Im Folgenden soll es um die Mutter-Tochter-Beziehung in Elfriede Jelineks autobiografisch gefärbtem Roman oder - wie sie es nannte - eingeschränkter Biografie Die Klavierspielerin gehen. Die Vater-Mutter-Kind-Szene ist defekt und wird ersetzt durch eine pathologisierte Mutter-Tochter-Beziehung. Thematisiert wird zudem die schwierige Verbindung zwischen der Klavierlehrerin Erika Kohut und ihrem Schüler Walter Klemmer – diese soll in hier allerdings nur am Rande von Interesse sein und nur im Hinblick auf Disfunktionalitäten, die sich aus der Beziehung zur Mutter Kohut ergeben, herangezogen werden.
Mutterschaft ist ein als kulturelles Konstrukt, das mit vielen Idealen und Mythen behaftet ist. Die Liebe zwischen Mutter und Kind gilt – dem Klischee folgend – als rein und bedingungslos. Die Mutter sorgt und umhegt ihr Kind uneigennützig, mit dem Ziel, ein kompetentes erwachsenes Kind in die Welt zu entlassen. Jedoch wie so häufig haben Idealvorstellung und gelebte Realität selten etwas gemein. „Der Text legt seine innere Dialektik offen: Ein feststehendes kulturelles Ideal steht gegen die hartnäckige Materialität des Lebens.“ Es gibt kein Schema F für Mutterschaft, denn Frauen an sich sind keine homogene Gruppe. Jede von ihnen hat eigene Erfahrungen gemacht und ist einen eigenen Individuationsprozess durchlaufen. Auch sind die Gründe für Schwangerschaft und Mutterschaft mannigfaltig verschieden. Nicht jede Frau sieht in der Geburt ihres Kindes die vollkommene Erfüllung ihrer selbst und nicht jede Frau sieht ihr Kind als einzigen Lebensinhalt. Im Falle von Erika Kohut und ihrer Mutter scheint es oberflächlich betrachtet so, als wäre die Mutter-Tochter-Beziehung eng. Da die Leserschaft jedoch von der Autorin gleich am Anfang des Romans vor Augen geführt wird, dass das Ideal der Mutterschaft nur zur Institutionalisierung mütterlicher Macht und der Erhaltung des Dependenzverhältnisses der Tochter zur Mutter herangezogen, ist es evident, dass Mutter und Tochter aneinander kleben und sich nicht lösen können und/oder wollen.
Ich möchte zeigen, dass Erika durch die Erziehung ihrer Mutter zu einem sozial inkompetenten Wesen herangezogen wird und ferner die Beziehung zwischen Mutter und Tochter generell als krankhaft dargestellt wird. „Die Mutter hat Erika schließlich zu dem gemacht, was sie jetzt ist.“ (K17)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erika Kohut – eine Tochter wird besessen
2.1 Kindheit und Jugend
2.2 Das Erwachsensein – wer oder was bin ich?
2.3 Beziehungsunfähigkeit und Gefühlskälte
3. Die Mutter
3.1 Die Rolle ihres Lebens
3.2 Mutter Kohut als Ehefrau
3.3 Identität: Mutterschaft
4. Zwei Damen gegen den Rest der Welt
4.1 Reziproke Evokation – Eins bedingt das Andere
4.2 Der Mutterleib als letzte Zuflucht
4.3 Bis das der Tod sie scheidet
5. Fazit
6. Bibliografie
- Arbeit zitieren
- Claudia Dewitz (Autor:in), 2009, "Die Klavierspielerin" von Elfriede Jelinek - Psychogramm einer pathologisierten / pathologisierenden Mutter-Tochter-Beziehung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/161696