Länder, so reicht es auch einer 2m hohen Welle gelingen, mehrere hundert Meter in das Landesinnere einzudringen.
Einzig und allein solide Stahlbetonkonstruktionen sind in der Lage, gegen Tsunamiwellen von mindestens 5m Wellenhöhe widerstehen zu können (Bormann, 2008a). In allen anderen unzu- reichend standhaften Gebäuden besteht demnach durchaus die Gefahr, verschüttet zu werden.
Des weiteren werden oftmals Boote und Industriegüter aus Häfen weggespült sowie öffentli- che Hilfsmittel und infrastrukturelle Einrichtungen wie Verkehrswege und Stromversorgun- gen zerstört, so dass die gesamte Wirtschaft schlagartig zum Erliegen kommt (IOCder UNESCO, 2006).
Unter den Spätfolgen einer Tsunamikatastrophe haben die betroffenen Regionen noch Monate später zu leiden. Nach einem solchen Ereignis leidet die Bevölkerung unter Armut. Viele Menschen verlieren ihr gesamtes Eigentum. Hinzu kommen Hunger und Durst. Die Trinkwas- serreserven sind verschmutzt und die Lebensmittelvorräte zerstört. Durch eine Versalzung der Böden ist die betroffene Region nicht in der Lage Landwirtschaft zu betreiben, und somit Le- bensmittel zu produzieren. Massengräber müssen ausgehoben werden, um der Ausbreitung von Krankheiten und Epidemien entgegenzuwirken. Die medizinische Versorgung der Ver- letzten wird durch die zerstörte Infrastruktur erschwert. Zu all diesen Folgen kommt noch die psychische Belastung der Menschen hinzu. Es wird deutlich, dass die betroffenen Regionen und Länder so eine Katastrophe nicht ohne Hilfe aus dem Ausland bewältigen können (IOCder UNESCO, 2006; Wikipedia, 2008a).
Wo noch keine Schutzeinrichtungen vorhanden sind, könnte man auf die Warnsignale der Natur achten, die eine Tsunamiwelle ankündigen können. Während der Rückzug des Meeres vor der ersten Welle oftmals als erstes Anzeichen angesehen werden kann, stellen die Verhal- tensweisen der dort einheimischen Tierwelt wesentliche Warnsignale dar. Tiere nehmen sol- che Ereignisse schon wesentlich früher war, und zeigen dies, indem sie unruhig werden und sich in höher liegende Bereiche zurückziehen. Weg von der Küste sollte dann ebenso ein Grundsatz für die Bevölkerung sein. An Land sollten höher liegende Gebiete aufgesucht wer- den. Im Wasser hingegen führt der Fluchtweg raus auf das offene Meer (Wikipedia, 2008a; Bormann, 2008b).
Zu den technischen Schutzmaßnahmen zählen vor allem die Frühwarnsysteme. Hierbei han- delt es sich um Systeme bestehend aus seismischen Sensoren, Ozean-Bojen und GPS- Technologie. Aufschluss über ein Seebeben geben seismische Wellen, die sich 20 - 30 mal schneller verbreiten als Meereswellen. „So hatten die ersten Ausläufer des Sumatra-Erdbebens von 2004 nach 12 Minuten Potsdam erreicht und wurden dort aufgezeichnet“ (Bundesministe- rium für Bildung und Forschung, 2008). Sie werden von den seismischen Stationen aufge- zeichnet, die an verschiedenen Stellen auf dem Meeresboden installiert sind. Es gibt Orte, an denen Stunden vergehen zwischen seismischer Welle und Ankunft des Tsunami. Da nicht jedes Seebeben eine Tsunamiwelle verursacht, werden die seismischen Stationen mit GPS- Stationen und Ozean-Bojen zu einem weit und dicht verbreiteten Netz ergänzt. Die GPS- Stationen nehmen Verschiebungen der Erdoberfläche im Zentimeterbereich auf. Diese Daten lassen sich ebenso auf den Meeresboden hochrechnen. Zusammen mit den Ozean-Bojen, die die Auslenkung des Meeresspiegels erfassen, lässt sich eine präzise Tsunamigefahr vorhersa- gen. Ein solches Tsunami-Warnsystem besteht bereits für den Pazifischen Ozean seit 1965. Seinen Sitz hat das PTWC(Pacific Tsunami Warning Center) in Honolulu, Hawaii. Für ande- re Regionen, wie den Indischen Ozean, befinden sich solche Systeme noch im Aufbau unter Koordination der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC) der UNESCO. Wird eine Warnung ausgesprochen, so bedarf es noch eines effektiven Kommunikationssystems in den betroffenen Regionen. Staaten wie Indonesien weisen hier erhebliche Defizite auf (Wiki- pedia, 2008a).
