Die vorliegende Hausarbeit analysiert die Rolle der Parteilichkeit in der Jugendhilfe unter Einbeziehung der theoretischen Ansätze der Cultural Studies von Stuart Hall und der ombudschaftlichen Beratung gemäß § 9a SGB VIII. Der Fokus liegt darauf, wie diese Konzepte zur Erkennung und Transformation von Machtstrukturen in der Jugendhilfe beitragen können, um eine gerechtere Unterstützung für junge Menschen zu gewährleisten. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Inwiefern können Halls Cultural Studies genutzt werden, um Parteilichkeit zu fördern und soziale Barrieren in der Jugendhilfe abzubauen?
Das erste Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten Konzepte der Cultural Studies, insbesondere die Rolle von Kultur als dynamisches Netzwerk von Bedeutungen und die Mechanismen der Hegemonie, wie von Hall beschrieben. Kapitel zwei widmet sich der Parteilichkeit in der Jugendhilfe, definiert das Konzept und erörtert dessen Bedeutung und Herausforderungen. Hier wird auch die Verbindung zu den Cultural Studies beleuchtet, um Parteilichkeit als transformative Praxis zu verstehen.
Kapitel drei behandelt die ombudschaftliche Beratung nach § 9a SGB VIII, die als institutionalisierte Form der Parteilichkeit betrachtet wird. Die Implementierung und die Bedeutung dieser Beratung im Kontext der Jugendhilfe werden detailliert beschrieben. Im vierten Kapitel werden die theoretischen Überschneidungen zwischen Cultural Studies und Parteilichkeit untersucht, um die Anwendbarkeit dieser Konzepte in der Jugendhilfe zu diskutieren.
Ein Fokus der Arbeit liegt auf “Best Practices” in Kapitel fünf, um aufzuzeigen, wie die praktische Anwendung von Parteilichkeit und Cultural Studies die Rechte und das Empowerment von Jugendlichen stärken kann. Abschließend beleuchtet Kapitel sechs die Herausforderungen bei der Implementierung dieser Ansätze in der Praxis und diskutiert kritische Aspekte, die berücksichtigt werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Grundlagen der Cultural Studies nach Stuart Hall
1.1 Historischer Kontext und Entwicklung
1.2 Zentrale Konzepte der Cultural Studies
2. Parteilichkeit in der Jugendhilfe
2.1 Definition und Bedeutung der Parteilichkeit
2.2 Herausforderungen und Anwendung
2.3 Verbindung zu den Cultural Studies
2.4 Praktische Ansätze und Fallbeispiele
2.5 Parteilichkeit im Kontext von Ombudschaftlicher Beratung
3. Ombudschaftliche Beratung nach § 9a SGB VIII
3.1 Einführung in die Ombudschaftliche Beratung
3.2 Verbindung zur Parteilichkeit
3.3 Theoretische Herausforderungen und praktische Barrieren
3.4 Praktische Implementierung
4. Verbindung von Cultural Studies und Parteilichkeit in der Jugendhilfe
4.1 Theoretische Überschneidungen
4.2 Anwendung in der Praxis der Jugendhilfe
4.3 Einfluss auf die ombudschaftliche Beratung
4.4 Best Practices
5. Fallstudien und Best Practices in der Jugendhilfe
5.1 Fallstudien zur Umsetzung der Parteilichkeit
5.2 Best Practices: Partizipation durch Mitbestimmung
5.3 Integration kultureller Praktiken: Einfluss der Cultural Studies
5.4 Verbesserung der Ombudschaftlichen Arbeit durch innovative Strategien
6. Kritische Betrachtungen und Herausforderungen in der Jugendhilfe
6.1 Herausforderungen der Parteilichkeit in der Jugendhilfe
6.2 Kritische Betrachtung der Cultural Studies in der Jugendhilfe
6.3 Effizienz und Probleme der Ombudschaftlichen Beratung
6.4 Maßnahmen zur Überwindung von Herausforderungen
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die Rolle der Parteilichkeit in der Jugendhilfe unter Einbeziehung der theoretischen Ansätze der Cultural Studies von Stuart Hall und der ombudschaftlichen Beratung gemäß § 9a SGB VIII. Der Fokus liegt darauf, wie diese Konzepte zur Erkennung und Transformation von Machtstrukturen in der Jugendhilfe beitragen können, um eine gerechtere Unterstützung für junge Menschen zu gewährleisten. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Inwiefern können Halls Cultural Studies genutzt werden, um Parteilichkeit zu fördern und soziale Barrieren in der Jugendhilfe abzubauen?
Das erste Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten Konzepte der Cultural Studies, insbesondere die Rolle von Kultur als dynamisches Netzwerk von Bedeutungen und die Mechanismen der Hegemonie, wie von Hall beschrieben (Winter 2006, S. 381f.; Demirovic 2012, S. 139f.). Kapitel zwei widmet sich der Parteilichkeit in der Jugendhilfe, definiert das Konzept und erörtert dessen Bedeutung und Herausforderungen. Hier wird auch die Verbindung zu den Cultural Studies beleuchtet, um Parteilichkeit als transformative Praxis zu verstehen (Tomaschowski & Schruth 2020, S. 138; Peters 2020, S. 134).
Kapitel drei behandelt die ombudschaftliche Beratung nach § 9a SGB VIII, die als institutionalisierte Form der Parteilichkeit betrachtet wird. Die Implementierung und die Bedeutung dieser Beratung im Kontext der Jugendhilfe werden detailliert beschrieben (Rosenow 2022, S. 301; Urban-Stahl 2022, S. 138ff.). Im vierten Kapitel werden die theoretischen Überschneidungen zwischen Cultural Studies und Parteilichkeit untersucht, um die Anwendbarkeit dieser Konzepte in der Jugendhilfe zu diskutieren (Winter 2006, S. 390f.).
