Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen im Patentrecht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Mit der Neufassung des § 139 des Patentgesetzes durch das zweite Patentrechtsmodernisierungsgesetz hat der deutsche Gesetzgeber explizit klargestellt, dass der Anspruch auf Unterlassung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht. Diese gesetzliche Klarstellung soll die Rechtsanwendung präzisieren und einen Richtungswechsel herbeiführen, insbesondere da die Instanzgerichte zuvor Verhältnismäßigkeitserwägungen selten in ihre Entscheidungen einbezogen haben.
Die Notwendigkeit, die Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Patentdurchsetzung zu berücksichtigen, ist nicht neu. Bereits mit der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall "Wärmetauscher" wurde die Bedeutung dieses Grundsatzes anerkannt. Dennoch blieb die konkrete Anwendung in der Praxis oft unklar und variierte stark zwischen den Gerichten.
Die Gesetzesänderung stellt somit einen Meilenstein dar und wirft zugleich neue Fragen auf: In welchen Fällen ist die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs unverhältnismäßig? Welche Kriterien sind zu berücksichtigen, um diese Verhältnismäßigkeit zu beurteilen?
Diese Arbeit zielt darauf ab, diese Fragen eingehend zu untersuchen. Dabei werden nicht nur die bereits etablierten Fallgruppen, sondern auch bislang weniger beachtete Gesichtspunkte in den Fokus gerückt. Ziel ist es, den Stellenwert einzelner Kriterien im Kontext der Patentdurchsetzung zu analysieren und mögliche Konsequenzen für die Praxis aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- A. Rechtsnatur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
- 1. Verhältnismäßigkeit als grundrechtliche Ausprägung
- II. Verhältnismäßigkeit des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs
- B. Voraussetzungen der Unverhältnismäßigkeit
- I. Voraussetzungen des § 139 | PatG
- 1. Der Unterlassungsanspruch
- 2. Der Unverhältnismäßigkeitseinwand
- a. Wortlaut
- b. Problematik
- II. Kriterien der Unverhältnismäßigkeit
- 1. Wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit
- a. Außergewöhnlich hohe Schäden
- b. Wesentliche Bestandteile komplexer Erzeugnisse
- 2. Das Verhalten des Verletzers
- a. Verschulden
- b. Gutgläubigkeit
- c. Lizenzbemühungen
- 3. Der verwerflich handelnde Verletzte
- a. Der nicht praktizierende Verletzte
- b. Rechtsmissbrauch durch „Patenttrolle“
- aa. Unzulässige Rechtsausübung/ Rechtsmissbrauch
- bb. Der „Patenthinterhalt“
- c. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
- aa. Unerlaubte Verhaltensweisen
- bb. Umgang mit standardessenziellen Patenten
- 4. Interessen Dritter
- a. Abnehmer in Lieferketten
- b. Versorgung mit wichtigen Gütern
- c. Sonstige Grundrechte Dritter
- d. Sozialpolitische Erwägungen
- e. Gesellschaftspolitische Erwägungen?
- 5. Ergebnis der Interessenabwägung
- a. Vollständige Versagung
- b. Teilversagung
- c. Zwangslizenzanordnung nach § 24 | PatG
- 6. Zusammenfassung
- C. Rechtsfolgen der Unverhältnismäßigkeit
- I. Folgen für den Schadensersatzanspruch
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis zwischen dem patentrechtlichen Unterlassungsanspruch und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Fokus liegt darauf, die Voraussetzungen und Folgen der Unverhältnismäßigkeit im Kontext des Patentrechts zu untersuchen.
- Rechtsnatur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
- Voraussetzungen des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs
- Kriterien der Unverhältnismäßigkeit
- Rechtliche Folgen der Unverhältnismäßigkeit
- Anwendung der Verhältnismäßigkeit in der Praxis
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit dar und gibt einen Überblick über die Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Patentrecht. Der erste Abschnitt widmet sich der Rechtsnatur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und betrachtet dessen grundrechtliche Ausprägung. Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Voraussetzungen des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs und analysiert dabei die verschiedenen Kriterien der Unverhältnismäßigkeit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Kernthemen des Patentrechts, insbesondere dem Unterlassungsanspruch, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der rechtlichen Folgen der Unverhältnismäßigkeit. Weitere zentrale Themen sind Rechtsmissbrauch, „Patenttrolle", standardessenzielle Patente und Interessenabwägung.
- 1. Wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit
- I. Voraussetzungen des § 139 | PatG
- Arbeit zitieren
- Emil Biedermann (Autor:in), 2024, Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung von Patentansprüchen, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1463711