Frühwarnsysteme stellen somit ein geeignetes Mittel dar, um Regionen frühzeitig evakuieren zu lassen, und somit die Zahlen der Todesopfer zu verringern. Dies gilt jedoch nur für Küs- ten, „die mehrere hundert bis einige tausend Kilometer vom Entstehungsgebiet entfernt lie- gen“ (Bormann, 2008b). Aber in vielen anderen Fällen, wie zum Beispiel bei einer dichten Besiedlung oder in Nähe eines Vulkans, reichen diese Mittel nicht mehr aus. Die Küstenlinien müssen daher, auch aufgrund der hohen Geschwindigkeit von Tsunamis, so umstrukturiert werden, dass alle anderen Primär- und Sekundärschäden sich verhindern bzw. minimieren lassen. Japan, als Beispiel, schützt seine Städte mit Deichen, 10m hoch und 25m breit, deren Tore innerhalb von wenigen Minuten geschlossen werden können. (Wikipedia, 2008a). Solche und andere Maßnahmen fasste Oumeraci (2006a) in einem „Multi-Barrieren-Konzept“ zu- sammen, welches der Abbildung 2.4 entnommen werden kann.
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Abbildung 2.4: Multi-Barrieren-Abwehrsystem (Oumeraci, 2006a)
Das mehrstufige Abwehrsystem besteht aus natürlichen und erbauten Barrieren, die sich so- wohl an Land als auch im Wasser befinden. Die Art und Anzahl der Barrieren müssen den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden, verbunden mit einem praktischen Nutzen, wie zum Beispiel Parkhäuser mit einer dämpfenden Außenfassade.
Zu den natürlichen Barrieren zählen Korallenriffe, Strandneigung, Vegetation bzw. Wald und Dünen. Riffe übernehmen die Aufgabe der ersten Dämpfung. Folgt ein breiter und langer Strand mit flacher Neigung, so wird ein Teil der Energie kontrolliert abgebaut, da den Wellen mehr Platz zum Auslaufen zur Verfügung steht. Ein ausreichendes Angebot an Fläche müsste jedoch mehrere Kilometer betragen. Da dies oftmals nicht der Fall ist, müssen noch andere Maßnahmen erhoben werden. Eine nächste natürliche Barriere stellen Dünen dar. Die dämp- fenden Eigenschaften der Dünen variieren von Ort zu Ort. Gut geeignet gegen kleinere Tsu- namiwellen mit weniger Energie sind Dünen, die ausreichend hoch und gut bepflanzt sind. Als Vegetation auf und hinter den Dünen werden bevorzugt Mangrovenbäume genommen. Hierbei handelt es sich um verholzende Salzpflanzen. Bei größeren Wellen besteht jedoch die Gefahr der Entwurzelung. Die natürlichen Hindernisse tragen jeweils verschieden zur Erhö- hung der Standhaftigkeit von Küsten bei, können es aber nicht alleine tragen (Oumeraci, 2006a).
Zu den erbauten Hindernissen gehören künstliche Riffe, Ufermauern, standhafte Gebäude sowie mobile Abwehreinheiten an kritischen Plätzen. Diese Küstenschutzeinrichtungen sind alles schon bekannte Maßnahmen, die eigentlich für Sturmfluten entwickelt wurden. Bei Tsu- namiwellen treten nun einige Gefahren mehr auf. Man vermutet, dass die Bauwerke stärker zum Verschieben, Kippen oder Brechen neigen werden. Ebenso besteht die Gefahr der Aus- kolkung, insbesondere auf der Hinterseite der Bauten, da sie durch Wellenüberlauf stärker hinterspült werden. Während die Einrichtungen bisher bei Sturmfluten nur für eine landein- wärts gerichtete Belastung bemessen wurden, erfahren sie bei Tsunamiwellen aufgrund der der starken Rückströmung Kräfte in beide Richtungen (Oumeraci, 2006a).
Sollten keine natürlichen Riffe vorhanden sein, so kommen künstliche Riffstrukturen zum Einsatz. Die hydraulische Wirkung von künstlichen Riffen in Bezug auf Sturmwellen ist aus- reichend bekannt. Hier existieren genaue Modelle und Computeranimationen für sämtliche Riffstrukturen. Man vermutet jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Wechselwirkun- gen eines Riffes mit einem Tsunami, anstelle eines Riffes mit einer Sturmwelle in Bezug auf dämpfende Eigenschaften. Ebenso unsicher ist man sich, ob ein Riff alle Tsunamis mit jeweils verschiedenen Perioden dämpfen kann. Für eine effektive Dämpfung der Wellen und für eine sichere Stabilität der Riffe sollten Wellen von bis zu 60 Minuten Wellenperiode getestet wer- den (Oumeraci, 2006a).
Bei den Riffen zum Schutz vor Tsunamiwellen ist mit größeren Dimensionen als bei den Rif- fen für Sturmwellen zu rechnen. Hierbei erscheint eine Ausbildung mit Geotextilien und Sandfüllung als eine preiswerte Lösung zu sein.
Über die Ausbildung der verschiedenen Barrieren gibt es noch keine Anweisungen. Um die hydraulische Wirkung und die Wellenbeschickung der Riffe prognostizieren zu können, ist es notwendig, detaillierte Modelle zu untersuchen, um eine zweckmäßige, konstruktive und ört- liche Anordnung der Barrieren zu erhalten. Von diesen Bauwerken werden im Folgenden die künstlichen Riffe näher betrachtet. Vorher soll zunächst jedoch die Theorie der solitären Wel- len beschrieben werden, da sich Tsunamiwellen auf dem offenen Meer nach dieser Theorie am genauesten generieren lassen.
