Befragt man Menschen auf der Straße darüber, was sie sich für ihr Leben wünschen, so wird man sicher des Öfteren „Glücklich sein“ als Antwort bekommen. Fragt man daraufhin weiter, was Glück denn sei, so wird man vermutlich die gängigen Antworten wie „Glücklich ist, wer gesund ist“, „Glück ist, sich alles leisten zu können und keine Geldsorgen zu haben“ oder Ähnliches hören.
Schlägt man im Historischen Wörterbuch der Philosophie nach, so liest man hier, dass die Vorstellung von Glück als „Reichtum, Ehre, Macht, Gesundheit, langes Leben usf. älter als die Philosophie“ ist und sich „getragen von dem Bedürfnis der Menschen, unabhängig von ihr durch die Zeiten“ hält.
Die Philosophie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Glück und wie man ein glückliches Leben führt bereits seit der Antike. Sie versteht unter dem Begriff des Glücks allerdings weniger den Besitz äußerer Güter oder leiblicher Genüsse. Vielmehr ist Glück laut ihr „in der Seele und in der seelischen Haltung des Menschen begründet“.
Eine besonders wirkungsstarke Glückstheorie der Antike, die sich auch mit der Frage des Wesens des Glücks und wie man eben dieses bekommt, beschäftigt, ist die des Aristoteles, die er unter anderem in seiner Nikomachischen Ethik ausführt.
Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll nun sein, diese näher zu betrachten.
Ausgangspunkt der Nikomachischen Ethik ist die Frage nach dem höchsten Gut, dem „summum bonum“, welches das letzte Ziel allen menschlichen Handelns darstellt. Was genau unter diesem letzten Ziel verstanden wird, soll nachfolgend näher untersucht werden.
Eine erste Antwort auf diese Frage lautet: Das Gut, wonach alle Menschen streben, ist das Glück, “wobei gutes Leben und gutes Handeln in eins gesetzt werden, mit Glücklichsein.”
In der Benennung zwar übereinstimmend, gehen die Meinungen über das Wesen des Glücks jedoch auseinander.
So stellen sich die einen darunter etwa Lust, Wohlstand oder Ehre vor und andere das Leben eines politisch engagierten Bürgers, während wieder andere ein glückliches Leben in der philosophischen Hingabe an die wissenschaftliche Theorie sehen.
Da von Aristoteles lediglich die beiden letzten Vorstellungen als solche akzeptiert werden, mit denen man ein glückliches Leben realisieren kann, sollen sie auch in dieser Arbeit eingehender betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das höchste Gut: Glück
3. Die Tugendlehre des Aristoteles
3.1 Die aristotelische Seelenlehre
3.2 Die Charaktertugenden
3.3 Die Verstandestugenden
4. Lebensweisen für ein gelingendes Leben
4.1 Das politisch-praktische Leben
4.2 Das philosophisch-theoretische Leben
5. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Befragt man Menschen auf der Straße darüber, was sie sich für ihr Leben wünschen, so wird man sicher des Öfteren „Glücklich sein.“ als Antwort bekommen. Fragt man daraufhin weiter nach, was Glück denn sei, so wird man vermutlich die gängigen Antworten wie „Glücklich ist, wer gesund ist“, „Glück ist, sich alles leisten zu können und keine Geldsorgen zu haben.“ oder Ähnliches hören. Schlägt man im Historischen Wörterbuch der Philosophie nach, so liest man hier, dass die Vorstellung vom Glück als „Reichtum, Ehre, Macht, Gesundheit, langes Leben usf. […] älter als die Philosophie“[1] ist und sich „getragen von dem Bedürfnis der Menschen, unabhängig von ihr durch die Zeiten“[2] hält. Die Philosophie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Glück und wie man ein glückliches Leben führt bereits seit der Antike. Sie versteht unter dem Begriff des Glücks allerdings weniger den Besitz äußerer Güter oder leiblicher Genüsse. Vielmehr ist Glück laut ihr „in der Seele und in der seelischen Haltung des Menschen begründet“[3].
