1) Einleitung
Herrschaft in der Frühen Neuzeit lässt sich nicht auf ein einziges Zentrum festlegen, vielmehr ist sie gekennzeichnet von Partikularität der diversen Machtfaktoren, von Wandel von personaler hin zu institutioneller Herrschaft, welche sich auf verschiedenen Ebenen und für die einzelnen Beziehungsgeflechte unterschiedlich vollzog, von nebeneinander existierenden Herrschaftsräumen wie Stadt und Land, kurz: von außerordentlicher Dynamik und Vielschichtigkeit.
Dieses komplexe Netz der frühneuzeitlichen Herrschaftsverhältnisse kann man auf verschiedene Art und Weise erklären, wie sich am Beispiel des etatistischen Modells auf der einen Seite und des gemeindlichen auf der anderen Seite erkennen lässt.
Im Zentrum des etatistischen Modells stehen hierbei die Grundelemente der frühmodernen Staatlichkeit – Land, Steuern, Policey-Ordnung und Militär. Das Entstehen eines Steuerstaates, in dem die Untertanen direkt die Steuerlast tragen, die Auflösung der deutschen Territorialstaaten hin zu einem Flächenstaat und die damit verbundene Machtakkumulation in der Hand des Staates 1 machten eben diesen zu einem neuen Ordnungsfaktor der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Die staatliche Regulierung drang immer mehr in den Bereich der ständischen Selbstregulierung vor und löste diese in vielen Fällen ab. Der Staat und seine Macht werden hier verstanden als die eine aktive Größe, der sich alles unterordnet.
Das gemeindliche Erklärungsmodell hingegen rückt den gesteigerten Konfliktlösungsbedarf in den Mittelpunkt, der sich etwa seit dem 16. Jahrhundert aus der wachsenden Komplexität der gesellschaftlichen Entwicklung ergab und unter dessen Druck die Erhaltung der „guten Ordnung“ zum zentralen Punkt der staatlichen Verwaltung wurde. Der Ausbau von obrigkeitlicher Normgebung hat hier seinen Ursprung nicht in einem bewussten Plan des Landesfürstentums zum Zweck des gezielten Machtausbaus. Hier wird Obrigkeit als passiver Ordnungsfaktor interpretiert, dem im Laufe der Zeit aufgrund wachsender Interessenskonflikte sowohl innerhalb der Gessellschaft, als auch zwischen Gesellschaft und Territorialherrschaft immer mehr die Aufgabe zukam, vermittelnd und regulierend einzugreifen. Die Gemeinde ist hier nicht „Untertan“, sondern wird integriert in den Staat als lokale administrative Instanz.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verschiedene Herrschaftsräume
- Lokale, territoriale und staatliche Herrschaft
- Das Dorf
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Dynamik und Vielschichtigkeit der frühneuzeitlichen Herrschaftsverhältnisse anhand von drei verschiedenen Herrschaftsräumen: Kriminalität, bäuerliche Gemeinde und Stadt. Die Arbeit analysiert zwei theoretische Konzepte, das etatistische Modell und das gemeindliche Modell, und untersucht, ob eines dieser Konzepte besser geeignet ist, die frühneuzeitliche Herrschaft zu erklären oder ob beide notwendig sind.
- Entwicklung des frühmodernen Staates und seiner Ordnungsfunktion
- Spannungsfeld zwischen staatlicher und gemeindlicher Herrschaft
- Transformation der Gemeinde zu einer staatlich-administrativen Einheit
- Eingriff des Staates in die lokalen Lebensbereiche der Untertanen
- Vernetzung von obrigkeitlichen und gemeindlichen Interessen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Arbeit stellt die Problematik der frühneuzeitlichen Herrschaftsverhältnisse vor, die durch ihre Partikularität, Wandel und Dynamik gekennzeichnet war. Sie führt zwei gegensätzliche Erklärungskonzepte ein: das etatistische Modell, das den Staat als zentrale Ordnungsmacht sieht, und das gemeindliche Modell, das die Bedeutung der lokalen Strukturen betont.
Verschiedene Herrschaftsräume
Lokale, territoriale und staatliche Herrschaft
Dieser Abschnitt untersucht das Spannungsverhältnis zwischen Gemeinde und Obrigkeit. Es wird analysiert, ob man von einem „Sieg des frühmodernen Staates“ sprechen kann oder ob das gemeindliche Konzept die Stellung der Untertanen besser erklärt. Es wird argumentiert, dass die Gemeinde in der Frühen Neuzeit keine völlig machtlose Einheit war, sondern dass die Obrigkeit sie als Institution berücksichtigen musste.
Das Dorf
Dieser Abschnitt fokussiert auf die Dorfgemeinde als Herrschaftsraum und untersucht das Zusammenspiel von staatlicher „Policey“ und traditionellem Gewohnheitsrecht im Bereich der Kriminalität und Gerichtsbarkeit. Es wird gezeigt, dass die Obrigkeit im Laufe der Zeit zunehmend Einfluss auf die lokale Ordnung gewann, jedoch nicht von einer vollständigen Unterdrückung der Gemeinde gesprochen werden kann.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Frühneuzeitliche Herrschaft, Staatlichkeit, Gemeinde, Kriminalität, Gerichtsbarkeit, Policey, Gewohnheitsrecht, etatistisches Modell, gemeindliches Modell, Spannungsfeld, Transformation.
- Quote paper
- Christine Numrich (Author), 2006, Die unterschiedlichen theoretischen Konzepte zur Analyse der frühneuzeitlichen Epoche, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/142612