2.2 Theorie der solitären Wellen
In der Hydromechanik wird grundsätzlich zwischen der Linearen Wellentheorie und den Nichtlinearen Wellentheorien unterschieden, wobei sich die Nichtlinearen Wellen in mehrere verschiedene Typen von Wellen unterscheiden lassen, zu denen unter anderen auch die solitä- ren Wellen zählen, wie Abbildung 2.5 zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.5: Wellenprofile (Oumeraci, 2008a)
Die linearen Wellen kleiner Amplituden nach Airy und Laplace können im Flachwasser- so- wie im Tiefwasser- und im Übergangsbereich auftreten. Bei ihnen findet kein Massentransport statt, da sich die Wasserpartikel auf Kreisbahnen bewegen. Es sind somit oszillatorische Wel- len, die nur Energie transportieren. Sie entstehen alleine durch den Wind. Lineare Wellen os- zillieren symmetrisch um den Ruhewasserspiegel RWS. Die Amplituden der Wellenberge entsprechen denen der Wellentäler. Die linearen Wellen eignen sich daher für eine Beschrei- bung der Tsunamiwellen im tiefen Ozean, aber nicht für eine Beschreibung der Tsunamiwelle an der Küste (Oumeraci, 2008a).
Die nichtlinearen Wellen können in drei verschiedene Wellentypen unterteilt werden. Die Stokes-Wellen sind ebenso oszillatorisch, wobei ein geringer Massentransport möglich ist. Sie treten im Tiefwasser- oder im Übergangsbereich auf. Im Gegensatz zu den linearen Wel- len sind sie durch flachere Wellentäler und höhere Wellenberge gekennzeichnet. Bei den cnoidalen Wellen verstärkt sich die Asymmetrie im Bezug auf den RWS. Auch sie zählt man zu den oszillatorischen Wellen mit geringem Massentransport. Da es sich bei den Stokes- Wellen um oszilatorische Tiefwasserwellen handelt, eignen auch sie sich nicht für eine Be- schreibung der Tsunamiwelle. Ähnliches gilt für die Cnoidalen Wellen. Sie kommen zwar im Flachwasserbereich vor, da sich jedoch ihre Wellentäler noch unterhalb des RWS befinden, eignen sich nur die solitären Wellen als eine Sonderform der cnoidalen Wellen für die Gene- rierung der Tsunamiwellen im tiefen Ozean, aber nicht für eine Beschreibung der Tsunami- wellen an der Küste. Das gesamte Wellenprofil der solitären Wellen liegt über dem Ruhewas- serspiegel. Sie werden translatorische Flachwasserwellen genannt. Die Wasserpartikel erfah- ren eine horizontale Bewegung über die gesamte Wassertiefe. Ein Massentransport der Was- sermoleküle findet statt (Oumeraci, 2008a).
Zur ausführlichen Beschreibung der solitären Wellen, ist es sinnvoll, zunächst ihre Entde- ckung und Historie zu erklären. Der Entdecker und Namensgeber der solitären Welle war der Schottische Ingenieur John Scott Russell (1808-1882) im Jahre 1834. Er sah damals in einem engen schottischen Kanal, wie ein Boot von zwei Pferden gezogen wurde. Als das Boot abrupt zum Stehen gebracht wurde, konnte Russell beobachten, dass sich die Bugwelle weiter im Kanal mit stetiger Form und Geschwindigkeit über mehrere Kilometer ausbreitete. Diese Ent- deckung und der Auftrag der Union Canal Company, ihren Kanal zwischen Edinburgh und Glasgow auf die Befahrbarkeit durch schnellere Dampfschiffe hin zu untersuchen, veranlasste ihn, zahlreiche Versuche durchzuführen (Miles, 1980 und Heyerhoff, 1997).
Am Anfang entdeckte er in seinen Experimenten die Transporteigenschaften der Welle, indem er mit Apfelsinen die Wasserteilchen im Kanal simulierte. Wenig später klärte er das bis da- hin schon bekannte Phänomen, dass Schiffe ab einer bestimmten Geschwindigkeit auf ihre Bugwelle aufschwimmen und sich somit ihr Widerstand im Wasser verringerte. Diese Ge- schwindigkeit entsprach für Russell der der solitären Wellen, und hing von der Kanaltiefe h und der Wellenamplitude H ab. Er entwickelte empirisch eine Formel in Anlehnung an die La-grange-Gleichung (siehe Gleichung 2.1), wobei er die Amplitude der Welle H infolge sei- ner Untersuchungen miteinbezog zu
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ebenso konstruierte er bildhaft eine Figur der solitären Welle, indem er eine Sinusfunktion mit der Translationsbewegung der Wassermoleküle in Wellenrichtung verkürzte. Dieses Vor- gehen erwies sich jedoch als nicht richtig, da es sich bei solitären Wellen nicht um periodische Wellen handelt. In weiteren Versuchen ließ Russell zwei gleichgroße Wellen sich entweder überholen oder kollidieren. Bei der Kollision tritt eine Interaktion der beiden solitären Wellen auf, die sich durch eine Phasenverschiebung der beiden Wellen bemerkbar macht. Diese Er- gebnisse der eindeutigen nichtlinearen Überlagerung bemerkte er zwar, ging aber nicht weiter auf sie ein. Wahrscheinlich auch aus dem Grunde, dass die Eisenbahn immer mehr an Bedeu- tung gewann und die Personenschifffahrt ablöste, erforschte er die Theorie der solitären Wel- len nicht weiter. Russell verstand es nicht, die solitäre Welle theoretisch zu erfassen „und so wurde den Mathematikern dieser Zeit ein Problem zur Bearbeitung übergeben, das anschau- lich gut erklärt und experimentell hervorragend vorbereitet war. In den folgenden Jahrzehnten gab es einige mathematische Erklärungsversuche. Doch einen Durchbruch erfuhr die Theorie der solitären Wellen erst 1871 durch Boussinesq“ (Heyerhoff, 1997, Seite 19).