Eine besonders wirkungsstarke Glückstheorie der Antike, die sich auch mit der Frage des Wesens des Glücks und wie man eben dieses bekommt, beschäftigt, ist die des Aristoteles, die er unter anderem in seiner Nikomachischen Ethik ausführt. Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll nun sein, diese näher zu betrachten.
Ausgangspunkt der Nikomachischen Ethik ist die Frage nach dem höchsten Gut, dem „summum bonum“[4], welches das letzte Ziel allen menschlichen Handelns darstellt. Was genau unter diesem letzten Ziel verstanden wird, soll nachfolgend näher untersucht werden.
Eine erste Antwort auf diese Frage lautet: Das Gut, wonach alle Menschen streben, ist das Glück, “wobei gutes Leben und gutes Handeln in eins gesetzt werden, mit Glücklichsein.”[5]
In der Benennung zwar übereinstimmend, gehen die Meinungen über das Wesen des Glücks jedoch auseinander. So stellen sich die einen darunter etwa Lust, Wohlstand oder Ehre vor und andere das Leben eines politisch engagierten Bürgers, während wieder andere ein glückliches Leben in der philosophischen Hingabe an die wissenschaftliche Theorie sehen.
Da von Aristoteles lediglich die beiden letzten Vorstellungen als solche akzeptiert werden, mit denen man ein glückliches Leben realisieren kann, sollen sie auch in dieser Arbeit eingehender betrachtet werden.
In den verschiedenen Lebensformen geht es unter anderem um tugendhaftes Handeln und die Glückseligkeit wird außerdem auch über den Begriff der Tüchtigkeit definiert, was eine kurze Abhandlung der aristotelischen Tugendlehre erforderlich macht. Diese wiederum erfordert einen kurzen Einblick in die Seelenlehre des Aristoteles.
Am Ende der Arbeit werden dann die wichtigsten Punkte von Aristoteles’ Glückstheorie noch einmal kurz zusammengefasst und die Frage nach der Alltagstauglichkeit dieser Theorie soll beantwortet werden.
2. Das höchste Gut: Glück
“Die Nikomachische Ethik beginnt mit der Beobachtung, dass die für den Menschen charakteristischen Tätigkeiten auf Ziele hin orientiert sind, die vom Handelnden als positiv bewertet und insofern als ein Gut angesprochen werden.”[6] Mit Hilfe der Frage nach dem Gut, versucht Aristoteles das letzte Ziel menschlichen Strebens zu bestimmen.
Nach allgemeiner Überzeugung strebt jede Kunst, jede Untersuchung, jede Handlung und jeder Entschluss nach einem bestimmten Gut und verfolgt also einen bestimmten Zweck. Somit definiert Aristoteles zu Beginn seines ersten Buches das Gut als Ziel, zu dem alles strebt. Allerdings gibt es “viele Formen des Handelns, des praktischen Könnens und des Wissens”[7] und somit auch unterschiedliche Arten von Zielen, die eine Hierarchie bilden. Zum einen kann die reine Tätigkeit bereits das Ziel sein, zum anderen darüber hinaus das Ergebnis des Tätigseins. Das Ergebnis des Tätigseins, das Werk, ist laut Aristoteles höherwertig als das bloße Tätigsein.
Ziele stehen also in einer bestimmten Rangfolge zueinander. Niedere Ziele verhalten sich zu einem ranghöheren Ziel wie beispielsweise das Sattlerhandwerk zur Reitkunst.[8] Das Sattlerhandwerk wird nur deswegen ausgeführt, weil man sein Ergebnis, den Sattel, zum Reiten benötigt. Da solche Strebensreihen, wenn sie sich endlos fortführen ließen, sinnlos wären, müssen sie nach Aristoteles demnach durch ein oberstes Gut, ein Endziel, abgeschlossen werden, welches ausschließlich um seiner selbst willen begehrt wird, während die Mehrheit der übrigen Ziele letztlich nur in Hinblick auf dieses Endziel verfolgt wird. Ein solches Endziel findet sich nach Aristoteles wohl im Bereich der Kunst, bzw. der Staatskunst, da ihr viele angesehenen Künste, wie die “Kriegs-, Haushalts- und Redekunst”[9], untergeordnet sind. Die Staatskunst bedient sich dieser anderen Künste und daher umfasst sie all ihre Ziele.
