Aus der Perspektive des poststrukturalistischen Feminismus ist das Beharren auf einer
bipolaren Einteilung der Menschheit in die beiden klar voneinander abgegrenzten Kategorien
„Mann“ und „Frau“ nicht länger haltbar. Ausgehend von verschiedenen Ansätzen wird
argumentiert, daß es dafür weder eine naturgegebene Grundlage noch eine gesellschaftliche
Notwendigkeit gebe; einer dieser Ansätze ist der der Potsdamer Psychologin und Dozentin
Ulrike Klöppel, was sie vorrangig anhand der Gruppe der sogenannten „Intersexuellen“
herausgearbeitet hat1.
„Zwitter“, „Hermaphroditen“, „Intersexuelle“ – Menschen, die mit Merkmalen beider
Geschlechtsgruppen geboren werden oder diese im Laufe ihres Lebens ausbilden, und die
dadurch nicht eindeutig in die bestehende Ordnung eingeteilt werden können, sind
Sprengstoff für dieses binäre Modell; an ihnen wird „die normierende Zurichtung der
Menschheit in zwei Geschlechter [...] in aller Schärfe exerziert“2, wie Klöppel es formuliert.
Anhand ihres Aufsatzes „XXOXY ungelöst. Störungsszenarien in der Dramaturgie der
zweigeschlechtlichen Ordnung“3 und verschiedenen thematisch verwandten
Veröffentlichungen werde ich versuchen, einen Überblick über die Problematik zu schaffen
und dabei die Fragen zu erörtern, wie die Gesellschaft in Deutschland und anderen westlichen
Ländern mit „Intersexuellen“ umgeht und historisch umging, woraus dies Verhalten jeweils
resultiert, wie es legitimiert wird und welche Folgen und Forderungen daraus im Hinblick auf
die binäre Geschlechterordnung entstehen.
1 Klöppel, Ulrike: XX0XY ungelöst. Störungsszenarien in der Dramaturgie der zweigeschlechtlichen Ordnung. In: polymorph (Hrsg.):
(K)ein Geschlecht oder viele? Transgender in politischer Perspektive. Berlin 2002.
2 Klöppel, Ulrike: Inhaltsüberlick zum Hauptseminar Intersexualität und Konstruktion von Geschlechtsunterschieden. http://www.unigoettingen.
de (09.12.2002)
3 Klöppel, Ulrike: XX0XY ungelöst. ebd.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Umgang mit Intersexualität
- Intersexualitätsbehandlung als Normalisierungspraxis
- Theorie über gesellschaftliche Hintergründe der Geschlechterordnung
- ,,Erfolg“ der Intersexualitätsbehandlungspraxis
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Problematik der Intersexualität im Kontext der binären Geschlechterordnung. Die Autorin analysiert, wie die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nicht eindeutig in die Kategorien „Mann“ oder „Frau“ eingeordnet werden können, und welche Folgen die Intersexualitätsbehandlungspraxis für die betroffenen Personen und die Gesellschaft hat.
- Der Umgang mit Intersexualität in Deutschland und anderen westlichen Ländern
- Die Geschichte der Intersexualitätsbehandlung und die wandelnden Kriterien der Einteilung
- Die gesellschaftlichen Hintergründe der binären Geschlechterordnung
- Die Folgen der Intersexualitätsbehandlungspraxis für die Betroffenen und die Gesellschaft
- Die Bedeutung der Intersexualität für die Dekonstruktion der binären Geschlechterordnung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung skizziert die Problematik der Intersexualität im Kontext des poststrukturalistischen Feminismus und stellt die zentrale These der Arbeit vor: Die binäre Geschlechterordnung wird durch die Existenz von Intersexuellen in Frage gestellt.
- Der Umgang mit Intersexualität: Dieses Kapitel beleuchtet die gängige Praxis der Intersexualitätsbehandlung in Deutschland und anderen westlichen Ländern. Die Autorin beschreibt die medizinische Intervention, die darauf abzielt, Neugeborene, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, möglichst schnell einem der beiden Geschlechter „anzupassen“.
- Intersexualitätsbehandlung als Normalisierungspraxis: Dieses Kapitel analysiert die Intersexualitätsbehandlung als eine Form der Normalisierungspraxis. Die Autorin argumentiert, dass die Einteilung in „Mann“ und „Frau“ eine gesellschaftliche Konstruktion ist, die durch die Intersexualitätsbehandlung aufrechterhalten wird.
- Theorie über gesellschaftliche Hintergründe der Geschlechterordnung: In diesem Kapitel werden theoretische Ansätze zur Erklärung der gesellschaftlichen Hintergründe der binären Geschlechterordnung vorgestellt. Die Autorin bezieht sich dabei auf die Arbeiten von Ulrike Klöppel, die die Intersexualität als eine Herausforderung für die binäre Geschlechterordnung betrachtet.
- ,,Erfolg“ der Intersexualitätsbehandlungspraxis: Dieses Kapitel untersucht die Folgen der Intersexualitätsbehandlungspraxis für die Betroffenen. Die Autorin kritisiert die medizinische Intervention als ein Eingriff in die körperliche und psychische Integrität der Menschen, die nicht in die binäre Geschlechterordnung passen.
Schlüsselwörter
Intersexualität, Geschlechterordnung, Geschlechterbinarität, Normalisierungspraxis, Intersexualitätsbehandlung, Poststrukturalismus, Feminismus, Ulrike Klöppel, XXOXY, Hermaphroditismus, Geschlechtsunterschied, gesellschaftliche Konstruktion,
- Quote paper
- Ursula Zipperer (Author), 2003, Ist es ein Mädchen oder ein Junge? Überlegungen zur Intersexualität auf der Grundlage von 'XXOXY ungelöst' von Ulrike Klöppel, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/15597