Statistisch gesehen ist Japan eines der sichersten Länder der Welt. Es existieren unterschiedliche Ansätze, um die Ursache der niedrigen Kriminalitätsrate Japans zu erklären. Einer dieser Erklärungsansätze greift auf eine soziokulturelle Perspektive zurück. Er sieht Besonderheiten in der japanischen Mentalität und in den traditionellen gesellschaftlichen Strukturen als wesentliches Einflussmoment auf deviantes Verhalten in Japan.
In dieser Arbeit werden die Argumentationsschritte dieser weit verbreiteten, wohl aber umstrittenen Betrachtungsweise näher erläutert. Es wird auf die japanische Gruppenmentalität und die Rolle des Individuums eingegangen, welche gemäss der hier umschriebenen Theorie eine Abhängigkeit des Individuums von der Gruppe begründet. Die Gruppen in Japan nehmen die Funktion einer sozialen Verhaltenskontrolle ein, welche als traditionelles Regelungssystem vor dem Gesetz Einfluss auf kriminelles Verhalten ausüben.
Da nicht nur Devianz, sondern auch Rechtsempfinden und die Effizienz von psychologischen Sanktionen in Japan durch die Bedeutsamkeit der Gruppen gesteuert werden, stehen das Strafgesetz sowie staatliche Instrumente und Institutionen in der Wahrnehmung der japanischen Bürger erst an zweiter Stelle.
Ob der soziokulturelle Erklärungsansatz allerdings ein realitätsgetreues und kriminalitätsrelevantes Bild einer japanischen Lebensausrichtung zeichnen kann, wird von Wissenschaftlern beharrlich in Frage gestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Strukturelle Verhaltenskontrolle durch Gruppenorganisation
- Die japanische Gruppenmentalität
- Entwicklung und Manifestation der Gruppen
- Gruppen als Sozialkontrolle und erste Instanz
- Individuelle Devianz in der japanischen Gesellschaft
- Auftreten kriminellen Verhaltens in Japan
- Japanspezifisches Motivationsphänomen für deviantes Verhalten
- Mentale Revolution unter Jugendlichen
- Japanisches Rechtsempfinden
- Das japanische Rechtsbewusstsein (ho-ishiki)
- Straffunktion der Scham (haji)
- Scheu vor dem Gerichtsverfahren (kô han)
- Merkmale des japanischen Strafrechts (keiji hô)
- Das Strafgesetzbuch (kei hô)
- Das Strafverfahren (keiji tetsuzuki)
- Die staatlichen Sanktionen (sei sai)
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die niedrige Kriminalitätsrate in Japan unter soziokulturellen Gesichtspunkten. Sie analysiert die Rolle der japanischen Gruppenmentalität und der damit verbundenen Verhaltenskontrolle bei der Prävention und Bewältigung von Kriminalität. Die Arbeit hinterfragt die Effektivität staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen im Vergleich zu informellen, gruppenbasierten Kontrollmechanismen.
- Die japanische Gruppenmentalität und ihre Auswirkungen auf individuelles Verhalten
- Die Rolle von Gruppen als primäre Instanz der Sozialkontrolle
- Das japanische Rechtsempfinden und die Bedeutung von Scham und gesellschaftlichem Ansehen
- Der Vergleich zwischen informellen und formellen Kontrollmechanismen bei der Kriminalitätsbekämpfung
- Die Frage nach der Validität des soziokulturellen Erklärungsansatzes für die niedrige Kriminalitätsrate Japans
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die niedrige Kriminalitätsrate Japans dar und führt den soziokulturellen Erklärungsansatz ein, der die japanische Gruppenmentalität und gesellschaftliche Strukturen als wesentliche Einflussfaktoren auf deviantes Verhalten hervorhebt. Die Arbeit kündigt eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Ansatz an, inklusive der Rolle des Individuums innerhalb der Gruppe, der informellen Sozialkontrolle und der untergeordneten Rolle staatlicher Institutionen. Die Einleitung erwähnt auch die wissenschaftliche Kontroverse um die Gültigkeit dieses Ansatzes.
Strukturelle Verhaltenskontrolle durch Gruppenorganisation: Dieses Kapitel untersucht die japanische Gruppenmentalität und deren Einfluss auf die Entstehung und den Umgang mit Kriminalität. Es wird der Unterschied zur westlichen Individualität herausgestellt, wobei der japanische Gruppenutilitarismus und die Konzepte von „giri“ (moralische Verpflichtung) und „wa“ (Harmonie) im Mittelpunkt stehen. Das Kapitel betont die Selbstverkleinerung des Individuums zugunsten der Gruppe und die Bedeutung hierarchischer Strukturen in der japanischen Gesellschaft. Der Einfluss der Gruppe auf die Verhaltenskontrolle wird als tiefgreifend dargestellt, wobei interne Prozesse der Konfliktlösung und der Aufrechterhaltung des Gruppenansehens vor staatlichen Interventionen priorisiert werden.
