Bei der Polemik handelt es sich um eine Sonderart der sprachlichen Kommunikation, die als solches ein wichtiges Charakteristikum von philosophischen, gesellschaftlichen, politischen und religiösen Auseinandersetzungen bildet. Beleuchtet werden im Rahmen der Ausarbeitung die polemischen Strukturen innerhalb der Evangelien und Briefe des Neuen Testaments.
Polemik bezeichnet grundsätzlich eine Rede, die durch starke offensive und überzogene Merkmale gekennzeichnet ist. Jedoch ist nicht jede aggressive Rede einer Polemik gleichzusetzen. Charakterisiert wird die Polemik ebenfalls durch Unsachlichkeit und es ist nicht selten, dass keine klare Grenze zwischen ihr und einer Beleidigung gezogen werden kann, zumal sie persönliche Angriffe als solche durchaus beinhaltet. Unter anderem enthält die polemische Rede über eine eigene Argumentationsstruktur hinaus aber auch anteilig satirische und ironische Elemente.
Dabei ist die Argumentation auf das Ziel ausgerichtet, eine besonders starke Reaktion und den gewünschten Effekt herbeizuführen, nämlich die gegnerische Partei zu untergraben und sich über diese zu erheben. Der Raum, in dem der Redner, der auch als Polemiker bezeichnet wird, seine Auseinandersetzung präsentiert, ist ein öffentlicher. Demzufolge ist es ein Ort für Zuhörer, Betroffene und Angreifer, deren Aufmerksamkeit die giftige Kontroverse erlangt. Die Situation, in der sich der Affront abspielt und an der verschiedene Akteure teilhaben, nennt sich polemische Situation. Ausgehend vom sogenannten polemischen Subjekt, das die aktive Rolle der Auseinandersetzung übernimmt, wird die Zielscheibe, das polemische Objekt, in das Visier genommen. Mithilfe von herabwürdigenden und beschimpfenden Ausdrücken wird das polemische Objekt rhetorisch bloßgestellt. Das Fundament und der Adressat der Auseinandersetzung ist hierbei die Öffentlichkeit, die polemische Instanz. Dabei steht die Wirkung des Streites auf das Publikum im Vordergrund und der Polemiker versucht mithilfe von Arroganz und Überlegenheit die Masse für sich zu gewinnen sowie gegenüber dem Angegriffenen eine negative Stimmung zu erzeugen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Definition der Polemik nach Stenzel
- 2. Polemik und Invektive in der griechisch-römischen Literatur
- 2.1. Einordnung und Abgrenzung der Definitionen von Kritik, Polemik und Invektive
- 3. Polemik in den Evangelien
- 3.1. Die literarische und theologische Funktion der Streitgespräche Jesu bei Markus
- 3.2. Wie ist der streitende Jesus bei Markus?
- 3.3. Die matthäische Darstellung der Polemik Jesu
- 3.4. Verdeckte Polemik im Matthäusevangelium
- 4. Überblick über die Gegnerpolemik in den Paulusbriefen
- 4.1. Zentrale Charakteristika paulinischer Gegner
- 4.2. Polemik im Galaterbrief
- 4.3. Hauptcharakteristika paulinischer Polemik im 2. Korintherbrief
- 4.4. Polemik im Römerbrief
- 4.5. Merkmale paulinischer Polemik im Philipperbrief
- 5. Polemik und gesunde Lehre in den Pastoralbriefen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Verwendung von Polemik im Neuen Testament. Ziel ist es, die verschiedenen Formen und Funktionen von Polemik in den Evangelien und den Paulusbriefen zu analysieren und zu vergleichen. Die Arbeit beleuchtet auch den Kontext der griechisch-römischen Literatur, um die Eigenheiten der neutestamentlichen Polemik besser zu verstehen.
- Definition und Charakteristika von Polemik
- Vergleichende Analyse der Polemik in den Evangelien
- Untersuchung der Gegnerpolemik in den Paulusbriefen
- Polemik und "gesunde Lehre" in den Pastoralbriefen
- Polemik im Kontext der griechisch-römischen Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 definiert Polemik nach Stenzel, charakterisiert sie als offensive und überzogene Redeweise, die auch unsachliche und persönliche Angriffe beinhaltet. Kapitel 2 unterscheidet Polemik von Kritik und Invektive im Kontext der griechisch-römischen Literatur, wobei die Invektive als die persönlichste und aggressivste Form dargestellt wird. Kapitel 3 analysiert die Polemik Jesu in den Evangelien, fokussiert auf die Streitgespräche bei Markus und Matthäus und deren literarische und theologische Funktion. Kapitel 4 gibt einen Überblick über die Gegnerpolemik in den Paulusbriefen, beleuchtet zentrale Charakteristika der Gegner und untersucht die Polemik in den Galater-, 2. Korinther-, Römer- und Philipperbriefen.
Schlüsselwörter
Polemik, Invektive, Neues Testament, Evangelien, Paulusbriefe, griechisch-römische Literatur, Streitgespräche, Gegnerpolemik, rhetorische Strategien, theologische Interpretation.
- Arbeit zitieren
- Elvira Graf (Autor:in), 2020, Krieg der Worte. Polemik im Neuen Testament, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1509783