Thema und somit Schwerpunkt dieser Arbeit soll es sein, zu untersuchen, wie Márquez die auf zwanzig jeweils sechsstündige Interviews mit dem Protagonisten basierende Geschichte literarisch konstruiert und inszeniert hat. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen die Etappen Velascos Erlebnisse: die des Verschwindens, die der (geographischen, temporalen, physischen und psychischen) Verschollenheit und die des Vergessens als Sonderstatus des Verschollen-Seins. Im Kontext Márquez` „Bericht eines Schiffbrüchigen“ ist diese Trias als negativer Superlativ zu verstehen und soll den thematischen Rahmen dieser Arbeit bilden.
Seit jeher gehören Geschichten über Schiffbrüchige, Gestrandete, Verschollene und Überlebende maritimer Irrfahrten zu den immer wieder gern aufgegriffenen Sujets der Literatur. Seien es literarische Meilensteine wie Homers „Odyssee“, Daniel Defoes „The Life and Strange Surprising Adventures of Robinson Crusoe“ oder Jules Vernes „L'Île mysterieuse“ – das Motiv des meist einsamen, der Isolation preisgegebenen Verschollenen ist in seiner Tradition in der Geschichte der Literatur fest verankert und bildet mittlerweile ein eigenes Genre, welches das Motiv des überlebenden Gestrandeten unter dem Begriff der Robinsonade zu subsumieren versucht.
Dabei wird die literarische Grundlage meist durch die Imaginationen des Autors geprägt, oder aber auch von authentischen Berichten als Inspirationsquelle bereichert. Eine Sonderstellung nimmt dabei Gabriel García Márquez` „Bericht eines Schiffbrüchigen“ ein. Er erzählt die Geschichte des Matrosen Luis Alejandro Velascos, der als einziger Überlebender der über Bord gegangenen acht Matrosen des mit Schmuggelware überladenen Schiffes Caldas auf einem Floß zehn Tage im karibischen Meer um sein Dasein kämpft. Ein Bericht, der sein Faszinosum darin begründet sieht, vollständig authentisch und wahr zu sein. Dieser eher unbekannte, wenn nicht sogar von der Leserschaft im Vergleich zu Márquez` Nobelpreisleistung „Hundert Jahre Einsamkeit“ (1982) als unbedeutend betrachtete Beitrag , der stets zwischen Narration und Reportage im Zuge eindeutiger Kategorisierungsversuche schwankt, greift so auf besondere Weise das Motiv des Verschollenen auf und separiert sich damit als ein auf echter Erfahrung gegründeter Bericht von den gängigen, auf schriftstellerische Inspiration fußenden Bearbeitungen der Verschollenen-Motivik.
Inhaltsverzeichnis
- Begründung der Thematik
- Antritt einer ungewollten Reise - Das Verschwinden Luis Alejandro Velascos
- Verschollen im Nirgendwo
- Geographisches Verschollen-Sein
- Temporales Verschollen-Sein
- Physisches und psychisches Verschollen-Sein
- Die Heroisierung des Verschollenen
- Verschollen in der Gesellschaft als Vergessen des Verschollenen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht, wie Gabriel García Márquez in seinem „Bericht eines Schiffbrüchigen“ die Geschichte des Matrosen Luis Alejandro Velascos literarisch konstruiert und inszeniert hat. Der Fokus liegt dabei auf den Etappen von Velascos Erlebnissen: dem Verschwinden, der Verschollenheit (geographisch, temporal, physisch und psychisch) und dem Vergessen als Sonderstatus des Verschollen-Seins.
- Die literarische Konstruktion des Verschollenen-Motivs in Márquez' Werk
- Die Rolle der Authentizität und Fiktionalität im „Bericht eines Schiffbrüchigen“
- Die Darstellung von Verschollenheit als ein mehrdimensionales Konzept
- Die Herausforderungen des Überlebens und die psychologische Belastung des Verschollenen
- Die Bedeutung von Erinnerung und Vergessen im Kontext des Verschollenen-Seins
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Einordnung des „Berichtes eines Schiffbrüchigen“ in die Tradition maritimer Literatur und die Besonderheiten des Verschollenen-Motivs. Anschließend wird das Verschwinden Velascos in den Kontext der Schiffsreise und der besonderen Umstände des Unglücks gesetzt. Die folgenden Kapitel befassen sich mit den verschiedenen Dimensionen der Verschollenheit, die Velasco erlebt: geografisch, temporal, physisch und psychisch. Hierbei wird die Darstellung der Herausforderungen des Überlebens, der psychischen Belastungen und der existenziellen Fragen untersucht, die sich für Velasco stellen. Abschließend wird die Rolle des Vergessens im Kontext des Verschollenen-Seins beleuchtet, und es wird der Frage nachgegangen, wie Velasco in der Gesellschaft nach seiner Rettung behandelt wird.
Schlüsselwörter
Gabriel García Márquez, Bericht eines Schiffbrüchigen, Luis Alejandro Velasco, Verschollenen-Motiv, Robinsonade, Authentizität, Fiktionalität, Verschollenheit, Überleben, Psychologische Belastung, Erinnerung, Vergessen, Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Susanne von Pappritz (Autor:in), 2010, Verschwunden, verschollen, vergessen. Gabriel García Marquez‘ "Bericht eines Schiffbrüchigen", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1453808