Der RegisseurIn werden gemäß ihres Standes im Theaterkosmos viele Freiheiten zugestanden. Das Arbeitsethos kann von freundlich-diplomatisch zu herrisch-tyrannisch reichen. Die SchauspielerInnen müssen sich dem Konzept der RegisseurIn unterordnen. Bei der Regie handelt es sich um einen von Männern dominierten Bereich, was eine Debatte über Herrschaft und Abhängigkeitsverhältnisse, gerade im Probenprozess, schnell zu feministischen Fragestellungen führen lässt. Es ist wohl kein Zufall, dass viele der Theaterkollektive überwiegend aus Frauen bestehen und sich als feministische Gruppen bezeichnen. Mit ihren antihierarchischen Arbeitsweisen umgehen sie die Abhängigkeit von einem Chef, im Theater ein zumeist männlicher Regisseur, dessen Macht je nach Bekanntheitsgrad und Ansehen sehr groß sein kann. Außerdem können sie Themen behandeln, die sonst eher untergehen. Dabei schöpfen die PerformerInnen meist aus der eigenen Biographie oder der von Laien. Sie negieren bewusst die Genialität des Einzelnen und lassen stattdessen Stimmen und Spielweisen zu, die sonst wenig gehört und gesehen werden. Der Professionalität, mit der oft Konkurrenzkämpfe und hierarchische Gefälle einhergehen, setzen sie Dilettantismus und ungeschönte Blicke auf die Realität vieler Menschen entgegen. Nicht die darf Theater inszenieren und spielen, die eine passende Ausbildung dafür absolviert hat, sondern die, die eine eigene Geschichte zu erzählen hat.
Dennoch bleibt weiterhin die Frage offen, ob eine durchgehend kollektive Arbeitsweise ohne Hierarchien und Arbeitsteilung im Theaterbereich möglich ist. Dies gilt besonders für berühmte und damit zwangsläufig professionelle Gruppen, die viel unterwegs sind und mit unterschiedlichen Institutionen zusammen arbeiten. Auch der Einsatz von Laien muss im Hinblick auf die Erfolgsstrategien der Gruppen kritisch hinterfragt werden. Nach einer Einführung in die wichtigsten Merkmale von bekannten Kollektiven werden daher die Arbeitsweisen von Rimini Protokoll, She She Pop und Henrike Iglesias beleuchtet. Abschließend werden die Kollektive und ihre Arbeitsweisen miteinander verglichen. Es gilt zu überlegen, inwieweit das Theater tatsächlich ohne Chefin oder Chef auskommt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kollektive im (freien) Theater
- 2. Merkmale der Kollektive
- 2.1 Performativität
- 2.2 Autobiographisches und dokumentarisches Material
- 2.3 Einsatz von Laien
- 3. Berühmte Kollektive und ihre Arbeitsweisen
- 3.1 Rimini Protokoll
- 3.2 She She Pop
- 3.3 Henrike Iglesias
- 4. Vergleich der drei Kollektive und ihrer Arbeitsweisen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Arbeitsweisen von Theaterkollektiven im Vergleich zum traditionellen Theaterbetrieb. Das Hauptziel besteht darin, die hierarchiefreien Strukturen und Arbeitsmethoden dieser Kollektive zu analysieren und zu bewerten, insbesondere im Kontext der dominierenden Rolle des Regisseurs im deutschen Theater. Dabei werden die Herausforderungen und Möglichkeiten dieser alternativen Organisationsformen beleuchtet.
- Die Rolle des Regisseurs im traditionellen Theater und dessen Wandel im Laufe der Geschichte
- Merkmale und Charakteristika von Theaterkollektiven
- Analyse der Arbeitsweisen von drei prominenten Theaterkollektiven (Rimini Protokoll, She She Pop, Henrike Iglesias)
- Vergleich der Arbeitsweisen der Kollektive und deren Erfolgspotential
- Die Frage nach der Machbarkeit eines Theaters ohne hierarchische Strukturen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Kollektive im (freien) Theater: Der erste Abschnitt untersucht die Motivation hinter der Entstehung von Theaterkollektiven. Im Gegensatz zum traditionellen Theaterbetrieb mit seiner Hierarchie, in der der Regisseur im Mittelpunkt steht, streben Kollektive nach hierarchiefreien Strukturen und Arbeitsweisen. Das freie Theater, mit seinen flexibleren Strukturen im Vergleich zu subventionierten Theatern, bietet hierfür einen fruchtbaren Boden. Die Arbeit beleuchtet die finanzielle Herausforderung für freie Theatergruppen und hebt die bemerkenswerte Entwicklung einiger Gruppen hervor, die es geschafft haben, sich als Elite zu etablieren und mit Stadt- und Staatstheatern zusammenzuarbeiten. Der Abschnitt setzt die Entwicklung von Kollektiven in den historischen Kontext des Theaters, beginnend mit dem Aufstieg des Regisseurs im 18. und 19. Jahrhundert und dessen zunehmende Bedeutung im 20. Jahrhundert.