Individuelle Devianz in der japanischen Gesellschaft: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Auftreten kriminellen Verhaltens in Japan im Kontext der zuvor beschriebenen Gruppenmentalität. Es werden japanische Motivationsphänomene für deviantes Verhalten untersucht und der besondere Einfluss auf Jugendliche beleuchtet, unter Berücksichtigung einer möglichen „mentalen Revolution“. Der Fokus liegt auf dem Verständnis, wie individuelle Abweichungen von Gruppennormen innerhalb des bestehenden sozialen Gefüges behandelt und interpretiert werden.
Japanisches Rechtsempfinden: Dieses Kapitel analysiert das japanische Rechtsbewusstsein, die Rolle von Scham („haji“) als Sanktion und die Scheu vor Gerichtsverfahren („kô han“). Es wird untersucht, wie diese Faktoren die Wahrnehmung und Reaktion auf Kriminalität beeinflussen und wie sie mit der Gruppenmentalität interagieren. Das Kapitel betont die Bedeutung informeller sozialer Sanktionen im Vergleich zu formellen juristischen Maßnahmen.
Schlüsselwörter
Japan, Kriminalität, Kriminalitätsrate, Soziokultur, Gruppenmentalität, Sozialkontrolle, Giri, Wa, Rechtsempfinden, Scham (Haji), Gerichtsverfahren, Strafrecht, informelles Kontrollsystem, formelles Kontrollsystem, Individuum, Gruppe.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Strukturelle Verhaltenskontrolle und Devianz in der japanischen Gesellschaft
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die niedrige Kriminalitätsrate in Japan aus soziokultureller Perspektive. Sie analysiert den Einfluss der japanischen Gruppenmentalität und der damit verbundenen Verhaltenskontrolle auf Kriminalitätprävention und -bewältigung. Dabei wird der Vergleich zwischen staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen und informellen, gruppenbasierten Kontrollmechanismen untersucht.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit befasst sich mit der japanischen Gruppenmentalität und ihren Auswirkungen auf individuelles Verhalten, der Rolle von Gruppen als primäre Sozialkontrolle, dem japanischen Rechtsempfinden (inkl. Scham und gesellschaftlichem Ansehen), dem Vergleich informeller und formeller Kontrollmechanismen und der Validität des soziokulturellen Erklärungsansatzes für Japans niedrige Kriminalitätsrate.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur strukturellen Verhaltenskontrolle durch Gruppenorganisation, ein Kapitel zur individuellen Devianz in der japanischen Gesellschaft, ein Kapitel zum japanischen Rechtsempfinden, ein Kapitel zu Merkmalen des japanischen Strafrechts und eine Schlussbemerkung. Jedes Kapitel untersucht spezifische Aspekte des Themas, von der Gruppenmentalität über deviantes Verhalten bis hin zum japanischen Rechtssystem.
Wie wird die japanische Gruppenmentalität beschrieben?
Die Arbeit beschreibt die japanische Gruppenmentalität als Gegenpol zur westlichen Individualität, mit Betonung von Gruppenutilitarismus, „giri“ (moralische Verpflichtung) und „wa“ (Harmonie). Selbstverkleinerung zugunsten der Gruppe und hierarchische Strukturen werden als prägend dargestellt. Interne Konfliktlösung und der Erhalt des Gruppenansehens werden als wichtiger als staatliche Interventionen betrachtet.
Welche Rolle spielt die Scham im japanischen Kontext?
Scham („haji“) wird als wichtige informelle Sanktion im japanischen Kontext beschrieben, die die Wahrnehmung und Reaktion auf Kriminalität beeinflusst und mit der Gruppenmentalität interagiert. Informelle soziale Sanktionen werden als wichtiger als formelle juristische Maßnahmen dargestellt.
Wie wird deviantes Verhalten in Japan erklärt?
Deviantes Verhalten wird im Kontext der Gruppenmentalität untersucht. Die Arbeit beleuchtet japanische Motivationsphänomene für deviantes Verhalten, besonders bei Jugendlichen, und analysiert, wie individuelle Abweichungen von Gruppennormen innerhalb des sozialen Gefüges behandelt werden.
Welche Rolle spielt das japanische Rechtssystem?
Das japanische Rechtssystem wird in Bezug auf das Strafgesetzbuch, das Strafverfahren und staatliche Sanktionen betrachtet. Die Arbeit untersucht jedoch vor allem, wie das japanische Rechtsempfinden und informelle Kontrollmechanismen mit dem formellen Rechtssystem interagieren.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
(Die genaue Schlussfolgerung ist nicht im HTML-Snippet enthalten. Die Schlussbemerkung fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und diskutiert die Gültigkeit des soziokulturellen Erklärungsansatzes für die niedrige Kriminalitätsrate in Japan.)
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Japan, Kriminalität, Kriminalitätsrate, Soziokultur, Gruppenmentalität, Sozialkontrolle, Giri, Wa, Rechtsempfinden, Scham (Haji), Gerichtsverfahren, Strafrecht, informelles Kontrollsystem, formelles Kontrollsystem, Individuum, Gruppe.
- Arbeit zitieren
- Aline Maier (Autor:in), 2009, Kriminalität und Strafrecht in Japan, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/148984