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Studienarbeit, 2010
22 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
2 Die pädagogische Diagnostik im schulischen Einsatz
3 Systematische Beobachtungen im Unterricht
an berufsbildenden Schulen
3.1 Notwendigkeit zur Beobachtung schulischer Leistung
3.2 Beobachtungsbereiche schulischer Leistungen
3.2.1 Beobachtungsschwerpunkte im schulischen Alltag
3.2.2 Beobachtung der Schüleraktivität durch Lehrende
3.2.3 Der Schüler als Beobachter schulischer Leistung
4 Wirksamkeit von Beobachtungen schulischer Aktivität als Instrument der pädagogischen Diagnostik zur Leistungsmessung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
„Das Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland ist durch eine sehr große Differenziertheit gekennzeichnet“ (Gauger & Kraus 2007). Im deutschen Schulsystem befinden sich neben einer Vielzahl von allgemeinbildenden auch berufsbildende Schulformen, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit Bezug genommen wird. Sie sollen dazu dienen, die Schüler an die Herausforderungen der heutigen beruflichen Umwelt heranzuführen. Die angeführte berufliche Umwelt ist dabei geprägt von einem gesamtwirtschaftlichen Phänomen – der Globalisierung. Weltweit operierende Unternehmen legen einen großen Stellenwert auf eine ganzheitliche Form der schulischen Bildung, die den neuen Anforderungen der Arbeitswelt gerecht werden. Dabei steht die berufliche Handlungskompetenz im Vordergrund, denn die Schüler an berufsbildenden Schulen, also die Arbeitskräfte von morgen, sollen neben fachlichen Kenntnissen auch Kompetenzen in den Bereichen Methoden, Soziales, Abstraktion oder Moral und Ethik erlangen. (vgl. Rebmann, Tenfelde & Uhr 2005, S. 116 f.) Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen an die berufsbildenden Schulen, die ihren Unterricht auf die veränderten Rahmenbedingungen auslegen müssen, um die Schüler auf die Arbeitswelt vorzubereiten. In diesem Zusammenhang wird von Bildungsexperten häufig die Art der Leistungsmessung durch die Lehrer[1] kritisiert. „Insbesondere die Form der Ziffernzensur und die Auslese von Schülern anhand der Noten waren dabei immer wieder Stein des Anstoßes“ (Winter 2004, S. 3). Die Kritik richtet sich primär auf die Erhebung der Leistungsbewertung, die im alltäglichen Unterricht in Form von Klausuren durchgeführt wird. Dabei ist diese Art der Lernstandskontrolle auf eine Produktbewertung ausgerichtet. Werden jedoch Anforderungen der Arbeitswelt in diesen Kontext integriert, so ergeben sich entscheidende Nachteile der Bewertungsmethode Klausur, da der Entstehungsprozess und damit einhergehend die Entwicklung des Schülers nicht berücksichtigt werden (vgl. Gudjons 2008, S. 27 f.; Ledl 1994, S. 23 ff.; Altrichter & Posch 2007, S. 110 ff.). Die kritische Sichtweise auf Klausuren als weitestgehend alleinige Lernstandskontrolle ist mit der Forderung nach einer zeitgemäßen Lernkultur verbunden, dessen Ausgestaltung sich auf den Lernprozess fokussiert.