Ein Fokus der Arbeit liegt auf “Best Practices” in Kapitel fünf, um aufzuzeigen, wie die praktische Anwendung von Parteilichkeit und Cultural Studies die Rechte und das Empowerment von Jugendlichen stärken kann (Len et al., 2022, S. 358; Schröer & Thomas 2022, S. 344ff.). Abschließend beleuchtet Kapitel sechs die Herausforderungen bei der Implementierung dieser Ansätze in der Praxis und diskutiert kritische Aspekte, die berücksichtigt werden müssen (Hagemeier et al., 2023, S. 46f.; Len, 2022, S. 252).
Diese Arbeit zeigt, dass die Integration der Cultural Studies und der Parteilichkeit in die Jugendhilfe einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, sowohl individuelle Unterstützung zu bieten als auch systemische Veränderungen umzusetzen, die dazu beitragen, eine gerechtere und partizipative Jugendhilfeumgebung zu schaffen (Schruth & Redmann 2022, S. 86ff.).
1. Grundlagen der Cultural Studies nach Stuart Hall
Kapitel eins gibt einen Überblick über die grundlegenden Konzepte der Cultural Studies, wie sie von Stuart Hall entwickelt wurden. Es beleuchtet den historischen Kontext ihrer Entstehung sowie die zentralen Ideen, die Halls Theorien prägen, und legt damit das Fundament für ihre spätere Anwendung in der Jugendhilfe.
1.1 Historischer Kontext und Entwicklung
Die Cultural Studies nahmen ihren Anfang in den 1960er Jahren an der Universität Birmingham und gelten als ein bahnbrechender interdisziplinärer Ansatz zur Untersuchung von Kultur, Macht und Gesellschaft. Stuart Hall gilt als eine der prägenden Figuren dieses Forschungsfeldes, das in einer Zeit aufkam, in der traditionelle Kulturstudien den dynamischen Wandel der Gesellschaft nicht mehr adäquat erklären konnten. Die Cultural Studies entstanden aus dem Bedürfnis heraus, gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen, die durch die globale Nachkriegslage, die Entkolonialisierung und die Bürgerrechtsbewegungen beeinflusst wurden (Winter, 2006, S. 381f.).
Hall argumentierte, dass Kultur nicht als statisches und isoliertes Gebilde verstanden werden könne, sondern vielmehr als ein dynamisches Netzwerk von Bedeutungen, das kontinuierlich im Fluss ist und sich im Kontext gesellschaftlicher Auseinandersetzungen fortwährend entwickelt (ebd., S. 382). Diese Sichtweise erkennt die Rolle von Kultur als aktiven Akteur im gesellschaftlichen Wandel an und hebt die Bedeutung des kontinuierlichen Diskurses hervor, der Kultur in gesellschaftliche Praktiken einbettet.
1.2 Zentrale Konzepte der Cultural Studies
Hall beschreibt Kultur als lebendigen Prozess der Bedeutungsproduktion, der alle Lebensbereiche durchdringt und strukturiert (Winter, 2006, S. 381f.). In dieser Sichtweise sind kulturelle Praktiken nicht isoliert von sozialen und politischen Konstellationen, sondern tief in sie eingebettet. Kultur ist somit nicht nur der Ort, an dem künstlerische Ausdrucksformen produziert werden, sondern auch das Schlachtfeld, auf dem Machtverhältnisse verhandelt und hegemoniale Strukturen geformt werden (Hall, 1989).
Die Verwendung von Hegemonie als Konzept, das stark von Antonio Gramsci beeinflusst ist, hat in Halls Theorie eine zentrale Rolle. Gramscis Idee, dass politische und soziale Herrschaft nicht nur auf Zwang, sondern auch auf Konsens basiert, wird von Hall adaptiert, um zu verdeutlichen, wie kulturelle Normen und Werte die Zustimmung der Gesellschaft gewinnen und dadurch Stabilität erlangen (Demirovic, 2012, S. 139f.). Hegemonie ist demnach das Machtsystem, durch das dominante Gruppen ihre Vorstellungen als gesellschaftlichen Konsens etablieren können.
Ein weiterer grundlegender Beitrag von Stuart Hall zur Cultural Studies ist das von ihm entwickelte „Encoding-Decoding“-Modell (Winter, 2006, S. 384ff.). Mit diesem Modell hinterfragt Hall das lineare Modell der Medienkommunikation, das Botschaften direkt von Sender zu Empfänger überträgt. Stattdessen sieht Hall den Dekodierungsprozess durch das Publikum als einen vielschichtigen und aktiven Vorgang, der durch drei mögliche Lesarten gekennzeichnet ist: Die dominante Lesart akzeptiert die intendierten Bedeutungen, die ausgehandelte Lesart passt diese an den eigenen Kontext an, und die oppositionelle Lesart lehnt sie ab und entwickelt neue Bedeutungen. Dieses Modell unterstreicht, dass Medienkonsumenten aktive Teilnehmer sind, die je nach sozialem Kontext und persönlichem Erfahrungshorizont unterschiedliche Bedeutungen konstruieren (ebd.).
