In der Mathematik gibt es eine Reihe zentraler Aussagen, deren Beweis über Jahre brauchte. Zudem gibt es noch heute viele Annahmen, die weder bewiesen noch widerlegt sind. Dazu zählt auch die ABC-Vermutung.
Man spricht von einem ABC-Tripel, wenn die Zahlen des Zahlentripels (a; b; c) paarweise teilerfremd sind und zusätzlich die Summe von a und b den Wert von c ergibt mit der Eigenschaft, dass das Radikal aus dem Produkt der drei Zahlen kleiner ist als die größte der drei Zahlen.
Bisher ist unbekannt, ob die Anzahl der Zahlentripel endlich ist. Gilt die ABC-Vermutung, so folgen hieraus eine Reihe weiterer Aussagen, beispielsweise eine schwache Formulierung des letzten Satzes von Fermat, der über 300 Jahre ungelöst war und erst 1993 von Wiles bewiesen wurde.
Eine Verschärfung der Aussage über Zahlentripel ergibt sich, wenn zusätzlich die Eigenschaft gut verlangt wird. Von guten Zahlentripeln spricht man, wenn der Quotient aus dem Logarithmus der betragsgrößten Zahl und dem Logarithmus des Radikals vom
Produkt der drei Zahlen größer als 1,4 ist.
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Kapitel 2
Die ABC-Vermutung
Die ABC-Vermutung wurde - wie bereits in der Einleitung erw¨ ahnt - 1985 von Masser und Oesterl´ e formuliert. Dabei werden Eigenschaften des Zahlentripels (a, b, c) untersucht, die paarweise teilerfremd sind. Von ABC-Treffern spricht man genau dann, wenn rad(a·b·c) ≤ c gilt. Wir betrachten dabei o. B. d. A. nat¨ urliche Zahlen. Als das Radikal einer nat¨ urlichen Zahl n bezeichnen wir den quadratfreien Kern dieser Zahl. Zun¨ achst formulieren wir die ABC-Vermutung und gehen dann in diesem Kapitel noch auf einige wichtige Folgerungen ein, die zutreffen, falls die ABC-Vermutung gilt.
2.1 Grundlegende Definitionen
Die ABC-Vermutung ist eine 1985 von J. Oesterl´ e und D. Masser aufgestellte Vermutung. Sie beschreibt eine Zahl c, die sich aus der Summe zweier nat¨ urlichen Zahlen (a + b) zusammensetzt. Sind a, b und c teilerfremd, so heißt das Tripel (a, b, c) ein ABC-Tripel.
Diese Vermutung ist bisher weder bewiesen noch widerlegt. Weiterhin wurde das Verh¨ altnis rad(abc) eingef¨ uhrt. Man spricht dann von ABC-Treffern,
c
falls dieser Quotient kleiner oder gleich 1 ist, d. h. rad(abc) ≤ c. Dar¨ uber hinaus gibt es bereits eine Vielzahl zahlentheoretischer Ergebnisse, die die G¨ ultigkeit der ABC-Vermutung voraussetzen. Wir gehen auch teilweise auf diese Ergebnisse ein und setzen stets voraus, dass die ABC-Vermutung gilt.
Wir beginnen zun¨ achst mit einigen Definitionen, die wir f¨ ur die Berechnung von ABC-Tripeln ben¨ otigen:
Definition 2.1 (Radikal einer nat¨ urlichen Zahl)
1 · . . . · p e k Sei n ∈ N von der Form n = p e 1 k mit p i Primzahl f¨ ur alle i = 1, . . . , k und e i die zugeh¨ orige Vielfachheit. Dann definieren wir das Radikal von n wie folgt:
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2.2 Das polynomiale Analogon der ABC-Vermutung
Bevor wir uns mit den Ergebnissen und Konsequenzen, die bei G¨ ultigkeit der ABC-Vermutung resultieren, besch¨ aftigen, gehen wir noch kurz auf die Hintergr¨ unde der ABC-Vermutung ein. Masser erhielt die Idee f¨ ur seine Definition durch den Satz von Mason, den wir nun zeigen m¨ ochten. Zun¨ achst ben¨ otigen wir noch die nachfolgende Definition:
Definition 2.7 (Radikal eines Polynoms)
Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨ orper mit Charateristik 0. Sei p(x) =
mit a k ∈ K. Dann ist n 0 (p) die Anzahl der paarweise verschiedenen Nullstellen von p(x), d. h. jede Nullstelle wird nur mit der Vielfachheit 1 gez¨ ahlt, analog zum Radikal einer nat¨ urlichen Zahl.