Bei der Realisierung der Vermittlung der beruflichen Handlungskompetenz sollten drei Faktoren berücksichtigt werden, wobei die Förderung der Selbstständigkeit, die Prozessorientierung sowie das Lernen in komplexen Handlungssituationen eine „Didaktisierung der Leistungsbewertung“ bewirken sollen (Winter 2004, S. 4). Der Schüler soll erlernen, einzelne Arbeitsschritte zur Problemlösung eigenständig zu planen, durchzuführen und zu reflektieren. Daran anschließend ist es bedeutsam, dass er die Bildungsinhalte als relevant für sein späteres Berufsleben empfindet, auf die er im weiteren Verlauf seines Lebens aufbauen kann. Dafür muss der Schüler einen persönlichen Bezug zum Unterrichtsinhalt herstellen können. Erreicht werden kann diese Forderung beispielsweise durch aktives Handeln des Schülers in realitätsnahen Situationen. Komplexere Lehr-Lern-Arrangements wie beispielsweise das Wirtschafts-Live-Projekt bieten diese Möglichkeiten und stehen einer klassischen Leistungsmessung anhand von Klausuren entgegen (vgl. Winter 2004, S. 14 ff.; Weigert & Weigert 1996, S. 14 f.; Gudjons 2008, S. 73 ff.). Differenzierende Formen der Leistungsmessung von Schülern werden unumgänglich, da der Lernprozess und somit die Entwicklung nachvollzogen werden muss. Ziel des Unterrichts ist die Vermittlung einer vollständigen Handlung für Schüler, bei der sie ihren Lernprozess eigenständig planen, durchführen und reflektieren. Diese Fähigkeiten müssen über einen längeren Zeitraum entwickelt werden, bedürfen also einer Unterstützung durch den Lehrer. Die Beobachtung des Unterrichtsgeschehens ist eine Möglichkeit für den Lehrer, um entsprechende Entwicklungen der Schüler nachzeichnen zu können. Dabei sollen Leistungen quasi im Prozess der Leistungserstellung ermittelt und fixiert werden. (vgl. Winter 2004, S. 185 ff.; Weigert & Weigert 1996, S. 57 ff.) Somit stellt sich die Frage nach dem Vorgehen der aktiven Beobachtung im Unterricht, um individuelle Entwicklungstendenzen der Schüler nachvollziehen zu können. Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, aus welchen Beweggründen Beobachtungen im Unterricht durchgeführt werden sollen und wie diese erfolgen können. Darüber hinaus soll die Wirksamkeit von Beobachtungen als Kriterium einer objektiven Leistungsmessung diskutiert werden. Dieser Zielsetzung wird durch folgendes Vorgehen nachgegangen.
Zur Beantwortung der Zielsetzung ist es zunächst im Kapitel 2 von Bedeutung, den Begriff der pädagogischen Diagnostik zu definieren. Hieraus ergeben sich erste Ansätze im Bezug zum Aufgabenfeld einer Lehrkraft im schulischen Alltag an berufsbildenden Schulen. Darüber hinaus wird verdeutlicht werden, welche vier Handlungsschritte für eine zielgerichtete pädagogische Diagnostik berücksichtigt werden sollten (vgl. Tücke 1999, S. 225) . Im Kapitel 3 „Beobachtungsmethoden im Unterricht an berufsbildenden Schulen“ soll anschließend thematisiert werden, aus welchen Gründen eine systematische Beobachtung im Unterricht an berufsbildenden Schulen erfolgen sollte. Welche Kriterien explizit beobachtet werden sollen, um Aufschluss über Schülerleistungen zu erhalten, wird im Kapitel 3.2.1 erläutert. Folgend wird dann thematisiert, dass sowohl Lehrer als auch Schüler den Unterricht beobachten und beide Sichtweisen für eine Leistungsbeurteilung sinnvoll sind (vgl. Winter 2004, S. 236 ff.). Es wird ersichtlich werden, warum eine Kombination beider Sichtweisen zum schulischen Alltag berücksichtigt werden sollten, damit die Leistungsbeurteilung an Objektivität gewinnt. Im Kapitel 4 wird dann auf die Wirksamkeit der Beobachtung als pädagogisches Instrument zur Leistungsbeurteilung eingegangen. Es soll verdeutlicht werden, wie wirksam schulische, systematische Beobachtungen im Hinblick auf die Zielsetzungen sind, die an den Lernprozess gerichtet sind. Abschließend wird im Kapitel 5 ein Fazit gezogen. Zunächst wird folgend jedoch mit Erläuterungen zum Begriff der pädagogischen Diagnostik begonnen.
Die Frage nach der Definition des Begriffs der pädagogischen Diagnostik ist von entscheidender Bedeutung, da sich hieraus spezifische Aufgabenfelder für Lehrer ergeben.
„Dabei handelt es sich um ein Bündel von Fähigkeiten, um den Kenntnisstand, die Lernfortschritte und die Leistungsprobleme der einzelnen Schüler sowie die Schwierigkeiten verschiedener Lernaufgaben im Unterricht fortlaufend beurteilen zu können, sodass das didaktische Handeln auf diagnostische Einsichten aufgebaut werden kann.“ (Siemes 2008, S. 12)
Die angeführte Definition beinhaltet relevante Kriterien an den Lehrer als Diagnostiker und beschreibt darüber hinaus typische Tätigkeitsfelder im Unterricht. Der Lehrer erkennt, so die Theorie, welche Probleme Schüler daran hindern, optimale Arbeitsergebnisse zu erzielen. Neben diagnostischen Fähigkeiten, die der Lehrer besitzen sollte, wird der Entwicklungsprozess junger Menschen hervorgehoben, der begleitet und stetig überprüft werden muss, um Veränderungen im Bildungsprofil erkennen zu können. Neben der Erkennung der aktuellen Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Schülers bedarf es einer individuellen Förderplanung. Der Unterricht an berufsbildenden Schulen sollte somit danach ausgerichtet werden, die ermittelten Lerndefizite individuell zu beheben (vgl. Siemes 2008, S. 12 f.). Dabei sollte bereits zu diesem Zeitpunkt bedacht werden, dass der Lehrer bei einer Klassenstärke von bis zu 30 Schülern vor dem Problem steht, den Unterricht individuell zu gestalten. Dieser Aspekt wird von der Literatur kaum thematisiert, wodurch praktische Beispiele zur schulischen Umsetzung fehlen.