Mit einer allgemeineren Definition des Endziels hält sich Aristoteles vorerst zurück, nennt es allerdings zu Beginn des zweiten Kapitels beim Namen. Das Ziel der Staatskunst bzw. das höchste aller Güter, die man durch Handeln erreichen kann, ist die Glückseligkeit (Eudaimonia), wobei damit gutes Leben und gutes Handeln gleichgesetzt werden. Aristoteles wehrt somit von vorne herein zwei Arten von Glück ab, nach denen man sich zwar sehnt, die man sich aber nicht aktiv erarbeiten kann. Zum einen ist dies das zu kleine Glück in Form von Fortuna, also das „Glück haben“ (Tychê) und zum anderen jene Glückseligkeit (Makariotês), die der Gottheit reserviert ist. Im Unterschied zu diesem Sehnsuchtsglück besteht das Strebensglück in einer dem Leben und Handeln innewohnenden Vollendung.[10]
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, was sich hinter dem Begriff Glück bzw. glückliches Leben verbirgt. Vom alltäglichen Leben ausgehend, versucht Aristoteles nun, den Begriff weiter zu konkretisieren und kommt vorerst zu der Feststellung, dass das Glück für die Menge in etwas Greifbarem wie Lust, Wohlstand und Ehre zu liegen scheint, wohingegen andere das oberste Gut als etwas von allen anderen Gütern Getrenntes, als ein Gut von selbstständiger Existenz zu interpretieren versuchen, welches zugleich der Grund dafür ist, dass alle übrigen Güter als solche erstrebt werden.[11]
Im dritten Kapitel fragt Aristoteles nun nach der Lebensform, welche nach dem höchsten Gut zu streben scheint und setzt daher „die drei vornehmlich diskutierten Lebensformen, das Genussleben, das politische und das theoretische Leben, zusammen mit einer vierten Option, dem gewinnorientierten Leben, einem Wettstreit aus. Da das politische Leben in zwei Formen auftaucht, gibt es insgesamt fünf Konkurrenten [...].“[12] Drei dieser Lebensweisen scheiden von vorne herein aus. Nach Meinung des Sophisten Thrasymachos macht sich derjenige, der gerecht handelt, unglücklich. Das Ideal des Glücklichen ist der willkürlich und egoistisch handelnde Tyrann. Ohne sich direkt auf diese Meinung zu beziehen, lehnt Aristoteles sie von Grund auf ab. Für diese Art des Lebens, also für ein „Leben des Genusses“[13] entscheiden sich zwar neben der Menge auch mächtige Herrscher wie Sardanapel, allerdings unterwerfen sie sich damit ihren sinnlichen Begierden und Affekten und führen somit ein sklavenartiges Leben unter der Knechtschaft der jeweils vorherrschenden Leidenschaften. Dennoch gehört die Lust auch für Aristoteles unverzichtbar zum Glück dazu.[14] Otfried Höffe schreibt hierzu:
Verstanden als freie Zustimmung zu dem, was man tut oder lässt, steigert sie (Anm.: die Lust) nämlich die jeweilige Tätigkeit und zugleich das gute und gelungene Leben. Insofern aber eine der Tugenden, die Tapferkeit, die Bereitschaft, Verwundungen, selbst den Tod auf sich zu nehmen, einschließt, ist das gute Leben aber nicht in jeder Hinsicht mit Lust verbunden.[15]
Noch weniger tauglich als Anwärter auf ein glückliches Leben, ist das Leben des „Geldmenschen“[16], der nur auf finanziellen Gewinn aus ist. Aristoteles verachtet Wohlstand zwar nicht, zählt hingegen den Besitz äußerer Güter zu den Voraussetzungen eines glücklichen Lebens, allerdings lehnt er es ab, den Wohlstand zum Selbstzweck zu erheben, da er doch lediglich ein Nutzwert, also ein „Mittel für andere Zwecke“[17] ist. Während Aristoteles an dieser Stelle seiner Argumentation seine Ausführungen zum Leben in philosophisch-theoretischer Betrachtung auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, zeigt er die Merkmale des politischen Lebens auf, welches in zwei verschiedenen Gestalten diskutiert wird. Aristoteles geht von der gängigen Meinung aus, dass Ehre Ziel des politischen Lebens sei. Diese ist jedoch etwas Äußerliches, da sie mehr an dem liegt, der ehrt, als am Geehrten und wird laut Aristoteles nur angestrebt, um sich seines eigenen Wertes zu vergewissern. Diese Form des politischen Lebens lehnt Aristoteles folglich ab.