Die Identität, ein weiteres wesentliches Konzept in Halls Arbeit, wird als fluid und hybrid angesehen—geformt durch eine Vielzahl sozialer, historischer und kultureller Einflussfaktoren. Identitäten sind keine festgelegten oder homogenen Einheiten, sondern das Ergebnis laufender Aushandlungsprozesse, in denen Individuen sich durch kulturelle Praktiken und Diskurse positionieren (ebd., S. 390f.). Diese Auffassung von Identität als nicht essentialistisch und ständig im Wandel befindlich stellt traditionelle Vorstellungen in Frage und ermöglicht eine dynamischere Interpretation der menschlichen Erfahrung.
Insgesamt bieten die Theorien von Stuart Hall tiefgreifende Einsichten in die Interdependenz von Kultur, Identität und Macht. Sie zeigen, wie Kultur als Mechanismus funktionieren kann, um soziale Hegemonie zu etablieren und gleichzeitig durch kritische Analyse und Bewusstsein infrage zu stellen. Hall fordert mit seiner Arbeit zu einer radikalen Neuinterpretation der Rolle von Kultur in der Gesellschaft auf, die sich gegen starre und vorgegebene Machtstrukturen wendet und für eine kontinuierliche, dynamische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Realitäten plädiert.
2. Parteilichkeit in der Jugendhilfe
Die Parteilichkeit stellt ein zentrales Leitprinzip in der Praxis der Jugendhilfe dar. Sie fordert, dass Fachkräfte in der sozialen Arbeit bewusst die Perspektiven und Interessen der benachteiligten und marginalisierten Jugendlichen stärken. Im Licht von Stuart Halls Cultural Studies kann dieses Prinzip weiter ausdifferenziert werden.
2.1 Definition und Bedeutung der Parteilichkeit
Parteilichkeit in der Sozialen Arbeit bezeichnet das aktive Eintreten für die Interessen der Adressatinnen, insbesondere für jene, die aufgrund von gesellschaftlichen Machtstrukturen benachteiligt sind. Dies beinhaltet die bewusste Positionierung zugunsten derjenigen, die in der Gesellschaft strukturell marginalisiert werden (Tomaschowski & Schruth, 2020, S. 138). Ziel der Parteilichkeit ist es, die Machtasymmetrien zu verringern und den Betroffenen eine Stimme zu geben, was oft einen Kontrapunkt zur institutionalisierten Neutralität bildet. Dieses Prinzip verlangt von den Fachkräften, ihre Rolle als Unterstützer und Fürsprecher für Klientinnen aktiv zu gestalten, ohne in bloße Dienstleisterrollen zu verfallen (Peters, 2020, S. 134).
Parteilichkeit ist tief im Menschenrechtsansatz verwurzelt und zielt auf soziale Gerechtigkeit, individuell angepasste Unterstützung und die Selbstbestimmung der Adressatinnen ab. Diese Ausrichtung steht im Einklang mit der Verpflichtung der sozialen Arbeit, sich für die Stärkung benachteiligter Personengruppen einzusetzen (Neuhoff, 2020, S. 143).
2.2 Herausforderungen und Anwendung
Die Ausführung von Parteilichkeit in der Praxis der Jugendhilfe ist mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden. Eine der wesentlichen Schwierigkeiten besteht darin, die Balance zwischen Unterstützung und Übernahme zu wahren, dies setzt die ständige Reflexion der eigenen Position und Haltung voraus. Fachkräfte müssen darauf achten, dass ihre unterstützende Funktion nicht die Autonomie der Adressatinnen beeinträchtigt (Len et al., 2022, S. 356). Dies könnte auch anhand der UN-Kinderrechtskonvention diskutiert werden, dies übersteigt allerdings die Möglichkeiten dieser Arbeit.
Institutionelle Rahmenbedingungen können dabei ebenfalls hinderlich sein. Die Jugendhilfe ist oftmals in ein Netz von bürokratischen Anforderungen eingebunden, die es erschweren, parteilich und unabhängig zu agieren. Diese strukturellen Herausforderungen können dazu führen, dass Parteilichkeit zur Formalität verkommt und nicht mehr mit vollem Engagement umgesetzt wird. Diese Herausforderungen illustrieren, warum eine sorgfältige Abwägung zwischen institutionellen Vorgaben und der Verpflichtung zur Parteilichkeit notwendig ist (Straus, 2022).
2.3 Verbindung zu den Cultural Studies
Stuart Halls Cultural Studies bieten wertvolle Perspektiven, um das Konzept der Parteilichkeit zu bereichern, indem sie die Komplexität kultureller Repräsentationen und der Identitätsbildung aufzeigen. Hall betont die Rolle der Medien und ihrer Inhalte als Faktoren, die Einfluss auf Machtverhältnisse und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Gruppen haben (Winter, 2006, S. 384ff.). In diesem Licht gesehen, agiert Parteilichkeit nicht nur als unterstützende Praxis, sondern als Akt der Repräsentation, der den hegemonialen Diskurs herausfordert.
Cultural Studies tragen dazu bei, Parteilichkeit als transformative Praxis zu verstehen, die die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen erhöht und ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihre eigene Identität zu gestalten. Hall zeigt auf, wie Identität als fluides und verhandelbares Konzept innerhalb von Machtstrukturen existiert (ebd., S. 390f.). Dies öffnet Räume in der Jugendhilfe, in denen die individuellen Lebensrealitäten der Jugendlichen wahrgenommen und respektiert werden können, indem sie aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft beteiligt sind (Meyer und Patjens 2020, S 65f.). Es wäre darüber hinaus eine Möglichkeit, dies im Kontext von Intersektionalität in einer größeren Arbeit zu betrachten.