Mit Hilfe seiner ausführlichen theoretischen Arbeiten bestätigte der Franzose Valentin Joseph Boussinesq (1842-1929) die Annahme von Russell, das es sich bei den untersuchten Wellen nicht um eine Modifikation der bekannten periodischen Wellen handelte, so wie es von Stokes und Airy bestritten wurde. Er probierte es als erster mit einem begründeten mathematischen Ansatz und beschrieb die solitäre Welle somit in Gleichungen. Im Gegensatz zu anderen Ma- thematikern vernachlässigte er die vertikale Bewegung der Wasserteilchen nicht und ließ eine z-Abhängigkeit der horizontalen Bewegung zu. Bei der nach ihm benannten Boussinesq- Gleichung handelt es sich um eine partielle Differentialgleichnug, die aus einem Ausdruck für die Form und aus einem Ausdruck für die Geschwindigkeit der Welle bestand.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Forderung nach einer zeitlich konstanten Form der Welle, brachte ihn zu der konstanten Wellengeschwindigkeit c nach der Gleichung (2.2). Somit bestätigte er Russells Ausführun- gen. Boussinesq war somit in der Lage, Form, Geschwindigkeit, Stabilität, Energie, Volumen, Schwerpunktslage der Welle sowie die Bewegung der einzelnen Wassermoleküle berechnen zu können. Da aber in Europa ein gewisser Konflikt zwischen der britischen und französi- schen Wissenschaft herrschte, fand seine Arbeit nur wenig Anerkennung (Heyerhoff, 1997).
Erst als John William Strutt (1842-1919) um 1876, besser bekannt unter dem Namen Lord Rayleigh, im britischen Raum bei seinen Ausführungen, eine zeitlich formkonstante Welle in einem fließenden Gewässer zu untersuchen, zu den gleichen Ergebnissen kam wie Boussi- nesq, wurden Russells Niederschriften auch in Großbritannien anerkannt (Heyerhoff, 1997).
1895 stellten der amsterdammer Mathematikprofessor Dieterik Johannes Korteweg (1848- 1941) und sein ehemaliger Doktorand Gustav de Vries (1866-1934) die nach ihnen benannte Korteweg-de-Vries-Gleichung auf, kurz KdV-Gleichung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da weder Rayleigh noch McCowan den scheinbaren Widerspruch zwischen der Airyschen Theorie langer Flachwasserwellen und der Theorie der solitären Welle klärten, und da Korte- weg und de Vries die Arbeiten von Boussinesq nicht kannten, beschäftigten sie sich ausführli- cher mit dem Thema. Sie unterstrichen mit ihrer Arbeit, dass die Ergebnisse von Boussinesq, Rayleigh und McCowan exakte Lösungen für die solitären Wellen waren, jedoch nur für eine im Verhältnis zur Wassertiefe bestimmte Wellenhöhe h1 (Heyerhoff, 1997).
Nachdem die KdV-Gleichung mehrere Jahrzehnte keine Anwendung fand, wurde sie 1967 mittels der damals neuen inversen Streutransformation am Computer gelöst. Ab da war die KdV-Gleichung einfacher zu lösen als die von Boussinesq und spielte somit eine entscheiden- de Rolle bei der Etablierung der Solitonentheorie (Heyerhoff, 1997).
Nach dem heutigen Wissensstand lassen sich solitäre Wellen wie folgt definieren. Sie sind asymmetrisch um den Ruhewasserstand RWS, wobei sie lediglich aus einem Wellenberg be- stehen, der vollständig über dem RWS liegt. Ebenso handelt es sich, wie schon anfangs er- wähnt, um eine Translationswelle. Ihre elliptischen Bahnen sind so flach, dass sich die Was- serpartikel nur horizontal in Wellenrichtung bewegen. Die Wellenlänge L der solitären Wellen ist theoretisch unendlich und hat somit für wissenschaftliche Zwecke keinen Wert. Die effek- tive Länge ist geringer und beinhaltet 95% des Wellenvolumens. Berechnen lässt sich die ge- nerierte Wellenlänge Li nach der Formel von Dean und Dalrymple (1991) zu
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch die nahezu unendliche Wellenlänge L wird deutlich, dass man sich bei den solitären Wellen im Bereich der Flachwasserwellen befindet. Setzt man L in den Ursell-Parameter ein
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
der den Nichtlinearitätsparameter H/L (Wellensteilheit) und den Dispersionsparameter h/L (relative Wassertiefe) zusammenfasst, so erhält man einen höheren Wert als bei den linearen Wellen. Auch der Brecherindex H/h erreicht bei solitären Wellen einen größeren Wert. Diese zwei Größen, Brecherindex und Ursell-Parameter, lassen auf eine Nichtlinearität der Welle schließen (Oumeraci, 2008a).