Versucht man allerdings von Urteilsfähigen, also von Menschen, die einen kennen, geehrt zu werden und dies aufgrund seiner Tüchtigkeiten, so ist nicht mehr die Ehre das Ziel des Staatslebens, sondern ein Leben mit eben diesen Tüchtigkeiten.[18]
Für den Wettstreit um das Glück bleiben somit „das politische Leben, sofern es nicht auf Ansehen, sondern die eigene Tüchtigkeit ankommt und das wissenschaftlich-philosophische Leben, die theoretische Existenz“[19], auf die ich später noch genauer eingehen werde. Doch selbst Tüchtigkeit alleine ist Aristoteles zu wenig und folglich „noch nicht ganz Ziel im vollen Sinne“[20]. Allein der Besitz der Tüchtigkeit reicht nicht aus, um ein glückliches Leben zu führen, denn die Tugend kann ungenutzt bleiben oder mit Leid und Unglück behaftet sein. Aristoteles geht auch davon aus, dass das eigentliche Gute bei jeder Handlung und jedem Entschluss das Ziel ist, denn aufgrund dessen geht man einer Handlung nach. Aufbauend darauf definiert er als oberstes Gut das Endziel, da es um seiner selbst willen und nicht in Hinblick auf ein weiteres Ziel gewählt wird. Gibt es mehrere Endziele, so ist das vollkommenste das höchste Gut.
[...]
[1] J. Ritter (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd.3, Schwabe & Co. Verlag, Basel/ Stuttgart 1974, S.679
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] O. Höffe: Einführung. in: O. Höffe (Hg.):Aristoteles. Die Nikomachische Ethik. Akademie Verlag GmbH, Berlin 1995, S.6
[5] Aristoteles: Nikomachische Ethik. Philipp Reclam jun. GmbH & Co. Verlag, bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 2003, S.8
[6] O. Höffe: Einführung. in: O. Höffe (Hg.), 1995, S.6
[7] Aristoteles, 2003, S.5
[8] Vgl.: Ebd.
[9] Ebd., S.6
[10] Vgl.: O. Höffe: Prinzip: Glück. in: Buchheim, Flashar, King (Hg.): Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles? Felix Meiner Verlag, Hamburg 2003, S.130 und: O. Höffe: Aristoteles. Verlag C.H. Beck oHG, 3. überarbeitete Auflage, München 2006, S.215/216
[11] Vgl.: Aristoteles, 2003, S.8
[12] O. Höffe, 2006, S.216
[13] Aristoteles, 2003, S..9
[14] Vgl.: Aristoteles, 2003, S.15
[15] O. Höffe, Prinzip: Glück. in: Buchheim, Flashar, King (Hg.), 2003, S.131
[16] Aristoteles, 2003, S.10
[17] Ebd.
[18] Vgl.: Ebd.
[19] O. Höffe, 2003, S.131
[20] Aristoteles, 2003, S.10
- Arbeit zitieren
- Nadine Heinkel (Autor:in), 2007, Aristoteles' Eudaimonia, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/141560