2.4 Praktische Ansätze und Fallbeispiele
Der praktische Einsatz von Parteilichkeit kann durch partizipative Projekte gestärkt werden, die den Jugendlichen ermöglichen, ihre Geschichten selbst zu erzählen. Dies könnte durch die Schaffung eigener Medieninhalte erreicht werden, die Raum für subjektive Narrative bieten und negative Stereotypisierungen herausfordern. Solche Projekte fördern Empowerment und können jungen Menschen helfen, ihre Perspektiven wirkungsvoll und kreativ zu artikulieren (Len et al., 2022, S. 358).
In der Praxis haben sich Ansätze bewährt, bei denen Jugendliche aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden (Urban-Stahl 2022, S. 139). Beispielsweise könnte die Gründung von Jugendräten innerhalb der Einrichtungen der Jugendhilfe dazu beitragen, dass die jungen Menschen ihre Anliegen selbst vertreten und an deren Umsetzung partizipieren. Dieser Ansatz schöpft aus der Erkenntnis der Cultural Studies, dass Selbstrepräsentation zu einem grundlegenden Wandel in der sozialen Praxis führen kann (Hall, 1994, S. 17).
2.5 Parteilichkeit im Kontext von Ombudschaftlicher Beratung
Die ombudschaftliche Beratung gemäß § 9a SGB VIII stellt eine institutionalisierte Form der Parteilichkeit in der Jugendhilfe dar. Die Ombudsstellen fungieren als unabhängige Plattformen, die darauf abzielen, strukturelle Machtasymmetrien zwischen der Jugendhilfe und deren Adressatinnen auszugleichen. Sie bieten jungen Menschen die notwendige Unterstützung, um ihre Rechte wahrzunehmen und Konflikte auf lösungsorientierte Weise zu bewältigen (Urban-Stahl 2022, S. 138ff.; Gembalczyk 2023, S. 45). Diese Beratung ergänzt die herkömmliche Praxis der Jugendhilfe durch die stärkere Betonung von Parteilichkeit und Unabhängigkeit, was letztlich zur Stärkung der Rechte und Position der Jugendlichen beiträgt (BNO 2021, S. 5).
Die Einbindung von Stuart Halls Theorien der Cultural Studies und den Prinzipien der Parteilichkeit in die Jugendhilfe ermöglicht nicht nur eine verbesserte individuelle Unterstützung der Jugendlichen, sondern kann auch zu wesentlichen strukturellen Veränderungen innerhalb der Jugendhilfe führen. Durch die Förderung einer Kultur des Empowerments und der Repräsentation wird sichergestellt, dass die Stimmen der Jugendlichen nicht nur gehört, sondern auch ernst genommen werden. Dies schafft einen Raum, in dem Jugendliche als aktive Teilnehmerinnen ihre Identität und ihre Rechte selbstbewusst vertreten können (Schruth & Redmann 2022, S. 86ff.). Ombudschstellen können an dieser Stelle Junge Menschen dabei unterstützen ihre rechte um zu setzen und gegen Diskriminierung im Jugendhilfesystem vor zu gehen, da diese stellen parteilich und unabhängig sind (BNO 2021, S. 5; Urban-Stahl 2022, S. 138ff.; Gembalczyk 2023, S. 45). Im nächsten Kapitel wird das Thema der Ombudsstellen noch einmal genauer erklärt und aufgegriffen.
3. Ombudschaftliche Beratung nach § 9a SGB VIII
Die Einführung der ombudschaftlichen Beratung gemäß § 9a SGB VIII markiert einen grundlegenden Fortschritt in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Diese rechtliche Neuerung zielt darauf ab, Transparenz und Beteiligung zu fördern und die Rechte junger Menschen systematisch zu stärken.
3.1 Einführung in die Ombudschaftliche Beratung
Mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes im Jahr 2021 hat die ombudschaftliche Beratung eine formelle gesetzliche Grundlage erhalten (BNO, 2021, S. 5). Paragraph 9a SGB VIII verpflichtet die Länder, Ombudsstellen einzurichten, die jungen Menschen und ihren Familien in Konfliktsituationen unabhängige Beratung bieten sollen. Diese Stellen arbeiten ohne Einflussnahme der öffentlichen oder freien Träger der Jugendhilfe und stehen den Jugendlichen bei der Klärung von Rechten und Beschwerden zur Seite (Rosenow, 2022, S. 301).
Die Ombudsstellen fungieren als neutrale Vermittler, die auf Augenhöhe mit den jungen Menschen kommunizieren und deren Anliegen parteilich vertreten, was bedeutet, dass sie im Interesse der Adressatinnen handeln und ihre Rechte schützen (Len et al., 2022, S. 356).
3.2 Verbindung zur Parteilichkeit
Ein zentrales Anliegen der ombudschaftlichen Beratung ist die institutionelle Umsetzung der Parteilichkeit in der Praxis der Jugendhilfe. Dadurch wird sichergestellt, dass die Perspektive und die Rechte junger Menschen gestärkt werden (Len et al., 2022, S. 357). Die Verbindung zur Parteilichkeit spiegelt sich im Bestreben wider, strukturelle Ungleichgewichte zu identifizieren und zu korrigieren (siehe auch Kapitel 2.5).
Stuart Halls Theorien der Cultural Studies bieten einen theoretischen Rahmen zur Analyse von Machtverhältnissen, die in der Ombudschaft eine zentrale Rolle spielen. Hall hebt hervor, wie wichtig es ist, hegemoniale Strukturen durch kritische Interventionen zu hinterfragen (Winter, 2006, S. 382). Damit bietet die Ombudschaft den Jugendlichen die Möglichkeit, eigene Narrative zu entwickeln und strukturelle Barrieren zu überwinden (Schruth 2022, S. 136ff.).