Desweiteren sind lineare Wellen frequenzdispersiv. Ihre Wellenschnelligkeit c ist nur von der Wellenfrequenz abhängig. Nichtlineare Wellen sind hingegen frequenz- und auch höhendis- persiv. Die Geschwindigkeit c ist somit auch von der Wellenhöhe abhängig. Das Aufsteilen der Welle (Nichtlinearität) verhindert die Dispersion, welches das Zerfallen des Wellensys- tems zur Folge hat. Dies ist der Grund, warum sich solitäre Wellen über längere Strecken trotz Interaktion und weiterer Störungen in ihrer Form kaum verändern und zu ihrem Namen „Soli- ton“ gekommen sind. Die Dispersion und die Nichtlinearität der Welle werden in der KdV- Gleichung (Gl 2.4). zusammengefasst (Oumeraci, 2008a).
Der Dispersionsterm ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ) ist für das flacher und niedriger werden der Welle verantwortlich.
Der Term der Nichtlinearität ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]) sorgt hingegen für das steiler und steifer werden der Welle. Bei den solitären Wellen kompensieren sich diese beiden Effekte, sodass sie als Son- derfall der KdV-Gleichung zu sehen sind. Die Welle bleibt stabil (Oumeraci, 2008a).
Im folgenden Abschnitt sollen nun die Lösungen der verschiedenen Gleichungen für solitäre Wellen beschrieben und dargestellt werden. Neben den Lösungen der Boussinesq- und KdV- Gleichung wird eine weitere Lösung, die der BBM-Gleichung vorgestellt. Die BBM- Gleichung, beschrieben nach ihren Entdeckern Benjamin, Bona und Mahony (1972), gilt als eine Alternative zu Boussinesq und Korteweg-de-Vries. Sie wird auch RLW (regularised long wave)–Gleichung genannt und beinhaltet eine bessere Frequenzdispersion als die KdV- Gleichung. Daher wird sie bevorzugt bei Modellen mit einer Ausbreitung von Wellen in nur eine Richtung genommen. Die nachfolgend aufgelisteten Gleichungen stellen Lösungen für die Wasseroberfläche η dar. Für solitäre Wellen wird η mit der nachstehenden Gleichung be- schrieben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Lösungen für die Wasseroberfläche η nach Boussinesq (Bq), Korteweg-de-Vries (KdV) und nach Benjamin, Bona und Mahony (BBM) unterscheiden sich lediglich in einer jeweils eigenen Darstellung der Wellenschnelligkeit c und der Breite ∆:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
KdV und Bq unterscheiden sich lediglich in der Aufweitung der Wellenschnelligkeit c um den Faktor H/h (Dingemans, 1997).
In den nachfolgenden Abbildungen 2.6 und 2.7 sind die Verläufe der Wasseroberfläche nach den drei genannten Lösungen dargestellt. Für beide Abbildungen herrschten die gleichen Ver- suchsbedingungen. Die Versuche wurden bei einer Wassertiefe von h=10m und einer Wellen- höhe von H=5m durchgeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.6: Räumliche Betrachtung der Wasseroberfläche η für solitäre Wellen (Dingemans, 1997)
Die Abbildung 2.6 stellt die räumliche Betrachtung der Wasserspiegelauslenkung η für eine solitäre Welle dar. Die Lösungen nach KdV und BBM ergeben dabei ein und dieselbe Kurve. Das Wellenprofil nach Boussinesq verläuft etwas steiler als die beiden anderen Lösungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.7: Zeitliche Betrachtung der Wasseroberfläche η für solitäre Wellen (Dingemans, 1997)
Die Abbildung 2.7 stellt hingegen die zeitliche Betrachtung der Wasserspiegelauslenkung η für eine solitäre Welle dar. Am steilsten verläuft die Kurve nach KdV. Sie ist nur minimal steiler als die Kurve nach Bq. Für die Versuchsanordnungen dieser Arbeit sollen die Wellen nach der Theorie von Boussinesq generiert werden.
Solitäre Welle sind demnach einzelne, translatorische, lange und stabile Wellen mit Massen- transport. Tsunamiwellen bestehen aus einem Paket dieser solitären Wellen.
2.3 Riffe als dämpfende Strukturen
Der Begriff Riff stammt aus der Seefahrt. Er steht für jede Form der Untiefe wie zum Beispiel Sandbänke oder Korallenriffe. Riffe gelten als Gebiete großer Lebensgemeinschaften. Neben den tropischen Regenwäldern stellen die Korallenriffe vielfältige Ökosysteme dar, geprägt durch eine hohe Besiedlung und einer großen Bioproduktion.
Wie schon in dem Multi-Barrieren-Abwehrsystem nach Oumeraci (2006a) beschrieben, sollen Riffe die Wellenenergie noch vor dem Auftreffen auf die Küste dämpfen, indem sie die Wel- len durch die geringe Wassertiefe über ihrer Riffkrone zum Brechen bringen. Dort wo die na- türlichen Riffe nicht ausreichen, bzw. nicht vorhanden sind, müssen sie durch künstliche Riff- strukturen ersetzt werden. Aus einem Artikel der Zeitschrift „Umweltjournal“ geht hervor:
„Die Auswirkungen des Tsunami in Südostasien hätten geringere Folgen gehabt, wenn die Umwelt intakt gewesen wäre. So die Einschätzung von Wissenschaftlern. Dort, wo eine schützende Zone aus Korallenriffen und Mangrovenwäldern vorhanden war, wurde die Wucht der Flutwelle abgebremst. Das Ausmaß der Zerstörungen ist dort am größten, wo die natürli- chen Wellenbrecher fehlten oder angegriffen waren“ (Greenpeace, 2005). Die verschiedenen Riffarten sollen im folgenden Abschnitt anhand ihrer Entstehung erklärt werden.