Nun k¨ onnen wir den Satz von Mason formulieren:
Satz 2.8 (Satz von Mason)
Seien a(x), b(x), c(x) Polynome mit Koeffizienten in K, K ein algebraisch abgeschlossener K¨ orper mit char (K) = 0. Seien a(x), b(x), c(x) teilerfremd und a(x) + b(x) = c(x). Dann gilt:
max deg{a(x), b(x), c(x)} ≤ n 0 (a(x) · b(x) · c(x)) − 1 (2.5)
Beweis: Nach Voraussetzung gilt a(x) + b(x) = c(x). Wir teilen beide Seiten durch c(x) und erhalten
Nun setzen wir f (x) := a(x) und g(x) := b(x) , d. h. f (x) + g(x) = 1. Durch Differentia-
c(x) c(x)
tion nach x erhalten wir f (x) + g (x) = 0 (2.7)
Durch Erweitern des Bruches erhalten wir dann
f
(x)
Wegen a(x) = f (x) · c(x) und b(x) = g(x) · c(x) folgt schließlich
Sei nun h(x) eine rationale Funktion und ρ i die paarweise verschiedenen Wurzeln des Z¨ ahlers und Nenners. Dann ist
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2.3 Spezielle Folgerungen aus der ABC-Vermutung
Unter der Voraussetzung, dass die ABC-Vermutung gilt, k¨ onnen wir eine Reihe zah-lentheoretischer Ergebnisse zeigen. Die ABC-Vermutung impliziert beispielsweise eine schwache Form von Fermats letztem Satz:
Hypothese 2.11 (Das asymptotische Fermat-Problem)
Sei ggT(x, y, z) = 1. Dann existiert ein N ∈ N, so dass f¨ ur alle n > N die Gleichung
x n + y n = z n (2.17)
nur die triviale ganzzahlige L¨ osung 1 besitzt.
Wir werden nachfolgend zeigen, dass diese Aussage folgt, falls die ABC-Vermutung gilt. Daf¨ ur ben¨ otigen wir noch die folgenden Notation:
Wir benutzen das Symbol ”” 2 f¨ ur die folgende Ausssage ¨ uber Funktionen f (x) und g(x):
f (x) g(x), falls es ein c ∈ R gibt, so dass f (x) ≤ c · g(x) f¨ ur alle x ∈ R gilt.
Satz 2.12
Gilt die ABC-Vermutung, so impliziert diese das asymptotische Fermat-Problem. Beweis: Sei die ABC-Vermutung g¨ ultig. O. B. d. A. seien x, y, z ∈ N. Nach der ABC-Vermutung gilt
Damit folgt
3 =| x · y · z | 3+ε . | x · y · z | 1+ ε (2.19) 3
Hiermit erhalten wir, dass n ∈ N beschr¨ ankt ist, da | x · y · z |> 1. Damit n ∈ N nicht beschr¨ ankt ist, muss | x · y · z |≤ 1 gelten. Somit folgt, dass eine der drei Zahlen x, y, z Null sein muss.
1 Der Satz von Fermat (nach Pierre de Fermat, 1608-1665) wurde erst 1993 von Wiles und Taylor bewiesen.
2 Wir f¨ uhren sp¨ ater die Definition der Landau-Symbole ein, die die gleiche Bedeutung haben.
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Hypothese 2.23 (Original Szpiro-Vermutung)
Sei E eine Weierstraß-Kurve mit Diskriminante D und c(E) der Konduktor von E. Dann gilt: | D || rad(D) 6+ε c(E) 6+ε . (2.25)
- Arbeit zitieren
- Matthias Mahl (Autor:in), 2009, Konstruktion guter ABC-Tripel mit dem LLL-Algorithmus, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/155457