Auszug aus der Einleitung(letzter Abschnitt):
...Der Schule kommt als sekundäre Sozialisationsinstanz für die Entwicklung eines Kindes eine besondere Rolle hinzu. Die Schule bereitet Kinder und Jugendliche auf das gesellschaftliche Leben vor. Rollenerwartungen werden verinnerlicht, Sozialverhalten in der Gruppe wird erlernt, auf eine Leistungsgesellschaft wird vorbereitet und gesellschaftliche Normen und Werte werden verinnerlicht. Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn Schüler in der Schule Gewalt erfahren und erleben, ausüben und ausüben dürfen (!) und diese Zustände verinnerlicht werden, dann übernehmen Sie ihr Verhalten, egal ob Täter, Opfer oder Beobachter, in der Zukunft und es bleibt eine Gesellschaft des Wegschauens und Akzeptierens. Das sollten wir nicht zulassen. Wie können wir als Pädagogen dazu beitragen, dass diese Entwicklung korrigiert wird und nicht weitergetragen wird? Wie können wir den Kindern und Jugendlichen Handlungsalternativen und soziale Kompetenzen vermitteln, wenn wir selbst nicht mehr an die Schüler herankommen? Und wie können wir selbst mit Gewalterfahrungen an Schulen umgehen?
In der folgenden Abhandlung wird der Blick auf Gewalt unter Schülern gelegt. Wo andere pädagogische Maßnahmen nicht mehr greifen, können als Möglichkeit Methoden der Konfrontativen Pädagogik ergänzt werden. Es gibt bereits verschiedene Präventionsprogramme. Im deutsch-sprachigen Raum werden aktuell 71 verschiedene Programme zur Prävention von Gewalt, von denen einige konfrontativ arbeiten, angeboten. Am Beispiel des Coolness-Training möchte ich aufzeigen, wie Gewaltprävention aussehen kann und wie effektiv sie ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gewalt an Schulen
2.1. Definition von Gewalt
2.2. Erscheinungsformen und Bedingungen für Gewalt unter Schülern
3. Gewaltprävention
3.1. Schulische Gewaltprävention
3.2. Praxiskonzepte für Gewaltprävention an Schulen
3.2.1. Peer – Mediation
3.2.2. Sozialtraining in der Schule
3.2.3. Faustlos
4. Konfrontative Pädagogik – Das Coolness – Training (CT)
4.1. Grundsätze und Prinzipien der Konfrontativen Pädagogik
4.2. Rahmenbedingungen des CT
4.3. Zielsetzung
4.4. Inhalte und Methoden
4.5. Ergebnisse bisheriger Evaluationen
5. Schlussbemerkung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
26. April 2002, Erfurt, Robert S. stürmt sein ehemaliges Gymnasium und tötet in kurzer Zeit 16 Menschen und richtet sich anschließend selbst.
20. November 2006, Emsdetten, der 18jährige Bastian B. schießt an seiner früheren Realschule wahllos um sich und zündet Rauchbomben. Ergebnis: 37 Verletzte, Selbstmord des Täters.
11. März 2009, Winnenden, der 17jährige Tim K. tötet in seiner Realschule und auf seinem Fluchtweg insgesamt 15 Menschen und wird von der Polizei erschossen.
17. September 2009, Ansbach, ein 18 Jähriger verletzt mit einer Axt und mehreren Brandsätzen drei Schüler und sich selbst in seinem Gymnasium.
In den letzten Jahren treten vermehrt Gewalttaten an Schulen durch Medienberichte an die Öffentlichkeit. Diese vier Amokläufe bzw. Schulmassaker innerhalb Deutschlands sind nur die Spitze des Eisberges und kommen seltener vor. Ein anderes bekanntes und viel diskutiertes Beispiel für Gewalt an Schulen ist die Berliner Rütlischule. Die Probleme an dieser Schule liegen in den alltäglichen Gewaltausübungen und nicht in solchen krassen Einzeltaten, wie die oben genannten. Der Schulalltag ist strukturlos und beherrscht von einer aggressiven Grundstimmung unter den Schülern. Die Lehrerschaft fühlt sich machtlos.
Neben diesen öffentlich bekannt gewordenen Beispielen für Gewalt an Schulen gibt es auch viele verschiedene Gewalthandlungen unter Schülern, wie Mobbing, Abziehen, Treten, Bedrohungen, Erpressungen, Raufereien oder Prügeleien in unterschiedlichster Intensität. Durch die Medien bekommt man den Eindruck, dass Gewalt in der Schule alltäglich sei. Das betrifft in der Realität aber gewiss nicht jede Schule. Ebenso ist das Blickfeld auf die Gewalt durch die Medien stark eingeschränkt. Es entsteht der Eindruck, dass Gewalt an Schulen zugenommen hat. Bisher fehlen einschlägige Studien, die diesen Punkt erforscht haben. Vernachlässigt wird in der Berichterstattung der Medien die Gewalt, die von Lehrern ausgeübt wird bzw. Gewalt unter Lehrern. Auch die Gewalt, die die Institution Schule produziert, bleibt weitestgehend ungeachtet.
