Bereits im 19. Jahrhundert kristallisierte sich in Großbritannien ein grundlegender Unterschied in der Behandlung von Arbeitervereinigungen seitens der Regierung heraus, betrachtete man jene im Direktvergleich mit anderen Ländern Europas. Von Anfang an war das Verhältnis Staat-Gewerkschaften charakterisiert von einer sehr toleranten und entgegenkommenden Haltung der Regierung gegenüber industrieller Vereinigung. Daher wird in der Forschungsliteratur über die britischen Gewerkschaften auch weitestgehend die Ansicht vertreten, dass sich anhand dieses Verhaltens der britischen Regierung, das von anderen Ländern Europas stark abwich und -weicht, der Sonderweg britischer Arbeitsbeziehungen erklären lässt. Bereits sehr früh wurden in Großbritannien gewerkschaftliche Vereinigungen rechtlich anerkannt, gerade zu einer Zeit, als in Kontinentaleuropa jedwede sozialistischen Bewegungen im Keim erstickt wurden. Diese liberale Tradition wurde mehr oder weniger fortgeführt bis hin zur Ära Thatcher.
2.1 Rechtliche Grundlagen
Die beiden Säulen, auf die sich das Gewerkschaftswesen stützte, waren einerseits die faktische rechtliche Immunität der Gewerkschaften und andererseits die staatliche Anerkennung ihrer Autonomie und des freiwilligen Grundcharakters der Tarifverhandlungen. Damit war den Arbeitern auch prinzipiell Tür und Tor geöffnet, jederzeit in Streik zu treten, ohne dass der Staat intervenieren konnte oder wollte. Bereits durch die Aufhebung des Koalitionsverbots 1824/25 wurde den Gewerkschaften ein Status der rechtlichen Anerkennung eingeräumt.
Während durch die Arbeitsgesetzgebung von 1871 und 1875 den Gewerkschaften offiziell die Möglichkeit eingeräumt wurde, zur Wahrung ihrer Rechte die Gerichte anzurufen, sowie sie auch festlegte, dass Streiks nicht länger unter das Konspirationsgesetz fielen, bestätigte der Trade Disputes Act von 1906 dazu noch deren Immunität vor der Justiz, brachte also einen Rundumschutz aus juristischer Perspektive. Von einer neu gewählten liberalen Regierung verabschiedet, legte er fest, dass Gewerkschaften in keiner Weise zivilrechtlich für im Rahmen eines Streiks entstandene Schäden haftbar gemacht werden konnten und räumte den Arbeitervereinigungen damit eine lang andauernde übergesetzliche Sphäre ein. Im Conciliation Act von 1896 wurde festgeschrieben, dass der Staat allenfalls als Vermittler oder Schlichter in bestehende Arbeitskämpfe eingreifen dürfe, vorausgesetzt, beide oder zumindest eine der Konfliktparteien stimmte zu. ...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung/Fragestellung
- Ursprünge des britischen Gewerkschaftswesens
- Rechtliche Grundlagen
- Abriss staatlicher Eingriffe
- Frühe Regulierungsmaßnahmen
- Gewerkschaften zu stark oder zu schwach?
- Der Nachkriegskonsens und seine Folgen
- Der Donovan-Report
- Maßnahmen der Regierungen nach 1965
- Die Wilson-Regierung
- Die Heath-Regierung
- Der „Industrial Relations Act“
- Der „Social Contract“
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Versuche der britischen Regierung in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren, Arbeitsbeziehungen zu verrechtlichen und untersucht die unmittelbaren und mittelbaren Folgen dieser Maßnahmen. Sie befasst sich mit den Gründen, die aus Sicht der Regierung diese Maßnahmen erforderlich machten, und untersucht dabei die Ursprünge der britischen Trade Unions. Darüber hinaus werden einige Maßnahmen explizit in ihrem zeitlichen Kontext erörtert und analysiert.
- Die Verrechtlichung von Arbeitsbeziehungen in Großbritannien
- Die Folgen staatlicher Eingriffe in das britische Gewerkschaftswesen
- Die historische Entwicklung der britischen Trade Unions
- Die Rolle der Regierung in der Regulierung von Arbeitsbeziehungen
- Der Vergleich der britischen Gewerkschaftslandschaft mit anderen europäischen Ländern
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung/Fragestellung: Diese Einleitung stellt die Forschungsfrage der Arbeit vor, die die Versuche der britischen Regierung zur Verrechtlichung von Arbeitsbeziehungen in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren untersucht. Sie benennt die Ziele der Arbeit, die die Folgen dieser Maßnahmen und die Gründe für deren Notwendigkeit analysieren sollen. Zudem wird ein Blick auf die Ursprünge des britischen Gewerkschaftswesens geworfen.
Ursprünge des britischen Gewerkschaftswesens: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung des britischen Gewerkschaftswesens im 19. Jahrhundert und stellt den grundlegenden Unterschied im Vergleich zu anderen europäischen Ländern heraus. Es wird betont, dass die britische Regierung von Anfang an eine tolerante und entgegenkommende Haltung gegenüber Gewerkschaften einnahm, was sich in der rechtlichen Anerkennung von Gewerkschaftsvereinigungen und in der Betonung von Tarifautonomie und Freiwilligkeit zeigte.
Rechtliche Grundlagen: Das Kapitel analysiert die rechtlichen Grundlagen des britischen Gewerkschaftswesens und beleuchtet die faktische rechtliche Immunität von Gewerkschaften und die staatliche Anerkennung ihrer Autonomie. Es wird erläutert, wie die Gesetze zur Aufhebung des Koalitionsverbots und der Trades Disputes Act die rechtlichen Rahmenbedingungen für Gewerkschaften schufen und ihnen ein hohes Maß an Autonomie gewährten.
Abriss staatlicher Eingriffe: Dieses Kapitel beleuchtet die frühen Eingriffe der britischen Regierung in das System der freien und überstaatlichen Tarifverhandlungen, die während der beiden Weltkriege erforderlich wurden. Es wird deutlich gemacht, dass die Regierung in Kriegszeiten gezwungen war, in das System der Arbeitsbeziehungen einzugreifen, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Frühe Regulierungsmaßnahmen: Das Kapitel behandelt die ersten Regulierungsmaßnahmen zur Kontrolle von Streiks, die Ende des 19. Jahrhunderts als ökonomische Störfaktoren wahrgenommen wurden. Es stellt die Entwicklung von Regierungsapparaten zur Sicherung wichtiger Wirtschaftssektoren und die Verabschiedung des Emergency Powers Act vor, die als frühe Versuche zur Eingrenzung der Handlungsfreiheit von Gewerkschaften angesehen werden können.
- Quote paper
- Katja Glaser (Author), 2007, Trade Unions in Großbritannien, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/144486