2.3.1 Natürliche Riffe
Zuerst bildet sich parallel zur Küste ein Saumriff. Diese etwa 50m breiten Erhebungen lassen zwischen sich und dem Festland eine maximale 30m tiefe und wenige 100m breite Lagune entstehen. Sogenannte Stressfaktoren, wie ein periodisches Trockenfallen der Oberfläche, hohe Licht- und UV-Einstrahlung sowie Versanden durch Abrieb infolge der Wellenbelas- tung, lassen das Riff nicht über die Hochwasserlinie hinaus wachsen. Es geschieht lediglich ein Vorwachsen in Meeresrichtung, da hier bessere Lebensbedingungen für die Ansiedlung von Korallen vorherrschen. Riesige Saumriffe werden auch Barriereriffe genannt. Das größte echte Barriereriff ist das „Great-Barrier-Reef“ vor der Küste Australiens. Es ist direkt aus ei- nem Flachwasserbereich empor gewachsen, und nicht aus einem Saum entstanden. Eine wei- tere Form der Korallenriffe sind die ringförmigen Atolle. Sie resultieren aus dem Anstieg des Meeresspiegels an Inseln, insbesondere an kegelförmigen Vulkaninseln. Die Ursachen für diesen Anstieg können entweder das Abschmelzen der Polkappen sein, man spricht hier von einem absoluten Meeresspiegelanstieg, oder durch eine tektonische Absenkung des Meeres- boden erfolgen, demnach also relativ sein. Bei einem Atoll erfolgt ein Korallenwachstum, nachdem sich ein ringförmiges Saumriff ausgebildet hat (Sommer, 2005; Wiedersich, 2005).
Das Vorkommen der Korallenriffe beschränkt sich auf zwei unterschiedliche Bereiche. Kalt- wasserriffe bilden sich an Kontinentalrändern und Tiefseeerhebungen in Wassertiefen von 200m – 2000m Tiefe, wie beispielsweise im Trondheimfjord in Norwegen. Die oben genann- ten Flachwasserriffe findet man hingegen in wärmeren Gewässern zwischen 25° Nord und 25° Süd auf der Erdkugel. Neben einer Wassertemperatur von über 22° Celsius verbreiten sich die riffaufbauenden Korallen nur in einem Gebiet, das durch zahlreiche andere Faktoren einge- schränkt wird. Die Eigenschaften des Wassers sollten sauerstoff- und nährstoffreich, klar und nicht ausgesüßt sein. Ebenso muss es sich um bewegtes Wasser handeln, wobei Flussmün- dungen eine zu hohe Fließgeschwindigkeit aufweisen. Eine weitere Grenze stellt die Wasser- tiefe dar. Bis auf wenige Ausnahmen verbreiten sich die Korallen nicht unterhalb einer Tiefe von 40m. Aufgrund dieser Einschränkungen reduziert sich ihr Vorkommen auf die Ostküsten der Kontinente, da an den Westküsten oftmals kalte Wasserströme entlang fließen. Weit ver- breitet sind sie im Indischen und im Pazifischen Ozean. Im Atlantik treten sie hingegen nur vor der mittelamerikanischen Küste auf. Ihr jährliches Wachstum beläuft sich aufgrund von zerstörenden Prozessen auf einen Zentimeter. Diese Zerstörungen können durch Wellenschlag sowie durch Erosion verursacht werden (Sommer, 2005; Wiedersich, 2005).
Da das Vorkommen, die Entstehung und das Wachstum solcher schützenden Riffe von den oben genannten Faktoren stark eingeschränkt ist, und sie zudem auf jede kleine Veränderung der Umweltbedingungen empfindlich reagieren, ist es unumgänglich, in der Zukunft auf küns- tliche Riffstrukturen zu setzen.
2.3.2 Künstliche Riffe
Riffe, die von Menschenhand erschaffen wurden, bezeichnet man als künstliche Riffe.
2.3.2.1 Konstruktionsarten künstlicher Riff
Pilarczyk (2003) unterscheidet die Riffe in folgende drei Kategorien:
- „Low-crested structures“ LCD’s
- „Narrow-crested structures“
- „Broad-crested structures“
Bei den LCD’s handelt es sich um Strukturen, bei denen die Dammkrone nahe oberhalb oder unterhalb des Ruhewasserspiegels liegt. Man spricht dann von einer Überwasserstruktur („emerged structures“) oder von einer Unterwasserstruktur („submerged structures“). Da sie als untergetauchte Struktur nur über einen geringen Freibord verfügen, können sie mit den in der Natur vorkommenden Korallenriffen verglichen werden (Pilarczyk, 2003).
Bei den „Narrow-crested structures“ handelt es sich um Strukturen mit einer schmaleren, be- grenzten Dammkrone. Untergetaucht eignen sie sich hervorragend als Offshore- Wellenbrecher, um Sturmwellen zu dämpfen. Diese Unterwasserstrukturen werden parallel zur Küstenlinie gebaut (Pilarczyk, ,2003).
