„[…] Ich stelle eine Frage, schaue in die Runde. Zwanzig Studenten, keine Antwort. Ich wiederhole die Frage. Keine Reaktion. Niemand hebt die Hand. Niemand antwortet. Auf keinem Gesicht spiegelt sich Verstehen wider. Ich wiederhole die Frage. Ich modifiziere die Frage. […]Und so stehe ich da vorn vor der Tafel, habe 20 Studenten vor mir, deren Gesichter, deren Körper kein Signal geben. Sie sitzen still, sie schwatzen nicht, sie sehen mich an, sie zeigen keine Langeweile, kein Interesse, keine Freude, keinen Ärger. Oder vielleicht zeigen sie es doch. Nur kann ich an ihrer stillen Art der Kommunikation nicht teilnehmen. Ich weiß es nicht, bin ratlos, erschöpft, mutlos, gehe aus dem Unterricht und beginne an mir zu zweifeln[…].
(HOFMAN 1992: 57)
In diesem Zitat beschreibt Gerlinde Hofman die Lerner, wie sie diese während ihrer Lektorentätigkeit an einer japanischen Universität wahrgenommen hat. Die Schweigsamkeit und allgemeine Passivität der Studenten lässt viele muttersprachliche Lehrende häufig an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln; Enttäuschung, Resignation und Frustration sind die Folgen. In der vorliegenden Magisterarbeit wird der Frage nachgegangen, warum die Kommunikation zwischen deutschen Lehrern und japanischen Lernern derart kompliziert ist. Die Beobachtungen, die deutsche Lehrkräfte im universitären Deutschunterricht gemacht haben, werden auf die tiefenstrukturellen, von außen nicht wahrnehmbaren kulturellen Ursachen hin untersucht. Von Interesse sind hierbei soziopsychologische, soziokulturelle, linguistische und kognitive Faktoren. Weiterhin wird das Augenmerk auf das japanische Bildungssystem sowie die dadurch bedingten Lehr- und Lerntraditionen gerichtet und deren Relevanz für die Erwartungshaltungen der Studenten an den Ablauf des FSU geprüft. Am Ende wird sich den gewonnenen Erkenntnissinteressen bezüglich der Qualifikationen und Anforderungen deutscher Lehrkräfte gewidmet. Auf der Basis der kulturell markierten Interaktionskonventionen sollen didaktisch-methodische Implikationen und Strategien im Umgang mit japanischen Fremdsprachenlernern vorgestellt werden, mit dem Ziel, eine erfolgreiche Unterrichtsinteraktion zu realisieren und einen motivierenden, kommunikativen und für japanische Lerner angemessenen Sprachunterricht zu gewährleisten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Interaktion im FSU
- Definition von Interaktion im Hinblick auf den FSU
- Unterrichtliche vs. außerunterrichtliche Interaktion
- Die vier Typen der pädagogischen Interaktion
- Einflussfaktoren auf die Interaktion im FSU
- Interaktion und Schweigen im Unterricht
- Schweigen - Begriffsbestimmung und Funktion
- Schweigen im Unterrichtskontext
- Interaktion im FSU im kulturellen Kontext
- Zur Diskussion eines angemessenen Kulturbegriffes für den FSU
- Forschungsansätze zur Operationalisierbarkeit des Kulturfaktors
- Kulturelle Sozialisation und deren Einfluss auf den FSU
- Die kulturelle Markiertheit von Interaktion
- Schweigen im interkulturellen Sprachkontakt - schweigende Kulturen?
