Dieser Essay analysiert die Novellierung des deutschen Weingesetzes von 2021 im Kontrast zum Weingesetz von 1971 als paradigmatischen Fall der im Spätkapitalismus dominanten Logik der Singularisierung durch die Theoriebrille der Theorie der Singularisierung nach Andreas Reckwitz.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Weinwelt radikal gewandelt, wobei herkömmliche Prädikate auf Etiketten verschwinden, das Konzept des Terroirs eine Renaissance erlebt und das deutsche Weingesetz von 1971, nach 50 Jahren, einer tiefgreifenden Novellierung unterzogen wurde. Doch wie lassen sich diese Veränderungen aus soziologischer Sicht analysieren? Dieser Essay hat zum Ziel, diese Frage zu beantworten.
Der erste Teil dieser Arbeit wird sich mit der Theorie von Andreas Reckwitz auseinandersetzen, insbesondere mit dem Konzept des Übergangs von der sozialen Logik des Allgemeinen zur sozialen Logik des Besonderen. Reckwitz entwickelt ein Analyseraster für die Theorie der Moderne, das auf zwei Gegensatzpaaren beruht: "doing generality" gegen "doing singularity" und "doing rationality" gegen "doing value". Mit diesen Konzepten werden spezifische soziale Logiken beschrieben, die die Grundlage für soziale Praktiken bilden.
Der zweite Teil dieser Arbeit wird sich auf die Klassifikation von Qualität im deutschen Weingesetz konzentrieren. Die gesetzlichen Regelungen im Spannungsfeld zwischen dem Weingesetz von 1971 und seiner Novellierung im Jahr 2021 werden unter dem theoretischen Rahmenwerk von Reckwitz' Singularisierungstheorie analysiert. Das Weingesetz von 1971 legte den Fokus auf Standardisierung und Formalisierung, was zu einer Entsingularisierung der Weinklassifikation führte.
Schließlich wird in dieser Arbeit der Blick in die Zukunft gerichtet. Es wird darauf hingewiesen, dass die neuen herkunftszentrierten Qualitätskategorien, die in der Novellierung des Weingesetzes von 2021 eingeführt wurden, den Prozess der Singularisierung deutscher Weine weiter vorantreiben werden. Darüber hinaus wird aufgezeigt, dass weiterführende Forschung in diesem Bereich möglicherweise die Abnahme der Bedeutung von Genossenschaften und die Hervorhebung der Einzigartigkeit einzelner Winzerinnen und Winzer oder die architektonische Singularisierung von Weingütern erforschen könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Vom doing generality zum doing singularity
- Das Weingesetz zwischen Großlagen und Großen Lagen
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay analysiert die Entwicklung der deutschen Weinklassifikation im Kontext der Theorie des Wandels von der sozialen Logik des Allgemeinen zur sozialen Logik des Besonderen, die von Andreas Reckwitz entwickelt wurde.
- Die soziale Logik des Allgemeinen und des Besonderen nach Andreas Reckwitz
- Die Entwicklung der deutschen Weinklassifikation von 1971 bis heute
- Die Bedeutung des Terroirs für die Weinklassifikation
- Die Rolle des Verbunds Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) in der Weinklassifikation
- Die Novellierung des Weingesetzes von 2021
Zusammenfassung der Kapitel
Vom doing generality zum doing singularity
Der erste Teil des Essays erläutert die Theorie der sozialen Logik des Allgemeinen und des Besonderen nach Andreas Reckwitz. Reckwitz beschreibt, wie die Moderne durch eine Verschiebung von der Standardisierung und Generalisierung hin zur Singularisierung geprägt ist. Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit den Praktiken der Beobachtung, Bewertung, Hervorbringung und Aneignung im Kontext beider sozialen Logiken.
Das Weingesetz zwischen Großlagen und Großen Lagen
Im zweiten Teil des Essays wird die Entwicklung der deutschen Weinklassifikation im Kontext der Theorie der Singularisierung analysiert. Das Weingesetz von 1971 fokussierte auf Standardisierung und Massenproduktion, was zu einer Entsingularisierung von Weinen führte. Die Einführung des VDP-Klassifikationsmodells ab 1996, das den Fokus auf Terroir und Individualität legt, repräsentiert hingegen einen paradigmatischen Ausdruck des doing singularity. Die Novellierung des Weingesetzes von 2021 spiegelt diese Verschiebung wider und setzt den Grundsatz "je enger die Herkunft, desto höher die Qualität" um.
Schlüsselwörter
Soziale Logik, Singularisierung, Terroir, Weinklassifikation, Weingesetz, VDP, Doing Generality, Doing Singularity, Industrielle Moderne, Produktionskrise
- Arbeit zitieren
- Keke Kürvers (Autor:in), 2023, Von Großlagen zu Großen Lagen. Die Klassifikation deutscher Weine zwischen der Logik des Allgemeinen und der Logik des Singulären, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1405172