3.3 Theoretische Herausforderungen und praktische Barrieren
Die Implementierung der ombudschaftlichen Beratung ist nicht ohne Herausforderungen. Zu den grundlegenden Schwierigkeiten zählt die Sicherstellung von Unabhängigkeit und die finanzielle Ausstattung der Ombudsstellen, welche von den jeweiligen Länderverwaltungen abhängt (Hagemeier et al., 2023, S. 46f.).
Es besteht die Gefahr, dass Ombudsstellen als reine Verwaltungsorgane wahrgenommen werden, anstatt als aktive Unterstützer der jungen Menschen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, ist es notwendig, dass die Ombudsstellen proaktiv arbeiten und sich kontinuierlich im Sinne der Klientinnen engagieren (Len et al., 2022, S. 358).
3.4 Praktische Implementierung
Für eine erfolgreiche Implementierung sind innovative Ansätze nötig, um die Niedrigschwelligkeit und Zugänglichkeit zu gewährleisten. Einige Bundesländer haben bereits mobile Beratungsdienste etabliert oder arbeiten eng mit bestehenden Jugendhilfeeinrichtungen zusammen, um die Erreichbarkeit der Ombudschaft zu verbessern (Schröer & Thomas, 2022, S. 344ff.).
Fallbeispiele zeigen, dass die Ombudschaft nicht nur individuelle Konflikte lösen kann, sondern auch systemische Verbesserungen bewirkt. Zum Beispiel ermutigen einige Programme Jugendämter, kinderfreundlichere Verfahren einzuführen, was langfristig zu einer inklusiveren Praxis in der Jugendhilfe führt (BNO, 2021, S. 6).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einführung der ombudschaftlichen Beratung nach § 9a SGB VIII einen signifikanten Beitrag zur Förderung von Parteilichkeit leistet. Ombudsstellen verbessern nicht nur den Schutz individueller Rechtsansprüche, sondern fördern auch die kritische Auseinandersetzung mit institutionellen Machtstrukturen (Urban-Stahl, 2022, S. 138ff.). Dies steht im Einklang mit den Cultural Studies von Stuart Hall, indem sie die Macht der Repräsentation und die Stärkung der Jugendlichen aktiv unterstützen.
4. Verbindung von Cultural Studies und Parteilichkeit in der Jugendhilfe
In Kapitel vier wird untersucht, wie die Theorien der Cultural Studies, insbesondere die von Stuart Hall entwickelten Konzepte, die Prinzipien der Parteilichkeit in der Jugendhilfe bereichern und intensivieren können. Dabei wird die Brücke zwischen theoretischen Einsichten und der praktischen Arbeit in der Jugendhilfe geschlagen.
4.1 Theoretische Überschneidungen
Die Cultural Studies, wie sie von Stuart Hall entwickelt wurden, analysieren die Beziehung zwischen Kultur, Identität und Machtstrukturen. Halls Ansatz negiert die Vorstellung, Kultur sei ein statisches oder homogenes Gebilde. Vielmehr sieht er Kultur als Arena, in der Bedeutungen ständig neu produziert, Herausforderungen ausgesetzt und Machtverhältnisse ausgehandelt werden (Winter, 2006, S. 381f.). Für die Jugendhilfe bedeutet dies, dass die Parteilichkeit nicht nur darauf abzielt, bestehende Machtverhältnisse auszugleichen, sondern aktiv durch neue Erzählungen und Repräsentationen Veränderungen anzustoßen (Urban- Stahl, 2022, S. 138).
Halls Konzept der Repräsentation spielt dabei eine zentrale Rolle. Er argumentiert, dass kulturelle Repräsentationen entscheidend dafür sind, wie Gruppen und Individuen wahrgenommen und behandelt werden (Winter, 2006, S. 390f.). Ebenso ist die Repräsentation in der Jugendhilfe von Bedeutung, um marginalisierte Jugendgruppen zu stärken. Durch die bewusste Förderung positiver Repräsentationen wird das Bild, das die Gesellschaft von jungen Menschen hat, diversifiziert und bereichert, was Empowerment und Selbstbewusstsein fördert (BNO, 2021, S. 4; BMFSFJ, 2011).
4.2 Anwendung in der Praxis der Jugendhilfe
Die Prinzipien der Cultural Studies ermöglichen es, Parteilichkeit als kritische Praxis zu redefinieren. Diese Praxis versucht, den sozialen Wandel bewusst durch die Stärkung von Stimmen und Repräsentationen zu gestalten. Parteilichkeit fordert in der Praxis der Jugendhilfe eine aktive Positionierung der Fachkräfte für die Anliegen marginalisierter Jugendlicher (Tomaschowski & Schruth, 2020, S. 138).
Durch die Konzeption und Umsetzung partizipativer Projekte, wie z.B. in der Medienproduktion, können Jugendliche ermutigt werden, ihre Stimmen hörbar zu machen und ihre Geschichten zu erzählen. Jugendliche sollten nicht nur als Adressat*innen sozialer Dienste betrachtet werden, sondern als Mitgestalter*innen ihrer Lebenswelten. Diese Partizipationsmöglichkeiten schaffen Räume, in denen junge Menschen zu aktiven Akteuren werden, die ihre eigene Identität und sozialen Räume mitgestalten (Len et al., 2022, S. 358).