Ihr Gegenpart sind die „Broad-crested structures“, bekannt als künstliche Riffe. Sie verfügen über eine breitere Dammkrone, und eignen sich daher besser, um mehr Wellenenergie und vor allem die Energie von längeren Wellen (Sturm- oder Gezeitenwellen) zu dämpfen (Pilarczyk, 2003).
Aono und Cruz (1996) ergänzen die Definitionen der künstlichen Riffe mit dem Zusatz, dass sie meist durchlässig sind und dass ihre Böschungen steiler sind als bei den bisher verwende- ten Unterwasserwellenbrechern.
Die Unterwasserstrukturen können zahlenmäßig durch die drei folgenden dimensionslosen Parameter unterschieden werden:
- Relative Wassertiefe über dem Riff dr/h,
- Relative Riffhöhe hr/h,
- Grad der Tiefe der untergetauchten Struktur.
Die Abkürzungen können der Abbildung 2.8 entnommen werden. In dieser Abbildung ist die Seitenansicht einer künstlichen Unterwasserstruktur dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.8: Seitenansicht einer künstlichen Unterwasserstruktur (nach Pilarczyk, 2003)
Anhand der vorher beschriebenen Parameter lassen sich die künstlichen Riffe wie folgt eintei- len:
- Untergetauchte Riffe: hr/h < 1,0 und h/hr > 1,0.
- Riffe bis oberhalb des Ruhewasserspiegels: hr/h > 1,0 und h/hr < 1,0.
Bei der Anordnung von den künstlichen Riffen unterscheiden sich folgende Bauarten:
- Einzelne Riffe,
- Mehrere, parallel zur Küstenlinie auf Lücke angeordnete Riffe wie in Abbildung 2.9 dargestellt ist.
- Senkrecht zur Küstenlinie angeordnete Riffstrukturen
- Multifunktionale Riffe, wie das Narrowneck-Project in Abbildung 2.11 c, welches den Küstenschutz mit dem Surfsport vereint.
- Mit Buhnen kombinierte, als Wellenbrecher fungierende Riffe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.9: Draufsicht zweier auf Lücke stehender Riffe (nach Pilarczyk, 2003)
In der Abbildung 2.9 sind zwei nebeneinander stehende Riffe zu sehen. Um eine Wasserzirku- lation gewährleisten zu können, müssen die Riffe auf Lücke gestellt werden. Dies erfordert eine allseitige Abböschung der Riffe. Für die Bauart dieser Riffe gilt bis heute der allgemein gültige Ansatz nach Van der Meer und d`Angremond (1991). In diesen Ansatz geht lediglich die relative Wassertiefe über dem Riff dr/Hi als Eingangsparameter mit ein (Bleck, 2006). Durch das unvollständige Wissen über die hydraulische Funktion der künstlichen Riffe wer- den diese seit 1991 zum größten Teil in derselben Form gebaut.
Weitere Untersuchungen über die hydraulische Wirkung künstlicher Riffe in Bezug auf See- gang führten Oumeraci und Bleck (2001) in ihrem Zwischenbericht zum DFG-Projekt sowie Bleck (2003) in seiner Dissertation durch. Künstliche Riffstrukturen in Verbindung mit solitä- ren Wellen wurden bisher nur von Hara et al. (1992) behandelt. Aus den Ausführungen von Bleck (2006) geht hervor, dass bisher kein Ansatz die Wellenentwicklung an künstlichen Rif- fen eindeutig beschreiben kann. Neben der oben beschriebenen relativen Wassertiefe über dem Riff dr/Hi benennt Bleck noch zwei weitere wichtige Eingangsparameter für die Bemes- sung von künstlichen Riffen. Dies ist zum Einen die Wellensteilheit Hi/Li, die auch als Nicht- linearitätsparameter gilt, und zum Anderen die relative Rifflänge B/Li, die beschreibt, wie lange eine Welle über dem Riff verbleibt (Bleck, 2006).
2.3.2.2 Anwendungsbereiche künstlicher Riffe
Die Anwendungsbereiche künstlicher Riffe sind in der nachfolgenden Abbildung 2.10 darges- tellt.
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Abbildung 2.10: Anwendungsbereiche künstlicher Riffe (nach Bleck, 2006)
Heutzutage kommen künstliche Riffe in vier verschiedenen Bereichen zur Anwendung. Die Oberflächen der künstlichen Riffe eignen sich hervorragend als Brutplätze für Muscheln und Austern, für Korallensetzlinge und zur Ansiedlung von vom Aussterben bedrohter Lebewesen wie in Abbildung 2.11 a dargestellt ist. Die wiederrum dienen den Fischen als Nahrungsquelle (Abbildung 2.11 b), so dass neue Lebensräume für zahlreiche Fische geschaffen werden, was gleichzeitig die Fischindustrie mit neuen Fischbeständen vorantreibt. Das Riff der Abbildung 2.11 b dient neben der Ansiedlung von Fischen auch zum Sporttauchen für Touristen. So pro- fitiert neben dem Umweltschutz und der Belebung der Fischindustrie ebenfalls der Tourismus von dem Einbau künstlicher Riffe. Direkt am Riff ergeben sich neue Angel-, Tauch- und Surfmöglichkeiten. Hinter den Riffen entstehen geschütztere Badestrände. Die Abbildung 2.11 c zeigt mehrere im Wasser versenkte Sandcontainer, die an der australischen Gold Coast für einen optimalen Surfspot sorgen sollen. Der vierte Anwendungsbereich der künstlichen Riffe ist der des Küstenschutzes. Die Abbildung 2.11 d zeigt einen Offshore-Wellenbrecher nach Pilarczyk (2003). Dieser besteht aus verschieden Materialien. Als Kern wurden mit Sand gefüllte Geotextilcontainer verwendet. Auf diese Container wurden unterschiedliche Lagen Steine mit unterschiedlichem Gewicht eingebaut.