- Interaktion im japanischen FSU - Beobachtungen
- Interaktionsgeschehen - Frage- Antwort - Verhalten
- Der japanische Fremdsprachenlerner
- Der japanische Fremdsprachenlehrer
- Kulturelle Markiertheit von Interaktion im japanischen DaF-Unterricht -Einflussfaktoren auf das Rede- und Schweigeverhalten
- Soziopsychologische und soziokulturelle Einflussfaktoren
- Das Verständnis von Harmonie in der japanischen Kultur
- „Don't do the FTA" - Schweigen, um das Gesicht zu wahren'
- „The nail that sticks up gets pounded down" - Gruppenharmonie
- Gehorsam und Disziplin sind unerlässlich – Hierarchie in Japan
- Die, zwei Gesichter' der Japaner
- Die Rolle der non-verbalen Kommunikation in Japan
- Linguistische Faktoren
- Verständigungsprobleme aufgrund unzureichender Sprachfertigkeit
- Die Rolle der schriftlichen Kommunikation
- Kognitive Faktoren
- Zum Stellenwert von, Wissen' in Japan
- Die Reaktionsgeschwindigkeit – kognitive Verarbeitungszeit
- Normen für die Angemessenheit von Gesprächsbeiträgen
- Der Einfluss von Lehr- und Lerntraditionen
- Schulische Sozialisation - Leistungsdruck und, Prüfungshölle‘
- Stellenwert und Anforderungen eines (Deutsch-)Studiums
- Einfluss der Lehrerausbildung auf Interaktionsprobleme im Unterricht
- Soziopsychologische und soziokulturelle Einflussfaktoren
- Kritische Betrachtung und Erkenntnisinteresse
- „Östliche und „,westliche Kulturen- Kulturvergleich Sinn oder Unsinn?
- Konsequenzen für den DaF-Unterricht in Japan
- Veränderungen und Perspektiven des Deutschunterrichts in Japan
- Anforderungen für deutsche Lehrkräfte
- Didaktische Implikationen und Strategien
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Interaktionsverhalten japanischer Studierender im universitären Deutschunterricht. Dabei steht die kulturelle Markiertheit dieses Verhaltens im Vordergrund. Die Analyse zielt darauf ab, die Ursachen für die von deutschen Konventionen abweichenden Interaktionsformen zu beleuchten.
- Kulturelle Einflussfaktoren auf das Interaktionsverhalten im japanischen DaF-Unterricht
- Die Rolle von Schweigen und Harmonie in der japanischen Kultur
- Linguistische und kognitive Faktoren, die die Kommunikation beeinflussen
- Der Einfluss von Lehr- und Lerntraditionen auf die Interaktion im Unterricht
- Didaktische Implikationen und Strategien für den DaF-Unterricht in Japan
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Problematik des schweigenden und passiven Verhaltens japanischer Studierender im Deutschunterricht beleuchtet. Kapitel 2 definiert den Begriff „Interaktion" im Kontext des Fremdsprachenunterrichts und untersucht die verschiedenen Typen der pädagogischen Interaktion. Kapitel 3 beleuchtet die kulturelle Dimension von Interaktion, wobei verschiedene Kulturbegriffe diskutiert und der Einfluss kultureller Sozialisation auf den Fremdsprachenunterricht untersucht wird. Kapitel 4 fokussiert auf die Interaktion im japanischen DaF-Unterricht und analysiert das Frage-Antwort-Verhalten sowie die Rolle des Lehrers und des Lerners. Kapitel 5 analysiert die kulturelle Markiertheit von Interaktion im japanischen DaF-Unterricht und identifiziert verschiedene Einflussfaktoren, darunter soziopsychologische, soziokulturelle, linguistische und kognitive Faktoren sowie den Einfluss von Lehr- und Lerntraditionen. Kapitel 6 bietet eine kritische Betrachtung der Ergebnisse und diskutiert die Konsequenzen für den DaF-Unterricht in Japan. Die Arbeit schließt mit einem Schlusswort.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Interaktion, Schweigen, Kultur, DaF-Unterricht, Japan, kulturelle Markiertheit, soziokulturelle Einflussfaktoren, linguistische Faktoren, kognitive Faktoren, Lehr- und Lerntraditionen, didaktische Implikationen und Strategien.
- Arbeit zitieren
- Christin Winter (Autor:in), 2008, "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" - Didaktische und (Inter-)kulturelle Aspekte der Interaktion im japanischen DaF-Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/147607