Halls Modell der „offenen Konstruktion“ von Identität bietet hierbei eine hilfreiche Perspektive, durch die Jugendhilfe als Ort der Verhandlung und Gestaltung sozialer Identitäten gesehen wird. Indem die Fachkräfte Jugendlichen Plattformen bieten und aktiv dazu ermutigen, sich einzubringen, spiegeln sie Halls Vorstellung von Identität als fluide Praxis wider, die durch soziale und kulturelle Diskurse geformt wird (Winter, 2006, S. 390f.)
4.3 Einfluss auf die ombudschaftliche Beratung
Die Konzepte der Cultural Studies erweitern die Perspektiven der ombudschaftlichen Beratung. Diese verfolgt das Ziel, strukturelle Barrieren zu überwinden und jungen Menschen eine Stimme zu geben, die innerhalb gesellschaftlicher Diskurse Gehör findet. Ombudspersonen agieren nicht nur als Konfliktlöser, sondern auch als kulturelle Vermittler. Ihre Funktion ist es, den Jugendlichen zu helfen, ihre Anliegen zu artikulieren und gesellschaftliche Diskurse zu beeinflussen, was mit Halls Fokus auf die Rolle von Repräsentation und hegemonialen Strukturen im Einklang steht (Rosenow, 2022, S. 301).
Ein adäquater Ansatz innerhalb der Ombudschaft ist es, Strukturen zu analysieren, die diskriminieren oder marginalisieren, und diese aktiv infrage zu stellen. Dies erfordert eine kontinuierliche Reflexion über die eigene Rolle und die möglichen Auswirkungen institutioneller Praktiken (Len et al., 2022, S. 357).
4.4 Best Practices
In der praktischen Arbeit der Jugendhilfe gibt es zahlreiche Fallbeispiele, die die Verbindung von Cultural Studies und Parteilichkeit illustrieren. Ein Beispiel dafür sind Projekte, die Jugendlichen die Mittel in die Hand geben, um ihre Geschichten und Sichtweisen durch eigene Medienproduktionen darzustellen. Durch diesen Prozess erleben Jugendliche Selbstwirksamkeit und können aktiv an sozialen Transformationen teilnehmen (Schröer & Thomas, 2022, S. 344ff.).
Ein weiterer Ansatz sind Jugendgremien oder Foren, in denen Jugendliche eigene Themen einbringen können. Diese Einrichtungen basieren auf dem partizipativen Ansatz, der Jugendliche als zentrale Akteure ihrer Entwicklung und als Partner bei der Gestaltung der Hilfesysteme sieht. Hierbei wird Halls Ansatz deutlich, der Repräsentation und Identität als dynamischen und diskursiven Prozess versteht (Winter, 2006, S. 391).
Zusammengefasst zeigen die Theorien der Cultural Studies, wie Parteilichkeit in der Jugendhilfe nicht nur als reaktive, sondern als proaktive Praxis funktionieren kann. Durch partizipative Ansätze wird den Jugendlichen ermöglicht, in die Gestaltung ihrer Lebenswelt aktiv einzugreifen und soziale Machtstrukturen zu transformieren. Diese Ansätze bieten den Jugendlichen die notwendigen Instrumente, um sich in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen und als vollwertige Akteure wahrgenommen zu werden.
5. Fallstudien und Best Practices in der Jugendhilfe
Dieses Kapitel untersucht, wie die theoretischen Konzepte der Cultural Studies und der Parteilichkeit in der Jugendhilfe praktisch zur Anwendung kommen, indem konkrete Fallstudien und Best Practices vorgestellt werden. Diese Beispiele zeigen, wie junge Menschen unterstützt werden können, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre gesellschaftliche Position zu stärken.
5.1 Fallstudien zur Umsetzung der Parteilichkeit
Um die theoretischen Konzepte der Parteilichkeit in der Praxis der Jugendhilfe umzusetzen, ist es entscheidend, konkrete Beispiele und Fallstudien zu analysieren. Der Einsatz partizipativer Projekte in Jugendzentren ist hierbei entscheidend, um Jugendlichen eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Stimmen kreativ erheben können (Len et al., 2022, S. 358).
Ein Beispiel wären Jugendwerkstätten, in denen Jugendliche lernen, ihre eigenen Medieninhalte zu gestalten. Diese Werkstätten befähigen Jugendliche dazu, sich kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und ihre Perspektiven durch Medien wie Film, Fotografie oder Literatur zu artikulieren. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der Vermittlung von Medienkompetenz, sondern auch auf der Stärkung des Selbstbewusstseins und des Gemeinschaftsgefühls (Rosenow, 2022, S. 301).
5.2 Best Practices: Partizipation durch Mitbestimmung
Best Practices in der Jugendhilfe zeigen, dass die Förderung von Mitbestimmung und eigener Entscheidungsfindung einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, Jugendliche in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Ein ausgezeichnetes Beispiel sind Jugendparlamente oder -räte, in denen junge Menschen aktiv an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Solche Gremien bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse und Interessen direkt in die Gestaltung von Projekten und Maßnahmen einzubringen (Tomaschowski & Schruth, 2020, S. 138).
Der Ansatz der Mitbestimmung verkörpert Halls Konzept der fluiden Identität, da junge Menschen als aktive Akteure in sozialen Prozessen agieren, ihre Identität eigenständig gestalten und durch partizipative Praktiken weiterentwickeln können (Winter, 2006, S. 391). Diese Programme fördern die Eigenverantwortung der Jugendlichen und stärken ihre Position im sozialen Gefüge Patjens und Hettler (2020, S. 121).