2. Merkmale der Kollektive: Dieses Kapitel beleuchtet die wesentlichen Merkmale von Theaterkollektiven. Ein zentrales Element ist die Performativität, da die Arbeiten oft auf dem Körper und dem (Privat-)Leben der Darsteller basieren, anstatt auf bereits bestehenden Texten. Die Verwendung von autobiografischem und dokumentarischem Material, sowie der Einsatz von Laien, sind ebenfalls charakteristisch und werden im Detail diskutiert. Diese Merkmale stehen im Kontrast zum traditionellen Theater mit seinem Fokus auf Professionalität und den damit oft verbundenen Konkurrenzkämpfen und hierarchischen Strukturen.
Schlüsselwörter
Theaterkollektive, Regie, hierarchiefreie Strukturen, freies Theater, Performativität, autobiografisches Material, dokumentarisches Material, Laien, Rimini Protokoll, She She Pop, Henrike Iglesias, feministisches Theater, Arbeitsweisen, Theatergeschichte.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in der Arbeit "Inhaltsverzeichnis"?
Diese Arbeit untersucht die Arbeitsweisen von Theaterkollektiven im Vergleich zum traditionellen Theaterbetrieb. Sie analysiert hierarchiefreie Strukturen und Arbeitsmethoden, insbesondere im Kontext der dominierenden Rolle des Regisseurs im deutschen Theater. Dabei werden die Herausforderungen und Möglichkeiten dieser alternativen Organisationsformen beleuchtet.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Rolle des Regisseurs im traditionellen Theater, Merkmale und Charakteristika von Theaterkollektiven, die Arbeitsweisen von Rimini Protokoll, She She Pop und Henrike Iglesias, den Vergleich der Arbeitsweisen der Kollektive und die Machbarkeit eines Theaters ohne hierarchische Strukturen.
Was wird im ersten Kapitel ("Kollektive im (freien) Theater") untersucht?
Der erste Abschnitt untersucht die Motivation hinter der Entstehung von Theaterkollektiven. Er beleuchtet die finanziellen Herausforderungen für freie Theatergruppen und deren Entwicklung. Außerdem wird die Entwicklung von Kollektiven in den historischen Kontext des Theaters eingeordnet, beginnend mit dem Aufstieg des Regisseurs.
Welche Merkmale von Kollektiven werden im zweiten Kapitel ("Merkmale der Kollektive") hervorgehoben?
Im zweiten Kapitel werden Performativität (basierend auf dem Körper und Leben der Darsteller), die Verwendung von autobiografischem und dokumentarischem Material sowie der Einsatz von Laien als wesentliche Merkmale von Theaterkollektiven hervorgehoben.
Welche Theaterkollektive werden in der Arbeit analysiert?
Die Arbeit analysiert die Arbeitsweisen der Theaterkollektive Rimini Protokoll, She She Pop und Henrike Iglesias.
Was sind die Schlüsselwörter dieser Arbeit?
Die Schlüsselwörter sind: Theaterkollektive, Regie, hierarchiefreie Strukturen, freies Theater, Performativität, autobiografisches Material, dokumentarisches Material, Laien, Rimini Protokoll, She She Pop, Henrike Iglesias, feministisches Theater, Arbeitsweisen, Theatergeschichte.
- Quote paper
- Hanna Liertz (Author), 2020, Theater ohne Chef? Die Arbeitsweise von Kollektiven am Beispiel von Rimini Protokoll, She She Pop und Henrike Iglesias, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1569384