Mächtige Burgen, die auf Bergspornen thronen, die Landschaft beherrschen und von Rittern und Adeligen bewohnt und umkämpft werden. Dieses Bild prägt bis heute die mehrheitsfähige Wahrnehmung der Epoche des Mittelalters. Dabei gewann das heutige Bild dieser Epoche erst in der Mittelalterrezeption des 19. Jahrhunderts seine bekannten Konturen und auch das Bauwerk der Burg erhielt nach Zeiten geringem Interesses in Wiedererrichtungen und historistischen Neubauten zunehmende Intensität.
Exemplarisch soll diese Entwicklung am Bauprojekt der preußischen Hohenzollern zur Wiedererrichtung ihrer Stammburg betrachtet werden. Einer Dynastie, die aufgrund ihrer Bedeutung für die Nationalstaatsbildung und ihrer aktiven Anteilnahme an der Bildung von Nationalmythen eine Verdichtung dieser Phänomene ermöglichte. Welche Ambitionen verbanden die hohenzollerischen Erbauer vor diesem Hintergrund nun mit der Wiedererrichtung der Stammburg Hohenzollern und inwiefern lagen Vorstellungen über die Epoche des Mittelalters dieser Entwicklung eines historistischen Burgenbaus zugrunde?
Mit dieser rezeptionsgeschichtlichen Fragestellung können die kunstgeschichtlichen und literaturwissenschaftlichen Aspekte des Themengebietes nur peripher in den Blick der Ausarbeitung geraten. Die Quellengrundlage bildet vornehmlich die Veröffentlichung des hohenzollerischen Haushistorikers Rudolf Maria von Stillfried-Alcantara zur Geschichte und Einweihung der Burg, an deren symbolischer Formulierung er selbst einen wesentlichen Anteil hatte, sowie eine private Korrespondenz des Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen in einer frühen Phase der Idee zur Wiedererrichtung.
Den Beginn bildet dabei die Einordnung in Bezug auf die historischen Grundlagen und Formen der beginnenden facettenreichen Mittelalterrezeption. Sodann werden der historistische Burgenbau und seine allgemeine Symbolik im 19. Jahrhundert zur Einordnung des darauffolgenden Beispiels der Burg Hohenzollern skizziert. Diesen Kapiteln folgt die Betrachtung der Burg in ihrer Verbindung zu der territorial getrennten preußischen Dynastie, die Analyse von ersten Wiedererrichtungsansätzen, veränderten Ausgangsbedingungen seit der Mitte des Jahrhunderts und der letztendlichen öffentlichen Einweihung im Zentrum der Reichsgründungsepoche. In den abschließenden Bemerkungen werden zuletzt Entwicklungslinien in der Mittelalterrezeption aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Der Beginn des 19. Jahrhunderts und die Bedeutung für die Mittelalterrezeption
- 2.1. Voraussetzungen in Politik und Gesellschaft
- 2.2. Der Einfluss des Mittelalters im Geschichtsbewusstsein
- 3. Die Burg in der Mittelalterrezeption des 19. Jahrhunderts.
- 4. Die Wiedererrichtung der Burg Hohenzollern
- 4.1. Preußen, Hohenzollern und die Burg - Ansätze der Annäherung
- 4.2. Symbolische Aufladung und Funktionalisierung der Burg
- 4.3. Die Einweihung der Burg 1867 und ihre Funktion
- 4.3.1. Das Bild der Feierlichkeiten in einem Reiseführer
- 4.3.2. Die symbolische Herrschaftsvermittlung am Hohenzollern
- 5. Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Wiedererrichtung der Burg Hohenzollern im 19. Jahrhundert und beleuchtet dabei die Verbindung von historistischem Burgenbau und Mittelalterrezeption. Die Arbeit analysiert die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse, die zur Wiedererrichtung der Burg führten, und untersucht die Rolle der Hohenzollern-Dynastie in diesem Prozess. Dabei wird der Fokus auf die Bedeutung des Mittelalters für die Selbstdefinition der Hohenzollern im Kontext der Nationalstaatsbildung und der Entstehung von Nationalmythen gelegt.
- Die Rolle des Mittelalters in der Geschichtswahrnehmung des 19. Jahrhunderts
- Die Entwicklung des historistischen Burgenbaus im 19. Jahrhundert
- Die Bedeutung der Burg Hohenzollern als symbolisches Monument der Hohenzollern-Dynastie
- Die politische und kulturelle Funktion der Burg im Kontext der Reichsgründung
- Die Ambivalenz der Mittelalterrezeption zwischen idealisierter Vergangenheit und kritischer Gegenwartsbetrachtung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Mittelalterrezeption im 19. Jahrhundert ein und skizziert den Forschungsstand und die Methodik der Arbeit. Das zweite Kapitel beleuchtet die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Mittelalterrezeption im Kontext der Jahrhundertwende. Dabei wird die Bedeutung der Aufklärung und der französischen Revolution sowie der Einfluss des Historismus auf das Geschichtsdenken und die Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts beleuchtet. Das dritte Kapitel analysiert den Einfluss des Mittelalters auf das Geschichtsbewusstsein des 19. Jahrhunderts und untersucht die verschiedenen Perspektiven auf diese Epoche. Die Entwicklung des positiven Mittelalterbildes im Kontext der Nationalidee und der Rolle des Bürgertums in der Formulierung dieses Bildes werden dabei betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Mittelalterrezeption, Historismus, Burgenbau, Symbol, Nationalmythos, Hohenzollern-Dynastie, Preußen, Reichsgründung und 19. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Lukas Funke (Autor:in), 2023, "Vom Fels zum Meer". Mittelalterrezeption im historistischen Burgenbau. Die Burg Hohenzollern, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1399357