5.3 Integration kultureller Praktiken: Einfluss der Cultural Studies
Cultural Studies betonen, dass die Berücksichtigung und Integration kultureller Praktiken und Repräsentationen einen entscheidenden Unterschied für die Wirksamkeit von Jugendhilfeprojekten machen können. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist ein interkulturelles Jugendprojekt, das darauf abzielt, verschiedene kulturelle Erfahrungen und Perspektiven zu nutzen und zu integrieren (BNO, 2021, S. 5; Winter, 2006, S. 390f.).
Programme, die diesen Prinzipien folgen, fördern den interkulturellen Dialog und die Anerkennung kultureller Diversität. Dies hilft, bestehende Vorurteile abzubauen und ein inklusives Umfeld zu schaffen, in dem sich die Teilnehmer akzeptiert und verstanden fühlen. Die Beschäftigung mit unterschiedlichen kulturellen Erzählungen ermöglicht es Jugendlichen, ihre eigenen Geschichten zu reflektieren und gleichzeitig mehr Respekt für andere Perspektiven zu entwickeln (Winter, 2006, S. 390f.).
5.4 Verbesserung der Ombudschaftlichen Arbeit durch innovative Strategien
Neben der Parteilichkeit und den Cultural Studies spielen innovative Strategien zur Verbesserung der ombudschaftlichen Arbeit eine entscheidende Rolle. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Einführung mobiler Ombudsdienste, die in schwer zugänglichen ländlichen Gebieten arbeiten, um sicherzustellen, dass alle Jugendlichen Zugang zu unabhängiger Beratung und Unterstützung haben (Schröer & Thomas, 2022, S. 344f.).
Diese mobilen Dienste bieten vertrauliche Beratung und erhöhen die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Ombudschaftsangebote, wodurch mehr junge Menschen erreicht und unterstützt werden können. Solch ein Ansatz reflektiert Halls Idee, dass Machtstrukturen durch kritische Interventionen und die Schaffung neuer Repräsentationen geändert werden können (Len et al., 2022, S. 356).
Zusammengefasst zeigen die Fallstudien und Best Practices, dass die Integration von Cultural Studies und Parteilichkeit in die Jugendhilfe nicht nur die individuelle Unterstützung verbessert, sondern auch systemische Veränderungen initiiert. Durch die Schaffung neuer Räume für Repräsentation, Mitbestimmung und Dialog wird es jungen Menschen ermöglicht, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Lebenswelten aktiv mitzugestalten.
6. Kritische Betrachtungen und Herausforderungen in der Jugendhilfe
In diesem Kapitel werden die Herausforderungen beleuchtet, die mit der Umsetzung der Prinzipien der Parteilichkeit und der Integration der Cultural Studies in der Jugendhilfe einhergehen. Außerdem werden kritische Überlegungen zur Wirksamkeit der ombudschaftlichen Beratung nach § 9a SGB VIII angestellt.
6.1 Herausforderungen der Parteilichkeit in der Jugendhilfe
Obwohl Parteilichkeit eine essenzielle Grundlage der Sozialen Arbeit ist, stößt ihre Umsetzung auf zahlreiche Herausforderungen. Ein zentraler Punkt ist der Balanceakt zwischen persönlicher Unterstützung und Bevormundung. Fachkräfte der Jugendhilfe müssen sicherstellen, dass ihre parteiliche Haltung die Autonomie der Jugendlichen respektiert, anstatt sie zu übersteuern (Tomaschowski & Schruth, 2020, S. 138).
Darüber hinaus stellen institutionelle Rahmenbedingungen weitere Hindernisse dar. Diese Strukturen bringen bürokratische Anforderungen mit sich, die es den Fachkräften erschweren, wirklich parteilich und unabhängig zu agieren. Die dauerhafte Auseinandersetzung mit solchen Gegebenheiten erfordert eine kritische Reflexion der eigenen Praxis sowie der institutionellen Vorgaben (Len et al., 2022, S. 356).
6.2 Kritische Betrachtung der Cultural Studies in der Jugendhilfe
Die Integration der Cultural Studies in die Jugendhilfe bietet viele Chancen, bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, insbesondere bei der praktischen Umsetzung theoretischer Konzepte von Repräsentation und Identität. Cultural Studies fördern ein kritisches Bewusstsein für Machtstrukturen, verlangen jedoch gleichzeitig, dass Fachkräfte diese theoretischen Ansätze produktiv in ihre tägliche Praxis einbinden (Winter, 2006, S. 390f.).
Insbesondere im Umgang mit multikulturellen Gruppen müssen Fachkräfte nicht nur bereit sein, kulturelle Unterschiede zu akzeptieren, sondern diese auch in ihre Praxis zu integrieren, um Vorurteile abzubauen und Inklusion zu fördern. Halls theoretische Konzepte sollten hierbei nicht nur als Rahmen, sondern als aktiv gestaltbare Praxis begriffen werden (ebd.).
6.3 Effizienz und Probleme der Ombudschaftlichen Beratung
Die ombudschaftliche Beratung nach § 9a SGB VIII soll strukturelle Machtasymmetrien in der Jugendhilfe beseitigen. Allerdings gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer tatsächlichen Effizienz. Auch wenn Ombudsstellen als unabhängige Vermittler fungieren sollen, besteht das Risiko, dass sie lediglich als Verwaltungsorgane wahrgenommen werden und nicht als aktive Unterstützer der Jugendlichen (Rosenow, 2022, S. 301).