Innerhalb der pädagogischen Diagnostik lassen sich grundsätzlich zwei Arten der Bewertung von Schülerleistungen unterscheiden. Dabei handelt es sich um die produktorientierte sowie die prozessorientierte Diagnose des Leistungsstandes (vgl. Siemes 2008, S. 14). Bei der produktorientierten Diagnose wird das Schreibergebnis, beispielsweise aus Klausuren oder Hausaufgaben, untersucht und ausgewertet. Daraus ergeben sich signifikante Eindrücke, aus denen sich Schlussfolgerungen ziehen lassen können. Diese Art der Leistungsmessung ist in der heutigen Bildungsdebatte als eher rückständig zu bezeichnen, da die Förderung von überfachlichen Kompetenzen im Fokus des Unterrichts stehen sollte (vgl. Baumann 2009, S. 17 f.; Schrader & Helmke 2001, S. 47 f.). Somit bedarf es einer anderen Art der Diagnose, die sich verstärkt auf den Entwicklungsprozess orientiert, wie im weiteren Verlauf ersichtlich wird.
Aus dem alltäglichen Verhalten innerhalb der Interaktion zwischen Lehrern und Schülern entwickeln sich spezielle Erwartungshaltungen. Schüler erwarten bei einem Blick auf den Stundenplan und der entsprechenden Lehrkraft ein spezifisches Verhalten im Unterricht (vgl. Kliemann 2008, S. 7 f.). Dies kann sich zum Beispiel auf die Kommunikationsform oder die Gestaltung von Arbeitsaufträgen beziehen. Gleichzeitig hat auch die Lehrkraft seine Erwartungen an die Klasse, beispielsweise im Bezug zur Mitarbeit oder dem Störverhalten einzelner Schüler. Diese Erwartungen entwickeln sich grundsätzlich unsystematisch durch zufällige Beobachtungen, sind also kein Resultat aus einer planvollen Erhebung (vgl. Tücke 1999, S. 224). Allein auf zufällige Beobachtungen des Lehrers sollte ein schülerspezifisches Leistungsprofil nicht erstellt werden. Vielmehr gliedert sich eine planvolle pädagogische Diagnostik in vier Schritte auf, die hilfreich bei der Erhebung des Leistungsstandes von Schülern sein können. Dabei handelt es sich um die Beobachtung, Beschreibung, Beurteilung und Intervention (vgl. Tücke 1999, S. 225) . Grundsätzlich sollen Beobachtungen Aufschluss über individuelles Schülerverhalten geben. Diese Eindrücke sollten anschließend gespeichert werden. Diese schriftliche Fixierung der Beobachtungen dient im weiteren Verlauf der Lernstandserhebung als Vorlage für die Beurteilung der Leistung durch die Lehrkraft. Dabei werden die gesammelten Eindrücke interpretiert, wobei sich Fehler innerhalb der Einschätzung der Leistungen ergeben können. Tücke (vgl. 1999, S. 227) benennt beispielhaft eine Fehlerquelle bei der Interpretation von Beobachtungen. Der Hof-Effekt, der auch als Halo-Effekt bezeichnet werden kann, ist eine Kombination aus den vorab gebildeten Einschätzungen des Lehrers im Bezug auf einzelne Schüler mit der anschließend durchgeführten Beobachtung. Dabei kann es passieren, dass Lehrer diejenigen Schüler, die sie persönlich als unsympathisch empfinden, während der Auswertung der Beobachtungen als
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[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine Unterscheidung von Lehrer und Lehrerin verzichtet und der maskuline Terminus verwendet. Gleiches ist bei einer Differenzierung von Schüler und Schülerin zu beachten.