Die vorliegende Arbeit erhielt ihren Titel („La prose veut être bâtie comme une cathédrale.“) aus dem Briefwechsel zwischen Auguste Rodin und Rainer Maria Rilke. Am 29. Dezember 1908 schrieb der junge Dichter diese Zeile an den französischen Bildhauer und wollte ihn im übertragenden Sinne sagen, dass jedes Prosagedicht aufgebaut sein muss wie eine Kathedrale.
Dieser Gedanke soll das Hauptaugenmerk der Proseminararbeit bilden: Wie war es möglich ein lyrisches Werk so zu gestalten, dass es einem Gotteshaus ebenbürtig war?
Die Faszination um das Mittelalter beflügelte Teile der literarischen Welt um 1900 zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert. Fünfzig Jahre zuvor rückte diese Epoche schon einmal in den Vordergrund. Die romantischen Strömungen nach der Französischen bis zur Bürgerlichen Revolution waren für Teile der Literatur, aber auch für Musik und Malerei, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägend. Fantastisches beflügelte die Werke. Sagen, Legenden, Rittergeschichten und Märchen zogen in die deutsche Literatur ein. Besonders zu erwähnen sind in diesem Kontext die wichtigen deutschen Autoren wie die Gebrüder Grimm, Novalis, Bettina von Arnim oder August Wilhelm Schlegel.
Um 1900 entstand eine zweite Renaissance des Mittelalters. Die Faszination für den gotischen Baustil erfasste verschiedene Literaten, welche aus den kirchlichen Gebäuden ihre Inspiration zogen. Einer von diesen Schriftstellern war Rainer Maria Rilke, welcher besonders in seiner Schaffenszeit um die Jahrhundertwende verschiedene lyrische Werke in Bezug auf das Mittelalter schrieb. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit diesem kurzen Abschnitt aus Rilkes umfangreichen literarischen Beiträgen. Vorrangig wird der folgenden These nachgegangen: Rainer Maria Rilkes Gedichte waren um 1900 von der gotischen Architektur geprägt, aufgrund der verschiedenen historischen Umstände, welche zum einen die Fertigstellung verschiedener Kathedralen aus dem Mittelalter waren und zum andern die daraus folgende Architekturepoche der Neugotik. Im besonderen Fall bezog sich der Dichter auf Kathedralen. In seinem Werken wirkten die Gotteshäuser nicht wie starre Gebilde, sondern gleichen weiblichen Wesen, welche fühlen und leiden konnten.
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- Kevin Markus Kurschwitz (Author), 2018, Der Einfluss der neugotischen Architekturepoche auf Rilkes Lyrik um 1900, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1611913