Ein weiteres Problem ist die Sicherstellung der Erreichbarkeit und Sichtbarkeit dieser Stellen. Häufig sind Jugendliche nicht über die Existenz solcher Angebote informiert oder wissen nicht, wie sie diese auf ihre Bedürfnisse abgestimmt in Anspruch nehmen können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer effektiven Außendarstellung und Zugangsstrategie (Hagemeier et al., 2023, S. 46f.).
6.4 Maßnahmen zur Überwindung von Herausforderungen
Um die Herausforderungen bei der Umsetzung von Parteilichkeit, Cultural Studies und ombudschaftlicher Beratung zu bewältigen, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Die kontinuierliche Weiterbildung von Fachkräften ist entscheidend, um Konzepte wie Parteilichkeit und Repräsentation effektiv zu integrieren und umzusetzen (Tomaschowski & Schruth, 2020, S. 138).
Zudem sollten Ombudsstellen strategische Pläne entwickeln, um die Bekanntheit und Zugänglichkeit ihrer Angebote sicherzustellen. Mobile Beratungsdienste und die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften können dazu beitragen, die Reichweite der Beratung zu erhöhen und Vertrauen in diese Strukturen zu schaffen (Len, 2022, S. 252).
Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die Implementierung der Parteilichkeit, der Cultural Studies und der ombudschaftlichen Beratung große Chancen, aber auch Herausforderungen bietet. Trotz der Schwierigkeiten sollten diese Ansätze weiter verfolgt und verbessert werden, um die Teilhabe und das Empowerment von Jugendlichen in der Jugendhilfe nachhaltig zu stärken.
Fazit und Ausblick
Die vorliegende Arbeit hat sich mit der zentralen Forschungsfrage beschäftigt, inwiefern die Theorien der Cultural Studies von Stuart Hall genutzt werden können, um die Prinzipien der Parteilichkeit in der Jugendhilfe zu fördern und soziale Barrieren abzubauen. Es wurde deutlich, dass Halls Konzepte der Hegemonie und Repräsentation entscheidende theoretische Grundlagen liefern, um die oft unsichtbaren Machtstrukturen innerhalb der Jugendhilfe zu analysieren und zu hinterfragen (Winter 2006, S. 381f.; Demirovic 2012, S. 139f.).
Hall versteht Kultur als dynamisches und durchgehend verhandeltes Feld, das es erlaubt, die Jugendhilfe als einen Ort der aktiven Repräsentation und Transformation zu verstehen. Durch diese Perspektive werden Fachkräfte befähigt, bewusst gegen hegemoniale Strukturen vorzugehen, welche die Stimmen der Jugendlichen marginalisieren. Die Anerkennung von Identitäten als fluid und vielfältig öffnet dabei Räume, in denen Jugendliche ihre eigene Partizipation und Selbstdarstellung gestalten können (Hall 1989; Winter 2006, S. 390f.).
Ein zentraler Pfeiler zur Umsetzung dieser Vision ist die ombudschaftliche Beratung gemäß § 9a SGB VIII. Urban-Stahl (2022, S. 138ff.) hebt die Rolle der Ombudsstellen als entscheidende Akteure hervor, die nicht nur neutrale Mittler sind, sondern aktiv daran arbeiten, hegemoniale Strukturen zu durchbrechen. Diese Stellen bieten Jugendlichen eine unabhängige und parteiliche Unterstützung, damit sie ihre Rechte wahrnehmen und gegen strukturelle Benachteiligungen ankämpfen können (BNO 2021, S. 5; Rosenow 2022, S. 301). Die Ombudsstellen balancieren somit Machtasymmetrien innerhalb der Jugendhilfe aus und fördern die Selbstbestimmung der jungen Menschen.
Die praktische Umsetzung dieser Konzepte erfordert kontinuierliche Bemühungen. Insbesondere müssen die Unabhängigkeit, Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Ombudsstellen gesichert werden, um deren Effektivität zu gewährleisten (Len 2022, S. 252). Es ist ebenso wichtig, dass Fachkräfte regelmäßig geschult werden, um die in den Cultural Studies entwickelten Ansätze sinnvoll in ihre Arbeit zu integrieren.
Zukunftsfähige Erweiterungen dieses Themenbereichs sollten insbesondere die Facetten der Intersektionalität und Kinderrechte, vor dem Hintergrund der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK), in den Blick nehmen. Intersektionalität bietet die Möglichkeit, die Überschneidungen verschiedener Diskriminierungsformen zu analysieren und damit die Komplexität jugendlicher Erfahrungen in der Jugendhilfe umfassender zu adressieren. Diese intensivere Auseinandersetzung würde es ermöglichen, ein Jugendhilfesystem zu entwickeln, das nicht nur individuell unterstützt, sondern auch sozial gerecht und inklusiv ist. Doch diese Aspekte sprengen den Rahmen der vorliegenden Arbeit und erfordern eine detailliertere Betrachtung.
Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die Kombination von Cultural Studies und Parteilichkeit nicht nur eine stärkere individuelle Unterstützung für Jugendliche bietet, sondern auch das Potenzial hat, die strukturellen Grundlagen der Jugendhilfe zu verändern. Diese Veränderungen sind entscheidend, um eine langfristig gerechtere und partizipativ gestaltete Gesellschaft zu fördern (Schruth & Redmann 2022, S. 86ff.).
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- Arbeit zitieren
- Amon Holbe (Autor:in), 2024, Parteilichkeit in der Jugendhilfe im Kontext der Cultural Studies von Stuart Hall. Eine Analyse unter Einbeziehung der Ombudschaftlichen Beratung nach § 9a SGB VIII, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1585732