Der Schule kommt als sekundäre Sozialisationsinstanz für die Entwicklung eines Kindes eine besondere Rolle hinzu. Die Schule bereitet Kinder und Jugendliche auf das gesellschaftliche Leben vor. Rollenerwartungen werden verinnerlicht, Sozialverhalten in der Gruppe wird erlernt, auf eine Leistungsgesellschaft wird vorbereitet und gesellschaftliche Normen und Werte werden verinnerlicht. Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn Schüler in der Schule Gewalt erfahren und erleben, ausüben und ausüben dürfen (!) und diese Zustände verinnerlicht werden, dann übernehmen Sie ihr Verhalten, egal ob Täter, Opfer oder Beobachter, in der Zukunft und es bleibt eine Gesellschaft des Wegschauens und Akzeptierens. Das sollten wir nicht zulassen. Wie können wir als Pädagogen dazu beitragen, dass diese Entwicklung korrigiert wird und nicht weitergetragen wird? Wie können wir den Kindern und Jugendlichen Handlungsalternativen und soziale Kompetenzen vermitteln, wenn wir selbst nicht mehr an die Schüler herankommen? Und wie können wir selbst mit Gewalterfahrungen an Schulen umgehen?
In der folgenden Abhandlung wird der Blick auf Gewalt unter Schülern gelegt. Wo andere pädagogische Maßnahmen nicht mehr greifen, können als Möglichkeit Methoden der Konfrontativen Pädagogik ergänzt werden. Es gibt bereits verschiedene Präventionsprogramme. Im deutsch-sprachigen Raum werden aktuell 71 verschiedene Programme zur Prävention von Gewalt, von denen einige konfrontativ arbeiten, angeboten. Am Beispiel des Coolness-Training möchte ich aufzeigen, wie Gewaltprävention aussehen kann und wie effektiv sie ist.
2. Gewalt an Schulen
2.1. Definition von Gewalt
Der Begriff Gewalt aus dem althochdeutschen, waltan = walten, herrschen, ist zunächst ein neutraler Begriff. In der Fachliteratur wird er nicht einheitlich definiert. Auch in der Gesellschaft kann sich bisher kein allgemeines Verständnis von Gewalt entwickeln. Eine Definition liefert Mahatma Gandhi: ,,Gleichgültigkeit und Desinteresse am Leid anderer sind die ersten Formen von Gewalt.'' (P.A.C.O. 2009, zit.n.Gandhi) Diese Definition ist sehr knapp, bezieht sich ausschließlich auf zwischenmenschliche Beziehungen und sagt nichts weiter aus, als dass eine Form von Gewalt Gefühlskälte und Unterlassen von Handlungen ist. Gandhi deutet einen Prozess an, der in zwischenmenschlichen Beziehungen beginnt und geht nicht näher auf den Begriff der Gewalt ein. (vgl. P.A.C.O. 2009)
Eine weitere Definition lautet: ,,Violence ist the usage of power against law.'' (ebd., zit. n. Dr. Handan Yokus Sevuk, 2004), zu deutsch: Gewalt ist der Gebrauch von Macht gegen das Gesetz. Interessant ist hier, dass der Begriff Gewalt (violence) mit einem anderen Gewaltbegriff (power) umschrieben wird. In dieser Definition liegt der Schwerpunkt auf der negativen Form von Gewalt, einer nicht autorisierten und persönlichen Gewalt. Es fehlt die Beachtung einer gerechtfertigten Ausübung von Gewalt um das Gesetz zu schützen und Macht zu erhalten. (vgl. ebd.)
Der Brockhaus 1998 definiert Gewalt als ,,die Anwendung von phys. oder psych. Zwang gegenüber Menschen. Gewalt umfasst 1) die rohe, gegen Sitte und Recht verstoßende Einwirkung auf Personen (lat. violentia), 2) das Durchsetzungsvermögen in Macht- und Herrschaftsbeziehungen (lat. potestas).'' (Brockhaus 1998, 262) Im Lateinischen und in der englischen Sprache wird eine negative Gewalt (lat. violenta, engl. violence) und positive Form der Gewalt (lat. potestas, engl. Power) unterschieden. Die negative Form umfasst eine eher individuelle Gewalttätigkeit und Gewaltherrschaft. Die positive Form beschreibt allgemeine Machtbefugnisse innerhalb einer Gesellschaft. In diesem Rahmen ist Gewalt ein Mittel um Interessen und Macht auszuüben und durchzusetzen. Hierbei wird unterschieden in physische und psychische Gewalt. In beiden Formen wird gegenüber mindestens einer anderen Person Zwang ausgeübt. Im deutschsprachigen Raum sind diese Begrifflichkeit nicht so differenziert betrachtet und im Begriff Gewalt vereint. (vgl. ebd.)