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Abbildung 2.11: Riffbilder mit Riffen unterschiedlicher Funktionen:
a) Künstliches Riff mit Korallensetzlingen (Geocities.com, 1997)
b) Künstliches Riff aus Autoreifen zum Sporttauchen (Geocities.com, 1997)
c) Künstliches Riff zum Surfen, Narrowneck-Project, Gold Coast Australien (The Surf Revolution, 2008)
d) Riff bis oberhalb des Ruhewasserspiegels zum Küstenschutz (Pilarczyk, 2003)
2.3.2.3 Wirkungsweise künstlicher Riffe für den Küstenschutz
Abbildung 2.12 zeigt, wie die Wirkungsweise der künstlichen Riffe in Bezug auf den Küsten- schutz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.12: Wirkungsweise der künstlichen Riffe auf den Küstenschutz (nach Pilarczyk, 2003)
Die Abbildung 2.12 zeigt die Anordnung zweier künstlicher Riffe vor der Küste. In erster Li- nie sorgen die künstlichen Riffe für eine Dämpfung der Meereswellen. Hierdurch entsteht ebenfalls eine Reduzierung der küstenparallelen Strömungen, so dass weniger Erosionsprob- leme an der Uferlinie auftreten. Sandablagerungen sind nun möglich, so dass sich die Strand- linie stabilisieren kann. Durch die Dämpfung der Wellen werden auch eventuell vorhandene Ufermauern entlastet und somit ein möglicher Wellenüberlauf reduziert. Die Anordnung von mehreren auf Lücke stehenden Riffen ermöglicht zum Einen eine Wasserzirkulation zwischen dem Strandwasser und dem Meer und zum Anderen eine kontrollierte Rückströmung. Gege- nüber herkömmlichen Wellenbrechern steigt somit die Qualität des Wassers für Tiere und für Badegäste. Die kontrollierte Rückströmung kann für ein Gleichgewicht zwischen Sandabtrag und Sandablagerungen führen. Auch auf benachbarte Küstenregionen haben künstliche Riffe einen geringeren Einfluss als herkömmliche Wellenbrecher, da von den Riffen die Wellen nicht so stark reflektiert werden wie von den Wellenbrechern. Die hydraulische Funktion der künstlichen Riffe ist jedoch noch nicht vollständig verstanden, so dass ihr Vorkommen bisher stark begrenzt ist (Bleck, 2006).
2.3.2.4 Konstruktionsmaterialien künstlicher Riffe
Abbildung 2.13 beinhaltet die Materialien, die für den Bau eines künstlichen Riffes verwendet werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.13: Materialien der künstlichen Riffe (nach Bleck, 2006)
Die Abbildung 2.13 ist in alten und neuen Materialien aufgeteilt. Bei den alten Materialien wurde so gut wie alles verwendet, wofür man keine Anwendung mehr hatte. Vor allen die alten Autoreifen stellten im Nachhinein ein ökologisches Problem dar. Zu den neuen Materia- lien zählen Spezialanfertigungen aus Beton, Stahl oder Kunststoff, Betonelemente, natürliches Steingeröll sowie Geotextilien mit einer Sandfüllung. Die Spezialanfertigungen kommen vor allem bei den Anwendungsbereichen Umweltschutz und Fischindustrie zum Einsatz, da hier recht komplexe Riffformen notwendig sind (Bleck, 2006).
Von den neueren Materialien hat der Einsatz von Geotextilien die meisten Vorteile. Während die Betonelemente auf einen ebenen Untergrund platziert werden müssen, sind die mit Sand gefüllten Geotextilien sehr flexibel. Sie passen sich dem Untergrund an. Ihre Oberfläche eig- net sich hervorragend für die Ansiedlung von Algen und Korallen, da sich diese im Material gut verankern können, so dass kein nachteiliger Einfluss auf die Umwelt entsteht. Ein weiterer Vorteil dieser Bauweise ist, dass die Sandcontainer rückbaubar sind, falls sie nicht mehr benö- tigt werden sollten, oder ersetzt werden müssen. Ihr größter Vorteil ist jedoch der Kostenfak- tor. Dort, wo eine Menge Sand vorhanden ist (Australien), können sie besonders kostengüns- tig eingebaut werden. Neben dem Einbau als künstliche Riffe werden mit Sand gefüllte Geo- textilien ebenso für Wellenbrecher, Dünen- und Strandverstärkungen sowie als Kolkschutz an Bauwerken verwendet (Bleck, 2006). Die nachstehende Abbildung 2.14 zeigt einige Beispiele für die unterschiedlichen Materialien und Strukturen, die bisher für künstliche Riffe verwendet wurden.
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