In einer weiteren Definition wird ausführlicher auf den Begriff eingegangen. Hierbei wird Gewalt verstanden als ,,die Anwendung von physischem und psychischem Zwang a) als Ausdruck von Aggressivität, b) als legitimes oder als unrechtmäßiges Mittel zur Begründung, Aufrechterhaltung oder zur Überwindung bestimmter Macht- und Herrschaftsverhältnisse.'' (Hillmann 2007, 297) . Sinngemäß sind die beiden Definitionen bis zu diesem Abschnitt inhaltlich gleich. Hillmann 2007 unterscheidet aber des weiteren zwischen ,,direkter und indirekter, individueller bzw. persönlicher und struktureller Gewalt.'' (ebd.) Strukturelle Gewalt bezeichnet eine gesellschaftliche und institutionelle Gewalt. Sie ist indirekt und ständig präsent. Im Bereich der Schule wird strukturelle Gewalt durch unterschiedliche Verhaltensregeln, Anwesenheitspflicht u.a. ausgeübt. Es wird zunehmend auch Gewalt zwischen den Schülern beobachtet, die scheinbar zu einem zunehmenden Problem wird. Sie sind Resultat von gesellschaftlichen Veränderungen, wie veränderte Werte und Normen, Soziale Entwurzelung, zunehmender Leistungsdruck u.v.m. und spiegeln die bestehenden gesellschaftliche irrationale Gewalt wieder. (vgl. Hillmann 2007, 297 f; Böhm 2005, 254 f; )
2.2. Erscheinungsformen und Bedingungen für Gewalt unter Schülern
Das Kriminalistische Institut des Bundeskriminalamtes Wiesbaden legt eine Studie zu Gewalt an Schulen vor. Die Querschnittsuntersuchung ist repräsentativ. Es werden 1100 Schüler der 7. und 8. Klassen aus allgemeinbildenden Schulen befragt. Die Ergebnisse liefern ein Bild darüber, welche Formen von Gewalt an Schulen zu finden sind. Es wird auf Geschlechts-, Nationalitäts- und Schulunterschiede eingegangen und Risikofaktoren werden berücksichtigt. Im folgenden sind die Ergebnisse kurz zusammengefasst.
Physische Gewalt in leichterer Form und verbale Aggressionen sind in der Schule die häufigste Erscheinung von Gewalt. Physische Gewalt wird überwiegend von Tätern und Opfern männlichen Geschlechts ausgeübt bzw. erfahren. Mädchen fallen seltener wegen aggressiven Verhaltens auf und sind seltener Opfer. Verbale Aggressionen sind von Mädchen die häufiger angewandte Form von Gewalt. Auch bei delinquenten Verhalten gibt es nur geringe Geschlechterunterschiede. Ausländische Jugendliche sind nicht häufiger gewalttätig als Jugendliche deutscher Herkunft. Unterschiede der Gewalthäufigkeit gibt es in den Schularten. An Hauptschulen sind mehr Fälle von aggressivem Verhalten bekannt als aus Realschulen und Gymnasien. Möglicherweise liegt dieses Ergebnis der Tatsache zugrunde, dass die Hauptschüler 38% der befragten SchülerInnen ausmachen. Eine besondere Rolle kommt den sogenannten Bullies zu. Bullies sind Jugendliche, die andere häufig angreifen und attackieren und durch vielfache andere Delikte auffallen. Sie umfassen etwa 5% aller Schüler. Bei dieser Gruppe besteht ein besonderes Risiko, dass sie auch im außerschulischen Bereich auffallen und sich zu Intensivtätern entwickeln. (vgl. BKA 2003, 1f)
Aggressives Verhalten tritt erst auf, wenn mehrere Risikofaktoren eine Person belasten. Nach dem Kumulativen Risikomodell wirken mehrere Bedingungen für Gewalthandlungen zusammen. Je mehr Risikofaktoren bestehen, desto wahrscheinlicher ist die Ausübung von Gewalt und die Entwicklung von delinquenten Verhalten. Jugendliche, die sich aggressive Verhalten sind in der Regel weniger sozial kompetent und dominanter als andere Jugendliche. Sie haben häufig Aufmerksamkeits- und Identitätsprobleme. Eine weitere wichtige Rolle spielt die primäre Sozialisationsinstanz, die Familie. Der Erziehungsstil und das Interaktionsklima tragen maßgeblich zur Entwicklung einer Persönlichkeit bei. Somit besteht hier auch ein Risiko, wenn diese Umstände weniger gut funktionieren. Auch Scheidung der Eltern, Arbeitslosigkeit und anderes erhöht das Risiko für eine Gewaltentwicklung. Das schulische Umfeld spielt eine ebenso wichtige Rolle. Eine hohe Schülerzahl in einer Klasse und der allgemeine Leistungsdruck fördern das Aggressionspotential der Schüler. Delinquente Schüler haben meist schlechte Noten und schwänzen häufiger die Schule. Die Peergroup bietet Schülern, die durch aggressiven oder delinquentes Verhalten auffallen, einen Ausgleich zur Familie. Diese Jugendlichen gehören auch häufiger Cliquen an. (vgl. BKA 2003, 2f)
[...]
- Arbeit zitieren
- Katharina Kantreiter (Autor:in), 2009, Gewaltprävention an Schulen am Beispiel des Coolness-Training, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/145754